Читать книгу: «Zu nah am Abgrund», страница 4
Wir hatten erst Mittagszeit, sonst wäre jetzt noch ein Bier fällig geworden. Eigentlich sollte um dreizehn Uhr der Spuk vorbei gewesen sein und jetzt wurden die Typen in Bremen nacheinander einkassiert.
Von London aus mussten wir unbedingt mit Wolfgang telefonieren, der wusste bestimmt mehr über den Ablauf in Bremen. Bis dahin mussten wir uns in Geduld fassen.
An Bord hatten wir einen Vorfall, der die weitere Reise stark beeinflussen sollte. Einer unserer Matrosen musste in London von Bord und ins Krankenhaus. Für Ersatz war schon gesorgt, aber was da an Ersatz an Bord kam, war eine einzige Katastrophe. Ein Albino! Weiße Haare, schneeweiße Haut und Augen wie aus Eiskristall, ohne jegliches Gefühl, einfach eiskalt. Dieser Typ machte uns das Leben an Bord zur Hölle. Er hatte zum Schluss die ganze Mannschaft, bis hin zum Kapitän, fest in seiner Hand. Ein Tyrann wie er im Buche stand. Ein Horrorfilm war im Vergleich zu dem, was wir in den folgenden Wochen erleben sollten, ein Kinderfilm.
Das Erste, was wir in London machten, war die Übergabe der Ware, die wir aus Hamburg mitgebracht hatten, zu organisieren. Also telefonieren, den Code angeben, Treffpunkt der Übergabe festlegen. Zwischendurch habe ich den Briefkasten aufgesucht, um zu sehen, ob Nachrichten da waren, was natürlich der Fall war. Also hatten wir diesmal zwei Aufträge auszuführen, was nicht selten der Fall war. Beim ersten haben wir die Ware aus Hamburg übergeben und beim zweiten Treffen mit einer ganz anderen Gruppierung haben wir Ware für Südamerika bekommen.
Es lief auch diesmal alles ohne Probleme, schnell und routiniert ab, so dass wir noch an diesem Abend mit Wolfgang telefonieren konnten. Von ihm erfuhren wir, was wirklich in Bremen abgelaufen war. Big Boss und das Führungsteam hatten sich an meinem Plan gehalten und alles so in die Wege geleitet, wie es abgesprochen war. Nur die einzelnen Gruppierungen selbst hielten sich nicht an die Abmachung.
Sie dachten, dass die schnelle Art besser sei, also in die Stadt fahren, draufhauen und alles kaputt machen und schnell wieder raus, als mein umständlich geplanter Ablauf, bei dem noch nicht einmal alle am Bahnhof hätten mitmachen können.
Auch die Sonderteams hielten sich nicht an die Absprachen, sie dachten wohl auch, diesen Spaß kann man sich nicht entgehen lassen und auch sie fuhren deshalb direkt zum Bahnhof. Dass so viel Eigenmächtigkeit das ganze Unternehmen zum Scheitern bringen könnte, das haben sie nicht bedacht. Das war mal wieder ein tolles Beispiel dafür, dass Muskelkraft allein nichts bringt. Nur die Kombination von Muskelkraft und Verstand ist gefährlich und führt zum Erfolg. Damit war das Thema Bremen abgehakt, das Gebiet Bremen war fürs erste von Rockergangs gesäubert. Die Polizei konnte mit ihrer Arbeit zufrieden sein.
Unser Schiff nahm unterdessen Kurs auf Panama und für uns begann das Drama an Bord. Mit dem Albino!
Nach und nach hatte er die ganze Crew unter seiner Kontrolle gebracht und terrorisiert. Wir, das waren Horst, die beiden Jungmänner (Auszubildende im zweiten Lehrjahr) und ich, bekam es schon am frühen, nächsten Morgen zu spüren. Es war erst vier Uhr am Morgen, als unsere Tür ausgerissen wurde, der Albino reingestürmt kam und uns anschrie, wir sollten aufstehen. Wie um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, hielt er uns sein Messer an die Kehle und drohte uns, diese auch durchzuschneiden, wenn es nicht schneller ginge.
Dazu muss man wissen, dass er kein normales Messer benutzte, dieses Exemplar hatte einen Griff aus Elfenbein und dafür mehrere passende Einsätze. Der Messergriff war so gearbeitet, dass die drei verschiedenen Zusätze darin Platz fanden und innerhalb von Sekunden ausgewechselt werden konnten.
