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2.4 Der trinitarische Charakter des ekklesialen Gottesdienstes – das theologische Rahmenkonzept

Was sind nun die wichtigsten theologischen Grundlagen, wenn es um Fragen des christlichen Gottesdienstes geht? Auf welchem theologischen Hintergrund kann, ja muss das gottesdienstliche Leben der Gemeinde gedacht und praktiziert werden? Die Analyse der biblischen Texte zum Thema Gemeinde und Gottesdienst macht deutlich, dass es wenigstens drei Eckpunkte eines missionalen Zyklus sind, die bei der Begründung zu beachten sind:

a) der missiologische Horizont,

b) die methodologische Form und

c) der Rahmen, in dem Gottesdienst gedacht wird.

Dabei wird der missiologische Horizont, auf dessen Hintergrund Gemeinde und ihr Gottesdienst entsteht, als Missio Dei, die methodologische Form als Missio Christi und der theologische Rahmen als die Königsherrschaft Gottes, die sich in der Mission des Geistes, der Missio Spiritu, äußert, gesehen.

Diese drei Eckpunkte ergeben jenen theologischen Denkrahmen, der eine biblische Reflexion des Gottesdienstes auf gesunde Beine stellt.17 Es ist ein trinitarischer Rahmen, was jegliche Priorisierung der drei Prinzipien gegeneinander ausschließt. Es ist, um mit den Worten des Kirchenvaters Johannes von Damaskus zu sprechen, ein perfekter Rundtanz, eine perichoresis. Der Kirchenvater benutzte das Bild, um die Dreieinigkeit Gottes zu beschreiben (Gladis 1999:4ff). Perichoresis steht an dieser Stelle für eine reziproke Interiorität, die davon ausgeht, dass jede Person der Dreieinigkeit in der anderen wesensmäßig vorhanden ist, ohne jedoch dabei aufzuhören, eine distinkte Person zu sein (Volf 1998:209). Hier wird zyklisches Denken appliziert, das die Gleichzeitigkeit der Wirklichkeit an unterschiedlichen Punkten einer rotierenden Bewegung möglich macht. Wir finden dieses Denken vor allem in der johanneischen Theologie. Hier ist der Vater im Sohn und der Sohn im Vater (Joh 17,21) gedacht. Göttliche Einheit wird als ein Ineinandersein definiert. Zugleich löst dieses Ineinandersein die Eigenständigkeit des Vaters und Sohnes nicht auf.

Gottesdienst als trinitarische Selbstoffenbarung Gottes – so will man in der Ostkirche die göttliche Liturgie verstehen. Am deutlichsten wird diese Tradition in der Ikonografie zum Ausdruck gebracht. Die Ikone stellt jenes Fenster in die transzendente Welt der Gottheit dar, das dem Gottesdienstbesucher Einblick und Erfahrung, Kontemplation und Transformation ermöglichen will.

Keine andere Ikone der Orthodoxie hat diesen Gedanken besser zum Ausdruck gebracht als die Ikone von der Heiligen Dreifaltigkeit des russischen Ikonenmalers Andrej Rublew (ca. 1360–1430), die er etwa 1411 für das berühmte Dreifaltigkeits-Kloster in Radonezh malte (und die diesem Buch als Karte beigefügt ist). Heute befindet sich die Ikone in der Staatlichen Tretjakow-Galerie in Moskau. Besser, als viele Worte es ausdrücken können, stellt Rublew die dynamische Selbstoffenbarung des dreieinigen Gottes dar. Dabei liegt seinem Konzept die Idee der Perichoresis zugrunde. Er folgt darin seinem geistlichen Vater, dem großen Geist des russischen Mönchtums, Sergij von Radonezh.18 Rublew versucht nun mit seiner Ikone der Heiligen Dreifaltigkeit der Theologie des Sergius eine Stimme zu verleihen. Er tut das in typisch byzantinischer Manier.19 Seine Figuren sind eingefroren in tiefer geistlicher Harmonie. Jede äußere Bewegung ist aus dem Bild genommen. Es kommt ihm viel mehr auf die innere, dem bloßen Auge verborgene, Bewegung an. Diese wird durch die Position der Figuren auf dem Bild angedeutet. Das gelingt dem Mahler nur durch eine besondere bis ins Perfekte durchdachte Komposition.


