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Читать книгу: «Reden an die deutsche Nation», страница 3

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Zuvörderst ist klar, daß die schon früher an andern Gegenständen geübte geistige Tätigkeit des Zöglings angeregt werden müsse, ein Bild von der gesellschaftlichen Ordnung der Menschen, so wie dieselbe nach dem Vernunftgesetze schlechthin sein soll, zu entwerfen. Ob dieses vom Zöglinge entworfene Bild richtig sei, ist von einer Erziehung, die nur selbst im Besitze dieses richtigen Bildes sich befindet, am leichtesten zu beurteilen; ob dasselbe durch die eigne Selbsttätigkeit des Zöglings entworfen, keineswegs aber nur leidend aufgefaßt, und der Schule gläubig nachgesagt werde, ferner ob es zur gehörigen Klarheit und Lebhaftigkeit gesteigert sei, wird die Erziehung auf dieselbe Weise beurteilen können, wie sie früher in derselben Rücksicht bei andern Gegenständen ein treffendes Urteil gefällt hat. Alles dies ist noch Sache der bloßen Erkenntnis, und verbleibt auf dem in dieser Beziehung sehr zugänglichen Gebiete derselben. Eine ganz andre aber und höhere Frage ist die, ob der Zögling also von brennender Liebe für eine solche Ordnung der Dinge ergriffen sei, daß es ihm, der Leitung der Erziehung entlassen und selbständig hingestellt, schlechterdings unmöglich sein werde, diese Ordnung nicht zu wollen, und nicht aus allen seinen Kräften für die Beförderung derselben zu arbeiten; über welche Frage ohne Zweifel nicht Worte und in Worten anzustellende Prüfungen, sondern allein der Anblick von Taten entscheiden können.

Ich löse die durch diese letzte Betrachtung uns gestellte Aufgabe also: ohne Zweifel werden doch die Zöglinge dieser neuen Erziehung, obwohl abgesondert von der schon erwachsenen Gemeinheit, dennoch untereinander selbst in Gemeinschaft leben, und so ein abgesondertes und für sich selbst bestehendes Gemeinwesen bilden, das seine genau bestimmte, in der Natur der Dinge gegründete, und von der Vernunft durchaus geforderte Verfassung habe. Das allererste Bild einer geselligen Ordnung, zu dessen Entwerfung der Geist des Zöglings angeregt werde, sei das der Gemeinde, in der er selber lebt, also, daß er innerlich gezwungen sei, diese Ordnung Punkt für Punkt gerade also sich zu bilden, wie sie wirklich vorgezeichnet ist, und daß er dieselbe in allen ihren Teilen als durchaus notwendig aus ihren Gründen verstehe. Dies ist nun abermals bloßes Werk der Erkenntnis. In dieser gesellschaftlichen Ordnung muß nun im wirklichen Leben jeder einzelne um des Ganzen willen immerfort gar vieles unterlassen, was er, wenn er sich allein befände, unbedenklich tun könnte; und es wird zweckmäßig sein, daß in der Gesetzgebung, und in dem darauf zu bauenden Unterrichte über die Verfassung, jedem einzelnen alle die übrigen mit einer zum Ideal gesteigerten Ordnungsliebe vorgestellt werden, welche also vielleicht kein einziger wirklich hat, die aber alle haben sollten; und daß somit diese Gesetzgebung einen hohen Grad von Strenge erhalte, und der Unterlassungen gar viele auflege. Diese, als etwas das schlechthin sein muß, und auf welchem das Bestehen der Gesellschaft beruht, sind auf den Notfall sogar durch Furcht vor gegenwärtiger Strafe zu erzwingen; und muß dieses Strafgesetz schlechthin ohne Schonung oder Ausnahme vollzogen werden. Der Sittlichkeit des Zöglings geschieht durch diese Anwendung der Furcht, als eines Triebes, gar kein Eintrag, indem hier ja nicht zum Tun des Guten, sondern nur zur Unterlassung des in dieser Verfassung Bösen getrieben werden soll; überdies muß im Unterrichte über die Verfassung vollkommen verständlich gemacht werden, daß der, welcher der Vorstellung von der Strafe, oder wohl gar der Anfrischung dieser Vorstellung durch die Erduldung der Strafe selbst noch bedürfe, auf einer sehr niedrigen Stufe der Bildung stehe. Jedennoch ist bei allem diesen klar, daß, da man niemals wissen kann, ob da wo gehorcht wird, aus Liebe zur Ordnung oder aus Furcht vor der Strafe gehorcht werde, in diesem Umkreise der Zögling seinen guten Willen nicht äußerlich dartun, noch die Erziehung ihn ermessen könne.

