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Von Hochleistungsdenken zur Partnerschaft
Leistungsdruck in unserer Wegwerfgesellschaft – Oder: Wohin wollen wir tatsächlich?

Wir Menschen sind klug, denn wir planen. Ohne Ziele, die uns anspornen, wäre das Leben langweilig. Viele Aufgaben, die wir uns selbst stellen, geben Energie und Kraft. Doch wir müssen aufpassen, wenn die Ansprüche zu groß werden. Wir verlieren dann aus den Augen, was uns guttut, und funktionieren nur unter Druck. Ein zentrales Thema dieser Zeit, die mit wachsendem Lebensstandard immer schnelllebiger wird.

Wir Menschen bewegen uns in einer Hochleistungsgesellschaft, sind diszipliniert und bekommen von klein auf beigebracht, in diesem System zu funktionieren. Doch das hat seinen Preis, wenn der Stress zu groß wird. Burn-out und Depressionen sind die Folgen, sowohl für uns Menschen als auch für unsere Pferde. Leistungsdruck zerstört vieles, was wir suchen, wonach wir uns tief im Innern sehnen: Ruhe und Zeit, Verständnis für- und miteinander.

Unsere – selbst und von außen – gesetzten Anforderungen übersteigen oft das, was wir tatsächlich zu leisten vermögen. Die Wohnung, das Auto, der Job, aber vor allem die Familie, unsere Kinder und unser Pferd benötigen Zeit. Dabei gerät schnell alles aus den Fugen, wenn das System, das wir um uns herum aufgebaut haben, Lücken bekommt, Pläne nicht mehr aufgehen, wir unter Stress nicht mehr hinhören, nicht mehr mitempfinden können und uns gegenseitig nicht mehr verstehen.

Familienstreitigkeiten und Krankheiten können schnell jene Existenz gefährden, für die man das ganze Leben hart gearbeitet hat. Ruhe für die Seele hatte da selten Raum, wir agieren nur noch im Vorwärts. Und doch bleibt das nagende Gefühl, nie anzukommen. Der Preis für unseren Komfort ist hoch.


(Foto: Christiane Slawik)

Stress macht krank – Erkenntnis ohne Folgen?

Lernen wir, wieder zu sehen, was unser Herz braucht, welche Schätze wir um uns herum vorfinden, anstatt immer nur hektisch zu suchen, was uns an Materiellem fehlt.

Unsere Werte und Aufgaben haben sich verändert. Am wichtigsten scheint heute die Leistungsfähigkeit zu sein. Bei den Kindern geht das im Allgemeinen spätestens nach Schulbeginn los – Wertigkeiten der Person werden durch Schulnoten festgelegt, fernab von jeder Suche nach Talenten und Förderung der persönlichen oder sozialen Fähigkeiten. So ist unsere Gesellschaft reich an Wohlstand, jedoch ärmer an sozialen Kompetenzen geworden.

Die meisten Menschen arbeiten hart, unter anderem für ihre Gesundheitsvorsorge und ihre Rente. Dadurch kommen sie oft an ihr Limit und werden krank. Dabei wissen wir doch längst, dass die Ursache vieler heutiger Krankheiten Stress ist. Wir stehen unter Druck, damit bringen wir unsere Seele und letztendlich unseren Körper in einen dauerhaften Ausnahmezustand.

Wer in diesem System aus der Reihe tanzt, dabei den Anschluss in der Schule oder im Job versäumt, hat es in unserer Gesellschaft schwer. Zeit und Platz für die nötige Selbstfindung gibt es für diejenigen nicht, die sich in dieser Abwärtsspirale drehen. Psychische und physische Störungen sind die Antworten.

Die Familien werden kleiner, soziale Netzwerke ersetzen die früheren Großfamilien mit dem entlastenden Austausch untereinander. Das gemeinsame Tischgespräch zu festgelegten Essenszeiten erscheint in manchen Familien schon fast altertümlich. Eltern und Großeltern leben nicht mehr zusammen, sondern sind über weite Entfernungen verstreut. Dadurch fehlt es an Stabilität und vor allem an sozialem Lernen, das früher in Großfamilien von Kindesbeinen an selbstverständlich war. Dazu gehörte auch, die jeweilige Persönlichkeit wahrzunehmen, die Fähigkeit, das Potenzial eines jeden zu erkennen und dieses zu nutzen. Denn jeder hat eine Aufgabe und sollte tun, was er am besten vermag, um für die Gesellschaft von Nutzen zu sein.

Allerdings sind unsere Chancen für die individuelle Selbstverwirklichung heutzutage größer als je zuvor. Zu keiner Zeit hatten wir so viel Freizeit, verbunden mit einem durchaus komfortablen Leben voller Möglichkeiten.

