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Ja, so sind wir in unseren Chats auch manchmal ein bisschen sentimental und machen uns Gedanken über Vergangenes und Zukünftiges. Ein anderes Mal wieder lachen wir uns beim Schreiben krumm.
Kaffee und Kuchen sind verspeist, und es treibt uns weiter die Landstraße entlang. Inzwischen regnet es nicht mehr. Es wird ein wenig kühl, also ist es sehr angenehm, dass wir uns trotzdem wieder einhaken. Max fragt: „Da vorne ist eine Kirche. Möchtest du vielleicht hineingehen?“ „Ja gern! Ich sehe mir Kirchen immer wieder gern an. Machen wir das!“, antworte ich, und das tun wir auch. Es ist die römisch-katholische Ursulinenkirche, wie auf dem Schild beim Tor zu lesen ist. Der spätbarocke Bau wurde im 18. Jahrhundert errichtet und dem Erzengel Michael geweiht. Das Innere der Kirche ist sehr imposant, finden wir beide, und nehmen in einer der letzten Bankreihen Platz. Wir sitzen ein paar Minuten ganz still da. Ich hätte gern gewusst, was Max denkt. Sein Blick nach vorne zum beleuchteten Altar und seine im Schoß gefalteten Hände wirken irgendwie fragend, nach einer Antwort suchend. Die Ruhe im Gotteshaus verleitet aber auch sehr zum Innehalten und in Gedanken zu versinken.
Wir sind auf dem Weg in ein Hotel, eine vielversprechende Liebesnacht vor uns, die moralisch nicht ganz in den Bereich des Löblichen fällt, und sitzen hier in der Kirche, kämpfend mit den letzten Zweifeln und unserem Gewissen. Und sogar dabei sind wir uns offensichtlich einig.
Max ist der Erste, der wieder zu sich kommt und sagt: „Lass uns doch noch ein Stück weitergehen und dann sehen wir uns mal nach dem Italiener um. Wie hieß der noch?“ „Il Caminetto, denke ich, oder so ähnlich“, kann ich mich erinnern und draußen auf der Straße gibt er die Info in sein Handy ein. Wir haben noch ein kleines Stück zu gehen und dann finden wir das gemütliche Lokal an einer Ecke. Es sind viele Plätze besetzt hier, gut, dass wir reserviert haben! Wir bekommen einen Tisch, der ziemlich zentral gelegen ist. Wir können von da alles gut sehen, aber alle uns auch. So vermeiden wir lieber Händchenhalten und so weiter. Max zeigt mir ein Bild auf seinem Handy, wo er mit seiner Frau drauf ist. Sie ist offensichtlich älter als ich, hat ergraute lange Haare, die sie hochgesteckt hat. Man sieht, dass ihr Haar mal dunkel war und ihr Gesichtsausdruck verrät, dass sie weiß was sie will. Max erzählt mir, dass sie auch in einer Schule als Lehrerin arbeitet. „Sie stammt aus Polen, ist aber schon seit fast dreißig Jahren in Köln.“ Das macht ihm scheinbar zu schaffen, denn er hat sie sicher aus Polen weggeholt und fühlt sich für sie verantwortlich.
Dann schauen wir ins Menu und siehe da, beim Durchforsten der Speisekarte finden wir den ersten Punkt, in dem unsere Meinungen auseinander gehen. Max schwärmt förmlich von Meeresfrüchten und bestellt begeistert Tagliatelle Frutti di Mare. Ich protestiere, als er mich fragt, was ich davon halte. „Oh nein, bitte nicht! So was kann ich nicht essen! Das geht gar nicht! Ich bleibe lieber bei Pizza und nehme eine Provenciale, bitte.“ „Na gut, aber du versäumst was, das sag ich dir!“ „Kann schon sein … Die Hauptsache ist, wir versäumen nachher nichts …“, flüstere ich ihm ins Ohr und proste ihm mit dem feinen Rotwein zu. Dabei schaue ich ihn genauer an und denke: ‚So ein fescher Kerl, kurze, leicht ergraute Haare, randlose Brille, die Haut leicht gebräunt. Er dürfte etwa 1,80 groß sein, seine Kleidung ist sehr geschmackvoll. Hab ich den verdient?‘
8.