Er hatte die Auswahl zwischen einem zweischneidigen Messer, einen Mahlspieker und einem Teil, an dem die eine Seite aus einer Säge bestand und die andere als Miniaxt einsetzbar war. Durch einen Knopf im Griff konnte er diese Teile schnell wechseln, ohne auch nur ein Teil in die Hand zu nehmen.
Die einzelnen Teile waren so in der Scheide eingelassen, dass er den Griff einfach nur über die Nut stecken und einrasten lassen musste. Die Teile hatten eine Länge von fünfzehn bis dreißig Zentimeter, mit dieser Waffe war nicht zu spaßen, schon gar nicht, wenn man erlebt hat, wie er damit umgehen konnte.
Auf diese Art und Weise wurden wir nun Tag für Tag geweckt. Nur die Zeit variierte, mal kam er schon um ein Uhr dann wieder erst um fünf Uhr. Gerade so, wie er es wollte. Mal kam er mit dem Messer, ein anderes Mal mit dem Beil und wenn er gerade Lust darauf hatte, dann floss auch mal etwas Blut. Aber das war nicht alles, auch während des Tages ließ er uns seine „Macht” spüren und schikanierte uns rund um die Uhr, wo er nur konnte, durch zusätzliche Arbeiten und hinterhältige Attacken.
Zu allen nur erdenklichen Zeiten ließ er uns aufstehen, um irgendwelche Arbeiten zu verrichten, dann konnten wir uns wieder in unsere Kojen legen, nur um kurze Zeit später wieder von ihm geweckt zu werden.
Ganz besonders viel Spaß hatte er an einem Messerspiel, dabei hielt er unsere Hand so auf dem Tisch fest, dass sie mit gespreizten Fingern wie angenagelt dalag, dann zog er sein Messer und stach ganz schnell zwischen den einzelnen Fingern hin und her. Manchmal ritzte er die Finger dabei auf, es hätte aber auch schlimmer kommen können. Bei diesem Spiel, das oft in den Hafenkneipen gespielt wurde, wird sonst immer gewettet, wie lange man das ohne Verletzung schafft und dabei sind schon so manche Finger auf der Strecke geblieben.
Man kann sich sicher vorstellen, dass wir dabei immer Blut und Wasser geschwitzt haben, vor allem dann, wenn er das im angetrunkenen Zustand machte. Das zog sich so bis Chile hin, unsere Nerven lagen blank und wir hatten die Nase voll. Wir berieten uns zu viert und kamen überein, dass der Albino von Bord musste.
Da er in der Zwischenzeit die ganze Crew unter Kontrolle hatte, vom Smutje bis zum Kapitän, war das gar nicht so leicht zu bewerkstelligen. Es gab niemanden an Bord, der uns hätte helfen können oder wollen. Es war also Eigeninitiative angesagt. Wir begannen einen Plan zu entwerfen, um ihn zu beseitigen. Es musste auf jeden Fall an Land geschehen, dadurch würde kein Verdacht auf uns fallen. In Chile verschwanden schon mehrere Seeleute.
Nur dieses Vorhaben war gar nicht so einfach zu bewerkstelligen. Wir hatten keinerlei Informationen über ihn, was er so an Land machte und wohin er immer ging. Wer sollte uns diese Informationen geben? Freunde, mit denen er über seine Vorlieben und Gewohnheiten redete, hatte er ja nicht. Uns blieb also nichts anderes übrig, als ihn zu beschatten, um dann spontan und schnell zu handeln. Wir erstellten einen Plan, in dem organisiert war, wer ihn wie lange beobachten und beschatten sollte. Das klappte, wie wir meinten, an Bord auch ganz gut und ohne großes Aufsehen. Nur als er an Land ging fing es an, schwierig zu werden. Wie sollten wir uns untereinander benachrichtigen, wenn es etwas Wichtiges zu berichten gab oder wenn sich kurzfristig eine Gelegenheit bot, ihn zu beseitigen? Wir vier teilten uns deshalb in zwei Gruppen ein. Aus dem Hinterhalt würden zwei von uns bestimmt eine Möglichkeit haben, ihn zu erledigen, dazu nahmen wir unsere Messer mit an Land.
Während die anderen zwei damit beschäftigt waren, den Albino zu beschatten, erledigten Horst und ich unsere Briefkasten- und Botengänge.
