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DIE REISE

Schneller als befürchtet war der spannende Moment des Aufbruchs gekommen. Der große Lebenstraum des Martin Völler sollte seinen Anfang nehmen.

In der Nacht hatte es geschneit. Nicht ausgiebig, aber genug, um dem Advent seine erwartungsvolle Stimmung zu verleihen.

Leichte, flaumige Flocken rieselten über das Tiersertal und verwandelten es wie schon ersehnt in eine romantische Bilderbuchlandschaft. Die Pfarrkirche mit einem weißen Zuckergusshäubchen, umgeben von lichterglanzgeschmückten Häusern, aus denen es schon verführerisch nach Lebzelt, Zimt und Kloatznbrot duftete.

Martin, in warmer Lodenjacke gehüllt, stapft hinauf zur Ahornrast. In nachdenklicher Stimmung versunken, fegt er den Schnee von der Bank, um noch einmal an seinem geliebten Refugium zu verweilen.

Einmal noch.

Den Blick hinauf in den Rosengarten, grüßt er sie alle noch einmal, seine vertrauten Gipfel und Türme. Wenn sie auch in der grandiosen, hochalpinen Gletscherwelt des Karakorum, die ihn erwartet, verschwindend gering erscheinen. Vergessen werde ich euch nicht, sinnt er vor sich hin. In meinem Herzen seid ihr ja mit dabei.

Es gibt kein Zurück mehr und mit Hirn und Seele ist er ja doch schon unterwegs. Fühlt es mit allen Sinnen und geht im Geiste nochmals in aller Ruhe sein hoffentlich perfekt geplantes Vorhaben durch.

Morgen in aller Herrgottsfrühe wird er schon im Zug nach München sein Frühstück hoffentlich genießen können. Zwei bis drei Tage sich Zeit nehmen für Verhandlungen mit TV-Kanälen über eine neu geplante Staffel unter dem Titel “Himmel über Südtirol“, mit 8 Folgen und Mitarbeit im Drehbuch. Darauf freut er sich besonders, wenn auch Drehbeginn und Location noch ausgehandelt werden müssen.

Besprechungen im Alpenverein für seinen Karakorum-Trip sowie eine Autogrammstunde in einigen Pilgerbüros für seinen neu erschienenen Band „Bergwandern plus“.

München via Frankfurt mit der Lufthansa nach Südamerika. Im Anflug nach Santiago de Chile den ersten Blick auf die atemberaubende Gletscherwelt der Anden mit ihren kühnen Sechstausendern werfen. Und er weiß, das Herz wird ihm höher schlagen, wenn er einige davon endlich vor sich hat.

Die Air-New-Zealand-Maschine nach Australien wird er vor Ort buchen, wie es ja sein Time-Management vorsieht.

Auf diesen rein privaten Trip über den endlosen Pazifik, an das andere Ende der Welt, freut er sich wie ein Kind aufs Christkind. Dient dieser Stopp in Australien doch dazu, ein langjähriges, oftmaliges Versprechen einzulösen, seinen wahren Seelenfreund endlich zu besuchen.

Mark Pirker. Herr über eine Flotte von 800 Campern und Wohnmobilen in Cairns an der Ostküste Australiens am großen Barrier Riff.

Mark hatte er auf ganz zufällige Art in Bozen kennengelernt.

Ein sonniger Sommertag war’s. In einer dringenden Angelegenheit hetzte er von Tiers nach Bozen. Stress pur, jedoch mit sehr positivem Verlauf. Gut gelaunt gönnte er sich in seinem Stamm-Café in den Lauben ein kühles Bier.

Zufällig vernahm er am Nebentisch ein sehr angeregtes Gespräch, wo es zwischen Serviererin, die er gut kannte, und einem Gast scheinbar um die Frage ging, wo denn der gute „Ötzi“ in Bozen zu finden sei.