Eine der größten Herausforderungen unserer Zeit besteht darin, wieder das zu finden, was uns guttut, und zu wählen, wie wir unsere wertvolle Lebenszeit verbringen möchten. Nur in dieser täglich neu zu treffenden Entscheidung liegt echte Freiheit.

Diese Entwicklung drängt uns in eine neue Form von Stress. Wir sollten entschleunigen, sollten die Überholspur immer wieder verlassen, um die wahren Werte des Menschseins und unsere tatsächliche Lebensaufgabe nicht zu vergessen.

Pferde unter Druck – im Menschensystem funktionieren

Wie wir selbst soll auch unser Pferd „funktionieren“. Es reist von Fohlenbeinen an weite Strecken, muss sich schnell umstellen und neu einfügen können. Neue Ställe oder auch Besitzerwechsel sind an der Tagesordnung. Dabei sollte es perfekt für unseren Sport einsetzbar sein, danach wird es gewertet und gehandelt. Der Leistungsverweigerer findet keinen Platz in diesem Denken. Ähnlich den Menschen muss auch das Pferd mit dem Druck fertigwerden, den wir ihm zumuten.

Es muss sich nach Wunsch reiten lassen, gut funktionieren. Als Reitschulpferd, Turniercrack, muss es seine Termine artig erfüllen. Einfach nur Pferd sein, in einem stabilen sozialen Umfeld, das sich Herde nennt, ist in vielen Gegenden nur schwer möglich.


(Foto: Christiane Slawik)

Pferde können nicht sprechen, sodass wir Menschen es eindeutig und unüberhörbar verstehen; ihnen fehlt ein Schmerzlaut, wenn ihnen die Umstände nicht passen oder sogar wehtun. Pferde erdulden lange. Dabei können sie durchaus depressiv werden; die Liste der Verhaltensstörungen und Degenerationserscheinungen in Gefangenschaft ist lang. Weggesperrt in kleinen Boxen müssen sie, wenn sie dann einmal herauskommen, sofort das tun, was sich Reiter für sie ausgedacht haben.

Die Starken sind da, um den Schwachen zu helfen.

Das Pferd muss funktionieren, auch bei dem Reiter, der es grob behandelt und nicht hinhört, wenn es sich auf seine Weise wehrt, erst vorsichtig, dann immer massiver. So sollte zum Beispiel ein Pferd ein Dressurpferd werden. Es wird jahrelang dahin getrieben, obwohl es überhaupt nicht geeignet ist. Die Vorstellungen und Ansprüche des Menschen bestimmen das Leben des Pferdes bis in den letzten Winkel seines Daseins – mit oft für beide erschreckenden Konsequenzen.

Es fehlen Zeit und Bewusstsein, oft auch einfach das Wissen, um genau hinzuhören, was unser Pferd uns sagen möchte. Missverständnisse und Überforderung sind also an der Tagesordnung. Eine Vollbremsung und eine Richtungsänderung erfolgen selten.

Dass Krankheit oder Widersetzlichkeit durch artfremde Lebensumstände und Stress hervorgerufen werden, für diese Einsicht ist im Denken der Pferdemenschen wenig Platz. Auch hier fehlt es an Zeit, Geduld und Geld, um nach Hintergründen zu suchen, sich fachliches Wissen zum komplexen Geschöpf Pferd und zum anspruchsvollen Reitsport anzueignen und in der Folge problematische Haltungs- und Umgangsformen zu verändern.

Also werden Pferde krank, wie ihre Menschen entwickeln sie Magengeschwüre und Allergien durch Stressfaktoren, wie einen Stallwechsel oder ähnliche Veränderungen. Dass Pferde unreitbar werden oder ihre Leistung nach einem Stall- oder auch Reiterwechsel einbricht, zeigen Beispiele auch aus dem großen Turniersport.

Die Schuld, warum plötzlich nichts mehr klappt, wird gern irgendwelchen Krankheiten zugeschoben. Mit den wahren Gründen möchte kaum einer etwas zu tun haben. Das Erkennen und vor allem das Annehmen der Bedürfnisse unseres Gegenübers, hier dem Pferd, fehlen oft gänzlich.

Unsere Pferde brauchen keine bunte Welt und jeden Tag etwas Neues. Sie zeigen uns, wie sie am glücklichsten sind: in einer stabilen Herde, mit genügend Bewegung und ausreichend gutem Futter. Aller sonstige Überfluss ist Erfindung der Menschen.