So langsam wurden sie uns zur Routine, deshalb mussten wir uns immer wieder zur Sorgfalt und Vorsicht ermahnen, uns war klar, dass bei diesen immer wieder gleichen Abläufen die Gefahr bestand, nachlässig zu werden und wir uns zu sehr in Sicherheit wiegten.
Also machten wir es uns zur unumstößlichen Gewohnheit, Augen und Ohren immer offen zu halten, egal was wir auch machten. Wieder an Bord erfuhren wir, dass die beiden Jungs, die den Albino beschattet hatten, zwar eine Gelegenheit gehabt hätten, ihn zu erledigen, es aber leider nicht getan haben. Na ja, auch verständlich, was erwartete ich denn von Sechzehnjährigen. Zumindest konnten sie uns erzählen, was er alles gemacht hatte. Unsere Hoffnung war, dass er am nächsten Tag das Gleiche tun würde, dann hätten wir vielleicht eine Chance, unseren Plan in die Tat umzusetzen.
Am nächsten Morgen wurden wir wieder auf „Albinoart” geweckt und das bestärkte uns nur noch mehr in der Absicht, ihn zu beseitigen. Wir waren durch den monatelangen Psychoterror so ausgelaugt, dass uns alles egal war, wir wollten nur noch ein schnelles Ende dieser nervenaufreibenden Zustände. Wir gingen früh von Bord und warteten hinter einem Schuppen darauf, dass auch der Albino an Land ging. Es dauerte sehr lange bis es so weit war, doch dann kam er endlich die Gangway herunter und ging in Richtung Stadt. Unauffällig schlichen wir hinterher.
Wir mussten eine ruhige, dunkle Stelle finden, um ihn zu schnappen und es musste schnell gehen. Wir durften es nicht auf eine offene Konfrontation ankommen lassen, da wir keine Chance gegen ihn hatten. Wir mussten aus dem Hinterhalt agieren, ihn überraschen. Aber genau so ein Hinterhalt bedurfte eigentlich einer genaueren Planung, aber dafür hatten wir nicht genügend Zeit. Also war die Devise, so weitermachen wie bisher.
Er mied dunkle Ecken, ging immer in der Straßenmitte und bewegte sich schnell und geschmeidig. Punkte, die einen Zugriff unmöglich machten. Er hatte auch die Erfahrung, sich durch ständiges Wechseln der Richtungen und durch die Beobachtung seiner Umgebung zu schützen.
An diesem Abend fanden wir keine Möglichkeit mehr, ihn verschwinden zu lassen und auch in den nächsten Häfen sollte das nicht anders sein. In unserer Verzweiflung dachten wir auf der Rückfahrt schon daran, einen Killer anzuheuern, der ihn an Land einfach ausschalten sollte. Solche Personen gab es hier in Südamerika wie Sand am Meer, für Geld bekam man eben alles. Selbst mir hatte man schon einmal so einen Job angeboten und deshalb kannte ich auch die Risiken derjenigen, die solche Leute suchen. Das war auch der Grund, warum wir zögerten. Den Killer mussten wir vorher bezahlen oder wenigstens anzahlen und wir hatten keine Möglichkeit zu verhindern, dass er mit dem Geld einfach verschwinden würde, ohne seinen Auftrag auszuführen. So hatte der Albino das Glück, bis Hamburg zu überleben.
Der Kapitän hatte wohl auch die Nase von ihm voll und deshalb der Reederei Bescheid gesagt, dass sie eine Ablösung für ihn schicken sollten. Denn kaum hatten wir in Hamburg festgemacht, stand auch schon seine Ablösung an der Pier.
Als wenn er es gerochen hat, dass ich hier in Hamburg am längeren Hebel sitze, war er so schnell von Bord verschwunden, dass es niemand sofort bemerkte. Ich hatte Wolfgang schon angerufen und informiert, dass wir ein paar Jungs gebrauchen könnten, die uns auf ihre spezielle Art und Weise von diesem Ungeheuer befreien sollten und er hatte uns seine Hilfe zugesagt. Auch eine sofortige Suche nach ihm verlief ergebnislos. Er verschwand auf nimmer Wiedersehen aus meinem Leben, so schnell und endgültig, wie er aufgetaucht war.
Eine Zeitlang danach habe ich noch einige Erkundigungen eingezogen um herauszubekommen, wo er sich herumtreibt und habe in Erfahrung bringen können, dass er auf einem ausländischen Schiff angeheuert hatte und nach Asien gefahren war.
