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SECHSTES KAPITEL
Was in den Vereinigten Staaten nun nicht mehr unbekannt sein kann und was man nicht mehr glauben darf.

B

arbicanes Vorschlag hatte zur unmittelbaren Folge, dass alle astronomischen Tatsachen, welche sich auf das Gestirn der Nacht bezogen, auf die Tagesordnung kamen. Jeder machte sich daran, dieselben eifrig zu studieren. Es schien, als sei der Mond zum ersten Male am Horizont aufgetreten und es habe ihn bisher noch niemand am Himmel gesehen. Luna wurde zur Mode: Sie wurde Löwin des Tages, ohne deshalb weniger bescheiden aufzutreten. Sie nahm ihren gebührenden Rang unter den ›Gestirnen‹ ein, ohne darum mehr Stolz erkennen zu lassen. Die Journale wärmten die alten Anekdoten wieder auf, worin diese als ›Sonne der Wölfe‹ gepriesen wurde. Sie erinnerten an den Einfluss, welchen ihr die Unwissenheit der Menschen früherer Zeiten verliehen, und sie sangen ihre Loblieder in allen Tonarten. Fast hätten sie von ihr Bonmots zum Besten gegeben. Ganz Amerika wurde mondsüchtig.

Die wissenschaftlichen Zeitschriften behandelten ihrerseits die mit der Unternehmung des Gun-Clubs zusammenhängenden Fragen eingehender. Das Schreiben des Observatoriums von Cambridge wurde veröffentlicht, erläutert und rückhaltlos gebilligt. Kurz: Selbst dem am wenigsten wissenschaftlichgebildeten Yankee war es nicht mehr gestattet, in Beziehung auf den Trabanten nur eine einzige Tatsache nicht zu kennen, ebenso wenig der borniertesten alten Mistress, ferner die in Betreff desselben gehegten abergläubischen Irrtümer gelten zu lassen. Die Wissenschaft drang in allen möglichen Formen in die Menschen ein, durch die Augen und Ohren gelangte sie in ihren Geist. Es war nicht mehr möglich, in Sachen der Astronomie weiterhin ein Esel zu sein ...

Bisher war vielen Menschen nicht bekannt, wie man die Entfernung des Mondes von der Erde zu berechnen im Stande war. Man benützte diesen Umstand, sie zu belehren, dass man diese Kenntnis durch eine Messung der Parallaxe des Mondes gewinne. Waren sie von diesem Wort befremdet, sagte man ihnen, so nenne man den Winkel, welchen zwei gerade Linien bildeten, die man von den beiden Enden des Erddurchmessers zum Mond zog. Zweifelten sie an der Zulänglichkeit dieser Methode, so bewies man ihnen unmittelbar, nicht allein, dass dieser mittlere Abstand wohl 234.347 Meilen (= 94.330 Lieues) betrug, sondern auch, dass sich die Astronomen nicht um mehr als siebzig Meilen irrten.

Denen, welche mit den Bewegungen des Mondes nicht sehr vertraut waren, erläuterten die Journale täglich, dass er zwei verschiedene Bewegungen habe. Erstens: die Umdrehung um seine eigene Achse und zweitens: den Umlauf um die Erde. Beide Bewegungen vollziehen sich zu gleicher Zeit, nämlich binnen 27 1/3 Tagen.

Die Umdrehung um die Achse bedeutet für die Mondoberfläche Tag und Nacht, nur dass es binnen eines Monats auf dem Mond nur einen Tag gibt und nur eine Nacht, von denen jeder 354 1/3 Stunden dauert. Aber zum Glück wird die der Erde zugewandte Seite von dieser mit Licht bestrahlt, welches vierzehnmal stärker als das Mondlicht ist. Die andere, stets unsichtbare Seite hat natürlich 354 1/3 Stunden absolute Nacht, die nur durch das schwache Licht, das von den Sternen auf sie fällt, gemildert wird. Diese Erscheinung rührt einzig von der Eigentümlichkeit her, dass sich die Bewegungen sowohl der Umdrehung als auch des Umlaufs in vollständig gleicher Zeit vollziehen. Eine Erscheinung, die nach Cassini und Herschel auch bei den Trabanten des Jupiters, und sehr wahrscheinlich auch bei allen anderen Trabanten üblich ist.