(Foto: Christiane Slawik)

Burn-out beim Pferd? – Körperliche Schmerzen als Auslöser für Arbeitsverweigerung

Es können sicherlich auch körperliche Probleme Gründe dafür sein, wenn ein Pferd sich nicht mehr reiten lässt oder Schwierigkeiten im Umgang auftreten. Antworten werden bei Experten gesucht. Pferdebesitzer geben heute sehr viel Geld für die verschiedensten Heilmethoden aus, um für ihre wertvollen Tiere Hilfe zu finden. Doch meistens kann der beste Therapeut für körperliche Leiden keine eindeutige Ursache finden, wenn die Pferde sich verweigern. Der Besitzer zahlt gern für Behandlungen, hat er doch die Verantwortung für das Problem abgewälzt. Denn Antworten werden gesucht in einem System, wo Fakten und Zahlen das Denken beherrschen. Dabei verlässt sich der Besitzer oftmals auf die Aussage des Tierarztes und blendet die eigene Aufgabe aus. Das Zutrauen in die eigene Wahrnehmung und der Mut für Veränderung wurden schon längst abtrainiert.

Der Unterschied zwischen dem domestizierten Tier und dem erwachsenen Menschen ist, dass Menschen für sich auswählen können, welche Entscheidungen sie treffen. Unsere Tiere können es nicht.

Die Ursachen für so manche Probleme werden schnell in dem ausgerenkten Wirbel oder der verspannten Schulter gesucht. Doch leider liegt in den meisten Fällen das Problem ganz woanders. Pferde wehren sich aus verschiedenen Gründen, die aber immer direkt mit einem Schmerz oder Unwohlsein in der entsprechenden Situation zu tun haben. Das bedeutet, auch wenn ein Pferd lahmt und dieser Schmerz sich nicht nur beim Reiten zeigt, wird das Pferd sich deshalb nicht gegen das Reiten wehren. Reißt jedoch der Reiter beim Reiten so fest am Zügel, dass es dem Pferd im Maul immer wieder Schmerzen bereitet, wird es – früher oder später – versuchen, sich der Situation zu entziehen – um sich selbst zu retten.

Wenige Pferde verweigern ihre Arbeit gänzlich, auch wenn gerade irgendwas wehtut. Sie liefen früher in Kriegen, zogen Kutschen, bis sie zusammenbrachen, leisteten jeden Job auch unter Schmerzen.

Warum tun sie das? In ihrer Herde befolgen Pferde immer in der Rangreihenfolge die „Anweisungen“ des Ranghöheren. Das ist überlebenswichtig, denn funktionieren sie als Mitglied in ihrer Gemeinschaft nicht, werden sie verjagt; sie bringen als Störfaktor die Herde in Gefahr. Das ist sicherlich auch der Grund, warum sie im Lauf der Evolution keinen Schmerzlaut entwickelt haben. Würden sie als Beutetier schreien, wenn sie erlegt werden, würde auch das die ganze Herde in Gefahr bringen, denn es würde Feinde auf die Herde aufmerksam machen. Würden Pferde wegen Verletzungen oder Schmerzen der Herde nicht mehr folgen, könnten sie allein nicht lange überleben. Sie müssen folgen, sich bedingungslos anschließen und sich von einem Herdenführer – auch vom Menschen – dominieren lassen, nur dann ist ihnen Schutz sicher.


(Foto: Christiane Slawik)

Wir müssen Verantwortung übernehmen für unser Tun. Leiden zu erzeugen im Dienst unseres Luxuslebens, anderen Wesen zu schaden, um schnell unsere Bedürfnisse zu befriedigen, ist ein Unglück, das auf uns selbst zurückfällt.

So ist es zumindest in ihren Instinkten festgelegt. Leider ist es oft ein Fehlschluss, einem Menschen zu trauen. Denn er gibt nicht in jedem Fall Sicherheit, sondern verlangt Gehorsam, manchmal über alle Grenzen hinaus. Und so lässt sich unser starkes Pferd leicht zähmen und dominieren, auch wenn es dadurch Schmerzen erleiden und aushalten muss, denn es ist ein äußerst friedliches Wesen.

Arbeitsverweigerung oder andere Probleme, die nur in Gefangenschaft beim Pferd auftreten, haben ihre Ursache wohl am häufigsten in gegenseitigen Missverständnissen. Auch von Missbrauch darf die Rede sein. Ein Tier, das ursprünglich (oder von seiner Natur her) in Freiheit lebt, muss Dienste leisten, die bei ihm Stress auslösen, körperlich und psychisch. Der Tierarzt wird erst gerufen, wenn nichts mehr geht, dann der Physiotherapeut oder ein Heilpraktiker. Alle tun ihr Bestes und erstellen vielleicht auch körperliche Befunde. Oder der dritte neue Sattel muss angeschafft werden. Dabei wäre eine artgerechtere Haltung oder ein veränderter Umgang vonseiten der Menschen oder besseres Reiten oftmals die einzige erfolgreiche Therapie.