Meine weitere Suche verlief hier endgültig im Sand und ich hatte auch keine Lust mehr, mir für diesen Typ noch mehr Arbeit zu machen. Als ich später meiner Mutter von ihm erzählte und den Namen erwähnte, sagte sie ganz erstaunt, dass sie ihn kenne. Er war immer ein sehr freundliches Kind, hat sie mir erzählt und konnte es nicht glauben, als ich meine Geschichte erzählte. Sie war damals Kindergärtnerin gewesen und hatte ihn dort in ihrer Gruppe gehabt. Dieser Teufel musste gewusst haben, wer ich bin!
Kapitel 8
Heute
Langsam wurde es etwas kühler und ich schaute auf die Uhr, es war nach Mitternacht.
„Wollen wir ins Bett gehen mein Schatz“, fragte ich Eva.
„Schade“, antwortete sie, „ es war gerade so spannend. Aber du hast Recht, morgen ... ach nein, heute ist ja auch noch ein Tag“, sagte sie lachend und stand auf.
„Ich schau noch einmal in den Pferdestall ob alles in Ordnung ist, bis gleich Liebes“, sagte ich zu ihr und ging langsam um das Haus herum zum Stall.
* * *
Eva ging ins Haus brachte das Geschirr in die Küche und dachte dabei:
‚Carlo beschäftigt irgendetwas. Er macht so ein nachdenkliches Gesicht, er macht sich über irgendetwas Gedanken und Sorgen. Ich glaube, ich werde ihn etwas ablenken und überraschen wenn er gleich kommt.‘
Sie ging ins Badezimmer und legte ihre Kleidung ab, bei dem Gedanken, was sie gleich vorhatte, wurde es ihr schon ganz warm. Sie duschte sich lauwarm ab und ging dann ins Schlafzimmer. Sie schlug die Bettdecke zurück und ein wohliger Schauer der Lust lief ihr über den Rücken. Sie hörte Carlo ins Haus kommen und in die Dusche gehen, sie war voller Vorfreude und Sehnsucht nach ihm. Das warme Gefühl zwischen ihren Schenkeln bereitete sich langsam über ihren ganzen Körper aus. Als sie hörte, wie die Dusche abgestellt wurde, legte sie sich nackt auf das Bett. Die Tür ging auf und Carlo kam nackt und vor Feuchtigkeit glänzend in das Schlafzimmer. So wie er da im Türrahmen stand, mit seinen 175 cm und der athletischen Figur, braun gebrannt mit grau melierten kurzen Haaren, machte er sie noch heißer.
* * *
Ich war auf dem Weg zum Stall. Es war ruhig, kein Auto war zu hören, kein Flugzeug, nur die Geräusche der Natur. Da kam aus dem dunklen Stall ein Schatten auf mich zugeflogen.
„He Blacky, alles klar im Stall? Mach langsam, nicht so stürmisch.“ Schwanz wedelnd stand er vor mir und ich streichelte ihm über den Kopf und kraulte seinen Nacken. Er lief neben mir her in den Stall.
Ich sah in die einzelnen Boxen und begrüßte sie und freute mich schon auf den heutigen Vormittag, wenn wir zusammen ausreiten würden, dann gab ich Blacky noch etwas Leckeres für die Nacht. Es waren alle versorgt und ich ging langsam zurück ins Haus, um mich für die Nacht fertig zu machen. Mein Weg führte mich gleich unter die Dusche, wo ich mir wohlig das lauwarme Wasser über den Körper laufen ließ und zum Schluss den Wasserhahn auf kalt drehte.
Als ich ins Schlafzimmer kam, sah ich Eva auf dem Bett liegen, wie Gott sie erschaffen hatte. Lange schlanke Beine, Ein Meter siebzig groß, schwarze, lange Haare und dunkle, unergründliche Augen.
„He du! Seemann. Komm und nimm mich endlich! Oder muss ich mir jemanden anderes ins Bett holen?“ Ich ging zum Bett und legte mich zu ihr. Langsam fingen wir an, uns zu liebkosen und streichelten uns mit den Händen. Ich küsste ihre Brustwarzen und spielte mit meiner Zunge. Sie stöhnte leicht auf und streckt mir ihre Brüste noch mehr entgegen. Meine Hände glitten langsam über ihre Schenkel hinauf zu ihrem Venushügel. Ihre Hände streichelten suchend über meinen Körper. Wir liebten uns in dieser Nacht so, als wenn es unsere letzten Stunden wären. Stürmisch, fordernd und zärtlich zugleich.