Dagegen ist der Umkreis, wo ein solches Ermessen möglich ist, der folgende. Die Verfassung muß nämlich ferner also eingerichtet sein, daß der einzelne für das Ganze nicht bloß unterlassen müsse, sondern daß er für dasselbe auch tun und handelnd leisten könne. Außer der geistigen Entwicklung im Lernen finden in diesem Gemeinwesen der Zöglinge auch noch körperliche Uebungen, und die mechanischen aber hier zum Ideale veredelten Arbeiten des Ackerbaues, und die von mancherlei Handwerken statt. Es sei Grundregel der Verfassung, daß jedem, der in irgendeinem dieser Zweige sich hervortut, zugemutet werde, die andern darin unterrichten zu helfen, und mancherlei Aufsichten und Verantwortlichkeiten zu übernehmen; jedem, der irgendeine Verbesserung findet, oder die von einem Lehrer vorgeschlagene zuerst und am klarsten begreift, dieselbe mit eigner Mühe auszuführen, ohne daß er doch darum von seinen ohnedies sich verstehenden persönlichen Aufgaben des Lernens und Arbeitens losgesprochen sei; daß jeder dieser Anmutung freiwillig genüge, und nicht aus Zwang, indem es dem Nichtwollenden auch freisteht, sie abzulehnen; daß er dafür keine Belohnung zu erwarten habe, indem in dieser Verfassung alle in Beziehung auf Arbeit und Genuß ganz gleich gesetzt sind, nicht einmal Lob, indem es die herrschende Denkart ist in der Gemeinde, daß daran jeder eben nur seine Schuldigkeit tue, sondern daß er allein genieße die Freude an seinem Tun und Wirken für das Ganze, und an dem Gelingen desselben, falls ihm dieses zuteil wird. In dieser Verfassung wird sonach aus erworbener größerer Geschicklichkeit, und aus der hierauf verwendeten Mühe, nur neue Mühe und Arbeit folgen, und gerade der Tüchtigere wird oft wachen müssen, wenn andre schlafen, und nachdenken müssen, wenn andre spielen.

Die Zöglinge, welche, ohnerachtet ihnen dieses alles vollkommen klar und verständlich ist, dennoch fortgesetzt, und also, daß man mit Sicherheit auf sie rechnen könne, jene erste Mühe und die aus ihr folgenden weitern Mühen freudig übernehmen, und in dem Gefühle ihrer Kraft und Tätigkeit stark bleiben und stärker werden – diese kann die Erziehung ruhig entlassen in die Welt; an ihnen hat sie diesen ihren Zweck erreicht; in ihnen ist die Liebe angezündet und brennt bis in die Wurzel ihrer lebendigen Regung hinein, und sie wird von nun an weiter alles ohne Ausnahme ergreifen, was an diese Lebensregung gelangen wird; und sie werden in dem größeren Gemeinwesen, in das sie von nun an eintreten, niemals etwas andres zu sein vermögen, denn dasjenige, was sie in dem kleinen Gemeinwesen, das sie jetzt verlassen, unverrückt und unwandelbar waren.

Auf diese Weise ist der Zögling vollendet für die nächsten und ohne Ausnahme eintretenden Anforderungen der Welt an ihn, und es ist geschehen, was die Erziehung im Namen dieser Welt von ihm verlangt. Noch aber ist er nicht in sich und für sich selber vollendet, und es ist noch nicht geschehen, was er selbst von der Erziehung fordern kann. Sowie auch diese Forderung erfüllt wird, wird er zugleich tüchtig, den Anforderungen, die eine höhere Welt im Namen der gegenwärtigen in besondern Fällen an ihn machen dürfte, zu genügen.

