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Modell des Lernpythagoras

Modell des Lernpythagoras


Sie kennen inzwischen die beiden Lernkurven für Wissen und Können sowie die dazugehörigen Metaphern. Vera F. Birkenbihl hat diese Grafiken häufig gezeichnet und immer wieder erklärt, da die Unterscheidung von Wissen und Können für ihre Methoden zentral sind. Der diplomierte Erwachsenenbildner und zertifizierte Birkenbihl-Trainer Stefan Holenstein hat sich mit ihr oft darüber ausgetauscht und sich mit der Frage beschäftigt, wie die beiden Bereiche beim Lernen zusammenspielen. Stellen Sie sich noch einmal das Haus vor, in dem sich auf dem Dachboden Wissen stapelt und im Keller die Trainingsgeräte stehen. Sie bewegen sich in den Räumen dazwischen. Es sind Ihre Kompetenzen, die Sie stetig ausbauen, indem Sie sich unter dem Dach mit dem nötigen Wissen bedienen und im Keller fleißig Ihre Fertigkeiten trainieren. Das Verhältnis von Können und Wissen beeinflusst die Kompetenz. Um dies zu veranschaulichen, entwickelte Stefan Holenstein das Modell des Lernpythagoras. Er präsentierte es im September 2012 im Rahmen eines Birkenbihl-Lehrer-Pilottreffens erstmals einem größeren Publikum. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren sehr positiv.


Das Modell[1] basiert auf dem bekannten Satz des Pythagoras: a2 + b2 = c2.

Wissen und Können stellen die beiden Seiten (Katheten) eines rechtwinkligen Dreiecks dar. Die dem rechten Winkel gegenüberliegende Seite ist die Hypotenuse, welche im Modell des Lernpythagoras dem Kompetenzfaktor entspricht. Das Modell des Lernpythagoras sieht also folgendermaßen aus: W2 + K2 = KF2. In der langen Form: Wissen2 + Können2 = Kompetenzfaktor2. Aus dem Resultat die Wurzel zu ziehen, ersparen wir uns, weil das Ergebnis eine hervorragende Metapher für die Kompetenz als Ganzes darstellt.

Die Fläche, die sich je nach Länge der Katheten ergibt, sagt etwas darüber aus, wie kompetent jemand ist. Je länger die zwei Seiten sind, desto größer wird das Quadrat. Oder anders formuliert: »Viel Wissen« und »viel Können« führt zu »viel Kompetenz«.


Betrachten wir das am Beispiel des perfekt ausgebildeten Fahrradtheoretikers, der nahezu alles über das Fahrradfahren weiß – jedoch noch immer nicht Fahrradfahren kann. Sie werden mit mir einig sein: Es braucht Wissen und vor allem auch Können, um schließlich erfolgreich Fahrrad zu fahren. Mit dem Pythagoras lässt sich dies visualisieren, indem die beiden Katheten in die fünf Kategorien Einsteiger (E), Fortgeschrittene 1 (F1), Fortgeschrittene 2 (F2), Profi (P) und Meister (M) eingeteilt werden. So entsteht eine Skala mit Werten von 1 bis 5. Diese können nun in die Formel eingesetzt werden.


Ich lasse meine Schülerinnen und Schüler ab und zu ihre eigene Englischkompetenz einschätzen. Wenn sich eine Lernende beim Wissen (Wissen über themenbezogene Inhalte in der Fremdsprache sowie vorhandenes Regelwissen) 1.8 Punkte und beim Können (Englisch sprechen und schreiben können) 3 Punkte gibt, errechnet sie eine Kompetenz von 12.24 Punkten (1.82 + 32 = 12.24). Dieser Wert lässt sich nun mit jenem von anderen Schülerinnen und Schülern vergleichen. Natürlich beruht das Resultat auf der Basis einer Selbsteinschätzung, bietet aber durchaus einen Anhaltspunkt für die tatsächliche Kompetenz.


Vielleicht möchten Sie Ihre eigenen Kompetenzen in einem bestimmten Bereich visualisieren? Hier haben Sie Gelegenheit dazu:


Sprechen wir von Kompetenz, dann meinen wir damit nicht ein einzelnes Element in den Bereichen Wissen und Können, sondern vielmehr das Resultat des Zusammenspiels der beiden Bereiche. Sie werden zu Handlungsfähigkeit verknüpft, die im »wahren Leben« relevant ist. Wie dies im Bereich des Sprachenlernens genau funktioniert, werden Sie am Ende dieser Buchlektüre wissen.