Es fehlt an spezialisierten Psychologen oder umfassend ausgebildeten Reitlehrern und Trainern für die Pferde, die sich professionell mit den Bedürfnissen der Tiere auseinandersetzen und zielgerichtet helfen können. Denn es gibt mehr psychische Probleme beim Pferd, als viele glauben. Unarten wie Koppen, Weben, Stangenschaben sind Beispiele dafür. Pferde widersetzen sich durch Bocken und Steigen, Treten, Beißen oder mit Arbeitsverweigerung. Pferde können wie wir unter Depressionen, Ängsten, Unwohlsein, Bewegungsmangel, Über- oder Unterforderung leiden. Der Weg zur Mitarbeit ist so einfach wie anspruchsvoll: Freude, Lob, artgerechte Haltung und ein vernünftiger Umgang mit diesem sensiblen Lebewesen.

Zusammenhänge mit unserer Lebensart, wie wir mit unseren Kindern und uns selbst umgehen, werden hier klar. Kinder werden schon in sehr frühen Jahren fremd, außerhalb der Familie, betreut. Eltern verlieren durch den gesellschaftlichen Druck und durch Mangel an Zeit ihr ureigenes Gefühl für das, was notwendig ist – das Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Stattdessen werden Experten zurate gezogen, diverse Therapeuten, Psychologen und Ärzte zur Kindererziehung befragt. Neueste Krankheiten wie ADHS werden er- oder gefunden und schlimmstenfalls noch medikamentös behandelt.

Egal, ob wir auf uns, unsere Kindern oder unsere Pferde schauen, wir sind am Limit und brauchen Hilfe. Doch wie können wir uns aus den Zwängen, die wir uns teils selbst-, teils fremdbestimmt geschaffen haben, befreien? Denn die Zeit ist reif für den Umkehrschwung in die Richtung, die uns und unseren Pferden guttut.

Der letzte Ausweg?

Wenn in den Augen des Besitzers keine bessere Lösung in Sicht ist, wird das Pferd abgegeben, gegen ein neues ausgetauscht oder es wird sogar ganz aus dem Verkehr gezogen. Viele landen beim Schlachter oder werden eingeschläfert. Andere wiederum gehen von Hand zu Hand, müssen zahlreiche Besitzerwechsel auf sich nehmen, das Pferd mehr als jedes andere Tier. Schnell werden diese stolzen Tiere zum Ballast, den man nicht vor der Tierheimtür entsorgen kann.

Druck erzeugt immer Gegendruck

Unsere Seele, unser wahres Sein finden wir nur in Ruhe, in den Pausen, im Innehalten. Dann erst können wir unsere Intuition wahrnehmen und lernen, ihr zu vertrauen.

Ein berühmtes Dressurpferd ist das jüngste Beispiel dafür, dass gute Leistung nur dann stattfinden kann, wenn auch das Umfeld stimmt. Als Spitzensportler ließ er die Menschen voller Bewunderung staunen. Dann wurde er verkauft. Durch den Reiterwechsel und unter dem großen Druck, unter dem er und sein junger Reiter sich kennenlernten, funktionierte er plötzlich nicht mehr. Der Hengst fühlte sich nicht wohl und zeigte das deutlich; er rebellierte, konnte mit seinem Reiter keine Harmonie finden. Es fehlte an der nötigen Zeit und Ruhe, dass sich Pferd und Reiter richtig aufeinander einstellen konnten.

Dabei zeigt der Hengst uns, wie so viele andere Pferde auch, dass zu starkes Festhalten an den von Menschen aufgestellten Plänen und Aufgaben einen Rückschritt auslösen kann. Flexibilität und Ruhe sind oft der einzige Weg zu einer gelungenen Partnerschaft. Gutes Reiten ist ein Zusammenkommen zweier Seelen. Um uns richtig auszutauschen, benötigen wir Verbundenheit – von Pferd und Mensch wie von Mensch und Mensch. Und nur darum geht es im Leben.

Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, umgeben von Leistungsdruck. Scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten und exponentiell wachsendes Wissen bringen uns täglich an unsere Grenzen. Wir verlernen dabei das Gefühl für richtig und falsch; es fehlt Zeit zum Zuhören, wie es uns, unserem Umfeld und unserem Pferd am besten geht. In einem guten Leben steckt viel mehr, als Lektionen und Aufgaben auswendig zu lernen und diese perfekt zu beherrschen; es geht darum, Zeit und Ruhe für ein gutes Miteinander zu finden, damit wir uns besser verstehen. Nur so wird sich der ersehnte Erfolg von ganz allein einstellen.