„Ich kann Ihnen keinen besseren Rat geben, als diesen Herrn hier zu fragen“, deutete die Serviererin auf Martin.

Und Mark kam, stellte sich freundlich vor und nahm an seinem Tisch Platz.

So haben sie sich vor Jahren kennen und im wahren Sinne des Wortes schätzen gelernt.

Sein Vater, ein geborener Bozener, wanderte in den kargen Nachkriegsjahren nach Australien aus, um einen Job zu finden, wie es damals viele junge Männer taten. Als gelernter Kfz-Mechaniker fand er Arbeit in einem Wohnmobil-Verleih, der damals durch den aufstrebenden Tourismus schon boomte, bedingt durch die endlosen Entfernungen der Ausflugsziele.

Tüchtig, wie er war, kam es durch Drängen seiner späteren Schwiegereltern zur Hochzeit mit ihrer einzigen Tochter.

Mit viel Unternehmergeist und Geschick baute er den Betrieb ständig weiter aus. Nach seinem Tod übernahm nun sein einziger Sohn Mark den Laden und hatte erst recht das richtige Händchen dafür.

Heute hat er es zum größten Camper-Vermieter an der Ostküste gebracht und betreut Kunden auf der ganzen Welt, die mit seinen Jeeps, Campern und Wohnmobilen die endlosen Straßen Australiens, oft unter Entbehrungen und Gefahren eines wahren Abenteuers zuliebe, befahren.

Auch sein zufriedener Kundenkreis in Europa kann sich sehen lassen und werden jährlich persönlich von Mark besucht, um die Mietverträge für das gewünschte Kontingent für die nächste Saison abzuschließen.

Und ebenso besucht Mark fallweise auch ein spezielles Reisebüro in Innsbruck, das sich auf Angebote für Reisen in den Südpazifik spezialisierte.

Natürlich wird bei dieser Gelegenheit auch Bozen, die geliebte Heimatstadt seines Vaters aufgesucht. Im Geiste sieht er ihn in den Gassen mit leeren Taschen schlendern, auf der Suche nach Arbeit. Bis eines Tages der Entschluss reifte, auf nach Australien! Und Südtirol hatte einen guten Tiroler weniger.

So begann an diesem Sommertag in Bozen eine herzliche Verbundenheit und echte Freundschaft. Alle Jahre wieder kam Mark und nahm sich genügend Zeit, um mit Martin so manche unvergessliche Tour in die Berge zu unternehmen. Die Liebe dazu hatte er wohl von seinem Vater.

Was hatten sie nicht in den Berghütten, in fröhlicher Runde mit Martins Bergkameraden, Spaß, nach manch kühnen Touren auf den Almen und Gipfeln der Dolomiten.

Obwohl zehn Jahre älter als Martin, verfügte er über eine glänzende Kondition, war trittsicher und schwindelfrei und für jeden Spaß zu haben.

So entwickelte er sich im Laufe der Jahre zum liebgewonnenen australischen Freund. Besonders auch, als er bei einem seiner Besuche von seinem Vater ein altes, schon vergilbtes Foto mitbrachte, das Vater mit Bergkameraden vor einem morbiden Berggasthof zeigt.

Mark hat natürlich keine Ahnung, woher diese Aufnahme stammen könnte. Jetzt wo er mit seinen Freunden in den Bergen herumgekommen ist, würde er nur zu gerne diese Stelle kennenlernen. Und bald war man sich einig. Das alte Schutzhaus auf dem Schlern war des Rätsels Lösung.

Ein herzliches Wiedersehen wird es geben mit Mark in Cairns, an der Ostküste mit dem gewaltigen Barrier Riff, das größte der Welt mit gewaltigem Ausmaß von über 1000 km Länge gegen Süden.

Mark hatte Martin bereits gebeten, ihm am Riff Tauchunterricht zu geben. Da kennt er sich aus wie Martin in seinen Bergen. Und auch einen Trip mit dem Jeep in die Pampa Australiens werden sie sich als Seelenfreunde nicht entgehen lassen.