Auf dem Weg vom Ristorante Il Caminetto zum Hotel beschlichen mich seltsame Gedanken. Schon lange hatte ich mit keiner Frau mehr geschlafen, denn der Sex mit meiner Frau zu Hause war seit vielen Jahren auf Sparflamme eingestellt, weil sie das kaum mehr wollte. Affären hatte ich auch seit fünf Jahren keine gehabt. Wie würde das sein mit Leni? Geht’s überhaupt noch oder würde mein Kleiner den Dienst versagen? Zugegeben, so langsam regte sich in meiner Hose was und das konnte ein gutes Anzeichen sein, aber wie soll ich wissen, ob der das noch hinkriegt? Leni an meinem Arm (inzwischen ohne Schirm, aber genauso nah wie vorhin auf dem Weg zum Café im Regen) schien ihren Gedanken nachzuhängen oder träumte sie von dem, was wir beide gleich machen würden? Ich jedenfalls fing an, darüber zu grübeln, ob ich jetzt grad das Richtige tue. Schwups, war klein Fritzchen in meiner Hose wieder geschrumpft. Na, das konnte ja heiter werden. ‚Mit dir ist kein Preis zu gewinnen. Da werd ich wohl unverrichteter Dinge wieder heimfahren und Leni wird mich nicht wiedersehen wollen.‘
„Was denkst du gerade?“, fragte Leni mich plötzlich, so, als ob sie meine Befürchtungen erkannt hätte. „Ich hab mir grad vorgestellt, was wir beide gleich im Hotelzimmer machen werden. Und da kamen mir so leichte Zweifel, ob das richtig ist, was wir hier tun.“ „Hast du jetzt meine oder deine Gedanken beschrieben? Ich hab nämlich auch eben überlegt, was wir hier tun? Ich gebe zu, ich genieße jede Minute bisher mit dir, aber ich weiß auch, morgen fährst du wieder nach Hause und dann wirst du mich vielleicht vergessen.“ „Ich werde dich ganz sicher nicht vergessen, du bist schon so tief in mir drin. Da hilft auch kein noch so gutes Waschmittel, dich kann man nicht mehr aus mir rauswaschen. Und wenn es solch ein Waschmittel gäbe, ich würde es nicht nehmen, denn ich will auch gar nicht, dass du wieder aus mir rausgehst.“ „Kommst du denn gleich auch mal zu mir oder schlafen wir wie Schwester und Bruder zusammen?“ Schaumer amal ...
Im Hotel war dann alle Befangenheit plötzlich wie weggeblasen. Ich nahm Leni in den Arm, bzw. ihr Gesicht in meine Hände, und fing an, sie zuerst vorsichtig, dann etwas heftiger zu küssen. Sie war gleich dabei und erwiderte meine kreisenden Zungenforderungen sehr kräftig. Uih, die Frau küsst ja wie ein Profi. Das verspricht spannend zu werden. Ich begann, sie langsam auszuziehen, zuerst die Knöpfe an ihrer Bluse, dann machte ich den BH auf und sah ihre Brustwarzen. Die verlangten nach meinen Liebkosungen. Leni stöhnte vor Vergnügen. Ich glaube, wir beide hatten uns schon lange vorgestellt, wie es miteinander sein würde, aber die Wirklichkeit ist oft noch schöner als alle Träume sind. Ich wurde mutiger und zog sie weiter aus. Sie konnte auch nicht tatenlos zusehen und begann, mir mein T-Shirt über den Kopf zu ziehen und meine Hose aufzumachen. Ich war inzwischen bei ihrem Slip angekommen und stellte fest, dass da kein einziges Haar im Weg zu ihrem geheimen Eingang war. Das musste ich mir näher anschauen und so fiel der Slip schnell herunter und ich untersuchte die Sache genauer. Dabei wurde ihr Stöhnen heftiger. Ich wollte nicht länger im Raum herumstehen und zog sie zum Bett. Wie kann man nur so lange auf Sex verzichten, wo das doch so ein wunderbares Erlebnis ist ...
Unsere Beschäftigung miteinander nahm langsam einen immer heftigeren Verlauf und es dauerte nicht lange, da waren wir wirklich vereint. Ich konnte nicht anders, als diesen Moment zu genießen und einen Augenblick innezuhalten. Leni sagte: „Du machst das so zärtlich und vorsichtig, ich genieße jede Sekunde, bitte hör nicht auf.“ „Das hab ich nicht vor, ich wollte gerade mal anfangen.“
Wenn ich jetzt schreibe, dass wir mehrere Höhepunkte hintereinander erlebten, werden Sie denken ‚der spinnt doch wie die Angler, deren Fische immer größer werden‘, aber so war es. Wir konnten nicht aufhören und kaum war ein Gipfel erreicht, fingen wir an, uns wieder zu küssen und zu streicheln. Erst langsam und vorsichtig, um uns dann nach einiger Zeit erneut miteinander zu vereinigen.