Abbildung 1: Die Ikone der Heiligen Dreifaltigkeit.

Die Ikone nimmt die Geschichte von den drei Männern, die den alten Greis Abraham und seine Frau Sarah besuchen, um ihnen die Geburt ihres Sohnes Isaak anzukündigen (Gen 18,1–2), zum Anlass. Das Motiv wurde bereits früh auf den Besuch des dreieinigen Gottes im Hause Abraham gedeutet, die Erzählung wurde oft ikonografisch umgesetzt. In der Regel zeichneten die Maler die Ikone recht naturalistisch. Nicht so Rublew. Ihm geht es weniger um die Rahmenerzählung. Sein Interesse gilt dem Wesen der Dreieinigkeit, der Dynamik der Beziehung der drei zueinander und nicht zuletzt dem Auftrag, dem sich die drei zuwenden.

Rublew malt eine Ikone, einen erklärten liturgischen Gegenstand, der wesentlich zum Gottesdienst seiner Kirche dazugehört. Er will die Dreieinigkeit im Gottesdienst verstehen und den Betrachter dadurch zum Gottesdienst, wie ihn Gott will, hinleiten. Die Art und Weise, wie der Maler sein Ziel erreicht, ist genial. Zum einen setzt er sich bewusst von den zu seiner Zeit typischen Konventionen kirchlicher Ikonenmalerei ab.

Zwei Traditionen haben sich in Rublews Zeit in Bezug auf die Darstellung der Trinität durchgesetzt.20 Der erste Typ kann als „christologischer Typ“ bezeichnet werden. Dabei galt es bei der Darstellung der Dreifaltigkeit darauf zu achten, dass man die drei Figuren um eine zentrale Figur gruppierte. Diese stellte Jesus dar und überragte die anderen beiden Figuren. Die Christusfigur blickte den Betrachter direkt an. Sie dominierte die Gesamtkomposition der Ikone. Die Botschaft einer solchen Ikone war klar: Die Dreieinigkeit erschließt sich dem gläubigen Betrachter nur über Jesus Christus. Er ist der Schlüssel zu Gott. Der zweite Typ, der als „trinitarisch“ bezeichnet werden kann, stellte die drei Personen gleich groß in einer Reihe vor den Betrachter. Die Botschaft war auch hier klar: Gott ist dreieinig und die drei Personen der Trinität sind gleich. Beide Darstellungstypen sehen den Ikonenbetrachter vor der Ikone.

Rublew entscheidet sich für eine völlig neue Perspektive. Er sucht die beiden Typen miteinander zu vereinen. Die christologische Darstellung bleibt gewahrt, allerdings ohne die zentrale Figur hervorzuheben. Dabei holt er den Betrachter aus seiner Position vor der Ikone hinein in das Innere der Ikone. Seine Figuren sind nicht zum Betrachter gewandt. Rublew malt sie in einer umgedrehten Perspektive. Der zentrale Engel nähert sich dem Abendmahlstisch, was in der orthodoxen Tradition bedeutet, dass er nun mit dem Rücken zur versammelten Gemeinde steht, das Gesicht dem Altarraum zugewandt.21 Der Betrachter wird somit hinter den Altar mit den Abendmahlsgaben gebracht. Er befindet sich im Allerheiligsten. Was er beobachtet, ist dem natürlichen Menschen sonst verborgen.

Rublew will also seinen Betrachter zur Kontemplation der Dreieinigkeit selbst führen. Er soll eine himmlische Perspektive, ein Fester zum Mysterium der Dreieinigkeit, geöffnet bekommen. Der Gottesdienst, zu dem der Maler seinen Betrachter einlädt, soll in dem Raum stattfinden, der dem natürlichen Menschen verborgen bleibt. Er soll so anbeten, wie es Gott selbst tut!

Was macht der Maler, um sein Ziel zu erreichen? Welche Komposition wählt er? Welche Farben und Formen bemüht er?