Es wird ein schwerer Abschied sein, wenn er dann Australien gegen Westen, nach Indonesien, verlassen wird.

Mit der Singapore Airlines wird er via Jakarta in Singapur zwei Tage Stopp einlegen. Ganz deutlich hat sich Singapur in letzter Zeit zur Drehscheibe für den fernöstlichen Markt von Nepal-Trekking-Fans entwickelt. Ja und auch Südtirol bekam dies ebenso immer merkbarer zu spüren. Über Kontaktadressen, die höchst interessant erscheinen, verfügt er ja über den italienischen und deutschen Alpenverein zur Genüge.

Der Neunstundenflug mit der Qatar Airways nach Islamabad in Pakistan wird es dann in sich haben. Aber die Vorfreude, seinem ersehnten Ziel näher zu rücken, wird die Strapazen der verschiedenen Zeit- und Klimazonen bald vergessen machen.

Auch in Islamabad wird er ein bis zwei Tage im Marriott Hotel Station machen. Einfach ein Muss, sich hier wieder umzusehen.

Als in den turbulenten 1960er Jahren die damalige Hauptstadt Karatschi der vollkommen neu aus dem Boden gestampften Planstadt Islamabad ihre Rolle abgeben musste, hatte wohl niemand geahnt, welche rasante Entwicklung diese faszinierende Stadt nehmen wird.

Auf 500 m Seehöhe in einer grünen Oase gelegen und in einem faszinierend geplanten Stadtbild tummeln sich heute über 600.000 Einwohner.

Noch eine Flugstunde und er wird endlich auf dem Karakorum Highway angekommen sein. Erschöpft, jedoch glücklich und voll motiviert, seine ausgeklügelten Programmpunkte abzuhandeln.

Lange schon hat er sich diesen Flug mit der lokalen Linie Pakistan International Airlines im Geiste ausgemalt und den damaligen Anflug in die Stadt Skardu auf 2300 m Seehöhe im Morgengrauen nicht vergessen.

Skardu, inmitten der majestätischen Achttausender, dem K2 und Broad Beak, Gasherbrum und Masherrbrum, mutet wie ein hochalpines Amphitheater an. Der Sonnenaufgang taucht den Südostgrad des K2 in ein leuchtendes, magisches Licht und die Gasherbrum-Gruppe mit ihren Achttausendern im Hintergrund noch im diffusen Morgenlicht reckt ihre umnachteten Gletschergipfel erwartungsvoll der Morgensonne entgegen.

Ein Eindruck, der sich in sein Herz gebrannt hatte und nicht loslassen will.

In Skardu am Karakorum Highway, Zentrum und Ausgangspunkt für viele Trekkingtouren und Himalaya-Abenteuer, wird er Hannes Becker, einen bayrischen Alpinisten und Experten für Logistik, Trekkings, Basislager und Besteigungen, einen angekündigten Besuch abstatten und einige Nepal-Drinks nehmen.

Seit Jahren mit Martin in Verbindung, ist er der Mann in Skardu. Mit ihm wird es möglich sein eine Plattform zur weiteren Ausbildung und Besteigungen im Karakorum zu ermöglichen. Von hier aus wird er mit dem Jeep die steinige Straße über Bungi zum Karakorum Highway nehmen.

Vorbei am legendären Nanga Parbat nach Chilas, seiner romantischen Lieblingsstadt mit dem aufregenden, rauen Flair und sich im ruhigen Shangrila Resorthotel Chilas für unbestimmte Zeit einquartieren, um Zeit zu finden. Auch die zehntausendjährige Kulturgeschichte am Karakorum Highway will studiert sein.

Und auch den bekannten Chinesen Mr. King Kung Sun, mit dem größten Ausstattungsmarkt im Umkreis, wird er wieder Guten Tag sagen.

