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Читать книгу: «Old Surehand III», страница 28

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»Und ich gäbe dich nicht wieder her!«

»Das würden wir wohl sehen! Denkst du etwa, ich würde die Scheidung beantragen, ohne die richtigen Scheidegründe zu haben?«

»Die giebt es nicht!«

»Mehr als genug!«

»Sag nur einen einzigen!«

»Da ist er gleich: mangelhafte Ernährung; das ist doch einer!«

»Siehst du etwa schlecht genährt aus?«

»Ich nicht, aber du! Ich gebe an, daß ich meine Frau nicht ernähren kann, und wenn man mir das nicht glaubt, so stelle ich dich zur Betrachtung hin. Wer dann dich ansieht und immer noch glaubt, daß ich für dich genug zu essen habe, der kann sich einrahmen und als Traumbild an die Wand hängen lassen!«

»Was mir an der Fülle fehlt, das gebe ich in der Länge zu!«

»Was nützt mir eine Frau, die so lang ist, daß ich ihr nicht zuweilen »den Kopf waschen« kann? Du weißt wohl, was ich damit meine?«

»Yes!«

»Diese Prozedur ist nämlich zuweilen sehr notwendig bei dir, altes Coon. Du bist zu Zeiten ein solcher Querkopf, daß man gar nicht mehr weiß, wohin man ihn dir zu richten hat.«

»So laß ihn, wie und wo er ist! Der deinige steht auch nicht immer da, wo er zu stehen hat; das kann ich dir sehr leicht beweisen.«

»Nun, wie?«

»Denk nur an das Baby der grauen Bärenmutter! Balgt sich dieser dicke Mensch mit einem Grizzly herum, als ob er mit ihm eben aus der Schule käme! Man sieht es deiner Haut noch heute an, was für eine würdevolle Rolle du dabei gespielt hast!«

»Ob ich sie gespielt habe, oder ob sie der Bär gespielt hat, das bleibt sich ganz gleich, wenn sie überhaupt nur gespielt worden ist! Auch ist es mir ganz unbegreiflich, wie du von unserer Verheiratung weg auf diese Rolle kommen kannst! Sprich lieber von ‚was Besserem, zum Beispiel davon, was wir mit dem »Generale« machen werden, wenn er in unsere Hände fällt!«

»Nichts ist leichter gesagt als das!«

»Nun?«

»Wir bezahlen ihn mit gleicher Münze. Er wird auch in einen Baum gespannt. Meiner Ansicht nach hat er das reichlich verdient.«

»Da gebe ich dir natürlich recht. Ich werde mit der größten Wonne helfen, für ihn einen Baumspalt herzurichten, in dem er noch viel besser singen soll, als Old Wabble, der arme Teufel, in dem seinigen gesungen hat. Er wird eingespannt; es bleibt dabei!«

Der Gerechtigkeitssinn der beiden Freunde hatte ganz dasselbe getroffen, was das alte Testament und was auch das Wüstengesetz der mohammedanischen Beduinen verlangt: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Blut um Blut. Es gab, höchstens außer Hammerdull und Holbers, keinen einzigen unter uns, der nicht eine Rechnung mit diesem sogenannten Generale auszugleichen hätte. Schahko Matto wollte ihn wegen Mord und Betrug zur Rechenschaft ziehen; Treskow suchte ihn wegen anderer Verbrechen; von Winnetou und mir will ich nicht sprechen. Und Apanatschka und Kolma Puschi? Diesen beiden war er mehr, viel mehr als uns anderen allen zusammen schuldig. Denn daß er und sonst niemand der lang gesuchte Dan Etters war, darüber gab es bei mir nicht den geringsten Zweifel. Das Fehlen der oft erwähnten Zahnlücken konnte mich nicht irre machen, da es ja falsche Zähne giebt, die es überhaupt schon bei den alten Ägyptern gab. Daß niemand, selbst Old Surehand nicht, auf diesen Gedanken gekommen war, erschien mir geradezu als unbegreiflich. Dieser Etters war mir so sicher, daß ich schon jetzt daran dachte, welche Strafe man für ihn wohl in Vorschlag bringen müsse.

Später wurde ich zu Kolma Puschi gerufen, und ich kann sagen, daß während dieses Rittes so viel gesprochen und erzählt, so viel gefragt und geantwortet wurde, wie wohl selten auf einem andern. Darüber verging der Nachmittag, und es brach der Abend herein, ohne daß wir nur daran gedacht hatten, daß es so schnell dunkel werden könne. Wir hatten vor, jetzt noch nicht anzuhalten, denn der Mond stand am Himmel und mußte uns heut, ehe er unterging, eine gute halbe Stunde leuchten. Da konnten wir noch reiten.