Die erste überraschende Entscheidung des Malers – er ordnet seine Figuren zyklisch an. In der Ikonografie ist eine solche Komposition für Querformate vor Rublew völlig unbekannt. Zyklische Bewegung war dagegen seit den Arbeiten von Dionysius Areopagites22 ein Sinnbild für Ewigkeit. Will Rublew mit seiner zyklischen Anordnung sagen, dass alles, was die Dreieinigkeit darstellt, ewigen Bestand hat? In ihr und in ihr allein findet der gläubige Betrachter den eigentlichen Maßstab für sein Sein und Tun? Will er sagen, dass wahrer Gottesdienst, Gottesdienst der einen Ewigkeitswert beansprucht, nur trinitarisch zu erreichen ist? Die detaillierte Analyse der drei Charaktere bestätigt unsere Annahme.

Gott der Vater ist durch den Engel auf der linken Seite des Bildes dargestellt. Das wird unterstützt durch das Haus über dem Kopf des Engels. Das Haus stellt das Haus der Schöpfung dar. Der Vater ist der Schöpfer des Universums. Zu ihm beugen sich die beiden anderen Engel. Der Engel im Zentrum steht für Jesus, den Sohn Gottes, deutlich unterstrichen durch den Baum über seinem Kopf. Der Baum symbolisiert das Kreuz. Und der Berg über dem dritten Engel identifiziert den Geist Gottes. Berge sind in der alttestamentlichen Sprache Orte der spirituellen Begegnung mit Gott (siehe z. B. Ps 121,1f).

Die drei Engel sitzen um einen Tisch, der deutlich als Opfertisch identifiziert ist. Auf dem Tisch steht ein Opferbecher mit dem Kopf eines Lammes. Ein deutlicher Hinweis auf das Lamm Gottes, das sein Leben gibt für die Sünden der Menschheit (Phil 2,5–11). Es fällt nicht schwer, im Bild das eucharistische Mahl zu entdecken. Die drei sitzen um den Abendmahlstisch und unterhalten sich über das Opfermahl. Und das Opfer sind sie selbst. Die von Rublew gewählte Komposition unterstreicht diesen Gedanken deutlich. Die beiden Seitenengel scheinen mit ihrem Körper (Knie) den Tisch zu heben, auf dem der Becher steht. Der Tisch wiederum umschließt den zentralen Engel. Sie unterhalten sich und das Gespräch konzentriert sich auf das Opfer. Die Botschaft der Ikone ist unmissverständlich: Das Werk der Erlösung ist ein Werk der Dreieinigkeit. Die Zentralität des Opfers Jesu in diesem Werk ist nur zu begreifen aus der Totalität des Opfers Gottes.

Die Gesten der drei Engel unterstützen eine solche Lesart. So zeigt die Handbewegung des linken Engels auf den Opferbecher, worauf der zentrale Engel mit einer leichten zustimmenden Neigung seines Kopfes zu ihm sein Einverständnis gibt. Der Betrachter kann es fast hören, wie er sagt: „Nicht mein Wille soll geschehen, sondern deiner“ (Mt 26,39). Und der rechte Engel ist als Zeuge dargestellt, als Tröster, der jederzeit dem Gehorsamen beizustehen bereit ist. Dabei leuchten die drei Figuren aus ihrem Inneren heraus. Der Maler hat das Licht so angeordnet, dass die drei Figuren den Rest des Bildes ausleuchten. Eine faszinierende Leistung!

Die drei Engel sind gleich gestaltet. Eine wie auch immer dargestellte Hierarchie fehlt dem Bild völlig. Die drei sind wesensmäßig eins und die Unterordnung ist gegenseitig. Diese Einheit wird auch durch die zyklische Bewegung, den perfekten Kreis, den die drei Körper bilden, unterstrichen. Es wird deutlich: Wer den einen verstehen will, der muss den anderen ansehen, und wer den anderen gesehen hat, der wird nicht umhin können, den Dritten sehen zu müssen.