Manche recht gescheiten, aber etwas sturen Köpfe begriffen nicht sogleich, dass, wenn der Mond während seines Umlaufs um die Erde derselben stets das gleiche Antlitz zuwendet, er sich während derselben Zeit dabei um sich selber dreht. Zu diesen sagte man: »Treten Sie in Ihren Speisesaal, und gehen Sie um den Tisch herum, sodass Sie den Blick stets dem Zentrum zuwenden. Wenn Sie mit diesem Rundgang fertig sind, findet sich, dass Sie zugleich sich selbst umgedreht haben, denn Ihr Auge hat nach und nach alle Punkte des Saals angeblickt. Nun! Der Saal ist der Himmel, der Tisch ist die Erde, und der Mond sind Sie!« -Und sie waren durch diesen Vergleich in höchstem Maße befriedigt.

Also, der Mond zeigt der Erde unablässig dieselbe Seite, doch muss man, um exakt zu sein, beifügen, dass er, infolge einer gewissen schwankenden Bewegung von Norden nach Süden und von Westen nach Osten, welche man ›Libration‹ nennt, etwas mehr als die Hälfte seiner Scheibe, nämlich ungefähr 57 Prozent, sehen lässt.

Als nun die Unwissenden über die Rotation des Mondes ebenso viel wussten wie der Direktor des Observatoriums in Cambridge, beunruhigten sie sich über seine Umlaufbewegung um die Erde, und zwanzig wissenschaftliche Zeitschriften waren rasch bei der Hand, sie zu belehren. Sie lernten dabei, dass das Firmament mit seinen unzähligen Sternen wie ein großes Ziffernblatt, auf dem sich der Mond bewegt und allen Erdbewohnern die richtige Stunde zeigt, aufgefasst werden kann, dass das Nachtgestirn bei dieser Bewegung seine verschiedenen Phasen zeigt, dass es Vollmond ist, wenn er auf der der Sonne entgegengesetzten Seite (in Opposition) steht, d. h. die drei Gestirne in derselben Linie stehen, in der Mitte die Erde, Neumond dagegen, wenn er seinen Stand zwischen der Erde und der Sonne hat (mit ihr in Konjunktion ist), schließlich, dass sich der Mond in seinem ersten oder letzten Viertel befindet, wenn er an der Spitze eines rechten Winkels steht, welchen die beiden Linien, nach der Sonne und der Erde hin, bilden.

Einige scharfsinnige Yankees zogen daraus den Schluss, dass die Verfinsterungen nur zur Zeit der Konjunktion oder Opposition stattfinden könnten, und sie urteilten richtig. Im Stand der Konjunktion vermag der Mond die Sonne zu verfinstern, während ihn bei der Opposition die Erde verfinstern kann, und dass nur deshalb die Finsternisse nicht zweimal bei jedem Mondumlauf eintreten, weil die Ebene der Mondbewegung gegen die Ekliptik, d. h. die Bahn der Erdbewegung, geneigt ist.

Was die Höhe betrifft, welche das Nachtgestirn über dem Horizont einnehmen kann, so hatte das Schreiben des Observatoriums in dieser Hinsicht alles ausgesagt. Jeder wusste, dass sich diese Höhe nach dem jeweiligen Breitengrad, auf dem sich der Beobachter befindet, ändert. Aber die einzige Zone, für welche der Mond im Zenit, d.h. gerade über dem Scheitel seiner Bewohner, stehen kann, liegt nur zwischen dem Äquator und dem 28° Grad südlicher wie nördlicher Breite. Deshalb wurde so dringend empfohlen, das Experiment nur auf einem Punkt innerhalb dieser Zone vorzunehmen, damit man das Geschoss senkrecht abschießen und umso schneller der Wirkung der Schwerkraft entziehen könne. Das Gelingen des Vorhabens war an diese wesentliche Bedingung geknüpft und die öffentliche Meinung musste sich daher lebhaft dafür interessieren.