Auch wenn der gute Mr. King einstweilen schon in die Jahre gekommen ist, führt er seinen Laden perfekt. In Qualität und Preis unschlagbar in typischer chinesischer Art. Das hat zu einem riesigen Shop mit zwei Hektar Ausmaß geführt. Man könnte ihn ruhigen Gewissens den „Tante-Emma-Laden“ Karakorums bezeichnen. Vom Kletterhelm und Gurt, Steigeisen, Eispickel, Eisschrauben, Seile und Schraubkarabiner bis zur Stirnlampe, Literatur usw. findet man bei ihm alles. Einfach eine Auswahl, die das Alpinherz höher schlagen lässt.

In Zeit und Terminplanung vorgesehen ebenfalls ein Besuch des Hunza-Tales. Ein Erlebnis in diesem Raum der besonderen Art und kein Geheimnis, dass hier die ältesten Menschen des asiatischen Raumes leben und durch ihre außergewöhnliche Gesundheit die höchste Lebenserwartung haben. 110- und 120-jährige Menschen in den Familien sind keine Seltenheit. Ja, sogar bis 150 Jahre weiß man Fälle. Welche unbekannte Energie ermöglicht dies alles? Natürlich hat es schon auch seine Auswirkung, dass dieses Tal, von Siebentausendern eingekesselt und jahrhundertelang von der Außenwelt praktisch abgeschottet, gelernt hat, mit einfachster Ernährung auszukommen.

Gemüse, Weizen, Hafer und Gerste, von Umwelteinflüssen verschont, garantiert gesündeste ballaststoffreiche Ernährung, verbunden mit viel Schlaf. Elektrizität, Kerzen oder Öllampen kennen sie nicht. Man steht mit der Sonne auf und geht mit der Sonne zu Bett. Man trinkt Gletscherwasser und atmet reinste Himalaya-Luft.

Wie war das doch damals, bei seinem letzten Aufenthalt im Hunza Tal.

Ziyan Notariu, der junge Guide, den er durch eine Trekking Tour mit einigen Touristen kennenlernte, überredete ihn einfach, einige Tage sein Gast zu sein. Dies war eine willkommene Gelegenheit, das karge Leben der Hunzukutz mitzumachen.

Morgens gab es Ziegenmilch, einfache Trockenfrüchte, vor allem Aprikosen und Hunzabrot aus Gerste, Hafer und etwas Weizen, gewürzt mit Himalaya-Salz.

Heute weiß man, dass das Müsli von hier aus wahrscheinlich seinen Siegeszug nach Europa angetreten hat und das Bircher-Müsli eventuell auch hier seine Inspiration gefunden hat.

Tagsüber arbeitete man auf den Terrassen, bepflanzt mit Obstkulturen. Großteils ca. dreizehn Dutzend Sorten Aprikosen, Äpfel, Kirschen, Mandeln und Nüsse. Man schichtete Steine auf und leitete Wasser in die Bewässerungskanäle. Das Abendessen einfach, jedoch schmackhaft. Brot, getunkt in Aprikosenöl und wieder Trockenfrüchte.

Es war ein schwerer Abschied, damals aus dem Hunza-Tal mit seiner magischen, wilden Natur und atemberaubender Landschaft. Obwohl 2400 m hoch gelegen und trotzdem eine grüne, fruchtbare Oase, umsäumt von wilden Schluchten mit rieselnden Flüssen. Ein geradliniger, gastfreundlicher Menschenschlag, zwar mit verschlossenen Gesichtern, denen man aber trotzdem sehr deutlich den Stolz und die Zufriedenheit, hier ihre Heimat zu haben, ablesen kann.

Unter blühenden Aprikosenhainen, überdacht von den himmelhoch leuchteten Gletschergipfeln der Himalaya-Zauberwelt. Damals hat wohl auch ihn der Himalaya-Bazillus hoffnungslos erfasst und nie mehr losgelassen.