Diese innere Einheit ist dargestellt in erstaunlicher Diversität der drei Figuren. Sie unterscheiden sich wesentlich voneinander in Kleidung, Körperform und Position. Die drei sind nicht einfach ein Spiegelbild voneinander. Ihre Aufgaben sind verschieden, ihre Rollen nicht zu verwechseln. Sie haben die gleiche Mission, sie sind total konzentriert auf die Erlösung, aber ihre Ämter scheinen sich deutlich voneinander zu unterscheiden. Und doch, was immer sie tun, es scheint den anderen und seinen Dienst zu unterstützen und zugleich der gemeinsamen Zielsetzung zu dienen. Der Betrachter ist unfreiwillig in eine Art Rotation hineingenommen, in eine Art Rundtanz. Er kann sich den dreien nur über den Einzelnen und dem Einzelnen über die drei nähern. Genau das meinte Johannes von Damaskus, als er die Dreieinigkeit als Perichoresis beschrieb.

Die zyklische Bewegung im Bild kreist den Betrachter ein. Sein Blick wird, wo immer er auch beginnen mag, am Ende auf dem Tisch und dem Opferbecher landen. Das ist es, was der Maler seinen Betrachter sehen lassen will. Darüber reden seine drei Figuren. Ihr Gespräch ist in ikonografischer Momentaufnahme eingefroren. Und wieder wird deutlich: Das, was sie da reden, ist nicht nur ein Wort, es ist das Wort. Und sie sind das Wort. Ihr Akt der Selbstaufopferung ist das Wort. Unwillkürlich muss der Bibelkenner an dieser Stelle an den Johannesprolog denken. Die menschlichen Gesichter der drei Figuren unterstreichen diesen Effekt noch. Hier ist das Wort Gottes Mensch geworden, der Betrachter kann nun Gottes Herrlichkeit sehen.

Rublew hat sich wohl bewusst für seine Farbenwahl entschieden. Die Ikone ist in einer Blende zwischen tiefem Blau und dunkelrot gemalt. Das lässt den Eindruck entstehen, dass das Licht buchstäblich aus der Ikone herausscheint. Die Idee hierzu scheint von den Hesychasten entnommen, deren Lehren sich sowohl St. Sergius als auch der Maler Rublew verpflichtet wussten. Danach bedarf es dieser Begegnung zwischen dem gläubigen Menschen und dem taborischen Licht, wie es die drei Jünger auf dem Berg der Transfiguration, der Verwandlung, erlebt hatten, um effektiv in die Welt gehen zu können. Rublew will also mit seiner Ikone mehr als nur einen Platz der Anbetung schaffen. Die Dreieinigkeit zu verstehen, bedeutet für ihn offensichtlich eine individuelle Transformation, das Beseeltwerden vom transfigurativen Licht aus der Höhe, das Verwandeltwerden in sein Ebenbild. Nichts weniger als das erwarteten die Hesychasten. Theosis, die Wiederherstellung der verlorenen Ebenbildlichkeit, war ihr Ziel. Und genau das scheint Rublew sagen zu wollen – wer sich der Dreieinigkeit nähert, der wird verwandelt in sein Bild.

Wie gesagt, das Bild kreist den Betrachter förmlich ein und konzentriert ihn auf das Opferlamm. Aber dann, dem Licht des Bildes folgend, wird er gezwungen, aus dem Bild zu steigen. Die umgekehrte Perspektive, die den Betrachter hinter den Altar stellte, verschwindet und der Betrachter muss zurück vor den Altar, da, wo all jene Menschen auf ihn warten, die das Licht der Dreieinigkeit noch nicht erfahren haben.

Spätestens hier wird klar, wie tief der Maler Rublew seinem Meister St. Sergius verpflichtet ist. Sein Bild ist zutiefst missional. Die göttliche Liturgie, die der Betrachter erleben darf, führt ihn hinaus in den Lebensalltag und der Alltag wird zur Liturgie nach der Liturgie. Der im Angesicht der Dreieinigkeit Transformierte wird zum Agenten der Transformation; der von der Trinität Erleuchtete wird zum Licht im Dunkel der Welt.

Gottesdienst ist somit die Teilnahme des Menschen am inneren Leben der Dreieinigkeit. Er findet im Allerheiligsten statt. Der Gottesdienstbesucher ist weit mehr als ein bloßer Betrachter, der Gott bei seinem Dienst zusieht. Er wird vielmehr ins Innere geladen. Er darf das Herz Gottes spüren und sich von diesem Herzen erleuchten lassen. Grafisch gesehen kann dieses perichoretische Denken als Zyklus wie folgt dargestellt werden.