Intelligenz

Intelligenz

Bevor Sie auf den folgenden Seiten weiterlesen, legen Sie nun bitte Notizpapier bereit. Beantworten Sie dann die drei Fragen weiter unten. Sie dürfen als Antwort Ihre Annahmen notieren oder auch einfach mit »k. A.« (keine Ahnung) antworten. Auf die Lösungen stoßen Sie bei der weiteren Lektüre dieses Buches. Sollten Sie die Beantwortung der Fragen auslassen, bringen Sie sich gerade um eine wichtige Lernerfahrung, denn es gibt nur ein erstes Mal.


–Wie intelligent schätzen Sie sich selbst auf einer Skala von 1 bis 10 ein?

(1 = gar nicht intelligent, 10 = sehr intelligent/genial)

–Wann erscheint uns jemand besonders intelligent?

–Wovon hängt es ab, wie schnell jemand etwas ganz Neues lernt?

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Bei den Fragen im Vorfeld haben Sie sich dazu Gedanken gemacht, wie intelligent Sie sind. Die meisten Menschen stellen sich hier vor, sie müssten eigentlich erst einen »Intelligenztest« machen, und teilen sich gefühlsmäßig dort ein, wo sie glauben, in etwa hinzugehören. Vera F. Birkenbihl sagte zum Thema Intelligenzquotient: »Der sogenannte IQ gibt nicht an, wie intelligent jemand ist, sondern wie gut er mit unserem Schulsystem klarkommt.« Was macht einen intelligenten Menschen nun aus? Wann erscheint uns jemand besonders intelligent? An unseren Seminaren antworten die Teilnehmenden häufig:

Intelligent erscheint uns beispielsweise jemand, der

–über ein breites Allgemeinwissen verfügt oder

–sich gut und schnell ausdrücken kann oder

–etwas auf verständliche Weise erklären kann oder

–eine Brille trägt.

Und was hatten Sie notiert? Lassen Sie uns im nächsten Schritt einen Blick darauf werfen, was unter Intelligenz verstanden und wie der Begriff definiert werden kann.

Bedeutung des Intelligenzbegriffs nach Perkins

Am meisten beeindruckt hat mich immer die Definition von David Perkins, Professor an der Harvard Graduate School of Education, wonach Intelligenz lernbar ist. Er schlägt vor, dass wir die Intelligenz in drei Faktoren aufteilen.

Teil eins steht für die neuronale Geschwindigkeit. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen ohne Vorkenntnisse in einem Vortrag über Astrophysik, in dem Ihnen der Referent etwas völlig Neues erklärt. Wie schnell können Sie das Vorgetragene einordnen? Gehören Sie eher zu den Schnelldenkern oder eher zu den langsamen Denkern? Oder liegen Sie irgendwo in der Mitte? Egal, wo Sie sich aus Ihrer Erfahrung heraus sehen, die Geschwindigkeit, mit welcher die Neuronen im Gehirn feuern, ist erblich bedingt und somit grundsätzlich vorgegeben. Sind Sie also eher ein Schnelldenker, haben Sie einfach Glück gehabt. Sie konnten mit Ihren Turbo-Neuronen in der Schule auch isolierte Lerninhalte schnell einordnen und hatten wahrscheinlich wenig Lernprobleme (waren sogar eher unterfordert). Langsame Lerner brauchen länger, um neue Inhalte zu verarbeiten. Sie sind darauf angewiesen, dass sie genügend Zeit haben, um neues Wissen einzuordnen und zu verankern und neue Tätigkeiten zu trainieren. In unserem Schulsystem fühlen sie sich oft dumm. Dabei sind sie einfach nur langsamer als andere und können die Lerninhalte ebenso gut lernen wie ihre schnellen Mitschülerinnen und Mitschüler – es dauert nur länger. Übrigens kann es auch Vorteile haben, langsamer zu sein. Stellen Sie sich vor, jemand braust mit seinem Sportwagen über die Autobahn. Ein anderer radelt mit dem Fahrrad an sein Ziel. Wer nimmt mehr Details von der Landschaft wahr? Oft haben langsame Denker den Vorteil, dass sie Dinge wahrnehmen, die den Schnelldenkern beim Vorbeibrausen entgehen. Ihre Langsamkeit zwingt sie sozusagen dazu, den Dingen genauer auf den Grund zu gehen, um sie zu verstehen. Neuronal langsam zu sein, hat also auch Vorteile. Sie kennen sicher Menschen in Ihrem Umfeld, welche insbesondere auch diese beiden Extreme belegen.