Die Sonne war schon längst verschwunden, als wir in eins der sanft ausgeworfenen Thäler einbogen, welche dem Park von San Louis die ihm eigentümliche Terrainbewegung geben. Da sahen wir eine Fährte von der Seite herkommen, welche die gleiche Richtung nahm. Die Untersuchung derselben zeigte, daß sie von drei Pferden stammte und höchstens eine halbe Stunde alt sein konnte. Ich dachte sofort an den Medizinmann mit seiner Squaw und dem Packpferde.

Winnetou hatte denselben Gedanken, wie ich aus dem Blicke merkte, den er mir zuwarf. Es nahte wieder eine Scene!

Wir trieben unsere Pferde mehr an und ritten schweigend weiter. Winnetou hing, weit vornübergebeugt, im Sattel, um sich die Spuren nicht entgehen zu lassen, doch waren sie schon nach zehn Minuten nicht mehr zu sehen. Der Schein des Mondes begann zwar zu wirken, doch war er zu schwach, unsern Augen in Beziehung auf diese Fährte zu Hilfe zu kommen. Ich stieg also mit Winnetou ab. Wir ließen unsere Pferde führen und gingen voran, uns von Zeit zu Zeit tief zum Boden niederbückend, ob die Eindrücke noch vorhanden seien. So verging die Zeit, und der Mond wollte untergehen. War es da nicht besser, jetzt hier zu lagern und die Spur morgen früh wieder aufzunehmen?

Noch während wir uns mit dieser Frage beschäftigten, bemerkten wir einen Brandgeruch, den uns der leise Wind entgegenbrachte. Das Feuer, von dem er kam, mußte eben jetzt erst angezündet worden sein, sonst hätten wir ihn schon eher gespürt. Wir baten die Gefährten, zu warten und gingen leise weiter. Es dauerte nicht lange, so gab es in der Thalmulde rechts eine kleine, von Baumwipfeln überschattete Bucht, in welcher wir das Feuer brennen sahen. Wir legten uns auf die Erde und krochen näher, denn wir sahen drei Pferde und zwei an dem Feuer sitzende Personen, konnten aber nicht erkennen, wer sie waren. Als wir nahe genug gekommen waren, erkannten wir sie. Winnetou flüsterte:

»Uff! Der Medizinmann und seine Squaw!«

»Ja, sie sind es; ganz so, wie wir dachten,« stimmte ich bei.

»Nehmen wir ihn gefangen?«

»Wie mein Bruder will.«

»Wenn wir ihn ergreifen, haben wir ihn zu schleppen; lassen wir ihn aber noch laufen, so ist es möglich, daß er uns doch noch entgeht. Es ist also doch besser, wenn wir ihn festnehmen?«

»Ich stimme bei. Wollen wir erst die andern holen?«

»Nein. Wir nehmen ihn gleich so fest, daß er sich nicht wehren kann.«

Wir schoben uns so weit an das Feuer heran, wie es möglich war, ohne daß wir gesehen werden mußten. Die Squaw aß, der Mann hatte sich faul in das Gras gestreckt.

»Jetzt!« sagte Winnetou leise.

Wir standen auf, sprangen hin und warfen uns auf ihn. Er stieß einen Schrei aus und bekam meine Faust zweimal an den Kopf; da war er still. Wir banden ihn mit seinem eigenen Lasso; dann ging Winnetou, die Gefährten zu holen, denn es war bequem, gleich hier an diesem Orte zu übernachten. Sie kamen und stiegen von ihren Pferden. Die Squaw bekümmerte sich nicht um uns; sie hatte auch nichts gesagt, als wir ihren Mann festnahmen. Apanatschka nahm seine Mutter bei der Hand, führte sie an das Feuer, zeigte auf die Squaw und sagte:

»Das ist Tibo wete Elen!«

Ellen war nämlich der christliche Name Tokbelas.

Kolma Puschi blickte eine ganze Weile stumm auf die Squaw nieder und sagte dann mit einem tiefen, tiefen Seufzer:

»Das soll meine liebliche, meine schöne Tokbela sein?«

»Sie ist es,« bekräftigte ich.

»Mein Gott, mein Gott, was ist da aus der schönsten Tochter unsers Volkes geworden! Wie muß da auch ich verändert sein!«

Ja, sie waren beide schön, sehr schön gewesen; aber das Alter, das Leben in der Wildnis und der Wahnsinn hatten den »Himmel« – denn Tokbela heißt »Himmel« – so entstellt, daß ihre Schwester Zeit brauchte, sie wieder zu erkennen. Kolma Puschi wollte zu ihr niederknieen, um sich mit ihr zu beschäftigen, da aber sagte Winnetou zu ihr:

»Meine Schwester hat den Mann noch nicht angesehen; sie mag sich aber einstweilen noch verbergen, denn das Bewußtsein wird ihm jetzt zurückkehren. Er soll nicht gleich bemerken, wer sich hier befindet. Hinter den Bäumen ist ein Versteck.«

Mit diesen Worten waren auch die andern gemeint, welche der Aufforderung folgten und sich verbargen, so daß Thibaut nur Winnetou und mich sehen konnte, wenn er erwachte.