Kurz nach Mitternacht sagte ich: „Entschuldige bitte, ich habe wahnsinnigen Durst. Wir haben vergessen, uns was zu trinken mitzunehmen. Lass mich mal schnell etwas Wasser trinken. Ich bring dir auch was mit.“ „Willst du jetzt schlafen?“, fragte sie mich. „Ich will nicht, aber ich denke, eine kleine Pause täte uns gut. Oder was ist mit dir?“ „Ich möchte gern in deinem Arm einschlafen, geht das?“ „Aber mit dem größten Vergnügen, junge Frau. Komm her und bleib bei mir.“
Im Traum sehe ich sie wieder vor mir, tauche tief in ihre leuchtenden Augen, küsse ihre zartrosa Lippen, berühre ihre Nase mit meiner, stecke meine Zunge in ihr Ohr und kitzle sie damit. ‚Oh, die Nacht ist schon um.‘ Im Halbdunkel lag sie neben mir, ich sah ihre zerwühlten Locken, ihre weiße Haut schimmerte unter der Decke hervor, ihr Atem ging ganz ruhig. Sie träumte gerade, denn ihre Augenlider zitterten.
9.
Wir löschen das Licht und ich liege in seinem Arm. Selig wie schon lange nicht. Nein, selig wie noch nie! „Aber mit dem größten Vergnügen, junge Frau. Komm her und bleib bei mir.“ Ich sauge diesen Satz in mich auf und denke, ich werde sofort einschlafen, weil ich todmüde bin. Aber ich kann noch nicht schlafen. Ich fühle immer noch seine Hände auf meiner Haut. Alles kribbelt. Oh, diese Hände! Sie sind nicht nur schön und gepflegt, es sind die zärtlichsten Hände, die man sich vorstellen kann! Starke, ausdrucksvolle Hände, denen man diese unendliche Zärtlichkeit vielleicht gar nicht gleich zutraut …
Ich bemerke noch, dass Max gleich eingeschlummert war, und falle dann doch selber in einen tiefen Schlaf. Der Körper ist ja schließlich keine 20 mehr, was ich allerdings gerade vorhin nicht hätte bemerken können, weder bei mir noch bei ihm. So viel Ausdauer hätten wir uns wohl beide nicht zugetraut. Aber jetzt fordert er sein Recht auf Ruhe, und ein paar Stunden hat die Nacht ja noch.
Ruhe hat jetzt der Körper, der Geist will im Traum noch nicht aufhören und setzt das sinnliche Spiel fort. Endlose Liebkosungen, das Erforschen aller nur erdenklichen Körperstellen, Küsse mit einer noch nie dagewesenen Intensität! Zugegeben, wir hatten beide etwas nachzuholen, aber dass unsere Körper so für einander geschaffen sind, ist ein Geschenk. Ich will es annehmen – im Traum. Da wache ich auf und Tränen rinnen über meine Wangen. Was wird jetzt aus dem Geschenk werden? Es bleibt nur eine Leihgabe, die heute Nachmittag vorerst einmal zurückgegeben wird. Ich wische die Tränen gleich weg, damit Max sie nicht sieht, wenn er aufwacht.
Als ich auf die Uhr schaue, ist es noch nicht ganz fünf Uhr. Ich bin in ungewöhnlicher Weise hellwach und bemerke, dass Max tatsächlich auch nicht mehr schläft! Er sei schon lange wach und habe es genossen, mich anzuschauen, verrät er mir. „Guten Morgen, Liebste“, sagt er zärtlich. „Guten Morgen, Liebster“, und wir fallen wieder in eine Umarmung nach der anderen, küssen uns zärtlich, dann wild und wollen uns nie mehr loslassen. Haut an Haut, eins geworden, beginnen wir den Tag. Zum Schluss duschen wir zusammen. Wir seifen uns gegenseitig ein, spüren noch ein letztes Mal diese alles ändernde Zärtlichkeit, bevor wir uns dann doch zum Frühstück aufraffen.
Unser erstes gemeinsames Frühstück! Wie schön das ist, mit ihm am Tisch zu sitzen, von ihm verwöhnt zu werden: „Darf ich dir einen Saft bringen? Welchen hättest du gern?“ Das ist wohl der beste Orangensaft, den ich je getrunken habe! Und so verliebt, wie er mich anschaut, müssen alle Gäste im Raum wissen, was wir letzte Nacht getan haben … Wenn sie es nicht sowieso gehört haben … Die Beherrschung ist etwas gewesen, was ich diese Nacht sicher verloren hatte!
Unser Programm für den Tag, für unsere letzten gemeinsamen Stunden, passen wir natürlich dem Wetter an. Linz hat zum Beispiel einige Museen zu bieten. Das ist doch was für uns. Als Erstes haben wir das Ars Electronic Center im Visier, das ist nicht weit weg. Später wollen wir sehen, was sich zeitlich noch machen lässt. Nach einem gemeinsamen Mittagessen dann … zum Bahnhof.