Perkins sagt, dass der zweite Bestandteil der Intelligenz unser bestehendes Wissensnetz ist. Wissen Sie über viele Themen Bescheid und wie groß ist Ihr jeweiliges Wissensnetz innerhalb jedes Themas? Wir könnten den Wissensbereich beinahe endlos erweitern. Sie erinnern sich an unseren Musterschüler, der sich eingangs mit dem Thema »Fahrrad« beschäftigt hat? Unser Gehirn ist, wie die Forschung seit längerem weiß, kein statisches Konstrukt, sondern bis ins hohe Alter sehr plastisch und anpassungsfähig. Es ist das einzige Organ, das wächst, ohne mehr Raum zu benötigen. Wir müssen also nie befürchten, dass es in unserem Schädel keinen Platz mehr hat. Diesen Teil der Intelligenz können wir beeinflussen und weiter ausbauen, indem wir unser Wissen erweitern.

Das Wissen besteht aus unzähligen verschiedenen Bezirken und Arealen, die durch eine Vielzahl von Verbindungen und Verknüpfungen miteinander vernetzt sind. Es gibt dichtere und dünnere Stellen; gewisse Bezirke kann man sich wohl strukturiert denken, einige Areale wiederum eher chaotisch. Das Wissensnetz verändert sich ständig; es wird darin laufend eingebaut, umgebaut und verändert, aber auch abgebaut und vergessen. (Steiner 2001, S. 134)

Der dritte Teil der Intelligenz nach Perkins ist unsere Methoden-Kompetenz. Kennen wir und unsere Lernenden verschiedene Methoden und Strategien zum Lernen oder nur eine einzige (z. B. monotones Auswendiglernen)? Hier liegt meiner Ansicht nach ein sehr großes Potenzial. Als Lehrerin ist es mein Bestreben, meinen Schülerinnen und Schülern möglichst viele verschiedene gehirn-gerechte Lernmethoden mit auf den Weg zu geben. Unsere Lernenden sollten ein großes Repertoire an geeigneten Methoden aufbauen können, indem sie verschiedene Lernmethoden während ihrer eigenen Lernphasen anwenden und ausprobieren dürfen. Schon sehr bald können sie die für sie persönlich passende und auf die jeweiligen Lerninhalte abgestimmte Methode selbstständig auswählen. Aber eben wirklich nur, wenn sie auch eine entsprechende Auswahl haben.

An den Rädchen von Teil zwei (Wissensnetz) und Teil drei (Methoden und Strategien) können wir also drehen. Durch Üben können wir indirekt auch am ersten Rädchen drehen. Denn auch jemand, der neuronal langsam ist, kann durch Training auf der Wirkungsseite so flink werden wie ein neuronal schneller Mensch.

Ob jemand neuronal schnell oder langsam ist, zeigt sich also, wenn auf einen Menschen etwas ganz Neues zukommt. Wenn der Mensch mit einem ganz neuen Thema (Astrophysik) oder einem ganz neuen Bewegungsablauf (Tanzschritt) konfrontiert wird. Um dies aufzuzeigen, machen wir in unseren Seminaren oft folgende Übung: Zuerst lassen wir die Teilnehmenden die Wochentage der Reihe nach aufsagen. Laut sagen sie diese vor sich hin: »Montag, Dienstag, Mittwoch …«. Dies geht erfahrungsgemäß sehr flott, alle Teilnehmenden halten locker mit und rufen laut die Wochentage. Das Aufsagen der Wochentage ist für alle Sprechenden nichts Neues und so gibt es auch keine großen Tempo-Unterschiede. Jeder kennt die Wochentage auswendig und hat für die Nennung dieser bereits eine »Autobahn« im Kopf angelegt. Entsprechend leicht fällt diese Übung – egal ob jemand neuronal schnell oder langsam ist.

Nach diesem Einstieg lassen wir die Teilnehmenden die Wochentage rückwärts aufsagen, mit Dienstag beginnend. Hier merken alle, dass das Tempo automatisch etwas niedriger ist und auch die Lautstärke etwas nachlässt. Das geht nicht mehr so flüssig, denn die Teilnehmenden müssen bei jedem Wochentag kurz überlegen, welcher Tag davor war. Trotzdem geht das noch ziemlich zügig, weil wir im Alltag auch wissen müssen, welcher Tag gestern war. Wir können das also gut re-konstruieren.