Wir brauchten nicht lange zu warten, so bewegte er sich und schlug die Augen auf. Als er uns erkannte, rief er:

»Der Apatsche! Und Old Shatterhand! Uff, uff, uff! Was wollt ihr von mir? Was habe ich euch gethan, daß ihr mich bindet?«

»Daß wir Euch schon wieder binden, wollt Ihr sagen,« antwortete ich. »Wir folgen da einer alten, guten Gewohnheit, von der wir nicht lassen mögen, weil sie sich vortrefflich bewährt hat.«

»Aber man überfällt und bindet doch nur dann einen Menschen, wenn man einen Grund dazu hat! Habe ich euch einen gegeben?«

»Schon wiederholt!«

»Auch jetzt wieder?«

»Direkt eigentlich nicht, aber indirekt.«

»Indirekt? Uff, uff! Was heißt das?«

»Schweigt mit Euern »Uffs«, und gebärdet Euch nicht immerfort als Indianer! Der Taschenspieler Thibaut wird wohl noch wissen, was man unter direkt und indirekt zu verstehen hat! Nicht?«

»Verflucht! Taschenspieler?«

»Ja, Taschenspieler, Fälscher, Dieb, Gauner, Räuber, Falschmünzer, Mörder und sonst dergleichen. Ihr hört, es ist eine lange Reihe von Koseworten, welche alle vortrefflich auf Euch passen.«

»Oder vielmehr auf Euch!«

»Pshaw! Ihr wolltet für jetzt wissen, warum wir Euch schon wieder einmal gebunden haben. Ich will es Euch gern sagen: Ihr sollt nicht zu zeitig zu dem verabredeten Stelldichein erscheinen.«

»Stelldichein? Ihr faselt wohl?«

»Das weniger!«

»Wo sollte das sein?«

»Am Devils-head.«

»Wann?«

»Am sechsundzwanzigsten September.«

»Ihr pflegt zwar stets gern in Rätseln zu sprechen, wie ich schon erfahren habe, heut aber ist es mir ganz und gar unmöglich, zu erraten, was Ihr meint!«

»So will ich nicht sagen, am sechsundzwanzigsten September, sondern am Tage des heiligen Cyprian. Das werdet Ihr wohl besser verstehen.«

»Cyprian? Was geht mich dieser Heilige an?«

»Ihr sollt an seinem Namenstage am Devils-head eintreffen.«

»Wer hat das gesagt?«

»Dan Etters.«

»Donnerwetter!« fuhr er auf. »Ich kenne keinen Dan Etters!«

»So kennt er Euch!«

»Auch nicht!«

»Nicht? Er schreibt Euch doch Briefe!«

»Briefe? Habe keine Ahnung!«

»Briefe auf Leder, die Schrift mit Zinnober gefärbt. Ist das nicht wahr?«

»Hole Euch der Teufel! – Ich weiß von keinem Briefe etwas!«

»Er steckt in Eurer Satteltasche.«

»Stänkerer! Ich glaube gar, Ihr habt meine Sachen durchsucht!«

»Natürlich!«

»Wann denn?«

»Wann es mir beliebte! Nach meiner Berechnung würdet Ihr einen Tag vor dem Namensfeste des heiligen Cyprian nach dem Devils-head kommen; darum haben wir Euch ein wenig festgebunden, damit Ihr Euch verweilen sollt. Was wollt Ihr denn so zeitig dort! Habe ich recht?«

»Ich wollte, Ihr wäret mitsamt Eurem Cyprian da, wo der Pfeffer wächst!«

»Ich glaube wohl, daß Ihr das gerne wünscht, doch ist es mir leider nicht möglich, Euch diesen Wunsch zu erfüllen, denn ich werde anderswo gebraucht.«

»Sagt einmal, wer ist denn eigentlich der Wawa Derrick, von dem Eure Squaw zuweilen redet? Ich möchte das doch gar zu gern erfahren!«

»Fragt sie selbst!«

»Ist nicht nötig! Wawa ist ein Moquiwort; ich vermute also, daß sie eine Moquiindianerin ist und ihren Bruder meint.«

»Habe nichts dagegen!«

»Ich denke aber grad, daß Ihr gegen diesen Bruder etwas gehabt habt.«

»Denkt, was Ihr wollt!«

»Gegen ihn und gegen die Familie Bender!«

»Donnerwetter!« schrie er erschrocken.