In Bezug auf die Linie, welche der Mond bei seiner Bahn um die Erde beschreibt, hatte das Observatorium in Cambridge hinlänglich auch den Ignoranten aller Länder gezeigt, dass dieselbe nicht ein Kreis ist, sondern eine Ellipse, worin sich die Erde an einem der Brennpunkte befindet. Diese elliptischen Bahnen finden sich bei allen Planeten wie bei allen Trabanten, und die rationelle Mechanik beweist mit aller Deutlichkeit, dass es nicht anders möglich ist. Selbstverständlich begriff man, dass die Erdferne des Mondes seinen Stand an demjenigen Punkt seiner Bahn hat, an dem sie am weitesten von der Erde entfernt liegt, seine Erdnähe am nächsten Punkt zur Erde.

Dieses also musste jeder Amerikaner, er mochte wollen oder nicht, wissen, und anständigerweise konnte niemand darin unwissend sein. Aber auch wenn sich die richtigen Schlussfolgerungen rasch verbreiteten, war es doch nicht so leicht, eine Unzahl an Irrtümern und manche unnötigen Sorgen zu beseitigen.

So behaupteten z. B. manche ehrenwerte Leute, der Mond sei ein früherer Komet, der bei seiner verlängerten Bahn um die Sonne in der Nähe der Erde vorbeigekommen und von ihrer Anziehungskraft festgehalten worden sei. Diese Salon-Astronomen meinten, damit das verbrannte Aussehen des Mondes erklären zu können. Man brauchte ihnen gegenüber aber nur die Bemerkung zu machen, dass Kometen eine Atmosphäre aufweisen, der Mond hingegen keine oder nur eine sehr geringe, und sie wussten nichts darauf zu erwidern.

Andere äußerten hinsichtlich des Mondes gewisse Besorgnisse. Sie hatten gehört, dass die Geschwindigkeit seiner Umlaufbewegung seit den zu Zeiten der Kalifen gemachten Beobachtungen in einem bestimmten Verhältnis zunehme. Daraus folgerten sie ganz konsequent, dass einer beschleunigten Bewegung eine Verminderung des Abstandes beider Gestirne entsprechen müsse und dass, wenn diese doppelte Wirkung ins Unendliche fortdauere, am Ende der Mond einmal auf die Erde fallen müsse. Doch sie mussten ihre Besorgnisse um die zukünftigen Generationen aufgeben, als man sie lehrte, dass nach Laplaces Berechnungen diese Beschleunigung der Bewegung sehr gering ist und eine verhältnismäßige Verminderung unfehlbar darauf folgen werde, demnach eine Störung des Gleichgewichts im Sonnensystem in Zukunft nicht stattfinden könne.

Nun blieben noch die abergläubischen Ignoranten, welche sich nicht darauf beschränkten, nichts zu wissen, sondern vielmehr wussten, was nicht der Wahrheit entspricht, und hinsichtlich des Mondes wussten sie scheinbar bis ins Einzelne Bescheid. Die einen sahen seine Scheibe wie einen Polierspiegel an, mit dem man sich an verschiedenen Punkten der Erde sehen und seine Gedanken mitteilen könne. Andere behaupteten, bei 1.000 Neumonden, die man beobachtet hatte, seien auf 950 erhebliche Veränderungen gefolgt, wie Überschwemmungen, Revolutionen, Erdbeben usw. Sie glaubten daher an einen mysteriösen Einfluss des Nachtgestirns auf das Schicksal der Menschen. Sie meinten, dass jeder Erdbewohner durch ein Band der Sympathie mit einem Mondbewohner in Verbindung stehe. In Anlehnung an Doktor Mead behaupteten sie, das Lebenssystem sei ihm völlig unterworfen, Knaben würden nur während der Zeit des Neumonds geboren, Mädchen während des letzten Viertels usw. Aber endlich mussten sie diese Irrtümer aufgeben, und wenn die Bedeutung des Mondes, seitdem er seines mysteriösen Einflusses beraubt ist, in den Augen gewisser Leute, die allen Mächtigen den Hof machen, auch gesunken ist, wenn manche ihm den Rücken kehrten, so erklärte sich die überwiegende Mehrheit zu seinen Gunsten. Die Yankees hatten keinen anderen Ehrgeiz mehr als den, von diesem neuen Kontinent der Lüfte Besitz zu ergreifen und das Sternenbanner der Vereinigten Staaten Amerikas auf seinem höchsten Gipfel aufzupflanzen.