Auf dem Weg zum Museum, das direkt an der Donau liegt, fragt Max zum ersten Mal vorsichtig: „Hast du schon darüber nachgedacht, ob du mich wiedersehen möchtest?“ Was für eine Frage! Wiedersehen? Gar nicht nach Hause fahren lassen will ich ihn. Aber gut, das kann ich in dieser Art jetzt nicht sagen. Also formuliere ich es so: „Darüber musste ich keine Sekunde nachdenken. Ich wäre sehr gern so unvernünftig und würde mit dir eine Wiederholung wagen! Es war viel zu schön, um es bei einem Mal bleiben zu lassen. Und wie ist es bei dir? Was meinst du?“ „Mir geht es genauso! Auch wenn ich weiß, eigentlich sollte ich das nicht tun, ich muss einfach! Wenn du es willst, beginne ich schon auf der Heimfahrt mit der Planung unseres nächsten Treffens!“ Wir strahlen uns nur glücklich an und merken, dass wir schon beim Ars Electronica Center angekommen sind. Seltsam, wenige Leute sind hier. Eigenartig für ein so gut besuchtes Museum … Wir betreten das Gebäude, der Haupteingang ist offen. Drinnen ist gerade eine Dame mit Aufräumarbeiten beschäftigt, die uns freundlich erklärt: „Es tut mir sehr leid, dass Sie umsonst gekommen sind, aber am Montag haben in Linz fast alle Museen geschlossen!“
10.
Da standen wir wie die begossenen Pudel, auch ohne Regen. Natürlich haben auch in Linz, so wie in den meisten Städten, die Museen am Montag geschlossen. Wir hatten vor lauter verliebter Konzentration auf uns wohl die Welt um uns herum vergessen. Also suchten wir nach einem Plan B. „Schauen wir uns noch a bissl die Stadt an?“, fragte Leni. „Ja sicher“, erwiderte ich, „wer weiß, ob wir noch mal herkommen. Und dann finden wir sicher noch ein schönes Lokal zum Essen, bevor wir uns schon wieder trennen müssen.“ „Pst“, hauchte sie, „sprich noch nicht darüber. Die Zeit ist eh viel zu schnell vergangen.“ So schlenderten wir also zurück über die Donaubrücke und durch die Straßen von Linz, Arm in Arm, ab und zu stehen bleibend und uns in die Augen schauend und küssend, fast wie Backfische, dachte ich. Dann betraten wir den alten Dom und waren wieder umgeben von Stille. Wir setzten uns auch wieder in eine Bank, diesmal allerdings hielten wir uns an der Hand und schauten gemeinsam die Schönheit des großen Altars und der hellen Decken an. Am liebsten hätte ich sie auch hier geküsst, aber das fand ich dann doch unpassend und wartete damit, bis wir wieder draußen waren. Wir gingen über den Hauptplatz und kamen am Mozarthaus vorbei, wo Wolfgang Amadeus Mozart die sogenannte Linzer Sinfonie komponiert hat. Ich erzählte Leni, dass wir im Rheinland ganz stolz auf Ludwig van Beethoven sind, der in Bonn geboren wurde und später (wie Mozart) auch in Wien lebte und seine wichtigsten Kompositionen dort verfasst hat. „Du lebst doch in der Nähe von Wien, da ist dir doch sicher auch schon einiges von Beethoven begegnet, oder?“ „Ja sicher, wir haben ein großes Denkmal von ihm und viele Wiener verehren ihn sehr. Es gibt immer wieder Aufführungen seiner Musik, vor allem der Sinfonien.“ „In 2020 wird in Bonn, also 25 km von Köln weg, anlässlich seines 250- sten Geburtstages ein großes Beethovenfest gefeiert. Die Stadt Bonn hat es versiebt, ein neues Beethovenhaus bauen zu lassen, was von Post und Telekom voll finanziert worden wäre. Und kein Politiker wird deshalb zur Rechenschaft gezogen. Stattdessen wird jetzt für fast 70 Millionen Euro aus Steuergeldern das aus den Fünfzigerjahren stammende Gebäude renoviert. Ich könnte heulen, denn der Neubau war von der aus dem Irak stammenden Star-Architektin Zaha Hadid bereits geplant und wäre ein echter Hingucker geworden. Mal ganz abgesehen von der Akustik, die auch sicher besser wäre, als sie jetzt im renovierten Gebäude sein wird. Aber ich wollte nicht über Politik reden, entschuldige bitte.“ „Ist schon in Ordnung, auch bei uns läuft in der Politik nicht alles rund.“