Auf der Ahornrast ist es spürbar kalt geworden. Ein schneidender Wind vom Eissacktal her treibt wieder satte Schneewolken ins Tal und erste Flocken wirbeln vom bleigrauen Himmel.

Von Tiers her bimmeln leise die Mittagsglocken und mahnen auch Martin zum Aufbruch. Fröstelnd stellt er den Kragen hoch und wendet sich abwärts dem Hotel zu. Ungewöhnlich ruhig ist es um das Hotel, bis die nächsten Gäste wieder anrollen.

Erst zu Weihnachten wieder geöffnet, genießt man die Ruhe und Zeit für sich. Am Abend wird die traditionelle Adventfeier des morgigen zweiten Adventsonntags gleich auch als Abschiedsfest für Martin im kleinen, vertrauten Kreis begangen.

Wie alle Jahre üblich sind auch einige Nachbarsfamilien sowie auch die Angestellten des Hotels gekommen, um heute auch Martin „Leb’ wohl“ zu sagen. Ihn haben sie ja alle ins Herz geschlossen.

Er zeigt sich sehr gerührt und verspricht feierlich, an sie zu denken und ein kleines Mitbringsel bei seiner Heimkehr in der Tasche zu haben.

Salz aus dem Himalaya wird es sein. Das ist nicht nur sehr gesund, sondern auch ein Segen für ihre Stuben zu Hause.

Die gemütliche Stube duftet nach Weihrauch, der „Hergottswinkel“ liebevoll geschmückt und im großen Kachelofen knistern behaglich die Buchenscheiter. Am Tisch wartet schon ein Teller mit Kloatzenbrot und Nusskeksen für nachher und Mutter wird wieder viel Lob für ihr Backwerk bekommen.

Es wird ihr wohl auch guttun, obwohl es diesmal nicht so richtig von der Hand ging. Zu sehr bedrückt sie der Gedanke, zu Weihnachten ihren Buben nicht mehr im Haus zu wissen. Jedoch Martin soll nichts davon merken. Zu schwer würde auch ihm der Abschied fallen, wenn sie ihm wie üblich, wenn er in die Berge aufbricht, ein Segenskreuz auf die Stirn zeichnet.

Schwester Maria liest mit etwas zittriger Stimme aus der alten Hausbibel und trotz ihrer erst achtzehn Jahren macht sie heute einen sehr gesetzten, würdigen Eindruck.

„… Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen. Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken …“ (Lk 3, 1-6)

Obwohl Martin sich bemüht, in Andacht diesen Gedanken zu folgen, sind diese schon unterwegs. Hoch oben rund um den Erdball.

ZUM ANDEREN ENDE DER WELT

Den halben Weg über den Atlantik hat die LATAM Airlines Maschine auf den Flug nach Lima bereits hinter sich.

Der Bordservice verspricht ein saftiges Steak aus Argentinien. Zu sehr verlockend für Martin, sich dazu einen guten Schluck Shyraz, den klassischen chilenischen Rotwein, zu nehmen und so wohl auch verdientermaßen ein beinahe fürstliches Essen zu genießen.

Die Termine in München sind trotz Stress und andauernden Änderungen doch zufriedenstellend verlaufen, wäre da nicht eine SMS-Nachricht von Mark gekommen, die seinen gesamten Reiseplan weitgehend durcheinander bringt.

Mitten in der Nacht, in Australien natürlich helllichter Tag, ist das für Martin eine richtig bittersüße Attacke.

„Mein lieber Martin!

Diese Nachricht für Dich tut mir unendlich leid, aber ich kann es nicht ändern. Wir müssen unser Australien-Rendezvous leider verschieben.

Mein bester Kunde in Französisch Polynesien – Air Franc Voyage – auf Tahiti in Papeete, hat arge Probleme mit russischen Touristen, die im Moment richtig boomen und sich immer anspruchsvoller zeigen.