Dritte Rede
Fortsetzung der Schilderung der neuen Erziehung

Das eigentliche Wesen der in Vorschlag gebrachten neuen Erziehung, inwiefern dieselbe in der vorigen Rede beschrieben worden, bestand darin, daß sie die besonnene und sichere Kunst sei, den Zögling zu reiner Sittlichkeit zu bilden. Zu reiner Sittlichkeit, sagte ich; die Sittlichkeit, zu der sie erziehet, steht als ein Erstes, Unabhängiges und Selbständiges da, das aus sich selber lebet sein eignes Leben: keineswegs aber, so wie die bisher oft beabsichtigte Gesetzmäßigkeit, angeknüpft ist und eingeimpft einem andern nicht sittlichen Triebe, dessen Befriedigung es diene. Sie ist die besonnene und sichere Kunst dieser sittlichen Erziehung, sagte ich. Sie schreitet nicht planlos und auf gutes Glück, sondern nach einer festen und ihr wohlbekannten Regel einher, und ist ihres Erfolges gewiß. Ihr Zögling geht zu rechter Zeit als ein festes und unwandelbares Kunstwerk dieser ihrer Kunst hervor, das nicht etwa auch anders gehen könne, denn also, wie es durch sie gestellt worden, und das nicht etwa einer Nachhilfe bedürfe, sondern das durch sich selbst nach seinem eignen Gesetze fortgeht.

Zwar bildet diese Erziehung auch den Geist ihres Zöglings; und diese geistige Bildung ist sogar ihr Erstes, mit welchem sie ihr Geschäft anhebt. Doch ist diese geistige Entwicklung nicht erster und selbständiger Zweck, sondern nur das bedingende Mittel, um sittliche Bildung an den Zögling zu bringen. Inzwischen bleibt auch diese nur gelegentlich erworbene geistige Bildung ein aus dem Leben des Zöglings unaustilgbarer Besitz, und die ewig fortbrennende Leuchte seiner sittlichen Liebe. Wie groß auch, oder wie geringfügig die Summe der Erkenntnisse sein möge, die er aus der Erziehung mitgebracht; einen Geist, der sein ganzes Leben hindurch jedwede Wahrheit, deren Erkenntnis ihm notwendig wird, zu fassen vermag, und welcher ebenso der Belehrung durch andre empfänglich, als des eignen Nachdenkens fähig ohne Unterlaß bleibt, hat er von derselben sicherlich mit davon gebracht.

So weit waren wir in der Beschreibung dieser neuen Erziehung in der vorigen Rede gekommen. Wir bemerkten am Schlusse derselben, daß durch dieses alles sie dennoch noch nicht vollendet sei, sondern noch eine andre, von den bis jetzt aufgestellten verschiedene Aufgabe zu lösen habe; und wir gehen jetzt an das Geschäft, diese Aufgabe näher zu bezeichnen.

Der Zögling dieser Erziehung ist ja nicht bloß Mitglied der menschlichen Gesellschaft hier auf dieser Erde und für die kurze Spanne Lebens, die ihm auf derselben vergönnt ist, sondern er ist auch, und wird ohne Zweifel von der Erziehung anerkannt für ein Glied in der ewigen Kette eines geistigen Lebens überhaupt, unter einer höhern gesellschaftlichen Ordnung. Ohne Zweifel muß auch zur Einsicht in diese höhere Ordnung eine Bildung, die sein ganzes Wesen zu umfassen sich vorgenommen hat, ihn anführen, und so wie sie ihn leitete, ein Bild jener sittlichen Weltordnung, die da niemals ist, sondern ewig werden soll, durch eigne Selbsttätigkeit sich vorzuzeichnen, ebenso muß sie ihn leiten, ein Bild jener übersinnlichen Weltordnung, in der nichts wird, und die auch niemals geworden ist, sondern die da ewig nur ist, in dem Gedanken zu entwerfen, mit gleicher Selbsttätigkeit und also, daß er innigst verstehe und einsehe, daß es nicht anders sein könne. Er wird, richtig geleitet, mit den Versuchen eines solchen Bildes zu Ende kommen, und an diesem Ende finden, daß nichts wahrhaftig da sei, außer das Leben, und zwar das geistige Leben, das da lebet in dem Gedanken; und daß alles übrige nicht wahrhaftig da sei, sondern nur dazusein scheine, welches Scheines aus dem Gedanken hervorgehenden Grund er gleichfalls, sei es auch nur im allgemeinen, begreifen wird. Er wird ferner einsehen, daß jenes allein wahrhaft daseiende geistige Leben, in den mannigfaltigen Gestaltungen, die es nicht durch ein Ohngefähr, sondern durch ein in Gott selber gegründetes Gesetz erhielt, wiederum eins sei, das göttliche Leben selber, welches göttliche Leben allein in dem lebendigen Gedanken da ist und sich offenbarmacht. So wird er sein Leben, als ein ewiges Glied in der Kette der Offenbarung des göttlichen Lebens und jedwedes andre geistige Leben, als eben ein solches Glied erkennen und heilig halten lernen; und nur in der unmittelbaren Berührung mit Gott und dem nicht vermittelten Ausströmen seines Lebens aus jenem Leben, Licht und Seligkeit; in jeder Entfernung aber aus der Unmittelbarkeit Tod, Finsternis und Elend finden. Mit einem Worte: diese Entwicklung wird ihn zur Religion bilden; und diese Religion des Einwohnens unsers Lebens in Gott soll allerdings auch in der neuen Zeit herrschen und in derselben sorgfältig gebildet werden. Dagegen soll die Religion der alten Zeit, die das geistige Leben von dem göttlichen abtrennte, und dem erstern nur vermittelst eines Abfalls von dem zweiten das absolute Dasein zu verschaffen wußte, das sie ihm zugedacht hatte, und welche Gott als Faden brauchte, um die Selbstsucht noch über den Tod des sterblichen Leibes hinaus in andre Welten einzuführen, und durch Furcht und Hoffnung in diesen die für die gegenwärtige Welt schwach gebliebene, zu verstärken – diese Religion, die offenbar eine Dienerin der Selbstsucht war, soll allerdings mit der alten Zeit zugleich zu Grabe getragen werden; denn in der neuen Zeit bricht die Ewigkeit nicht erst jenseit des Grabes an, sondern sie kommt ihr mitten in ihre Gegenwart hinein, die Selbstsucht ist aber sowohl des Regiments, als des Dienstes entlassen, und zieht demnach auch ihre Dienerschaft mit ihr ab.