Zurück auf der Landstraße, entdeckten wir das Restaurant Klosterhof, ein gemütliches Lokal mit Biergarten, der aber zu der Jahreszeit natürlich tabu war. Großen Appetit hatten wir beide nicht, also begnügten wir uns mit einer Gulaschsuppe. Ich bestellte ein Bier und Leni trank Apfelschorle. Wir kauten auf den Bissen länger herum als üblich, weil uns der nahende Abschied schon im Nacken saß und irgendwie die Stimmung drückte. Nach dem Essen gab’s noch einen Espresso und für mich einen Obstler. Dann sagte ich zu Leni: „Was denkst du denn über ein mögliches Wiedersehen, wann sollte das sein?“ „Am liebsten morgen, nein ehrlich, ich möchte dich gar nicht weglassen, aber was meinst du denn?“ „Ich habe eben schon mal drüber nachgedacht und mir ist eingefallen, dass ich Anfang oder Mitte März nach Dresden muss. Dort könnten wir uns treffen. Oder wir finden etwas zwischen Dresden und Wien. Wär das eine Idee?“ „Das sind ja sechs Wochen bis dahin. Meinst du nicht, dass es schneller gehen könnte?“ „Würd ich ja gern machen, aber ich hab im Moment keine Idee, wo und wie wir das früher hinbekommen. Wäre denn Dresden für dich ein möglicher Treffpunkt oder was wär dir lieber?“ „Wenn ich so drüber nachdenke, könnte das gehen, ist aber ziemlich weit von Wien aus. Wie wär’s mit Prag? Das liegt ungefähr in der Mitte zwischen Wien und Dresden.“ Ich musste kurz nachdenken. „Prag, hm, da war ich schon länger nicht mehr. Dahin gibt’s sicher eine Zugverbindung von Dresden. Ja, ich überleg mir was und dann schreib ich dir.“
Wir verweilten noch bis 15:30 Uhr, spazierten dann zum Hotel zurück und fuhren mit Lenis Auto zum Bahnhof. Sie parkte wieder im Parkhaus, ich griff meinen Trolley aus dem Kofferraum und zog sie auf: „Wenn du mich zum Zug begleitest, findest du dann gleich auch dein Auto wieder?“ „Ja, diesmal merk ich mir die Nummer des Parkplatzes, 231, dann sollte ich es schaffen.“ Traurig trotteten wir zum Bahnsteig und warteten auf die Ankunft des Zuges aus Wien. Gegen zehn nach vier nahm ich sie ganz fest in meine Arme und ich sagte zu ihr: „Liebste Leni, unsere erste Begegnung war traumhaft. Ich hatte mir so viel vorgestellt, aber die Wirklichkeit war noch schöner. Ich weiß jetzt, dass es richtig war, herzukommen, und ich will, nein, ich muss dich wiedersehen. Ich fühle, dass da eine sehr enge Bindung und eine Übereinstimmung zwischen uns ist, die ich vorher nicht so stark erwartet hatte.“ Dann küsste ich sie innig und der Zug rollte ein. Ihre Tränen sah ich erst aus dem Zugfenster.
11.
Ich mag Abschiede nicht. Und dieser hier ist besonders traurig, auch wenn wir uns beide redlich bemühen, es nicht zu zeigen. Ein bisschen hilft es uns, in die Zukunft zu schauen. Wann und wo werden wir uns wiedersehen? Für ihn ist das sicherlich nicht einfach. Er muss ja immer einen Grund zum Wegfahren finden, und zwar einen überprüfbaren. Ich hab es da leichter, ich kann hinfahren, wo ich will und mit wem ich will. Wann ich will, geht leider auch nicht ganz. Ich bin noch im Arbeitsleben und die Urlaubstage sind begrenzt. Die werden von jetzt an wohl sehr sorgfältig geplant werden müssen. Dazu kommt, dass mein Führungsjob auch sehr viel meiner Anwesenheit fordert. In meinem Lehrerteam geht es manchmal zu wie im Kindergarten. Aus der Ferne hätte ich das schlecht im Griff … Und wenn mich mein Realitätssinn nicht täuscht, werden diese sechs Wochen bis Prag für uns nicht die kürzeste Wartezeit sein.
„Liebste Leni, du bist so still! Was beschäftigt dich?“, fragt Max besorgt. „Weißt du,… es ist nicht so einfach. Mir geht durch den Kopf, wie wir durch diese langen sechs Wochen kommen können, wenn mir deine Küsse schon jetzt fehlen, wo du noch gar nicht weg bist!“ Ich versuche zu lächeln. „Das schaffen wir! Denk dran, auf Linz haben wir viel länger gewartet! Wir werden uns weiterhin täglich schreiben und vielleicht kann ich gelegentlich anrufen, wenn meine Frau unterwegs ist zum Beispiel! Ich bin immer bei dir, ganz egal, wo du bist oder was du gerade tust! Ich kann gar nimmer anders!“ Es ist ihm sichtlich unangenehm, mich traurig zu sehen. Ich muss mich wieder zusammenreißen, weinen kann ich später im Auto immer noch.