Sie wollen die gebuchten Rundreisen plötzlich mit Guide-Begleitung in russischer Sprache und die Einwegvermietungen zwanzig

Prozent preisreduziert.

Dabei haben diese Knaben Rubel wie Heu. Jedenfalls ist bei den neuen Verhandlungen in Papeete meine Anwesenheit äußerst nötig.

Aber, lieber Martin, so ist es halt einmal im Business. Sei nicht betrübt, das holen wir ein andermal nach. Wie heißt es so schön: „Schwächliche Menschen werfen die Würfel – doch wie sie fallen, bestimmt der liebe Gott“ … Und übrigens findet unser vereinbartes Treffen ja ohnedies statt. Ich komme Dir ja praktisch auf halbem Weg von Südamerika herüber entgegen und habe Dich, auf Tahiti in Papeete, im Hotel „Tahiti Pearl Beach Resort“, einmal für drei Tage eingebucht.

Mensch, Martin, wir zwei in der Südsee. Wann hast Du dazu Gelegenheit? Du weißt gar nicht, welches Paradies Du da kennenlernst. Einer der schönsten Flecken der Erde. Also ich hoffe, das passt Dir so. Treffe Dich im Hotel, wie zum damals vereinbarten Termin, aber eben in Papeete. Mach’s gut und Happy Landing auf Tahiti.

Herzl. Mark.“

Das war sie also, die neue Situation. Jedoch irgendwie hat Mark ja recht. Wann ergibt sich auch schon die Möglichkeit, diese viel besungene Welt der Südsee zu erleben. Unendlich weites Meer, weißer Strand mit türkisen Lagunen, umsäumt von wiegenden Palmen in ewiger Sonne.

Und plötzlich freut er sich diebisch über diese Überraschung. Der erste Blick auf die Anden von der LATAM Airlines Maschine aus ist atemberaubend. Leuchtende, weißschillernde Gipfel an Gipfel, zieht sich diese gigantische Gebirgskette mit den Vier- und Sechstausendern 7500 Kilometer gegen Süden.

Nicht umsonst nennt man sie „das Himalaya Südamerikas“ und stellt eine einzige Herausforderung für Martins Leica-Kamera dar. Seinen ursprünglichen Plan, Santiago de Chile anzulaufen, um den 6952 Meter hohen Aconcagua in Argentinien, den höchsten Berg der Anden, zu sehen, hat er verworfen. Lima also ist sein neues Ziel und Ausgangspunkt, um den Anden näher zu rücken.

Die Liebe zur Eiskletterei ist es, die ihn bewegt, sein Vorhaben zu ändern, um Peru mit dem immerhin doch stolzen 5947 Meter hohen „Alpamayo“ endlich kennenzulernen.

Eine einzige Eispyramide, einem Obelisk gleich, ragt dieser abstrakte Gletscherkogel in den peruanischen Himmel. Mit seinen bizarren Gletscherschluchten ist er eine abenteuerliche Herausforderung für das Eisklettern, das ja schon längst heimlicher Wunsch unter seinen Bergkameraden im Alpenverein ist. Lima. Mit seinen 9 Millionen Einwohnern die Hauptstadt von Peru. Die schicksalhafte Stadt aus der Kolonialzeit hat ihre eigene, besonders abenteuerliche Entstehungsgeschichte.

Kein Geringerer als der Conquistador Fernando Pizzaro gründete 1535 Lima, das damalige „Ciudad de los Reyes“ die „Stadt der Könige“.

Ganze zwei Dutzend spanische Eroberer, in armseligen Lehmhütten mit Schilfdächern, waren die einzigen Einwohner.

Pizzaro, der die vortreffliche Lage mit seinen Schiffen direkt am Meer, für seine strategischen Pläne sofort erkannte, setzte selbst den ersten Stein, schleppte Lehmziegel und Balken.