Die Erziehung zur wahren Religion ist somit das letzte Geschäft der neuen Erziehung. Ob in der Entwerfung eines hierzu erforderlichen Bildes der übersinnlichen Weltordnung der Zögling wahrhaft selbsttätig verfahren sei; und ob das entworfene Bild allenthalben richtig und durchaus klar und verständlich sei, wird die Erziehung leicht, auf dieselbe Weise wie bei den übrigen Gegenständen der Erkenntnis, beurteilen können; denn auch dies bleibt auf dem Gebiete der Erkenntnis.

Bedeutender aber ist auch hier die Frage, wie die Erziehung ermessen, und sich die Gewährschaft leisten könne, daß diese Religionskenntnisse nicht tot und kalt bleiben, sondern daß sie sich ausdrücken werden im wirklichen Leben ihres Zöglings; welcher Frage die Beantwortung einer andern Frage vorauszuschicken ist, der folgenden: wie und auf welche Weise zeigt sich die Religion überhaupt im Leben?

Unmittelbar, im gewöhnlichen Leben und in einer wohlgeordneten Gesellschaft, bedarf es der Religion durchaus nicht, um das Leben zu bilden, sondern es reicht für diese Zwecke die wahre Sittlichkeit vollkommen hin. In dieser Rücksicht ist also die Religion nicht praktisch und kann und soll gar nicht praktisch werden, sondern sie ist lediglich Erkenntnis: sie macht bloß den Menschen sich selber vollkommen klar und verständlich, beantwortet die höchste Frage, die er aufwerfen kann, löset ihm den letzten Widerspruch auf, und bringt so vollkommene Einigkeit mit sich selbst, und durchgeführte Klarheit in seinen Verstand. Sie ist seine vollständige Erlösung und Befreiung von allem fremden Bande; und so ist sie ihm denn die Erziehung, als etwas, das ihm schlechtweg und ohne weitern Zweck gebührt, schuldig. Ein Gebiet, um als Antrieb zu wirken, erhält die Religion nur entweder in einer höchst unsittlichen und verdorbenen Gesellschaft, oder wenn die Wirkungssphäre des Menschen nicht innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung, sondern über dieselbe hinaus liegt, und dieselbe vielmehr immerfort neu zu erschaffen und zu erhalten hat, wie beim Regenten, welcher in vielen Fällen ohne Religion sein Amt gar nicht mit gutem Gewissen führen könnte. Von dem letztern Falle ist in einer auf alle und auf die ganze Nation berechneten Erziehung nicht die Rede. Wo in der ersten Rücksicht bei klarer Einsicht des Verstandes in die Unverbesserlichkeit des Zeitalters dennoch unablässig fortgearbeitet wird an demselben; wo mutig der Schweiß des Säens erduldet wird, ohne einige Aussicht auf eine Ernte; wo wohlgetan wird auch den Undankbaren, und gesegnet werden mit Taten und Gütern diejenigen, die da fluchen, und in der klaren Vorhersicht, daß sie abermals fluchen werden; wo nach hundertfältigem Mißlingen dennoch ausgeharrt wird im Glauben und in der Liebe: da ist es nicht die bloße Sittlichkeit, die da treibt, denn diese will einen Zweck, sondern es ist die Religion, die Ergebung in ein höheres und unbekanntes Gesetz, das demütige Verstummen vor Gott, die innige Liebe zu seinem in uns ausgebrochenen Leben, welches allein und um sein selbst willen gerettet werden soll, wo das Auge nichts anders zu retten sieht.