»Bitte, regt Euch nicht auf! Was wißt Ihr denn so ungefähr von dieser Familie? Man sucht nämlich einen gewissen Fred Bender.«

Er erschrak so, daß er nicht antworten konnte.

»Dieser Fred Bender soll nämlich von Euch zu den Osagen geschleppt worden sein, bei denen ihr noch eine Rechnung stehen habt.«

»Eine Rechnung? – Ich weiß von nichts!«

»Ihr habt da mit dem famosen »General« einen Handel in Fällen und Häuten etabliert, der Euch, wenn es fehlschlägt, den Kopf kosten kann.«

»Ich kenne keinen General!«

»Auch sollt Ihr bei dieser Gelegenheit mit ihm einige Osagen umgebracht haben.«

»Ihr habt eine ungeheure Phantasie, Mr. Shatterhand!«

»Oh nein! Schahko Matto ist ja, wie Ihr wißt, bei mir. Er hat Euch auch schon gesehen, aber nichts gesagt, um uns den Spaß nicht zu verderben.«

»So macht euch euern Spaß, nur mich laßt in Ruh! Ich habe nichts mit Euch zu thun!«

»Bitte, bitte! Wenn wir uns unsern Spaß machen sollen, dürft Ihr nicht dabei fehlen. Ihr habt ja die Hauptrolle dabei zu übernehmen!«

»So sagt mir nur bei allen Teufeln, was Ihr eigentlich von mir wollt!«

»So macht euch euern Spaß, nur mich laßt in Ruh! Ich habe nichts mit Euch zu thun!«

»Bitte, bitte! Wenn wir uns unsern Spaß machen sollen, dürft Ihr nicht dabei fehlen. Ihr habt ja die Hauptrolle dabei zu übernehmen!«

»So sagt mir nur bei allen Teufeln, was Ihr eigentlich von mir wollt!«

»Ich will gar nichts von Euch. Ich will Euch nur jemanden zeigen.«

»Wen?«

»Einen Indianer. Bin neugierig, ob Ihr ihn kennt. Seht ihn Euch einmal an!«

Ich winkte Kolma Puschi. Sie kam und stellte sich vor ihn hin.«

»Seht ihn Euch genau an!« forderte ich Thibaut auf. »Ihr kennt ihn.«

Die beiden bohrten ihre Blicke ineinander. In Thibaut dämmerte eine Ahnung auf; das sah ich ihm an; er sagte aber nichts.

»Vielleicht kennt Ihr mich, wenn Ihr mich sprechen hört,« sagte Kolma Puschi.

»Alle tausend Teufel!« schrie er auf. »Wer – wer ist denn das?«

»Erinnerst du dich?«

»Nein – nein – – nein!«

»Denk an den Devils-head! Dort schiedest du von mir, Mörder!«

»Uff, uff! Stehen denn die Toten wieder auf? Es kann nicht sein!«

»Ja, die Toten stehen auf! Ich bin kein Mann, sondern ein Weib.«

»Es kann nicht sein! Es kann und darf nicht sein! Ich gebe es nicht zu!«

»Es kann schon sein; es ist schon so; ich bin Tehua Bender!«

»Tehua, Tehua Bender – – —!«

Er schloß die Augen und lag still.

»Habt auch Ihr ihn erkannt?« fragte ich Kolma Puschi in leisem Tone.

»Sofort!« nickte sie.

»Wollt Ihr weiter mit ihm reden?«

»Nein; jetzt nicht.«

»Aber mit Eurer Schwester?«

»Ja.«

Da nahm ich den Medizinmann unter den Armen, hob ihn empor und stellte ihn mit dem Gesichte an den nächsten Baumstamm. Da wurde er angebunden, ohne daß er etwas sagte. Er hatte genug. Das Erscheinen der von ihm Totgeglaubten war ihm durch Mark und Bein gegangen.

Diese setzte sich neben ihre Schwester, und ich war höchst neugierig, wie die Wahnsinnige sich nun verhalten werde. Würde sie sie erkennen?

»Tokbela, liebe Tokbela!« sagte Kolma Puschi, indem sie die Schwester bei der Hand ergriff. »Kennst du mich? Kennst du mich wieder?«

Die Squaw antwortete nicht.

»Tokbela, ich bin deine Schwester, deine Schwester Tehua!«

»Tehua!« hauchte die Wahnsinnige, doch ganz ausdruckslos.

»Sieh mich an! Sieh mich an! Du mußt mich doch wieder erkennen!«

Sie blickte aber gar nicht auf.

»Sagt den Namen Eures jüngsten Sohnes!« flüsterte ich Kolma Puschi zu.