Er selbst entwarf die ersten schachbrettartigen Stadtpläne für großzügige Anlagen, pflanzte Feigen, Orangen und half mit beim Guss der ersten Glocke.

Als ehemaliger einfacher Ziegenhirte und Analphabet, geprägt als rücksichtsloser Machtmensch, geht er letztendlich als brutaler Eroberer mit der Niederwerfung des Reichs der Inka in die Geschichte ein. Und es ist wohl das Recht der Geschichte, dass sein Name in der heutigen Zeit einen so negativen Widerhall findet.

Seine Ermordung 1541 in seinem Palast in Lima war eine logische Folge der Streitigkeiten unter seiner Gefolgschaft. Der Glanz der Edelsteine und des Goldes verwirrte Seelen und Gehirne, die Gier nach Macht und Reichtum führte zu teuflischem Denken und Handeln.

So kam es denn wie es kommen musste. Jedoch das Inkareich hatte nichts davon. Dreißig Jahre später war das einst so mächtige Reich der Inkas lediglich bewegte Geschichte.

Was heute wie ein Märchen klingt, wurde wahr. Die Stadt des Fernando Pizarro blühte durch unermessliche Reichtümer von Silber und Gold der unterworfenen Inkas auf. Dazu noch der Rest der Goldminen in den Anden, die vom Inkareich noch übrig blieben.

Die goldbeladenen Schiffe eines Columbus für die spanische Krone in Europa sowie die sagenhaften Beutezüge des englischen Piraten Drake und viele andere Freibeuter des Mittelalters kreuzten die Meere auf der Suche nach dem Inka Gold. Aber das ist eine andere Geschichte.

Martin hat zur Besichtigung der Stadt gerade einen Tag eingeplant. Sein Ibis Hotel Miraflores im Zentrum war gut gewählt. Ideal für einen Bummel durch die Altstadt von Lima.

Auf der beeindruckenden Plaza de Major mit ihren typischen Kolonialfassaden und bewegten Geviert, tummelt sich das südländisch peruanische Leben in allen seinen lebensfrohen und fremdartigen Facetten.

Für die Kathedrale mit dem Grabmal Pizzaros und Museum mit der fesselnden Geschichte der Inkas in den Anden nimmt er sich viel Zeit, um mit diesem Land, als eines der zukünftigen Ziele mit seinen Bergkameraden, auch bestmöglich vertraut zu sein.

Heute also, an diesem wolkenlosen Tag im peruanischen Sommer, startet er von der faszinierenden Hauptstadt Perus seine abenteuerliche Erkundungstour zum vielgerühmten „Alpamayo“, der weißschimmernden Eis-Pyramide in der „Cordillera Blanca“, der höchsten Bergkette Perus. Die „weiße Kathedrale“ wie der Alpamayo ehrfürchtig von den Einheimischen genannt wird.

Nicht umsonst wurde er von einer hochkarätigen Jury anlässlich eines weltweiten Fotowettbewerbes zum „schönsten Berg der Welt“ gekürt. Immerhin vor dem europäischen Matterhorn.

Ein würdiger Juwel also, unter den zweiundzwanzig Sechstausendern der Anden.

Die sechzig Kilometer auf holpriger Schotterstraße hinauf in das hochgelegene Huaraz werden mit größter Bestimmtheit keine Vergnügungsreise.

Die Möglichkeit dazu ergab sich mit einem „Collektivo Toyota“. Zwar nicht mehr der Jüngste, jedoch für die staubige Piste über den viertausend Höhenmeter hohen Conacoche-Pass mit seinen schwindelerregenden Abgründen, wird er auch diesmal hoffentlich wohl auch gut überstehen.