Auf diese Weise kann die erlangte Religionseinsicht der Zöglinge der neuen Erziehung in ihrem kleinen Gemeinwesen, in dem sie zunächst aufwachsen, nicht praktisch werden, noch soll sie es auch. Dieses Gemeinwesen ist wohlgeordnet, und in ihm gelingt das geschickt Unternommene immer; auch soll das noch zarte Alter des Menschen erhalten werden in der Unbefangenheit und im ruhigen Glauben an sein Geschlecht. Die Erkenntnis seiner Tücken bleibe vorbehalten der eignen Erfahrung des gereiften und befestigten Alters.

Nur in diesem gereifteren Alter sonach und in dem ernstlich gemeinten Leben, nachdem die Erziehung längst ihn sich selber überlassen hat, könnte der Zögling derselben, falls seine gesellschaftlichen Verhältnisse aus der Einfachheit zu höhern Stufen fortschreiten sollten, seiner Religionskenntnis, als eines Antriebes bedürfen. Wie soll nun die Erziehung, welche über diesen Punkt den Zögling, solange er unter ihren Händen ist, nicht prüfen kann, dennoch sicher sein können, daß, wenn nur dieses Bedürfnis eintreten werde, auch dieser Antrieb unfehlbar wirken werde? Ich antworte: dadurch, daß ihr Zögling überhaupt so gebildet ist, daß keine Erkenntnis, die er hat, in ihm tot und kalt bleibt, wenn die Möglichkeit eintritt, daß sie ein Leben bekomme, sondern jedwede notwendig sogleich eingreift in das Leben, sowie das Leben derselben bedarf. Ich werde diese Behauptung sogleich noch tiefer begründen, und dadurch den ganzen in dieser und der vorigen Rede behandelten Begriff erheben und einfügen in ein größeres Ganzes der Erkenntnis, welchem größeren Ganzen selber ich aus diesem Begriffe ein neues Licht und eine höhere Klarheit geben werde, nachdem ich nur vorher das wahre Wesen der neuen Erziehung, deren allgemeine Beschreibung ich soeben geschlossen habe, bestimmt werde angegeben haben.

Diese Erziehung erscheint nun nicht mehr, so wie im Anfange unsrer heutigen Rede, bloß als die Kunst den Zögling zu reiner Sittlichkeit zu bilden, sondern sie leuchtet vielmehr ein als die Kunst, den ganzen Menschen durchaus und vollständig zum Menschen zu bilden. Hierzu gehören zwei Hauptstücke, zuerst in Absicht der Form, daß der wirkliche lebendige Mensch, bis in die Wurzel seines Lebens hinein, keineswegs aber der bloße Schatten und Schemen eines Menschen gebildet werde, sodann in Absicht des Inhalts, daß alle notwendigen Bestandteile des Menschen ohne Ausnahme und gleichmäßig ausgebildet werden. Diese Bestandteile sind Verstand und Wille, und die Erziehung hat zu beabsichtigen die Klarheit des ersten, und die Reinheit des zweiten. Zur Klarheit des ersten aber sind zu erheben zwei Hauptfragen: zuerst was es sei, das der reine Wille eigentlich wolle, und durch welche Mittel dieses Gewollte zu erreichen sei, durch welches Hauptstück die übrigen dem Zöglinge beizubringenden Erkenntnisse befaßt werden; sodann, was dieser reine Wille in seinem Grunde und Wesen selber sei, wodurch die Religionserkenntnis befaßt wird. Die genannten Stücke nun, entwickelt bis zum Eingreifen ins Leben, fordert die Erziehung schlechtweg, und gedenkt keinem das mindeste davon zu erlassen, denn jeder soll eben ein Mensch sein; was jemand nun noch weiter werde, und welche besondere Gestalt die allgemeine Menschheit in ihm annehme oder erhalte, geht die allgemeine Erziehung nichts an, und liegt außerhalb ihres Kreises. – Ich gehe jetzt fort zu der versprochenen tieferen Begründung des Satzes, daß im Zöglinge der neuen Erziehung gar keine Erkenntnis tot bleiben könne, und zu dem Zusammenhange, in den ich alles Gesagte erheben will, vermittelst folgender Sätze.