Abbildung 2: Perichoresis als Rahmenbedingung einer Theologie der Gemeinde und ihres Gottesdienstes.

Was bedeutet nun das Gesagte für die Theologie des Gottesdienstes im Einzelnen? Folgen wir einmal bewusst dem Zyklus der Bewegungen, wie sie uns der russische Ikonenmaler vorgezeichnet hat. Fangen wir mit Gott dem Vater an und folgen dann über den Sohn zum Geist und dann wiederum zum Vater. Lassen wir uns auf die Dynamik intellektuell und noch mehr: geistlich ein. Was sehen wir dann? Wir werden Gottesdienst im Angesicht des Höchsten sehen.

2.4.1 Missio Dei: Gott lädt ein

Was ist Gottesdienst? Was ist Gottesdienst aus der Perspektive der Trinität? Nun, zuallererst ist der Gottesdienst, biblisch gesehen, eine Veranstaltung, zu der Gott einlädt. Es ist seine Sache. Er ist der Gastgeber. „In der ganzen Bibel war der Gottesdienst vor allem für Gott da“ (Kuen 1998:2). Ein guter christlicher Gottesdienst beginnt im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Die Gemeinde wird von ihm und für ihn versammelt. Er ist ihr Baumeister und ihr Herr. Unmissverständlich macht das NT klar, wer der eigentliche Eigentümer der Gemeinde ist. Paulus bringt es im Kontext der innerlich zerrissenen Gemeinde zu Korinth deutlich zum Ausdruck. Da mögen die unterschiedlichen Parteiungen wie immer laut behaupten, es sei ihre Gemeinde. Die Wahrheit ist – die Gemeinde ist Gottes Bau (1Kor 3,9). Menschen werden zwar berufen, an ihrer Gründung und ihrem Aufbau als Mitarbeiter mitzuhelfen, aber sie gehört allein Gott. Er ist es, der sie will und letztendlich schafft. Zu Timotheus schreibt Paulus in 1Tim 3,14f:

„Solches schreibe ich dir und hoffe bald zu dir zu kommen; wenn es sich aber verzögert, dass du wissest, wie man wandeln soll in dem Hause Gottes, welches ist die Gemeinde des lebendigen Gottes, ein Pfeiler und eine Grundfeste der Wahrheit.“

Die Gemeinde ist also Gottes Wohnstatt und Haus (Eph 2,22). Darum ist er auch der Hausvater der Hausgenossen (Eph 2,19). Sie ist seine Gemeinde, sein Eigentum, für ihn ausgesondert, heilig und daher unantastbar (1Kor 3,16f). Und wenn seine Gemeinde zusammenkommt, dann kommt sie zusammen, weil er einlädt.

Gottesdienst ist Gott-zentriert. In seinem Zentrum steht die Missio Dei. Deshalb können weder Menschen und ihre Anliegen noch die persönlichen Ambitionen einzelner Menschen den Gottesdienst inhaltlich bestimmen. Sobald das geschieht, wird der Gottesdienst seiner inhaltlichen Besonderheit beraubt und zur bloßen sozialen Zusammenkunft degradiert. Martin Luther war so von der Gottzentriertheit des evangelischen Gottesdienstes überzeugt, dass er das Wort oft getrennt schrieb, eben Gottes Dienst (Henning 2003:56).

Klar und deutlich wird dieser Gedanke in der Orthodoxie zum Ausdruck gebracht. Hier wird Gottesdienst als eucharistische Feier am Throne Gottes gesehen. Die Liturgie ist eine göttliche Liturgie. Nicht vergängliche Werte stehen im Mittelpunkt, sondern ewige. Der Himmel kommt unter die Menschen, wenn diese sich zum Gottesdienst versammeln. Gott feiert seinen Sieg über die Mächte der Finsternis und die Gottesfürchtigen sind eingeladen, an dieser Feier teilzunehmen. Diese Feier ist eschatologischer Natur. Sie geschieht im souveränen Wissen Gottes, dass seine Absichten, sein Ratschluss, also die Missio Dei, zum Zug kommt. So wird der Gottesdienst zu einer missionarischen Aussendungsfeier, in der die Missio zur unbedingten Actio Dei drängt (Reimer 1998:113f).