»Tokbela, horch!« sagte sie. »Fred ist da. Fred Bender ist hier!«

Da richtete die Irre den Blick auf sie, sah ihr lange, lange, leider verständnislos, in das Gesicht und wiederholte aber doch den Namen:

»Fred Bender – – – Fred Bender!«

»Kennst du Etters, Daniel Etters?«

Sie schüttelte sich und antwortete:

»Etters – – – Etters – – – böser Mann – sehr böser Mann!«

»Er hat unsern Wawa Derrick ermordet! Hörst du? Wawa Derrick?«

»Wawa Derrick! Wo ist mein Myrtle-wreath, mein Myrtle-wreath?«

»Der ist weg, fort; aber ich bin hier, deine Schwester Tehua Bender.«

Da kam doch ein wenig Leben in das Auge der Squaw. Sie fragte:

»Tehua Bender? Tehua Bender? Das – – das ist meine Schwester.«

»Ja, deine Schwester! Sieh mich an! Schau mich an, ob du mich kennst!«

»Tehua – – Tehua – – Tokbela, Tokbela, die bin ich, ich, ich!«

»Ja, die bist du! Kennst du Fred Bender und Leo Bender, meine Söhne?«

»Fred Bender – – Leo Bender – – – Fred ist mein, ist mein, mein!«

»Ja, er ist dein. Du hattest ihn lieb.«

»Lieb – – sehr lieb!« nickte sie, indem sie freundlich lächelte. »Fred ist mein Boy. Fred – – – auf meinem Arm – – – an meinem Herzen!«

»Du sangst ihm gern das Wiegenlied.«

»Wiegenlied— – – ja, ja, Wiegenlied— – —!«

»Dann holte dich unser Wawa Derrick mit ihm und Leo ab, nach Denver. Hörst du mich? Wawa Derrick brachte euch nach Denver!«

Dieser Name erweckte Erinnerungen in ihr, aber keine angenehmen. Sie schüttelte traurig den Kopf, legte die Hand auf denselben und sagte:

»Denver – – Denver – – – da war mein Myrtle-wreath – in Denver.«

»Besinne dich; besinne dich! Sieh mich doch an; sieh mich doch an!«

Sie legte ihr die Hände an beide Seiten des Kopfes, drehte denselben so, daß die Irre sie ansehen mußte, und fügte hinzu:

»Sieh mich an und sag meinen Namen! Sag mir jetzt, wer ich bin!«

»Wer ich bin – – —! Ich bin Tokbela, bin Tibo wete Elen!«

»Wer bist du – —?«

»Wer bist du – du – du – —?« jetzt sah sie die Schwester mit einem Blicke an, in welchem Bewußtsein und Wille lag; dann antwortete sie: »Du bist – – – bist ein Mann – – bist ein Mann.«

»Mein Gott, sie kennt mich nicht, sie kennt mich nicht!« klagte Tehua.

»Ihr fordert zu viel von ihr,« sagte ich. »Man muß abwarten, bis ein lichter Augenblick kommt; dann ist mehr Hoffnung vorhanden, daß sie sich besinnt; jetzt aber ist‘s vergebliches Bemühen.«

»Arme Tehua, arme, arme Schwester!«

Sie zog den Kopf der Squaw an ihre Brust und streichelte ihr die faltigen, hohlen Wangen. Diese Liebkosung war für die Unglückliche eine solche Seltenheit, daß sie die Augen wieder schloß und ihrem Gesichte einen lauschenden Ausdruck gab. Das dauerte aber nicht lange. Die Aufmerksamkeit verlor sich schnell und machte der seelenlosen Leere Platz, welche gewöhnlich auf diesem Gesicht zu finden war.

Da beugte sich Apanatschka zu seiner Mutter hinüber und fragte:

»War Tokbela schön, als sie jung war?«

»Sehr schön, sehr!«

»Ihr Geist war damals stets bei ihr?«

»Ja.«

»Und war sie glücklich?«

»So glücklich wie die Blume auf der Prairie, wenn die Sonne ihr den Tau aus dem Angesichte küßt. Sie war der Liebling des Stammes.«

»Und wer nahm ihr ihr Glück, ihre Seele?«

»Thibaut, der dort am Baume hängt.«

»Das ist nicht wahr!« rief dieser, der natürlich jedes Wort gehört hatte, welches gesprochen worden war. »Ich habe sie nicht wahnsinnig gemacht, sondern Euer Bruder ist‘s gewesen, als er unsere Trauung unterbrach. Ihm müßt Ihr die Vorwürfe machen, aber nicht mir!«

Da stand Schahko Matto auf, stellte sich vor ihn hin und sagte:

»Hund, wagst du noch, zu leugnen! Ich weiß nicht, wie die Bleichgesichter fühlen und wie sie sich lieben, aber wenn du dieser Squaw niemals begegnet wärest, so hätte sie ihre Seele nicht verloren und wäre so glücklich geblieben, wie sie vorher war. Es erbarmt mich ihr Auge, und ihr Gesicht thut mir weh. Sie kann dich nicht anklagen und keine Rechenschaft von dir fordern; ich werde es an ihrer Stelle thun. Gestehst du, uns damals betrogen zu haben, als wir dich als Gast bei uns aufgenommen hatten?«

»Nein!«

»Hast du unsere Krieger mit ermordet?«

»Nein!«

»Uff! Du wirst meine Antwort auf dieses Leugnen gleich zu hören bekommen!«

Der Osage trat zu uns und fragte:

»Warum wollen meine Brüder diesen Menschen mit hinauf nach dem Devils-head nehmen? Brauchen sie ihn da oben?«

»Nein,« antwortete Winnetou.