Am Morgen wurden wir durch das Bellen von Blacky geweckt. Im Sommer hatten wir immer die Fenster offen stehen, sie waren nur durch ein Fliegengitter geschützt. Ich sprang aus dem Bett und schaute aus dem Fenster Richtung Meer. Hier war nichts zu sehen, also lief ich in die Küche und sah vorne raus, zum Stall.
Da sah ich, wie zwei Männer langsam dem Weg vom Berg herunter und auf unser Haus zukamen. Blacky stand sichernd am Stall und rührte sich nicht vom Fleck, nur seine Nackenhaare standen aufrecht als Zeichen dafür, dass er voll angespannt war.
Da ich nackt war, ging ich ins Schlafzimmer, um mir eine Hose anzuziehen und ein Polohemd überzuziehen. Dann sagte ich zu Eva, dass wir ungebetenen Besuch bekommen und sah zu, dass ich nach draußen zu Blacky kam. Gerade bog ich um die Hausecke, als die beiden den Weg zum Haus einschlugen. Ich rief Blacky zu mir. Er kam angeschossen wie ein Blitz und sah die beiden lauernd an.
„Buon giorno“, sprach ich die beiden an, blieb stehen und ließ sie auf mich zukommen. So konnte ich sie eingehend betrachten und mir ein Bild von ihnen machen.
„Guten Morgen“, sagten sie fast gleichzeitig und streckten mir ihre Hände zum Gruße entgegen.
„Sprechen Sie vielleicht auch deutsch?“, fragten sie mich.
„Ja, das tue ich”, antwortete ich, ohne ihnen die Hand zu geben.
„Oh schön! Dann müssen wir nicht unser dürftiges Italienisch ausgraben.“
„Wie kommen Sie den hierher?“, fragte ich die beiden.
„Ja, wir sind einfach den Feldweg nachgegangen und wollten ans Meer“, antwortete der links Stehende.
„Da kommen Sie auf diesem Weg zwar hin, aber Sie befinden sich auf einem Privatgrundstück“, gab ich zur Antwort.
„Entschuldigung! Das tut uns leid, das wussten wir nicht. Da gehen wir mal wieder zurück“, sagte der Zweite und sie wandten sich ab, um wieder zur Straße zurückzugehen.
„Ich werde Sie zurückbegleiten“, sagte ich, während ich mich den beiden anschloss.
„Komm Blacky!“, sagte ich zu ihm und er lief neben mir her.
„Ist gut mein Bester, komm wir gehen ein wenig spazieren”, redete ich weiter zu ihm, um ihn etwas zu beruhigen. Ich sah noch einmal zurück und bemerkte, dass Eva am Fenster stand. Ich gab ihr ein Zeichen, dass wir in fünfzehn Minuten wieder zurück sein würden.
„Gehört das alles Ihnen?“, fragte mich einer der beiden.
„Ja, ist unser Altersruhesitz“, gab ich ihnen zur Antwort und tätschelte Blacky den Kopf.
„Da haben Sie sich aber ein schönes Fleckchen Erde ausgesucht, genau wie der Hund. Ist ein sehr schönes Tier.“ Ich nickte nur, ohne darauf zu antworteten. Auf diese Art von Konversation hatte ich so früh am Morgen und ohne Frühstück keine Lust. Ich war nur gespannt, was diese beiden Herren wirklich hier wollten, denn groß verlaufen konnte man sich hier wirklich nicht und ein Hinweisschild Privat-Grundstück war sogar in vier Sprachen unten am Weg angebracht.
„Machen Sie Urlaub auf Sardinien?“, stellte ich neugierig meine nächste Frage.
„Nein! Eigentlich sind wir geschäftlich hier, wir haben heute nur etwas Zeit und wollten schwimmen gehen.“
In der Zwischenzeit waren wir über den Hügel gekommen und man konnte unten die Straße, die zum Dorf führte, erkennen. Hier gab es keinen Parkplatz und ich sah einen Wagen direkt in unserer Wegeinfahrt vor dem geschlossenen Tor stehen.
„Ist das Ihr Wagen?“, fragte ich und deutete mit der Hand hinunter zu dem Fahrzeug.