Wir lenken unser Gespräch dann auf andere Themen, um diese Gedanken beiseitezuschieben. Wir erzählen aus unserem Leben und ich spüre, wie sehr ich es genieße, ihm einfach nur zuzuhören. Er hat spannende Dinge erlebt und viele interessante berufliche Anekdoten zu berichten. Trotzdem vergessen wir nicht, rechtzeitig um 15:30 Uhr aufzubrechen. Wir müssen ja noch zurück in die Garage zum Auto.
Auf der Fahrt zum Bahnhof bediene ich mein Auto routinemäßig, ohne gröbere Vorfälle. Die Aufregung ist eine andere geworden. Als Max mich beim Aussteigen liebevoll anlächelt und noch fragt, ob ich denn nachher meinen Parkplatz wiederfinden würde, bringt er mich damit sogar zum Lachen: „Ja, diesmal merk ich mir die Nummer des Parkplatzes, 231, dann sollte ich es schaffen.“
Auf dem Weg zum Bahnsteig frage ich mich, was ich eigentlich die ersten 50 Jahre meines Lebens gemacht habe. Ich habe zwei Ehen hinter mir, beide über viele Jahre und beide, bis dass der Tod uns schied. Ich hatte nicht viele sexuelle Abenteuer, aber doch sehr befriedigende. Aber so etwas wie mit Max war mir noch nie passiert! Gibt es das wirklich? Diese wunderbare Übereinstimmung bei allem, was wir tun, dieses Gefühl von Nichts-mehr-anderes-Wollen. Wahnsinn! Wer hätte das gedacht. Es hat doch so harmlos angefangen: … ‚O. k., du spielst auch mit!‘
Die letzten Minuten am Bahnsteig verfliegen viel zu schnell und er nimmt mich noch einmal in den Arm, ganz fest, so als wollte er mich wirklich nie mehr loslassen. Wir küssen uns ein letztes Mal und es erfordert meine ganze Kraft, die Tränen zu unterdrücken. Ich will es ihm jetzt nicht noch schwerer machen. „Das war ein traumhaftes Wochenende für mich“, sage ich, „Ich freu mich so sehr auf das nächste Mal mit dir! Bitte komm bald wieder!“ Er verspricht, sofort mit der Planung unseres nächsten Treffens zu beginnen, da fährt der Zug ein. Als Max einsteigt, muss ich den Impuls unterdrücken, ihm rasch zu folgen und ihn zu begleiten. Es ist, als würde ein Teil von mir weggehen. Wieder so ein Gefühl, das ich so noch nicht kenne. Ein Schmerz, den man eigentlich gar nicht beschreiben kann. Plötzlich weiß ich, was in den Büchern und Liebesfilmen gemeint war, wenn so kitschig verkündet wurde: „Geh nicht weg! Ich kann ohne dich nicht leben!“ Nur keine Tränen! Er hat einen Sitzplatz gefunden und der Zug setzt sich langsam in Bewegung.
Max sieht mich durchs Fenster an, winkt noch einmal und schickt einen Kussmund. Da geht es nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Tränen rinnen über meine Wangen. Hoffentlich hat er es nicht mehr gesehen …
12.
Die Zugfahrt von Linz nach Köln dauert etwa sechs bis acht Stunden, je nachdem, welche Verbindung man erwischt. Ich hatte eine, die knapp sechseinhalb Stunden braucht, weil ich in Frankfurt in den schnellen ICE umsteigen konnte. Also hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Die Tränen auf Lenis Gesicht wollten nicht aus meinem Kopf weichen. Ihr ging es wohl ziemlich genau wie mir auch. Wann war ich denn schon mal so verliebt gewesen? War ich es überhaupt schon einmal. Geht das mit 62? Ist das alles nur ein Traum. Ich kramte mein Tablet heraus und versuchte mich durch Lesen der ZEIT abzulenken. Das Flüchtlingsthema beschäftigt immer noch die Gemüter. Es wird in verschiedenen Artikeln diskutiert, ob die Entscheidung von Angela Merkel richtig war, die Grenzen zu öffnen, und ob sie damit den Flüchtlingsstrom erst ausgelöst hat. Ungarn ist inhuman und Österreich leitet die Flüchtlinge schnell durch nach Deutschland. Die anderen Länder weigern sich überwiegend, Asylsuchende aufzunehmen. Ich bin ja noch in Österreich, aber von den Flüchtlingen merke ich hier im Zug nichts. Auch an der Grenze gibt es keine Kontrollen, wie z. T. schon zu lesen war. Dann finde ich eine Diskussion über den Vertrag mit der Türkei, die drei Milliarden Euro bekommen soll, um möglichst keine Flüchtlinge mehr durchzulassen. Ist das eine Lösung? Wird das aus EU-Töpfen bezahlt oder hängt diese Last letztlich allein an Deutschland.