»Ist er euch notwendig in irgend einer andern Weise?«

»Nein.«

»So hört, was Schahko Matto euch zu sagen hat! Ich bin mit euch hierhergeritten, um, zu rächen, was damals an uns verübt worden ist. Wir haben Tibo taka gefangen, und wir werden auch den General ergreifen. Ich bin bisher zu allem still gewesen. Jetzt weiß ich, daß ich den General nicht bekommen kann, weil die Rache anderer größer als diejenige der Osagen ist. Dafür will ich diesen Tibo taka haben; ja, ich will und muß ihn haben, heut, gleich jetzt! Ich will ihn nicht töten, wie man einen Hund abschlachtet. Ich habe gesehen, wie ihr handelt und daß ihr selbst demjenigen, welcher den Tod verdient, Gelegenheit gebt, für sein Leben zu kämpfen. Er gehört mir; ich sage es; aber er soll sich wehren dürfen! Beratet darüber! Überlaßt ihr mir ihn, so mag er mit mir kämpfen; seid ihr aber nicht damit einverstanden und wollt ihn schützen, so erschieße ich ihn, ohne euch zu fragen. Ich gebe euch eine Viertelstunde Zeit. Thut, was ihr wollt; aber ich halte mein Wort! Soll ich nicht mit ihm kämpfen, so erschieße ich ihn! ich habe gesprochen. Howgh!«

Er ging ein Stück zur Seite und setzte sich dort nieder. Sein Antrag kam uns ganz unerwartet. Er mußte ernst, sehr ernst genommen werden, denn wir waren fest überzeugt, daß er jedes seiner Worte einlösen werde. Der Fall war sehr einfach: Erlaubten wir den Kampf nicht, so war Thibaut in einer Viertelstunde eine Leiche; erlaubten wir ihn, so konnte er sich wehren und sein Leben retten. Unsere Verhandlung war also kurz; sie dauerte kaum fünf Minuten; der Kampf sollte stattfinden. Thibaut weigerte sich freilich, darauf einzugehen; als er aber merkte, daß es dem Osagen Ernst mit dem Erschießen war, fügte er sich. In Beziehung auf die Waffen war Schahko Matto stolz genug, die Wahl seinem Gegner zu überlassen; dieser entschied für die Kugel. Es sollte jeder drei Schüsse auf Winnetous Kommando haben, mehr nicht; die Schüsse waren zu gleicher Zeit abzugeben, und zwar auf die Entfernung von fünfzig Schritten.

Ich steckte draußen im Thale diese Distanz ab; dann wurde an jedem Endpunkte der Linie ein Feuer angezündet, damit das Ziel gesehen werden könne. Wir banden Thibaut die Hände los; an die Füße bekam er einen Riemen, der ihm bequem zu stehen, auch langsam zu gehen, aber nicht zu fliehen erlaubte. Hierauf gaben wir ihm sein Gewehr und drei Kugeln und führten ihn an seinen Platz. Wir waren natürlich alle auf dem Plane; nur die Squaw war am Lagerfeuer sitzen geblieben.

Als Winnetou das Zeichen gab, fielen die beiden Schüsse fast wie einer; keiner hatte getroffen. Thibaut lachte höhnisch auf.

»Lacht nicht!« warnte ich ihn. »Ihr kennt den Osagen nicht! Habt Ihr für den Fall Eures Todes einen Wunsch? Habt Ihr einen Auftrag, den wir ausführen können?«

»Ich wünsche, daß, wenn ich erschossen werde, auch euch alle der Teufel holen möge!«

»Denkt an die Squaw!«

»Denkt Ihr an sie; mich geht sie nichts mehr an!«

»Well! Jetzt eine Frage: Der General ist Dan Etters?«

»Fragt ihn selbst, nicht mich!«

Er legte das Gewehr wieder an; Winnetou gab das Zeichen und die Schüsse krachten. Thibaut wankte, griff mit der Hand nach der Brust und sank nieder. Winnetou beugte sich zu ihm nieder und untersuchte seine Wunde.