Ein besonderes Erlebnis ist die Nächtigung im kleinen, aber landestypischen Hotel „La Costa de mi Abuela“ in wunderschöner, wildromantischer Lage mit typisch peruanischem Ambiente. Ein gut sortierter Souvenirladen mit farbenprächtig gewebten Ponchos und köstlichem Berghonig aus dieser artenreichen, verschwenderisch blühenden Vegetation. Typische Inkamützen aus Schafwolle und wetterfeste Stoffhüte und Damen-Zigarren für den Alltag der Inkafrauen.

Bestes Fotomaterial und empfohlene Aufstiegsrouten auf den Alpamayo sowie eine Liste für Eseltreiber und Vermietungen.

Dann endlich, Martins Ziel Caraz.

Das romantische Bergdörfchen ist angefüllt mit fachkundiger, alpiner Literatur für die Eiskletterei am Alpamayo. Mögliche Besteigungen von allen vier Himmelsrichtungen werden empfohlen und minutiös aufgezeigt.

Vor allem im peruanischen Winter, wenn die wohl attraktivste, vierhundert Meter hohe Südwestwand mit schillerndem Eis überzogen ist.

Damit hat Martin alles Wissenswerte, was er im Moment sucht und an Informationen für weitere Pläne benötigt.

Dieses Mal blickt er doch mit einer gewissen Sehnsucht im Herzen den vielen Trekking-Gruppen und gut ausgerüsteten Alpinisten nach, wie sie sich mit hochbepackten Eseln auf den Weg machen.

Zwei Tage werden sie durch das wildromantische Santa-Cruz-Tal, mit seinen türkischimmernden, klaren Bergseen, hinauf ins 3000 Meter hoch gelegene „Cashapampa“, steigen.

Begleitet von den mahnenden Rufen des Anden-Condor, mit seiner gigantischen drei Meter Flügelspannweite.

Endlich dann der Ausgangspunkt zur dreitägigen Besteigung des 5947 Meter hohen „Alpamayo“. Dem „schönsten Berg der Welt“.

Früher als geplant kehrt Martin zurück nach Lima. Eine unerklärliche Ungeduld treibt ihn einfach an. Plötzlich fühlt er ein heißes Verlangen.

Drängendes Begehren nach diesem angekündigten Paradies. Er fühlt ein zartes Streicheln der Seele und leises Brennen im Herzen. Kann nicht mehr erwarten, auf den Zauber der Südsee und Mark, den guten Freund, zu treffen.

Mit dem Hotel in Papeete gibt es durch die vorverlegte Ankunft kein Problem und so hat er dann einen Tag alleine für sich, um den sprichwörtlichen Zauber der Südsee erstmalig und erwartungsvoll auf sich einwirken zu lassen.

Die Air Tahiti Nui steht auf der Rollbahn, bereit für den elfstündigen Flug nach Papeete auf Tahiti.

Hübsche polynesische Stewardessen mit duftenden Blumenkränzen im pechschwarzen Haar wünschen ein charmantes „Bon Voyage“ und im einschmeichelnden Gitarrensound klingt die heimliche Hymne der Südsee „Alo aoe“ sehnsuchtsvoll durch die Kabine.

In einer eleganten Steigkurve über Lima hinaus auf das Meer zieht die Air Tahiti Nui ihre nächtliche Bahn.

Ein schwüler Abend senkt sich über Lima und eine millionenfache Lichterkette spiegelt sich in den ruhigen, anrollenden Wellen des Pazifik.

Einmal noch findet Martin Gelegenheit, zu den Anden zurückzublicken. Die sinkende Sonne taucht die „Cordillera Blanca“ in ein leuchtendes, purpurnes Licht, ehe sie im Süd-Pazifik, dem „Stillen Ozean“, versinkt, während hoch oben ein blinkender Jumbo der Air Tahiti seine Bahn zum andern Ende der Welt zieht.

382,08 ₽
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Возрастное ограничение:
18+
Дата выхода на Литрес:
25 мая 2021
Объем:
227 стр. 13 иллюстраций
ISBN:
9783962298715
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