„Ja“, war die kurze und knappe Antwort. Ich blieb stehen und sagte:
„Fahren Sie einfach auf der Straße weiter Richtung Stadt. Dort finden Sie dann auch einen Weg, der Sie ans Meer führt.“
„Danke und noch einen schönen Tag wünschen wir Ihnen.“
Ich blieb stehen und beobachtete sie weiter, bis sie in den Wagen stiegen, losfuhren, und den Weg zur Stadt einschlugen. Erst als sie außer Sichtweite waren, drehte ich mich um und ging nachdenklich zurück zum Haus. Irgendetwas hat mir an diesen beiden Kerlen nicht gefallen. Erst als wir am Frühstückstisch saßen, erzählte ich Eva die Geschichte mit den beiden.
„Ich glaube, wir sollten für Blacky noch ein oder zwei Spielkameraden holen, damit er nicht so alleine ist. Außerdem kann es auch nicht schaden, ein wenig mehr für unsere Sicherheit zu tun“, sagte ich und biss ein Stück vom Landbrot mit Blütenhonig ab. Sie sah mich nachdenklich an und sagte dann zu mir:
„Meinst du denn, dass die beiden etwas anderes wollten als nur ans Meer zu gehen?“
„Keine Ahnung. Aber mein Gefühl sagt mir, dass etwas nicht in Ordnung ist. Wir sollten nach dem Frühstück mal rüber reiten zu Luciano und mit ihm reden. Vielleicht ist ihm ja in letzter Zeit etwas im Dorf aufgefallen.“
Luciano war Leiter unserer Polizeistation und ziemlich auf Draht. Er war immer über alles bestens informiert, was in dieser Gegend so passierte und er war immer sehr wachsam.
„Ja, das machen wir. Ich freue mich schon auf unseren Ausritt. Dann könnten wir aber auch gleich rüber zu Betti reiten, um zu sehen, ob sie noch zwei schöne Hunde für uns hat.“
„Das ist eine gute Idee, wir lassen Blacky aber heute lieber hier“, sagte ich und nahm mir noch ein Stück von dem Landkäse.
„Ich räume gleich ab und du kannst ja schon einmal die Pferde satteln“, sagte sie fröhlich und voller Vorfreude, als wenn nichts gewesen wäre.
Nach dem Frühstück zog ich mir die Reithose an, ging zum Stall und fing schon an, die Pferde zu satteln. Als Blacky das sah, tollte er schon voller Freude auf den Ausritt, um mich herum.
„Tut mir leid Blacky, aber heute musst du hier bleiben und auf das Haus aufpassen.“ So, als wenn er es verstanden hätte, zog er sich schmollend in eine Ecke zurück.
Ich nahm die beiden Pferde an die Zügel und ging Richtung Haus, als mir Eva auch schon entgegenkam. Sie sah einfach wieder umwerfend aus in ihrem Reiterdress. Die Lederhose, das karierte Hemd mit dem Schal um den Hals, das betonte ihre Figur ungemein. Wir stiegen auf und da kam auch schon Blacky angelaufen. Ich zeigte aufs Haus und sagte zu ihm:
„Platz, mein Guter. Heute bleibst du hier, musst auf das Haus aufpassen.“ Er sah zu Eva, in der Hoffnung, dass sie vielleicht was anderes sagte. Aber auch sie wiederholte den Befehl noch einmal. Daraufhin legte er sich auf die Terrasse und sah uns nicht mehr an, wir ritten los und genossen die Ruhe und die Natur.
Eigentlich wollten wir hier zurückgezogen unseren Lebensabend verbringen und genießen. Die Geschäfte sollten von unserem Geschäftsführer und den Abteilungsleitern weitergeführt werden. Aber wenn schon zwei Typen wie die beiden heute Vormittag hier herumliefen, würde es doch noch mal Zeit, sich selbst um diese Geschichte zu kümmern. Außerdem würde es sicher nicht schaden, hier gewisse technische Einrichtungen zur Sicherung installieren zu lassen.
Außer drei Personen wusste bis jetzt niemand in unserer Firma, dass wir hier auf Sardinien ein Haus hatten und uns hier öfter aufhielten. Unsere Chefsekretärin Barbara Rausch, die in der Zentrale alle Geschäftseingänge und Anfragen bearbeitete und an die jeweiligen Abteilungen verteilte. Bei schwierigen Entscheidungen nahm sie Verbindung über das Handy mit uns auf. Dann Peter Steiner, der Geschäftsführer unserer Holding und Manfred, Leiter der Operation Group.
Durch eine Erbschaft, Aktiengeschäfte und den Verkauf von Immobilien bauten Eva und ich uns ein neues Leben auf, ein Leben mit der E + K Holding GmbH. Ein Unternehmen, das wir nach und nach vergrößerten und das aus mehreren Firmen bestand.