»Wie auf zwei Schritte getroffen, genau in das Herz; er ist tot,« sagte er.

Der Osage kam langsamen Schrittes herbei, sah ihn an, ohne ein Wort zu sagen, ging zum Lagerfeuer und setzte sich dort nieder. Er war wieder nicht getroffen worden; wir aber hatten wieder ein Grab herzustellen, eine Arbeit, an welche sich Hammerdull und Holbers auf der Stelle machten. Die Squaw ahnte nicht, daß sie jetzt Witwe war; der Verlust, welcher sie jetzt betroffen hatte, war aber jedenfalls mehr ein Gewinn für sie.

Über die nun folgende Nacht kann ich hinweggehen; es geschah nichts, was ich erwähnen müßte; am Morgen brachen wir ebenso zeitig wie gestern auf. Apanatschka ritt neben seiner Mutter und sprach sehr viel mit ihr, doch möchte ich, falls der Ausdruck gestattet ist, sagen, daß das eine einsilbige Gesprächigkeit war. Er zeigte sich bedrückt. Es war ihm doch nicht gleichgültig, daß Tibo taka, den er für seinen Vater gehalten hatte, eines solchen Todes hatte sterben müssen. Dieses Bedrücktsein machte ihm alle Ehre!

Wir befanden uns jetzt aller Vermutung nach am Anfange des Endes, und unser Ritt wurde, je weiter wir kamen, ein desto gefährlicherer. Es war anzunehmen, daß der General uns möglichst viele Fallen gelegt habe. Es gab Orte genug, an denen wir vorüber mußten, welche zu Verstecken geeignet waren, aus denen auf uns geschossen werden konnte; aber es geschah nichts derartiges. Entweder dachte er nicht, daß wir heut kämen, oder er hatte sich den Streich gegen uns bis oben an der Foam-Kaskade oder am Devils-head aufgespart.

Um kurz zu sein, will ich nur bemerken, daß wir gegen Abend in der Nähe der Foam-Kaskade ankamen. Man denke sich den berühmten Staubbach des Lauterbrunner Thales in der Schweiz, nur den Felsen nicht ganz so hoch und den herabstürzenden, sich in Staub auflösenden Bach von dreifacher Stärke, so hat man ein Bild von der Foam-Kaskade im Parke von San Louis. Hoch oben die Felsen mit Wald gekrönt und auch unten der tiefe Grund fast ganz mit Fels und Wald bedeckt. Es war ein Chaos von Steingetrümmer, von einem schier undurchdringlichen Wipfeldache überwölbt. Sobald wir uns unter diesem Dache befanden, wurde es tief dämmerdunkel um uns her.

»Wo geht der Weg von hier nach dem Devils-head?« fragte ich Kolma Puschi, »dort haben wir die Utahs zu suchen.«

»Hier links durch den Wald und dann die Felsen sehr steil hinauf,« antwortete sie. »Bereiten euch die Utahs Sorge?«

»Nein; doch müssen wir natürlich wissen, wo sie sind.«

»Ich gehöre noch heute zu ihnen und werde mit ihnen sprechen. Wenn ich bei euch bin, habt ihr nichts von ihnen zu fürchten.«

Wir hatten ihr natürlich unser Zusammentreffen mit Tusahga Saritsch und seinen Kriegern erzählt.

»Wir fürchten uns, wie gesagt, nicht vor ihnen, und ich möchte mich doch lieber nicht auf Eure Vermittelung verlassen,« sagte ich.

»Warum nicht?«

»Sie haben schon selbst eine Rache auf uns und hierzu dem »Generale« ihre Hilfe gegen uns versprochen. Das sind zwei Instanzen gegen uns, während Ihr nur eine, nämlich Euern Einfluß, für uns aufbieten könnt. Im besten Talle giebt es eine lange Verhandlung, während welcher der General uns vielleicht gar entkommt.

Nein, nein; wir verlassen uns lieber ganz auf uns selbst!«

»So kommt! Ich kenne den Wald und jeden einzelnen Felsen und werde euch führen.«

Sie ritt voran, und wir folgten ihr im Indianermarsche wohl eine halbe Stunde lang, bis es so dunkel wurde, daß wir absteigen und die Pferde führen mußten. Draußen war es wohl erst Dämmerung, im tiefen Walde hier aber schon vollständig Nacht. So ging es weiter und immer weiter, eine schier endlose Zeit, wie uns deuchte. Da hörten wir vor uns das Wiehern eines Pferdes und hielten an.