Lange kann ich mich nicht auf die Artikel konzentrieren. Meine Gedanken schweifen plötzlich wieder zu Leni. Sie hat sicher inzwischen im Auto schon die Hälfte des Weges nach Wien zurückgelegt. ‚Ob sie auch so traurig ist wie ich?‘ Woher kommt diese Traurigkeit? Sonst bin ich in meinen Gedanken und Entscheidungen immer so rational und jetzt stehe ich vor dem Problem, dass ich am liebsten nicht zurückgefahren, sondern geblieben wäre. Wie soll ich das Nina, meiner Frau, erklären? Soll oder kann ich das überhaupt? Wird sie an mir eine Veränderung bemerken? Was mache ich morgen?
Ich möchte Leni so schnell wie möglich wiedersehen. Ist das Liebe oder nur Hunger nach Sexualität. Wie soll ich die sechs Wochen überstehen, bis wir uns dann vielleicht in Prag treffen. Klar, ich muss Anfang März beruflich nach Dresden, weil ich dort mit einer Firma einen Termin habe. Da kann ich natürlich ein oder zwei Tage dranhängen oder früher losfahren und Leni in Prag in die Arme schließen. ‚Hat das eine Zukunft mit uns? Soll das immer so weitergehen mit gelegentlichen Treffen irgendwo zwischen Wien und Köln?‘ Ich denke zu viel, das bringt nichts. Mein Gefühl säuselt mir zu: ‚Ich will sie sehen, am liebsten morgen und ich will so viel Zeit mit ihr verbringen wie möglich.‘ Wir werden einen Weg finden.
Nürnberg: ich habe wieder DIE ZEIT auf dem Tablet aufgeschlagen und stoße auf einen Artikel über den Verkehrsminister Dobrindt, warum die VW Diesel Affäre so langsam aufgeklärt wird. Den schicke ich gleich mal meiner früheren Kollegin Bärbel, die inzwischen in dem Ministerium arbeitet und sich immer über solche Informationen freut. Wer weiß, wie lange sich dieser Skandal noch hinzieht und welche Konsequenzen daraus entstehen. Gut, dass ich inzwischen keinen VW Diesel mehr fahre, sondern einen Japaner. Die scheinen bisher jedenfalls keine Probleme mit manipulierten Tests zu haben.
In Frankfurt, wo ich auf dem Bahnsteig auf den ICE nach Köln warte, bin ich schon wieder bei Leni. Eben hat sie mir eine gute Nacht per WhatsApp gewünscht und gebeten, dass ich ihr noch mal schreibe, wenn ich angekommen bin. ‚Angekommen? Was mache ich dann, wenn ich zu Hause bei Nina bin?‘ Sie schläft wahrscheinlich schon, aber morgen früh muss ich ihr von meiner Reise berichten. Da darf ich mich nicht verplappern. Sie wird nach den Kindern in Würzburg und natürlich auch nach Linz fragen. ‚Wie war’s denn dort? Ist das eine schöne Stadt?‘ oder so ähnlich. Besser, ich überlege mir gleich ein paar Antworten und die entsprechenden Formulierungen dazu.
Im Zug nach Köln habe ich dann noch eine Stunde und ertappe mich dabei, dass ich einschlafe und von der Nacht mit Leni träume. Verstört wache ich auf. Die Frau ist tiefer in mir drin als ich dachte. Vorsicht. Du bist im Begriff in etwas hineinzurutschen, aus dem es so schnell keinen Ausweg mehr geben wird. Wie konnte das passieren? Schon unsere Chats im letzten Jahr wurden immer intensiver und deutlicher. Aber die Nacht mit ihr hat mich (sie wohl auch) verändert. Ich bin tatsächlich bis über beide Ohren verknallt. Bei unseren Kindern könnte ich das verstehen, die haben das Leben noch vor sich und sollen solche Erfahrungen gern machen. Aber ich? Ich fühle ihre Lippen auf meinen, ihre Hände an meinen, meine Haut an ihrer Haut. Die ist so weich. ‚Aufhören. Gleich bist du in Köln. Noch ein kurzes Stück mit der Straßenbahn, aufschließen und dann bist du zu Hause.‘
Nina schläft tatsächlich schon. Vorsichtig ziehe ich mich aus, auspacken kann ich morgen. Als ich zu Nina ins Bett krieche, sagt sie im Halbschlaf: „Na, du Vielreisender, bist du auch wieder da.“ Dann schläft sie weiter. Morgen werde ich ihr beim Frühstück viel erzählen müssen. Mit Leni im Kopf und im Herzen schlafe ich ein.