SIEBTES KAPITEL
Ein Loblied für die Kugel

D

as Observatorium von Cambridge hatte in seinem denkwürdigen Schreiben vom 7. Oktober die Frage vom astronomischen Gesichtspunkt aus behandelt, nun handelte es sich um die technische Lösung derselben. In jedem anderen Lande hätte man die praktischen Schwierigkeiten für unüberwindlich gehalten. In Amerika bedeutete dies nur ein Spiel.

Ohne viel Zeit zu verlieren, hatte der Präsident Barbicane im Schöße des Gun-Clubs ein Ausführungskomitee ernannt. Dieses sollte in drei Sitzungen die drei großen Fragen, die der Kanone, die des Projektils und die des Pulvers, beleuchten. Es waren vier sehr sachverständige Mitglieder: Barbicane mit ausschlaggebender Stimme bei Stimmengleichheit, General Morgan, Major Elphiston und der unverbesserliche J. T. Maston als Bericht erstattender Sekretär.

Am 8. Oktober versammelte sich das Komitee beim Präsidenten Barbicane, Republican Street 3. Da bei einer so ernsten Beratung der Magen keinen Ärger machen durfte, war der Tisch, woran die vier Mitglieder des Gun-Clubs Platz nahmen, mit Sandwiches und einer stattlichen Anzahl an Teekannen gedeckt. Sogleich befestigte Maston seine Feder an seinem eisernen Haken[15] und die Sitzung begann.

Barbicane ergriff das Wort: »Liebe Kollegen«, sprach er, »wir haben eins der wichtigsten Probleme der Ballistik zu lösen, jener Wissenschaft, welche sich mit der Bewegung der Projektile beschäftigt, d. h. der Körper, welche durch irgendeine Antriebskraft in den Raum hinausgeschleudert und dann sich selbst überlassen werden.«

»Oh! Die Ballistik! Die Ballistik!«, rief J. T Maston mit gerührter Stimme. »Vielleicht«, fuhr Barbicane fort, »wäre es richtiger gewesen, diese erste Sitzung der Besprechung der Maschine zu widmen ...«

»Jawohl!«, bestätigte General Morgan.

»Doch schien mir«, fuhr Barbicane fort, »nach reiflicher Erwägung die Frage des Projektils vorausgehen zu müssen, da von dem Letzteren die Dimensionen der Ersteren abhängen müssen.«

»Ich bitte ums Wort«, rief J. T. Maston.

Es wurde ihm gerne verliehen.

»Meine tapferen Freunde«, sagte er mit gehobener Stimme, »unser Präsident hat Recht, dem Projektil den Vorrang zu geben. Diese Kugel, welche wir auf den Mond schießen wollen, ist unser Abgesandter, und ich möchte mir erlauben, denselben vom rein moralischen Gesichtspunkt aus zu betrachten.«

Diese ungewöhnliche Betrachtungsweise eines Projektils reizte die Neugierde der Komiteemitglieder ausnahmslos. Sie schenkten daher den Worten Mastons die gespannteste Aufmerksamkeit.

»Liebe Kollegen«, fuhr dieser fort, »ich will mich kurz fassen. Ich lasse die physische Kugel, welche tötet, außer Betracht, um nur die mathematische, die moralische, zu betrachten. Ich erkenne in der Kugel die glänzendste Kundgebung der Macht des Menschen. Bei ihrer Schöpfung hat sich der Mensch dem Schöpfer am meisten genähert.«

»Sehr gut!«, sagte Major Elphiston.