Wem gehörte dieses Pferd? Das mußten wir wissen. Die Gefährten mußten stehen bleiben, und wir, nämlich Winnetou und ich, wie gewöhnlich, gingen weiter. Es wurde schon nach kurzer Zeit vor uns heller; der Wald hörte auf, und nur wenige Schritte davon öffnete sich die Felsenwand, um einen schmalen Pfad sehen zu lassen, welcher sehr steil emporführte. Das war jedenfalls der Weg nach dem Devils-head. Auf dem lichten Raum zwischen ihm und dem Walde lagen die uns nur zu wohlbekannten Capote-Utahs als Wächter vor dem Felsensteg. Wenn wir nach dem Devils-head wollten, mußten wir hierherkommen; das wußten sie, und darum hatten sie sich da gelagert, um uns abzufangen. Diese kurzsichtigen Menschen! Sie konnten sich doch denken, daß wir ihnen nicht schnurstracks in die Hände reiten, sondern rekognoszieren würden!

Der »General« war nicht bei ihnen; dafür aber sahen wir jemand, der nicht zu ihnen gehörte, nämlich unsern Old Surehand! Es war also doch eingetroffen, was wir beide uns gedacht und vorhergesagt hatten: sie hatten ihn wieder festgenommen! Warum hatte er uns verlassen, anstatt nur die kurze Nacht noch zu warten! Ich war in diesem Augenblicke zornig auf ihn.

»Dort steht er nun am Baume, festgebunden und ein Gefangener wie vorher!« sagte ich. »Mein Bruder mag auf mich warten!«

»Wohin will Old Shatterhand gehen?« fragte er.

»Ich will die Gefährten holen.«

»Ihn zu befreien?«

»Ja. Und wenn der Häuptling der Apatschen nicht mitmacht, so springe ich allein mitten unter die roten Kerls hinein. Diese Geschichte muß ein Ende nehmen. Ich habe das ewige Anschleichen satt!«

»Uff! Winnetou wird natürlich sehr gern mit dabei sein!«

»So werden wir die Pferde in ein Versteck führen und dann kommen. Bleib du einstweilen hier!«

Ich eilte zurück, denn es war keine Zeit zu verlieren. Was wir thun wollten, mußte geschehen, so lange es noch hell war.

Ein Versteck für die Pferde war hier, wo das Terrain aus lauter Verstecken bestand, rasch gefunden; wir ließen Treskow als Wächter dort und gingen dann zu Winnetou, welcher indessen seinen taktischen Gedanken nachgehangen hatte. Die andern wurden, weit auseinandergezogen, in einem Halbkreise rund um die Roten aufgestellt, und nachdem sie ihre Weisungen erhalten hatten, konnten wir den Streich, der freilich beinahe ein Schwabenstreich war, beginnen. Ich hatte keine Geduld mehr. Mein Zorn wollte und mußte sich bethätigen, und Winnetou, der gute, war so nachsichtig gewesen, mich nicht durch Widerspruch noch mehr aufzubringen.

Der Häuptling saß natürlich, um ihn unter den eigenen Augen zu haben, ganz in der Nähe des Gefangenen. Die Roten waren still; keiner sprach ein Wort. Da waren wir beide plötzlich unter ihnen. Winnetou schnitt in einem Nu die Fesseln Old Surehands durch, und ich faßte den Häuptling mit einer Hand beim Halse und gab ihm die andere Faust auf den Schädel, daß er zusammmensank. Die Indsmen sprangen auf, griffen zu den Waffen und erhoben ihr Kriegsgeheul. Ich richtete aber schon den Lauf des Stutzens auf den Kopf des Häuptlings und überbrüllte sie:

»Seid sofort still, sonst schieße ich Tusahga Saritsch in den Kopf!«

Sie schwiegen.

»Rührt euch nicht!« fuhr ich fort. »Wenn ein Einziger die Waffe auf uns richtet, ist es des Häuptlings Tod. Es wird ihm und euch nichts geschehen, wenn ihr Frieden haltet. Ihr seid von uns eingeschlossen, und wir können euch niederschießen; daß wir es dennoch nicht thun wollen, wird euch gleich Kolma Puschi sagen!«

Die Genannte trat unter den Bäumen hervor. Bei ihrem Anblicke nahmen die Utahs eine beruhigendere Haltung an. Sie sprach zu ihnen so, wie es den Umständen angemessen war, und brachte es zu unserer Freude so weit, daß die Roten uns vorläufig ihre Waffen ablieferten. Ihr Einfluß war wirklich größer, als ich gedacht hatte. Den Häuptling banden wir.

Das erste war natürlich, daß wir nach dem Generale fragten. Er war nach dem Devils-head geritten und wollte morgen am Vormittage wiederkommen. Dennoch schickte ich sofort den Osagen ein Stück den Felsenpfad hinan, um denselben zu bewachen und dafür zu sorgen, daß wir nicht von Douglas-Etters überrascht würden. Dieser mußte durch diesen Engpaß kommen, weil es keinen andern Weg gab, wie Kolma Puschi sagte.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
30 августа 2016
Объем:
540 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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