Die dritte Übung löst als Erstes immer Gelächter aus. Wir fordern die Teilnehmenden auf: »Sagen Sie nun noch einmal die Wochentage auf, diesmal bitte alphabetisch geordnet!« Versuchen Sie es selbst. Der erste Tag ist übrigens der Dienstag. Dazu hat nun wirklich niemand auch nur einen schmalen »Trampelpfad« im Gehirn. Da ist nichts im Gehirn, was die Wochentage in alphabetischer Form gespeichert hätte. Die Reihenfolge muss erst konstruiert werden. Hier zeigt sich nun, wer eher ein Schnelldenker ist und Neues rasch verarbeiten kann und wer eben einfach mehr Zeit benötigt, um die Wochentage alphabetisch auf die Reihe zu kriegen. Falls diese Reihenfolge in unserem Alltag Sinn machen würde und wir tagtäglich mit der alphabetischen Reihenfolge zu tun hätten, könnten wir diese bald alle genauso schnell aufsagen, wie wir es mit der normalen Reihenfolge Montag, Dienstag, Mittwoch … gewohnt sind.

Wir als Lehrpersonen sollten uns diese Übung immer wieder vor Augen führen und den langsameren Lernern in unserem Schulzimmer einfach mehr Zeit geben. Langsam darf nicht gleichgesetzt werden mit dumm! Im Rahmen unserer Seminare haben wir schon so oft erlebt, dass Erwachsene zu uns kommen und in der Pause erzählen, dass sie ihr ganzes bisheriges Leben lang immer geglaubt hätten, dass sie dumm sind. Eine etwa 45-jährige Frau kam einmal mit Tränen in den Augen zu mir und sagte zu mir: »Wissen Sie, alle habe zu mir immer ›die dumme Manuela‹ gesagt. In der Familie war ich schon immer ›die Dumme‹ und auch in der Schule war das so. Jetzt verstehe ich, dass ich einfach langsamer bin als andere. In meiner ganzen Schul- und Ausbildungszeit war es für mich immer so, als würde ich einem fahrenden Zug hinterherrennen, und ich wusste aber auch, dass, so sehr ich mich auch anstrenge, ich keine Chance haben würde, auf den Zug aufzuspringen!«.

Ich weiß heute, dass diese Geschichte kein Einzelfall ist. In fast jeder Klasse gibt es Schüler, die langsamer lernen. Leider erlebe ich immer wieder, wie schnell diese Kinder für immer als »dumm« abgestempelt werden. Trauen wir den Kindern etwas zu und vor allem: Hinterfragen wir die Methoden und nicht die Kinder. Jede Woche darf ich erfahren, dass sogenannte »dumme« oder »schwache« Schüler aufblühen, wenn sie gehirn-gerecht Lernen dürfen, wenn man ihnen dazu genügend Zeit lässt und sie gleichzeitig mit geeigneten Methoden unterstützt.

Die neun Intelligenzen bei Gardner

Im Rahmen unserer Kinder-Eltern-Seminare lassen wir jeweils die Kinder und ihre Eltern ihre Stärken auf der Basis der von Howard Gardner (Gardner, 2002) beschriebenen Intelligenzen bestimmen. Die Teilnehmenden kreuzen ihre zwei am ausgeprägtesten Intelligenzen an. Was würden Sie ankreuzen?

◽Sprachliche Intelligenz

◽Logisch-mathematische Intelligenz

◽Musikalisch-rhythmische Intelligenz

◽Räumliche Intelligenz

◽Körperlich-kinästhetische Intelligenz

◽Naturalistische Intelligenz

◽Interpersonale, soziale Intelligenz

◽Intrapersonale Intelligenz

◽Existenzielle Intelligenz

Was denken Sie, wie die Verteilung auf diese neun Formen von Intelligenz nach einigen hundert Teilnehmenden aussieht? Es hat sich gezeigt, dass die Stärken ziemlich gleichmäßig auf alle neun Intelligenzen verteilt sind. In unserem Schulsystem liegen die Schwerpunkte aber vor allem bei der sprachlichen und logisch-mathematischen Intelligenz. Wer seine Stärken und Interessen genau hier hat, wird fast automatisch eine gute Schülerin oder ein guter Schüler sein. Wer seine Stärken woanders hat, sollte diese zumindest in seiner Freizeit oder später einmal (nach dem Austritt aus der Schule) ausleben können, da diese Fähigkeiten andernfalls verkümmern könnten. Howard Gardner schreibt dazu:

Die Verbindung von sprachlicher und logisch-mathematischer Intelligenz ist zweifellos ein Segen für Schüler und Studenten wie überhaupt für jeden, der regelmäßig Tests absolvieren muß. Vielleicht hat die Tatsache, daß sich die meisten Psychologen und die Wissenschaftler überhaupt durch ein angemessenes Volumen beider Intelligenzen auszeichnen, zwangsläufig dazu geführt, daß diese Fähigkeiten die Intelligenztests dominieren. (Gardner 2002, S. 56)

Auch wenn die von Gardner beschriebenen Intelligenzen bisweilen kontrovers diskutiert werden, erscheint mir die Idee, dass es nicht nur eine Intelligenz gibt, wesentlich. Howard Gardner hat die Vielfalt des menschlichen Geistes beschrieben und nicht nur die kognitiven, sondern auch andere Intelligenzformen aufgelistet. Er sagt, dass wir Kinder nicht so eindimensional sehen sollten. Wenn wir nur auf die rein kognitiven Fähigkeiten der Lernenden achten, machen wir einen Fehler. Kinder sollten auch miteinander und mit sich selbst klarkommen. Sie sollten sich bewegen und sich mit ihrer natürlichen Umgebung beschäftigen dürfen.

Viele weitere Autoren sehen die Intelligenz schon lange nicht mehr als eine unveränderbare Zahl auf der IQ-Skala. Persönlichkeitstrainer Ken Robinson stellt nicht die Frage: Wie intelligent sind Sie? Sondern: Wie sind Sie intelligent? Er schreibt:

Wenn Sie wissen, dass Intelligenz vielgestaltig, dynamisch und individuell ist, können Sie an diese Frage anders herangehen. Und das gehört unbedingt dazu, wenn Sie Ihr Potenzial entdecken wollen. Denn wenn Sie Ihre Vorurteile über das, was Intelligenz ist, aufgeben, können Sie anfangen, Ihre ganz besondere Intelligenz neu zu sehen. Kein Mensch ist eine Zahl auf einer linearen IQ-Skala und nicht zwei Menschen mit dem gleichen IQ werden das Gleiche tun, die gleichen Passionen verfolgen oder in ihrem Leben gleich viel erreichen. Das Potenzial entdecken zu wollen bedeutet, sich auf alle Möglichkeiten einzulassen, auf die Sie die Welt erleben, und herauszufinden, wo Ihre wahren Stärken liegen. (Robinson 2010, S. 74)

Für mich spiegelt dies die große Vielfalt in uns und in unseren Schülerinnen und Schülern wider. Wie schön ist es doch, dass wir verschieden sind und jeder seine eigenen Stärken hat. Manfred Spitzer sagte dazu in einer Fernsehsendung: »Menschen sind vielfältig und es ist wichtig, dass wir ihre Vielfältigkeit ernst nehmen.« Die Birkenbihl-Methode wird dieser Forderung gerecht. Sie werden am Ende der Lektüre dieses Buches wissen, welche Möglichkeiten Sie mit dieser Methode haben, auf die verschiedenen Kinder einer Klasse einzugehen und ihnen beim Sprachenlernen individuell zu helfen.

Die Neuro-Mechanismen

Die Neuro-Mechanismen

Sie wissen nun, wie das menschliche Gehirn die Lernbereiche des Wissens und Könnens abspeichert und dass wir alle mit unterschiedlicher neuronaler Geschwindigkeit neue Lerninhalte verarbeiten. Es braucht ein gewisses Verständnis von der Funktionsweise unseres Gehirns, um die Idee und Vorzüge des gehirn-gerechten Lernens zu verstehen. Eine ziemlich große Rolle spielen die Neuro-Mechanismen. Beantworten Sie bitte die nachfolgenden Fragen, bevor Sie weiterlesen:


–Wie würden Sie die Funktionen eines Gehirns einem Kind erklären?

–Sie haben Durst. Welche Möglichkeiten gibt es, diesen Durst zu stillen?

–In welchem Alter beginnt ein Kind zu kategorisieren?