»Wahrhaftig«, sprach der Redner, »so wie Gott die Sterne und die Planeten geschaffen hat, so schuf der Mensch die Kugel, das Abbild der im Weltraum schweifenden Gestirne, die in Wahrheit nur Projektile sind! Gott schuf die Geschwindigkeit der Elektrizität, des Lichtes, der Sterne, der Kometen, der Planeten und der Trabanten, die Geschwindigkeit des Tones, des Windes! Wir aber erschufen die Geschwindigkeit der Kugel, welche die der Bahnzüge und der schnellsten Rennpferde hundertmal übertrifft!«


J. T Maston war begeistert. Er sang dieses Loblied mit lyrischem Elan.

»Die Zahlen sprechen für sich«, fuhr er fort. »Nehmen Sie nur den bescheidenen Vierundzwanzigpfünder. Fliegt er auch achthunderttausendmal langsamer als die Elektrizität schnell ist, sechshundertundvierzigtausendmal langsamer als das Licht schnell ist, sechsundsiebzigmal langsamer als die Erde sich um die Sonne bewegt, so übertrifft er doch, wenn er aus der Kanone herauskommt, bereits die Schnelligkeit des Tones, macht in der Sekunde 200 Toisen (= 1.200 par. Fuß), 2.000 in zehn Sekunden, 14 Meilen (6 Lieues) in der Minute, 48 Meilen in der Stunde (64 Lieues), 20.100 Meilen (8.640 Lieues) am Tag, d.h. die Schnelligkeit der Punkte des Äquators bei seiner Umdrehung um seine Achse, 7.336.500 Meilen (3.155.760 Lieues) im Jahr. Er würde also in elf Tagen zum Monde gelangen, in zwölf Jahren bis zur Sonne. Das könnte diese bescheidene Kugel, unserer Hände Werk! Wie wäre es, wenn wir diese Geschwindigkeit verzwanzigfachen? Ach! Prachtvolle Kugel! Ich denke wohl, man wird dich dort oben als Abgesandten der Erde mit gebührenden Ehren empfangen!«

Die Rede wurde mit großem Jubel aufgenommen und Maston wurde von seinen Kollegen beglückwünscht.

»Und nun«, sagte Barbicane, »nachdem wir der Poesie Raum gegeben haben, lassen Sie uns die Frage direkt angehen.«

»Wir sind dazu bereit«, erwiderten die Mitglieder des Komitees und verschlangen dabei jeder ein halbes Dutzend Sandwiches.

»Sie kennen unsere Aufgabe«, fuhr der Präsident fort. »Es handelt sich darum, einem Projektil die Geschwindigkeit von zwölftausend Yards in der Sekunde zu geben. Ich darf wohl glauben, dass wir dies schaffen können. Zunächst betrachten wir die bis jetzt erzielten Geschwindigkeiten. General Morgan wird imstande sein, uns darüber zu informieren.«

»Umso leichter«, erwiderte der General, »als ich während des Krieges der Kommission für die Experimente angehörte. Ich bemerke daher, dass Dahlgreens Cent-Kanonen, welche 2.500 Toisen (15.000 Fuß) weit flogen, ihrem Projektil eine anfängliche Geschwindigkeit von 500 Yards in der Sekunde gaben.«

»Gut. Und die Columbiade[16] Rodman?«, fragte der Präsident.

»Die beim Fort Hamilton in der Nähe von New York verwendete Columbiade Rodman schleuderte eine Kugel von einer halben Tonne Gewicht mit einer Geschwindigkeit von 800 Yards in der Sekunde sechs Meilen weit, ein Resultat, das Armstrong und Palliser in England niemals erreichten.«

»Ja! Die Engländer!«, sagte J. T. Maston mit einer drohenden Bewegung nach Osten.

»Also«, stellte Barbicane fest, »wären diese 800 Yards die größte bis jetzt erreichte Geschwindigkeit.«

»Ja«, bestätigte Morgan.