13.
Die Autofahrt von Linz nach Bad Pirawarth im Marchfeld dauert ca. zwei Stunden. Normalerweise. Ich brauche viel länger, weil ich viel langsamer fahre als sonst. Tränen sind beim Autofahren nicht besonders hilfreich, ebenso wie wild wechselnde Gedanken zwischen Glückseuphorie und Trauer. Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt …
Zuerst muss ich mich einmal konzentrieren, bis ich auf die Autobahn auffahre. Ein Artikel über „eine liebestolle Geisterfahrerin“ sollte am nächsten Tag nicht in der Zeitung stehen! Geschafft! Aber dann fährt mein Auto, glaube ich, auf Autopilot. Ich kann an nichts anderes denken. Warum tut das so weh? Warum haben gerade wir zueinander gefunden? So weit und doch so nah! Er ist mir nach so kurzer Zeit schon viel näher, als es Karl und Günther je waren. War es dieser Wahnsinns-Sex, der mich so verrückt macht? Man weiß ja, was die Glückshormone alles anstellen können … Nein, das allein kann es nicht sein. Wenn es nur das wäre, hätte ich doch nicht so viel Spaß und Freude daran, ihm zuzuhören und mehr von seinem Leben zu erfahren. Ich kann stundenlang neben ihm hergehen und einfach nur seine Anwesenheit genießen. Es ist genauso schön, wenn wir mal gar nicht reden. Und woher bitte kommt diese unglaubliche Harmonie, von der ich mir ein Leben lang gewünscht habe, dass es sie gibt? Ein Moment, in dem man fast zwangsläufig an sein voriges Leben denkt.
Als ich plötzlich wieder in eine Regenzone fahre, fällt mir auf, dass ich mein Tempo gar nicht anpassen muss. Ich bin schon langsam genug. Auf der West ist reger LKW-Verkehr. Also ist Aufmerksamkeit gefragt. Deshalb müssen diese traurigen Gedanken ganz schnell weg und ich freue mich über dieses unglaubliche Geschenk, dass ich noch einmal so etwas Großes und Schönes erleben darf. Egal wie lang oder wie kurz es dauern würde. ‚Wird man ab 50 dankbarer und sensibler für das Erkennen von Wundern?‘
Ich verspreche mir hier und jetzt, daran festzuhalten, seiner Ehe niemals im Weg zu stehen. Alles, was noch geschieht, sollte zuerst von ihm kommen. Auch wenn ich jetzt schon ganz genau spüre und weiß, dass es Liebe ist, ich werde dieses „Ich liebe dich“ nicht als Erste sagen. Ich werde nichts von ihm verlangen und mich über alles freuen, was ich genießen darf. Und wenn mich doch einmal so etwas wie Unzufriedenheit überkommt, muss ich versuchen, sie zu überspielen. Irgendwie …
Oh, nächste Ausfahrt Sankt Pölten! Schon mehr als der halbe Weg hinter mir. Wie schnell die Zeit vergeht beim Träumen … Wo wird er mittlerweile sein? Sein Weg ist ja viel weiter als meiner. Schläft er vielleicht gerade und träumt von uns? Oder quälen ihn die Gedanken und das schlechte Gewissen? Er kommt erst mitten in der Nacht nach Hause. Was wird er seiner Frau erzählen? Oh, schon wieder eine Träne… schnell weg damit.
Für die letzten 70 Kilometer schalte ich die Musik lauter, um auf andere Gedanken zu kommen. Was dabei herauskommt? Andrea Berg dröhnt gerade: „Diese Nacht ist jede Sünde wert …“ Ich denke, hm, das ist nicht sein Geschmack. Deutscher Schlager ist nicht seine Richtung, das habe ich schon erfahren. Noch ein kleiner, unbedeutender Unterschied zwischen uns. Und ich war schon wieder bei „meinem“ Max … Bei Claudia Jung mit „Auch wenn es nicht vernünftig ist“ bin ich in Wolkersdorf und mit den letzten Takten von Bernhard Brinks „Von hier bis zur Unendlichkeit“ bin ich zu Hause in meine Garage gefahren. Ich habe die Musik ziemlich laut gestellt und bei fast jedem Lied finde ich etwas, das mich an uns erinnert. Und jetzt, allein zu Haus, kommt alles raus. Ich heule einfach nur los. Koffer auspacken kann ich später immer noch …
Als ich mich wieder ein bisschen gefasst habe, schreibe ich Max eine kurze Nachricht und hoffe sehr auf Antwort:


Hallo liebster Max! Ich bin jetzt zu Hause und du fehlst mir unendlich!

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334 стр. 24 иллюстрации
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9783991073956
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