–Was könnte mit dem »Ball-im-Tor-Effekt« gemeint sein?

–Wie geht das Gehirn mit Grammatikregeln um?

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Unser Gehirn hat Bedürfnisse. Vergleichen wir es mit Durst. Wenn Sie durstig sind, können Sie ein Glas Wasser trinken, eine Suppe schlürfen oder eine saftige Frucht essen. Sie haben verschiedene Möglichkeiten, das körperliches Bedürfnis (Durst) zu befriedigen.

Vera F. Birkenbihl sprach im Falle der Bedürfnisse des Gehirns seit 1993 von Neuro-Mechanismen. Diese Neuro-Mechanismen sind – wie alle unsere Grundbedürfnisse – angeboren und im Grundsatz bei allen Menschen gleich. Im Folgenden finden Sie eine Zusammenstellung der für das Sprachenlernen relevanten Neuromechanismen[2].

Assoziatives Denken


Grundsätzlich denken wir assoziativ. Das heißt, alle unsere Gedanken hängen aneinander. Wenn ich Ihnen zum Beispiel den Begriff »Baum« nenne, dann denken Sie vielleicht an »Holz«, als Nächstes fällt Ihnen zum Beispiel »Papier« ein, danach »Zeichnung«, »Farbe«, »Kunst«, »Museum«, »Ferien« usw. Diese sogenannte Assoziationskette wird bei jeder Person anders ausfallen. Dies hängt davon ab, welche Erlebnisse und Erfahrungen sie in ihrem bisherigen Leben gemacht hat und womit sie sich gerade beschäftigt. Ohne es bewusst wahrzunehmen, surfen wir im »Wissensnetz« unseres Gehirns umher. Wir googeln gewissermaßen in unserem Gehirn, finden gespeicherte Informationen und verknüpfen diese bei Bedarf neu.

Die einfachste Art, beim Lernenden assoziatives Denken auszulösen, ist die Frage: »Was fällt dir dazu ein?«. Vera F. Birkenbihl schreibt dazu:

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Findet unser Geist im Gedächtnis etwas, dann besteht eine alte VERBINDUNG zu diesem Inhalt. Diese stammt aus der VERGANGENHEIT, sie ist bereits VORHANDEN. Und eben deshalb können wir VERANTWORTUNG für eigene Lern-Prozesse übernehmen. Wir müssen begreifen, dass ASSOZIATIVES Denken eine der besten Lern-Strategien ist, mit denen die Natur uns ausgestattet hat. (Birkenbihl 2004, S. 42, Hervorhebungen im Original)

Wichtig für uns: Denken ist immer assoziativ. Das Gehirn ist dafür geschaffen und liebt es, es ist ihm ein Bedürfnis und gleichlzeitig eine Funktionsweise.

Sie erinnern sich, wie wir weiter oben über verschiedene Möglichkeiten nachgedacht hatten, wie wir das Bedürfnis »Durst« stillen könnten? Wenn nun unser Gehirn das Bedürfnis hat, assoziativ zu denken, dann können wir dieses Bedürfnis ebenfalls auf verschiedene Art stillen, zum Beispiel mit ein paar Runden des Geografie-Spiels (auch als Stadt-Land-Fluss-Spiel bekannt), also der spielerischen Suche verschiedener Begriffe zu einem Buchstaben.


Eine andere Möglichkeit, assoziative Denkprozesse auszulösen, ist es, unsere Assoziationen zu einem bestimmten Thema in einer ABC-Liste zu notieren. In beiden Fällen werden wir assoziativ denken, also diesen Neuro-Mechanismus anstoßen. Diese Funktionsweise des Gehirns können wir fürs Lernen nutzbar machen.

Incidentales Lernen


Incidental stammt aus dem Englischen und bedeutet »beiläufig« oder »nebenbei«. Bezogen auf den Lernprozess umschreibt dies den Umstand, dass wir vieles beiläufig und unbewusst lernen. Während der ersten Lebensjahre lernen wir nahezu ausschließlich incidental. Auch als Erwachsene lernen wir im Alltag noch sehr viel unbewusst. Ein einfaches Beispiel dazu: Obwohl Sie für die Erforschung Ihres bevorzugten Einkaufszentrums weder Pläne ausgedruckt noch den Standort der einzelnen Läden auswendig gelernt haben, finden Sie diese heute auf Anhieb. Gelernt haben Sie die Elemente Ihres Einkaufszentrums unbewusst und beim ersten Besuch des Einkaufszentrums »bei-läufig« (im wahrsten Sinne des Wortes). Sie wissen, wo Sie Ihr Auto am besten parken, wo die Standorte der einzelnen Fachgeschäfte sind und wo Sie Butter und Brot im Lebensmittelgeschäft finden.