Speditionen, ein Autohaus, ein Unternehmen für Personen- und Objektschutz, das in ganz Europa seine Büros hat. Wir hatten Anteile an einem Elektrokonzern und kauften uns Sportschulen dazu, um unsere Leute unauffällig ausbilden zu können. So hatten wir die Möglichkeit, unsere Operation Group unbemerkt aufzubauen. Wir wollten im Hintergrund aktiv sein. Der Sinn dieser Operation Group war, Personen zu helfen, die sich alleine nicht helfen konnten.
Wir wurden bei Entführung oder Erpressung gerufen, um zu helfen, wir suchten Vermisste, wir befreiten Entführte aus den Händen der Geiselnehmer und unterstützen auch Behörden, wenn sie alleine nicht so konnten wie sie gern wollten, weil die Gesetzgebung zu starr und unflexibel war. Wir agierten weltweit, aber unsere Auftraggeber kamen meist aus dem europäischen Bereich. Es gab nur zwei Möglichkeiten, mit der Operation Group Kontakt aufzunehmen, die erste war über Manfred Kaminski, Leiter der Operation Group. Er hatte sein Büro in der Firmenzentrale, hier liefen auch alle Fäden zusammen. Er hatte den totalen Überblick über alle Aktionen und deren Stand. Die zweite Möglichkeit der Kontaktaufnahme war über unseren Firmen Anwalt und Freund Dietmar Pfeiffer.
Er hatte in Deutschland mehrere Soziteten eröffnet, wobei wir ihm halfen. Er selbst war eigentlich immer nur für uns tätig, es gab bei den Aktionen immer etwas zu tun. Da wir bei unseren Einsätzen auch immer die Rechtslage des jeweiligen Landes berücksichtigen mussten und ab und zu hart an der Grenze agieren, war er uns immer eine sehr große Hilfe. Seine sehr guten Kontakte zu ausländischen Kanzleien waren uns immer sehr hilfreich.
Unsere Operation Group besteht aus mehreren Teams, die alle eines gemeinsam haben, alle Angehörigen der Teams wurden einmal ausgebildet zum Auskundschaften, Vernichten oder auch zum Töten. Es waren ehemalige KSK Soldaten (Kommando-Spezialkräfte), denen man nachsagte:
‚Keiner sieht sie kommen. Keiner weiß, dass sie da sind.
Und wenn ihre Mission beendet ist, gibt es keinen Beweis dafür, dass sie jemals da waren‘, französische Söldner, Soldaten der U.S. Special Forces (Green Berets), der britischen Special Air Service (SAS) und den U.S. Navy Seals sowie Bodyguards, ausgebildet für den Personen- und Objektschutz, waren in unserer Truppe tätig. Wir waren eine verschworene Gemeinschaft, die ihr Erlerntes und ihr Können nur noch für einen Zweck einsetzen wollen, anderen zu helfen!
Unsere Operation Group bestand aus zwei Komlei Bussen, die im Norden und im Süden Europas stationiert sind, einer im Raum Berlin und einer im Süden, in Nord-Italien. Diese Busse waren besetzt mit sieben Personen Stammpersonal, alles Techniker, Kommunikations- und Computerfachleute. Zu jedem Bus gehörten acht, zwei Mann- bzw. Frauenteams, die wir bis auf zehn Teams aufstocken konnten. Dazu griffen wir auf unsere Bodyguards vom Personen- und Objektschutz zurück. Zur Gruppe von einem Komlei Buss gehörte ein Techniker-Truck, der die nötigen Fahrzeuge transportiert und technisch wartet, im Track gab es Motorräder und Autos.
Zu den Komlei Teams Nord und Süd gehörten: ein Bus, ein Track bestückt mit vier Motorrädern und zwei Wagen und acht Teams mit acht Fahrzeugen. Die sich aber nicht immer im Umkreis vom Bus befinden mussten. Vier dieser Teams waren in einem Umkreis von 200 bis 300 Kilometern um den Bus verteilt. Nur vier Teams befanden sich direkt beim Bus. Alle Fahrzeuge hatten über ein gemeinsames Kommunikationsnetz die Möglichkeit, sich alles auf ihre in den Fahrzeugen eingebauten Monitore geben zu lassen. Die Komlei Busse bilden in diesem Fall den Dreh- und Angelpunkt des Geschehens und überwachen auch das Datennetz.