»Doch will ich bemerken«, fiel J. T. Maston ein, »wäre mein Mörser nicht zersprungen, ...«

»Ja, aber er ist eben doch zersprungen«, unterbrach Barbicane mit wohlwollender Handbewegung. »Wir haben also diese Geschwindigkeit von 800 Yards als Ausgangspunkt zu nehmen. Wir müssen sie zwanzigfach erzielen. Da wir nun die Beratung über die Mittel, solch eine Geschwindigkeit zu bekommen, für eine andere Sitzung bestimmt haben, so will ich, liebe Kollegen, Ihre Aufmerksamkeit auf die Dimensionen lenken, welche wir der Kugel geben müssten. Sie sehen wohl, dass es sich nicht mehr um Projektile von dem Gewicht einer halben Tonne handelt!«

»Warum nicht?«, fragte der Major.

»Weil diese Kugel«, fiel Maston lebhaft ein, »groß genug sein muss, um die Aufmerksamkeit der Mondbewohner, wenn es sie denn wirklich gibt, auf sich zu ziehen.«

»Ja«, erwiderte Barbicane, »und noch aus einem anderen wichtigen Grunde.«

»Worauf wollen Sie hinaus, Barbicane?«, fragte der Major.

»Ich meine, es genügt nicht, ein Projektil abzuschießen und sich nicht weiter darum zu kümmern. Wir müssen ihm bis zu dem Moment folgen, wo es am Ziele anlangen wird.«

»Hm!«, grunzten der General und der Major etwas überrascht.

»Allerdings«, fuhr Barbicane fort, »oder unser Experiment wird keinen Erfolg haben.«

»Aber dann«, erwiderte der Major, »müssen Sie dem Projektil enorme Dimensionen geben.«

»Nein. Hören Sie bitte. Sie wissen, dass die optischen Instrumente eine große Vollkommenheit erlangt haben. Mit einigen Teleskopen hat man bereits sechstausendfache Vergrößerungen erreicht, sodass man damit den Mond bis auf vierzig englische Meilen nahe gebracht hat. In dieser Entfernung nun sind Gegenstände von 60 Fuß Umfang völlig sichtbar. Hat man die Schärfe der Teleskope noch nicht weiter gebracht, so geschah es, weil dies nur auf Kosten der Klarheit möglich ist. Da nun der Mond ein schwaches, reflektiertes Licht besitzt, kann man keine weitere Vergrößerung erzielen.«


»Nun! Was wollen Sie also machen?«, fragte der General. »Werden Sie Ihrem Projektil einen Durchmesser von sechzig Fuß geben?«

»Nein!«

»Also wollen Sie dem Mond mehr Leuchtkraft geben?«

»Jawohl.«

»Nun, das ist stark!«, rief J. T. Maston aus.

»Ja, sehr stark«, erwiderte Barbicane. »In der Tat, wenn es mir gelingt, die Dichte der Atmosphäre, welche das Mondlicht zu durchdringen hat, zu vermindern, wird dieses Licht dadurch nicht stärker leuchten?«

»Unbestreitbar.«

»Nun denn! Zu diesem Zweck wird es genügen, ein Teleskop auf einem hohen Berg aufzustellen.«

»Ich gebe mich geschlagen«, entgegnete der Major. »Was haben Sie für eine Art, die Dinge zu vereinfachen ...! Und welche Verstärkung hoffen Sie dadurch zu erlangen?«

»Achtundvierzigtausendmal, wodurch der Mond auf 5 Meilen nahe gebracht wird. Und um sichtbar zu sein, brauchen die Gegenstände nur neun Fuß Durchmesser zu haben.«

»Vortrefflich!«, rief Maston. »Unser Projektil wird also neun Fuß Durchmesser bekommen?«

»Jawohl.«

»Erlauben Sie mir indessen zu bemerken«, sprach Major Elphiston, »dass es dann noch ein Gewicht hat von ...«

»Oh! Major«, unterbrach Barbicane, »ehe wir sein Gewicht besprechen, lassen Sie mich anführen, dass unsere Väter in dieser Hinsicht Wunderbares leisteten. Ich bin weit entfernt davon zu behaupten, die Ballistik habe keine Fortschritte gemacht, aber es ist doch zu bemerken, dass man bereits im Mittelalter erstaunliche Ergebnisse erzielte, ich darf sagen, erstaunlichere, als unsere es sind.«

»Zum Beispiel?«, fragte Morgan.