Gott ist also allem voran der Handelnde im Gottesdienst. Er ist es, der uns Menschen „den Gottesdienst schenkt“ (Paquier, zitiert nach Kuen 1998:6). Alles, was den Gottesdienst wesensmäßig ausmacht, muss daher von Gott her gedacht werden. Im Gottesdienst werden nicht menschliche Ambitionen verwirklicht, hier wird nicht eine Quelle religiöser Spiritualität aufgemacht. Im Gottesdienst geht es um Gottes Absichten und Mission. Daher kann der evangelische Gottesdienst auch immer nur als missionaler Gottesdienst gesehen und gedacht werden. Daher gilt es zu fragen, was Gottes Absicht und seine Mission in dieser Welt ist.

Warum kommt Gott zu uns Menschen herab? Was ist sein Anliegen? Was will er uns im Allerheiligen sagen? Geht es Gott um sich selbst? Sucht er unsere Anbetung um seiner selbst willen? Ist er jener Tyrann, der ohne die wohltuende Energie des Lobpreises der viel Schwächeren nicht leben kann? Natürlich nicht. Die Dreieinigkeit ist um den Opfertisch versammelt. Gott geht es um die Welt, und um seine geliebte Welt zu retten, gibt er sich selbst hin. Gott will retten und Gott rettet, weil Jesus sein Leben dahin gab – das ist die befreiende Botschaft. Das ist das Evangelium.

Wo immer die Gemeinde Jesu zusammen kommt, um sich dem Herzen Gottes zu nähern, wird sie die drei Personen Gottes am Opfertisch sehen. Gottesdienst ist Gottes Einladung zum Evangelium für die Welt. Gerade hier liegen die Gefahren der Gottesdiensttheoretiker. Allzu oft vermittelt man in der entsprechenden Literatur den Eindruck, dass Gottesdienst und Gemeindeaufbau das eigentliche Anliegen Gottes ist. Aber Gott hat sein Volk in dieser Welt nicht zum Selbstzweck. Sein missionarisches Interesse ist die Welt und nicht die Kirche. Das eigentliche Problem der Kirche heute besteht in der Tatsache, dass sie ihre Mission vergessen hat (Carey 1995:25f). Das eigentliche Problem des evangelischen Gottesdienstes heute liegt in seiner Missionslosigkeit. Die Welt ist Gottes Ziel. Sie will er erreichen! Und wenn er seine Gemeinde zum Gottesdienst einlädt, dann geht es ihm um die verlorene Welt.

Der evangelische Gottesdienst, recht gedacht, ist also missionaler Gottesdienst. Seine Tagesordnung wird nicht von der Gemeinde, sondern von Gott selbst gesetzt und er setzt sie angesichts der verlorenen Welt.

Wenn Gott uns Menschen also zum Gottesdienst einlädt, dann tut er das aus Liebe. Die Liebe Gottes ist das wichtigste und alles transzendierende Moment des evangelischen Gottesdienstes. Der hier den Menschen entgegen tritt – liebt sie. Er will Begegnung. Er sucht das Gespräch. Er möchte Gemeinschaft. Und er will sie, weil sein Herz für uns Menschen, für seine Welt schlägt. Was das in der Praxis bedeutet, können nur Menschen ermessen, die von Gott selbst geladen wurden, die diese Einladung des Herrn gehört und wahrgenommen haben. Solange wir uns nur von Menschen, von Traditionen, von unserer Religiosität dazu bewegen lassen, den sonntäglichen Gottesdienst zu besuchen, wird der Gottesdienst nicht mehr als eine mehr oder weniger langweilige Veranstaltung sein. Erst wenn er ruft und wir seinen Ruf vernehmen und ihm folgen, ändert sich die Perspektive. Wir gelangen ins Innere. Wir hören auf, nur Betrachter zu sein, wir gewinnen seine Perspektive und werden erleuchtet. Ohne Gottes Ruf zum Gottesdienst verhallen alle Gottesdienst-Appelle ins Leere. Und warum ruft Gott nicht? Warum ruft er so selten? Er ruft. Wir hören nur so schlecht. Seine Stimme ist sanft und wer sein Angesicht sucht, wird Gott finden.

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