1. Es gibt zufolge des Gesagten zwei durchaus verschiedene und völlig entgegengesetzte Klassen unter den Menschen in Absicht ihrer Bildung. Gleich zuvörderst ist alles, was Mensch ist, und so auch diese beiden Klassen darin, daß den mannigfaltigen Aeußerungen ihres Lebens ein Trieb zugrunde liegt, der in allem Wechsel unverändert beharret, und sich selbst gleich bleibt. – Im Vorbeigehen: das Sichverstehen dieses Triebes und die Uebersetzung desselben in Begriffe erzeugt die Welt, und es gibt keine andre Welt, als diese auf diese Weise in dem, jedoch keineswegs freien, sondern notwendigen Gedanken sich erzeugende Welt. Dieser, immer in ein Bewußtsein zu übersetzende Trieb, worin somit abermals die beiden Klassen einander gleich sind, kann nun auf eine doppelte Weise, nach den zwei verschiedenen Grundarten des Bewußtseins, in dasselbe übersetzt werden, und in dieser Weise der Uebersetzung und des sich Selbstverstehens sind die beiden Klassen verschieden.

Die erste, zu allererst der Zeit nach sich entwickelnde Grundart des Bewußtseins ist die des dunklen Gefühls. Mit diesem Gefühle wird am gewöhnlichsten und in der Regel der Grundtrieb erfaßt als Liebe des einzelnen zu sich selbst, und zwar gibt das dunkle Gefühl dieses Selbst zunächst nur als ein solches, das da leben will und wohl sein. Hieraus entsteht die sinnliche Selbstsucht, als wirklicher Grundtrieb und entwickelnde Kraft eines solchen, in dieser Uebersetzung seines ursprünglichen Grundtriebes befangenen Lebens. Solange der Mensch fortfährt, also sich zu verstehen, solange muß er selbstsüchtig handeln, und kann nicht anders; und diese Selbstsucht ist das einzig beharrende, sich gleichbleibende und sicher zu erwartende in dem unaufhörlichen Wandel seines Lebens. Als außergewöhnliche Ausnahme von der Regel kann dieses dunkle Gefühl auch das persönliche Selbst überspringen und den Grundtrieb erfassen, als ein Verlangen nach einer dunkel gefühlten andern Ordnung der Dinge. Hieraus entspringt das, an andern Orten von uns sattsam beschriebene Leben, das da, erhaben über die Selbstsucht, durch Ideen, die zwar dunkel sind, aber dennoch Ideen, getrieben wird, und in welchem die Vernunft als Instinkt waltet. Dieses Erfassen des Grundtriebes, überhaupt nur im dunklen Gefühle, ist der Grundzug der ersten Klasse unter den Menschen, die nicht durch Erziehung, sondern durch sich selbst gebildet wird, und welche Klasse wiederum zwei Unterarten in sich faßt, die durch einen unbegreiflichen, der menschlichen Kunst durchaus unzugänglichen Grund geschieden werden.

Die zweite Grundart des Bewußtseins, welche in der Regel sich nicht von selbst entwickelt, sondern in der Gesellschaft sorgfältig gepflegt werden muß, ist die klare Erkenntnis. Würde der Grundtrieb der Menschheit in diesem Elemente erfaßt, so würde dies eine zweite, von der ersten ganz verschiedene Klasse von Menschen geben. Eine solche, die Grundliebe selbst erfassende Erkenntnis läßt nun nicht, wie eine andre Erkenntnis dies wohl kann, kalt und unteilnehmend, sondern der Gegenstand derselben wird geliebt über alles, da dieser Gegenstand ja nur die Deutung und Uebersetzung unsrer ursprünglichen Liebe selbst ist. Andre Erkenntnis erfaßt Fremdes, und dieses bleibt fremd, und läßt kalt; diese erfaßt den Erkennenden selbst und seine Liebe, und diese liebt er. Unerachtet es nun bei beiden Klassen dieselbe ursprüngliche nur in andrer Gestalt erscheinende Liebe ist, die sie treibt, so kann man dennoch, von jenem Umstande absehend, sagen, daß dort der Mensch durch dunkle Gefühle, hier durch klare Erkenntnis getrieben werde.