»Beweisen Sie, was Sie sagen!«, rief J. T Maston lebhaft.

»Nichts leichter als dies«, erklärte Barbicane. »Ich kann Beispiele anführen. Bei der Belagerung Konstantinopels durch Mahomet II. im Jahre 1543 warf man Steinkugeln, die 1.900 Pfund wogen und wohl ganz schön groß gewesen sein mussten.«

»Oh! Oh!«, sagte der Major. »Neunzehn Zentner sind ein hohes Gewicht!«

»Zur Zeit der Malteserritter war auf dem Fort St. Elme eine Kanone, die konnte Projektile von 2.500 Pfund abschießen.«

»Nicht möglich!«

»Und schließlich gab es, einem französischen Geschichtsschreiber unter Louis XL. zufolge, einen Mörser, der schleuderte eine Bombe, die zwar nur fünfhundert Pfund wog, aber diese Bombe flog von der Bastille, wo die Gescheiten von den Narren eingeschlossen, bis nach Charenton, wo die Narren von den Gescheiten eingesperrt worden waren.«

»Sehr gut!«, sagte J. T. Maston.

»Was haben wir seitdem erlebt, um es kurz zu sagen? Die Armstrong-Kanonen schießen Fünfhundertpfünder, Rodmans Columbiade Projektile von einer halben Tonne! Es scheint demnach, dass die Projektile an Schussweite gewonnen, an Gewicht aber verloren haben. Wenn wir nun unsere Bemühungen in diese Richtung lenken, müssen wir es mit Hilfe des wissenschaftlichen Fortschritts dahin bringen, das zehnfache Gewicht der Kugeln Mahomets II. und der Malteser zu erreichen.«

»Offenbar«, pflichtete der Major bei. »Aber welches Metall denken Sie für das Projektil zu verwenden?«

»Ganz einfach Gusseisen«, sagte General Morgan.

»Pfui! Gusseisen!«, rief Maston verächtlich. »Das ist doch viel zu gewöhnlich für eine Kugel, die den Mond besuchen soll.«

»Lassen wir die Übertreibungen, mein ehrenwerter Freund«, erwiderte Morgan. »Gusseisen genügt!«

»Nun«, fuhr Major Elphiston fort, »dann wird, weil das Gewicht der Kugel im Verhältnis zu ihrem Umfang steht, eine Kugel aus Gusseisen mit einem Durchmesser von neun Fuß immer noch ein erhebliches Gewicht aufweisen!«

»Ja, wenn sie massiv, nicht aber, wenn sie hohl ist«, sagte Barbicane.

»Hohl? Also eine Haubitzen-Granate?«

»In die man Depeschen und Pröbchen von unseren Produkten stecken kann?«

»Ja, eine Hohlkugel«, erwiderte Barbicane, »muss es durchaus sein. Eine massive von 108 Zoll würde über 200.000 Pfund wiegen, ein offensichtlich zu beträchtliches Gewicht, doch da man dem Geschoss eine gewisse Festigkeit erhalten muss, schlage ich vor, ihm ein Gewicht von 5.000 Pfund zu geben.«

»Wie dick sollen denn die Wände sein?«, fragte der Major.

»Den ausgeglichenen Proportionen entsprechend«, versetzte Morgan, »verlangt ein Durchmesser von 108 Zoll mindestens zwei Fuß dicke Wände.«

»Das wäre viel zu viel«, erwiderte Barbicane. »Denken Sie daran, dass es sich hierbei nicht um eine Kugel handelt, die Platten durchbohren soll. Die Wände brauchen nur so dick zu sein, dass sie dem Druck des Pulvergases standhalten können. Es stellt sich also die Frage: Wie dick darf eine Hohlkugel aus Gusseisen sein, wenn sie nur 20.000 Pfund wiegen soll? Unser geübter Rechenkünstler, der ehrenwerte Maston, wird es uns bestimmt gleich sagen können.«

»Nichts leichter als das«, entgegnete der ehrenwerte Sekretär des Komitees.