Durch die Anwendung von gehirn-gerechten Lernmethoden wird der Neuro-Mechanismus »incidentales Lernen« häufig ganz von selbst ausgelöst. Allerdings kann incidentales Lernen nicht für sich allein stehen, sondern es ist das Resultat der Anwendung einzelner oder verschiedener gehirn-gerechter Methoden. Je mehr solcher Lernmethoden wir einsetzen, umso sicherer wird incidentales Lernen stattfinden. Beim Lernen von Sprachen nutzen wir diesen Neuro-Mechanismus vor allem im Schritt »passives Hören«.

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Vergleichen


Einer unserer wichtigsten Neuro-Mechanismen ist das Vergleichen. Unser Gehirn vergleicht unablässig. Es prüft, ob etwas (eine Situation oder eine Sache) bekannt oder unbekannt ist. Falls uns etwas unbekannt ist, wird dies sofort in das Bewusstsein transferiert, damit wir handeln können. Die moderne Gehirnforschung belegt, dass wir sogar schon reagieren, bevor (!) eine Situation in unser Bewusstsein tritt. Dies sichert unser Überleben. Unser Gehirn vergleicht ganz automatisch und so können wir auch diesen Mechanismus starten, indem wir z. B. unsere Schülerinnen und Schüler ihre Beobachtungen, Kenntnisse und ihre Meinungen gegenseitig austauschen und vergleichen lassen. Dadurch setzen sie Dinge und Vorkommnisse in Beziehung zueinander und lösen eine ganze Kaskade von Prozessen in ihrem Gehirn aus. Vera F. Birkenbihl schreibt dazu.

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Nach dem ASSOZIIEREN und VERGLEICHEN ist man sehr offen für Infos von »vorne«, also das, was die Lehrkraft zu sagen hat. Im Klartext: Frontalunterricht ist nicht per se falsch, böse, veraltet etc. (wiewohl es in Zukunft auch neue Formen geben muss), aber wenn er auf eine Vorbereitungsphase von kurz Selbstdenken und Vergleichen folgt, kann er wenigstens als Saat in den »vorbereiteten« Boden eingepflanzt werden. (Birkenbihl 2004, S. 16, Hervorhebungen im Original)

Der Neuro-Mechanismus »Vergleichen« lässt sich nicht nur anregen, indem ein Wissensaustausch mit anderen Personen stattfindet. Die Lernenden können beispielsweise auch ihre notierten Annahmen zu Quizfragen mit den angereicherten Antworten vergleichen, die sie später in der Schulstunde erhalten.

Imitation


Was wir gelernt haben, um unseren Alltag zu meistern, haben wir größtenteils durch Imitation, also durch Nachahmen gelernt. Bereits Säuglinge beobachten ihre Umgebung und imitieren schon nach kurzer Zeit die Mimik ihrer Bezugspersonen.

Remo Largo schreibt dazu: »Menschen sind schließlich Meister der Nachahmung, durch die sie das Verhalten anderer verinnerlichen können (soziales Lernen). Bereits der Säugling hat ein starkes Bedürfnis nachzuahmen. Er imitiert einfache mimische Ausdrucksweisen und Laute« (Largo 2010, S. 38 f.).

Auch unsere Muttersprache haben wir durch Imitation gelernt. Wir sprechen unsere Muttersprache mit den regionalen Einfärbungen, wie wir sie in unserer Familie und in unserer Peergroup gehört haben. Was bedeutet dies für das Erlernen einer Fremdsprache, zum Beispiel in einer beliebigen Englischklasse in Ihrer Gegend? Denken Sie bitte kurz darüber nach, bevor Sie weiterlesen.

Wir dürfen (oder müssen) davon ausgehen, dass die Schülerinnen und Schüler nur so gut werden können wie ihr Vorbild. Im besten Fall spricht unser Sprachlehrer oder unsere Sprachlehrerin die Zielsprache akzentfrei und als Muttersprache. Dies ist jedoch äußerst selten. Wie wir trotzdem eine ausreichende Menge an »guten Vorbildern« erreichen können, werden Sie im Schritt drei der Birkenbihl-Methode erfahren.