Daß nun eine solche klare Erkenntnis unmittelbar antreibend werde im Leben, und man hierauf sicher zählen könne, hängt, wie gesagt, davon ab, daß es die wirkliche und wahre Liebe des Menschen sei, die durch dieselbe gedeutet werde; auch daß ihm unmittelbar klar werde, daß es also sei, und mit der Deutung zugleich das Gefühl jener Liebe in ihm angeregt und von ihm empfunden werde; daß daher niemals die Erkenntnis in ihm entwickelt werde, ohne daß zugleich die Liebe es werde, indem im entgegengesetzten Falle er kalt bleiben würde, und niemals die Liebe, ohne daß die Erkenntnis zugleich es werde, indem im Gegenteile sein Antrieb ein dunkles Gefühl werden würde; daß daher mit jedem Schritte seiner Bildung der ganze vereinigte Mensch gebildet werde. Ein von der Erziehung also als ein unteilbares Ganzes immerfort behandelter Mensch wird es auch fernerhin bleiben, und jede Erkenntnis wird ihm notwendig Lebensantrieb werden.

2. Indem auf diese Weise statt des dunkeln Gefühls die klare Erkenntnis zu dem allerersten, und zu der wahren Grundlage und Ausgangspunkte des Lebens gemacht wird, wird die Selbstsucht ganz übergangen, und um ihre Entwicklung betrogen. Denn nur das dunkle Gefühl gibt dem Menschen sein Selbst als ein genußbedürftiges und schmerzscheuendes; keineswegs aber gibt es ihm also der klare Begriff, sondern dieser zeigt es als Glied einer sittlichen Ordnung, und es gibt eine Liebe zu dieser Ordnung, welche bei der Entwicklung des Begriffs zugleich mit angezündet und entwickelt wird. Mit der Selbstsucht bekommt diese Erziehung gar nichts zu tun, weil sie die Wurzel derselben, das dunkle Gefühl, durch Klarheit erstickt; sie bestreitet sie nicht, ebensowenig als sie dieselbe entwickelt, sie weiß gar nicht von ihr. Wäre es möglich, daß diese Sucht später dennoch sich regen sollte, so würde sie das Herz schon angefüllt finden von einer höhern Liebe, die ihr den Platz versagt.

3. Dieser Grundtrieb des Menschen nun, wenn er in klare Erkenntnis übersetzt wird, geht nicht auf eine schon gegebene und vorhandene Welt, welche ja nur leidend genommen werden kann, wie sie eben ist, und in der eine zu ursprünglich schöpferischer Tätigkeit treibende Liebe keinen Wirkungskreis für sich fände; sondern er geht, zur Erkenntnis gesteigert auf eine Welt, die da werden soll, eine apriorische, eine solche, die da zukünftig ist, und ewig fort zukünftig bleibt. Das aller Erscheinung zugrunde liegende göttliche Leben tritt darum niemals ein als ein bestehendes und gegebenes Sein, sondern als etwas, das da werden soll, und nachdem ein solches, das da werden sollte, geworden ist, wird es abermals eintreten als ein werden sollendes in alle Ewigkeit, daß daher jenes göttliche Leben niemals eintritt in den Tod des stehenden Seins, sondern immerfort bleibt in der Form des fortfließenden Lebens. Die unmittelbare Erscheinung und Offenbarung Gottes ist die Liebe; erst die Deutung dieser Liebe durch die Erkenntnis setzt ein Sein, und zwar ein solches, das ewig fort nur werden soll, und dieses, als die einzige wahre Welt, inwiefern an einer Welt überhaupt Wahrheit ist. Dagegen ist die zweite gegebene und von uns als vorhanden vorgefundene Welt nur der Schatten und Schemen, aus welchem die Erkenntnis ihrer Deutung der Liebe eine feste Gestalt und einen sichtbaren Leib erbaut; diese zweite Welt das Mittel und die Bedingung der Anschaulichkeit der für sich selbst unsichtbaren höhern Welt. Nicht einmal in diese letztere höhere Welt tritt Gott unmittelbar ein, sondern auch hier nur vermittelt durch die eine, reine, unwandelbare und gestaltlose Liebe, in welcher Liebe allein er unmittelbar erscheint. Zu dieser Liebe tritt hinzu die anschauende Erkenntnis, welche aus sich selber ein Bild mitbringt, in das sie den an sich unsichtbaren Gegenstand der Liebe kleidet; widersprochen jedoch jedesmal von der Liebe, und darum fortgetrieben zu neuer Gestaltung, welcher abermals eben also widersprochen wird; wodurch allein nun die Liebe, welche rein für sich eins ist, des Fortfließens, der Unendlichkeit und der Ewigkeit durchaus unfähig, in dieser Verschmelzung mit der Anschauung auch ein Ewiges und Unendliches wird so wie diese. Das soeben erwähnte aus der Erkenntnis selbst hergegebene Bild – für sich allein und noch ohne Anwendung auf die deutlich erkannte Liebe dasselbe genommen – ist die stehende und gegebene Welt, oder die Natur. Der Wahn, daß in diese Natur Gottes Wesen auf irgendeine Weise unmittelbar, und anders, als durch die angegebenen Zwischenglieder vermittelt, eintrete, stammt aus Finsternis im Geiste und aus Unheiligkeit im Willen.