Bei diesen Worten schrieb er einige algebraische Formeln nieder. Aus seiner Feder kamen π und χ in zweiter Potenz. Es hatte sogar den Anschein, als ziehe er aus dem Kopf eine Kubikwurzel daraus, dann sagte er: »Die Wände brauchen kaum zwei Zoll dick zu sein.«

»Sollte das ausreichen?«, fragte der Major mit zweifelnder Miene.

»Nein«, erwiderte der Präsident, »sicherlich nicht.«

»Nun! Was kann man dann tun?«, fragte Elphiston etwas verlegen. »Nehmen wir ein anderes Metall.«

»Kupfer«, sagte Morgan.

»Nein, das ist auch zu schwer. Ich habe Ihnen etwas Besseres vorzuschlagen.«

»Was denn?«, fragte der Major.

»Aluminium.«, erwiderte Barbicane.

»Aluminium!«, riefen die drei Kollegen des Präsidenten.

»Ja genau, meine Freunde. Sie wissen, dass es dem berühmten französischen Chemiker Sainte-Claire-Deville im Jahre 1854 gelungen ist, Aluminium in fester Masse herzustellen. Dieses ausgezeichnete Metall ist weiß wie Silber, unveränderlich wie Gold, zäh wie Eisen, schmelzbar wie Kupfer und leicht wie Glas. Es ist leicht zu bearbeiten, in der ganzen Natur sehr verbreitet – denn es bildet den Grundstoff für die meisten Gesteine -, darüber hinaus ist es dreimal leichter als Eisen und es scheint wie geschaffen, um für unser Projektil das geeignete Material zu sein!«

»Hurra dem Aluminium!«, rief der Sekretär des Komitees.

»Aber, lieber Präsident«, sagte der Major, »ist das Aluminium nicht sehr teuer?«

»Das war es am Anfang«, erwiderte Barbicane. »Damals kostete das Pfund 260-280 Dollar. Später sank es auf 27 Dollar und nun kostet es nur noch 9 Dollar.«

»Aber neun Dollar das Pfund«, bemerkte der Major, »ist immer noch sehr teuer.«

»Allerdings, lieber Major, ist der Preis hoch, aber das Geld ist doch aufzubringen.«

»Wie schwer wird denn das Projektil sein?«, fragte Morgan.

»Ich will Ihnen das Ergebnis meiner Berechnungen sagen«, antwortete Barbicane. »Eine Kugel von 108 Zoll[17] Durchmesser und 12 Zoll Dicke würde in Gusseisen 67.440 Pfund wiegen. Aus Aluminium gegossen, würde ihr Gewicht auf 19.250 Pfund sinken.«

»Vortrefflich!«, rief Maston. »Das passt ja in unseren Plan.«

»Vortrefflich! Vortrefflich!«, sagte auch der Major. »Aber wissen Sie nicht, was das Projektil bei einem Preis von achtzehn Doller pro Pfund kosten wird?«

»173.250 Dollar, ich weiß es genau. Aber haben Sie keine Sorge, meine Freunde, an Geld wird es unserem Unternehmen nicht mangeln, dafür stehe ich ein. Es wird in unsere Kassen nur so fließen. Nun, was halten Sie vom Aluminium?«, fragte der Präsident.

»Angenommen!«, riefen alle einstimmig.

»Auf die Form des Projektils kommt es verhältnismäßig wenig an«, fuhr Barbicane fort, »weil sich dasselbe, wenn es einmal über der Atmosphäre ist, im leeren Raum befindet. Ich schlage also eine runde Kugel vor, die sich nach Belieben um sich selbst drehen kann.«

So endete die erste Sitzung des Komitees. Die Frage des Projektils war geklärt und J. T. Maston war hoch erfreut bei dem Gedanken, eine Kugel aus Aluminium abzuschießen, »was den Seleniten einen recht guten Eindruck von den Erdbewohnern geben würde!«

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22 декабря 2023
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245 стр. 43 иллюстрации
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9783868209563
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