Eine kleine Anmerkung für die Lateiner unter uns: Latein gehört trotz seiner großen Verbreitung zu den »toten Sprachen«. Von »toter Sprache« wird dann gesprochen, wenn es zu einer Sprache keine Muttersprachler mehr gibt und wir nicht so genau wissen, wie sie gesprochen wird. Die heutige Aussprache im Lateinunterricht ist ein Kompromiss aus der eingedeutschten Aussprache des Lateinischen und der auf wissenschaftlichen Grundlagen rekonstruierten lateinischen Aussprache. Ich verspreche Ihnen aber, dass die Birkenbihl-Methode auch im Lateinunterricht funktioniert.

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Kategorisieren


Nehmen wir noch einmal unsere Haus-Metapher zur Hand. Stellen wir uns vor, dass auf dem Dachboden unser ganzes Wissen in Kisten, Boxen, Ordnern und Schubladen abgelegt ist. Irgendwo befindet sich eine Schublade für alle Tiere, in einer anderen sind Werkzeuge geordnet. Unser ganzes Wissen ist strukturiert und thematisch geordnet. Sie werden es ahnen: Die Forschung kann heute belegen, dass unser Gehirn tatsächlich so ähnlich organisiert ist.

Es entspricht dem Neuro-Mechanismus »Kategorisieren«, wenn wir Gegenstände, Begriffe oder Bilder in Kategorien einteilen. Dies erreichen wir durch Fragestellungen wie »Was ist gleich oder ähnlich? Was gehört zusammen?«. Die gleichen Begriffe können auf verschiedene Weise kategorisiert werden. Derselbe Begriff kann also verschiedenen Kategorien zugeordnet werden. Wenn wir in Kategorien denken, nutzen wir eine wichtige Basis-Funktion unseres Gehirns. Somit arbeiten wir gehirn-gerecht.

Lassen wir nochmals Remo Largo zu Wort kommen: »Mit 18 bis 24 Monaten beginnt das Kind zu sortieren, indem es beispielsweise Farben und Formen kategorisiert. Das Kategorisieren ist eine Grundfunktion unseres Denkens. Was gehört zusammen, was ist verschieden?« (Largo 2009, S. 82)

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Neugierde


Wir sind von Natur aus neugierige Wesen. Den entsprechenden Neuro-Mechanismus gilt es nach Möglichkeit zu aktivieren. Wenn wir gehirn-gerecht lernen, wird das Interesse geweckt und die Neugierde bleibt erhalten.

Remo Largo: »Die Neugierde ist der Motor für das Lernen. Sie bleibt dann aus, wenn ein Kind über- oder unterfordert wird. Die Lernmotivation wird dagegen gestärkt und das Selbstwertgefühl bestätigt, wenn Anforderungen und Kompetenz des Kindes so weit übereinstimmen, dass das Kind in seinen Lernbemühungen zumeist erfolgreich ist.« (Largo 2010, S. 70)

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Fragen (öffnen den Geist)


»Fragen öffnen den Geist!« ist eine wesentliche und häufige Aussage von Vera F. Birkenbihl. Fragen haben viel mit Wissen zu tun. Dieses braucht es einerseits, um die von der Lehrperson gestellten Fragen beantworten zu können.Außerdem sind das Wissen zu einem Thema sowie ein gewisses Training nötig, um die Fähigkeit des Fragens zu entwickeln. Sie lässt sich bei den Lernenden zum Beispiel folgendermaßen verbessern und trainieren, indem sie regelmäßig Rätsel lösen, Wissensquiz-Spiele machen oder selber solche herstellen und immer wieder eigene Fragen formulieren.

Als Lehrperson haben Sie natürlich auch selbst die Möglichkeit, durch geschickte Fragestellungen schon zu Beginn eines Themas oder einer Lernsequenz an das bestehende Wissen Ihrer Lernenden anzuknüpfen. Dabei ist es nicht wichtig, ob die Lernenden bereits eine korrekte Antwort kennen. Die Fragen regen zum Denken an und aktivieren dadurch themenrelevante Areale im Gehirn. So können Ihre Schülerinnen und Schüler in der nachfolgenden Schulstunde neues Wissen viel besser an das bestehende Wissensnetz anknüpfen.

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Explorer – Entdeckerin und Entdecker sein

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