Pferde zeigen uns den Weg

Jeder Reiter kennt eine solche Situation nur zu gut: Der junge Fuchswallach Watson scheut, er möchte unter keinen Umständen in diese gruselige Ecke der Reithalle laufen. Es riecht dort nach Monstern. Watson macht einen großen Bogen und scheut erneut. Doch der Mensch auf seinem Rücken kapiert es wieder nicht. Paul, sein Reiter, bekommt indes wertvolle Tipps vom Reitlehrer und von anwesenden Reitern. Allesamt kennen sie strenge Erziehungsmaßnahmen, die so gelehrt wurden. Nun wird alles ausprobiert, etliche Male. „Setz dich durch!“ – „Nimm die Gerte!“ – „Du bist der Chef!“ Doch es hilft nichts. Watson widersetzt sich immer heftiger. Er läuft rückwärts, steigt. Beim letzten Versuch macht er einen großen Satz zur Seite und Paul liegt im Sand. Schuld ist der verrückte Gaul. Mit welchem Gefühl das Paar nun den Reitplatz verlässt und wie sie sich zum nächsten Reiten wiederbegegnen, können wir nur erahnen.

So kämpfen wir gegen das Pferd, das aus seinen eigenen, für uns unerfindlichen Gründen, meistens aus Angst, verweigert. Zwingen wir jedoch das Pferd mit Gewalt, durch die verhasste Ecke zu laufen, wird dieser Platz, und vielleicht auch die Beziehung Pferd und Reiter, mit etwas Negativem behaftet bleiben und uns vermutlich immer wieder Schwierigkeiten bereiten.

Die meisten Reiter haben es so oder so ähnlich erlebt: Zu viel Druck, und das Pferd läuft rückwärts. Der Reiter schickt es mit Gerte und Sporen vorwärts. Das Pferd steigt, wehrt sich gegen den Zwang. Es hat Angst vor dem Reiter und vor dem imaginären Grund, warum es scheut. Alles ist durcheinander.

Doch zum Glück haben wir die Freiheit, einen anderen Weg zu finden, der uns die Situation erleichtert. Die neue leichte Form wäre, den Druck herauszunehmen: Wenn Watson nicht in diese schlimme Ecke mag, dann geht das aus seiner Sicht nicht. Paul sollte das für den Moment akzeptieren. Er ist der Reiter und möchte seinem Pferd etwas vermitteln: dass es sich nicht fürchten muss, dass es ihm als Reiter vertrauen kann.

Nachdem Watson in der Ecke scheute, reitet Paul gleich auf die gegenüberliegende Seite der Reithalle. Er lobt ihn für Übungen, die Watson ohnehin gut beherrscht, und gibt ihm somit Sicherheit. Wenn die beiden sich dann wieder miteinander wohlfühlen und Watson im Vertrauen freudig mitarbeitet, erst dann reiten die beiden vertrauensvoll langsam in die Nähe der „bösen“ Ecke und biegen rechtzeitig vorher ab. Paul führt ihn, ohne Watsons Grenzen zu übertreten.

Schließlich lässt er ihn leichte Übungen in der Nähe der Gruselecke wiederholen. Eine Volte auf dem Zirkelpunkt, dann wieder ganze Bahn. Bis Sicherheit zu spüren ist. Paul ist jetzt der gute „Leader“, er gibt Halt, gibt eine gangbare Richtung vor und sucht die Zusammenarbeit, keinen Streit. Er lobt Watson deutlich, mit klaren Worten, streichelt seinen Hals, dafür, dass Watson so brav mitarbeitet. Der ganze Stress ist plötzlich verflogen. Der Wallach ist damit beschäftigt, alles erwartungsgemäß zu machen, als sie wieder in die Nähe der Ecke kommen. Doch mit ein bisschen Stimme und Lob läuft er mit einem schrägen Blick durch, und alles ist gut.

Ein toller Erfolg. Paul schaffte das alles in nur zehn Minuten. Völlig ohne Druck. Watson vertraut ihm nun, und es wird in Zukunft viel weniger solcher Momente geben. Denn Paul führt sein Pferd so, dass es sich immer sicher fühlen kann. Und das ist für Pferde nun mal das Wichtigste – und für uns eigentlich doch auch.


(Foto: Christiane Slawik)

Geben wir souverän eine Lösung vor, mit der sich alle wohlfühlen, werden wir in Zukunft gern gefragt werden.

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