Dann hatten wir noch ein Küstenmotorschiff, die MS „Freya“ und zwei Motorjachten, die „Sea King“ und die „Sea Princess“ im Mittelmeer liegen. Zwei Learjets und Hubschrauber waren zum Transportieren der Mannschaft oder Kunden da.
Es war genug Kapital vorhanden, um gut leben zu können und uns eben diesen Lebenstraum erfüllen zu können, Armen und Schwachen zu helfen, die sonst keine Hilfe zu erwarten hatten. Weil wir gewissen Staaten auch da halfen, wo sie selbst nichts machen konnten, haben wir dadurch gewisse Freizügigkeiten erlangt.
In der Zwischenzeit waren wir bei Luciano im Dorf angekommen, setzten ab, banden unsere Pferde fest und gingen in die Polizeistation.
„Guten Morgen Luciano“, begrüßte ich ihn, „wie geht es deiner Familie?“
„Guten Morgen Luciano“, begrüßte ihn auch Eva.
“Buon giorno Signora Eva, dottore. Danke der Nachfrage und wie geht es euch beiden?“
„Wie du siehst, sind wir beide bei bester Gesundheit und guter Laune. Luciano, heute Morgen hatte ich eine sonderbare Begegnung mit zwei Männern. Sie haben sich bei uns auf dem Grundstück herumgetrieben und sich als Geschäftsleute ausgegeben. Als ich sie angesprochen habe, sagten sie, sie hätten sich verlaufen. Aber wir haben, wie du ja weißt, überall Schilder mit der Aufschrift Privat-Grundstück stehen und sogar in mehreren Sprachen. Weißt du etwas über die zwei Fremden hier im Dorf?“
Luciano sah uns fragend an und meinte dann:
„Was meinst du mit sonderbarer Begegnung?“
„Na ja, sie verhielten sich eben nicht wie Touristen, sie stellen mir einfach zu viele Fragen.“ Er sah uns nachdenklich an:
„Ist irgendetwas passiert, dass ihr annehmen könntet, dass es keine Touristen sind?“
„Ihr Verhalten und ihre Kleidung war auf keinen Fall touristisch. Sie schauten sich sehr interessiert das Grundstück und das Haus an. Wenn Blacky sich nicht gemeldet hätte, wären sie unbemerkt bis ans Haus gekommen.
Deshalb haben wir uns entschlossen, etwas mehr für die Sicherheit zu tun. Wir reiten auch gleich weiter zu Betti und holen uns noch zwei Hunde dazu.“
„Gut, ich werde mich umhören und das mit den Hunden finde ich sehr gut. Betti hat die besten, da könnt ihr euch drauf verlassen“, er griff zum Telefon und wählte eine Nummer.
„Werde mal im Hotel nachfragen. Wenn überhaupt, dann werden die bestimmt dort abgestiegen sein.“
„Guten Tag Rosa, hier ist Luciano. Haben sich bei euch zwei Gäste aus Deutschland einquartiert? Gut - sei so lieb und bring mir doch die Anmeldeformulare heute noch rüber, ciao Rosa.“ Er legte den Hörer auf und wandte sich an uns.
„Ja, du hattest Recht. Im Hotel sind gestern zwei Männer aus Deutschland abgestiegen, sie wollen bis übermorgen bleiben.“
„Wir danken dir sehr, Luciano. Bis später Luciano, ich komme noch mal vorbei, um mir die Daten der beiden anzusehen, wenn du nichts dagegen hast.“
„Nein, komme ruhig, die Anmeldeformulare liegen dann eben hier im Korb“, sagte er und zeigte auf einen Aktenkorb neben dem Telefon.
„Danke Luciano. Ciao“, sagte ich und wir gingen nach draußen, nachdem sich auch Eva von ihm verabschiedet hatte. Wir stiegen auf die Pferde und ritten weiter zu Betti, die ihr Haus am Dorfrand hatte. Während wir unterwegs waren, tat ich etwas, was man sonst nicht unbedingt auf einem Pferd tun sollte. Ich nahm mein Handy und telefonierte mit Peter Steiner, unserem Geschäftsführer.
„Guten Morgen Peter, wie geht es bei euch?“
„Guten Morgen Carlo, du weißt doch, wenn du nichts von uns hörst, geht alles seinen gewohnten Gang. Was liegt dir auf dem Herzen, du rufst doch nicht nur an um dich nach uns zu erkundigen?“