4. Daß nun das dunkle Gefühl, als Auflösungsmittel der Liebe in der Regel ganz übersprungen und an die Stelle desselben die klare Erkenntnis als das gewöhnliche Auflösungsmittel gesetzt werde, kann, wie schon erinnert, nur durch eine besonnene Kunst der Erziehung des Menschen geschehen, und ist bisher nicht also geschehen. Da nun, wie wir gleichfalls ersehen haben, auf die letzte Weise eine von den bisherigen gewöhnlichen Menschen durchaus verschiedene Menschenart eingeführt und als die Regel gesetzt wird, so würde durch eine solche Erziehung allerdings eine ganz neue Ordnung der Dinge, und eine neue Schöpfung beginnen. Zu dieser neuen Gestalt würde nun die Menschheit sich selber durch sich selbst, eben indem sie als gegenwärtiges Geschlecht sich selbst als zukünftiges Geschlecht erzieht, erschaffen; auf die Weise, wie sie allein dies kann, durch die Erkenntnis, als das einzige gemeinschaftliche und frei mitzuteilende, und das wahre, die Geisterwelt zur Einheit verbindende Licht und Luft dieser Welt. Bisher wurde die Menschheit, was sie eben wurde und werden konnte; mit diesem Werden durch das Ohngefähr ist es vorbei; denn da, wo sie am allerweitesten sich entwickelt hat, ist sie zu Nichts geworden. Soll sie nicht bleiben in diesem Nichts, so muß sie von nun an zu allem, was sie noch weiter werden soll, sich selbst machen. Dies sei die eigentliche Bestimmung des Menschengeschlechts auf der Erde, sagte ich in den Vorlesungen, deren Fortsetzung diese sind, daß es mit Freiheit sich zu dem mache, was es eigentlich ursprünglich ist. Dieses Sichselbstmachen, im allgemeinen mit Besonnenheit und nach einer Regel, muß nun irgendwo und irgendwann im Raum und in der Zeit einmal anheben, wodurch ein zweiter Hauptabschnitt der freien und besonnenen Entwicklung des Menschengeschlechts an die Stelle des ersten Abschnitts einer nicht freien Entwicklung treten würde. Wir sind der Meinung, daß, in Absicht der Zeit, diese Zeit eben jetzt sei, und daß dermalen das Geschlecht in der wahren Mitte seines Lebens auf der Erde zwischen seinen beiden Hauptepochen stehe; in Absicht des Raums aber glauben wir, daß zu allernächst den Deutschen es anzumuten sei, die neue Zeit, vorangehend und vorbildend für die übrigen, zu beginnen.

5. Dennoch wird auch sogar diese ganz neue Schöpfung nicht durch einen Sprung erfolgen aus dem Vorhergehenden, sondern sie ist die wahre natürliche Fortsetzung und Folge der bisherigen Zeit, ganz besonders unter den Deutschen. Sichtbar, und wie ich glaube, allgemein zugestanden, ging ja alles Regen und Streben der Zeit darauf, die dunklen Gefühle zu verbannen und allein der Klarheit und der Erkenntnis die Herrschaft zu verschaffen. Dieses Streben ist auch insofern vollkommen gelungen, daß das bisherige Nichts vollkommen enthüllt ist. Keineswegs soll nun dieser Trieb nach Klarheit ausgerottet, oder das dumpfe Beruhen beim dunkeln Gefühle wieder herrschend werden; jener Trieb soll nur noch weiter entwickelt und in höhere Kreise eingeführt werden, also, daß nach der Enthüllung des Nichts auch das Etwas, die bejahende und wirklich etwas setzende Wahrheit, ebenfalls offenbar werde. Die aus dem dunklen Gefühle stammende Welt des gegebenen und sich durch sich selbst machenden Seins ist versunken, und sie soll versunken bleiben; dagegen soll die aus der ursprünglichen Klarheit stammende Welt des ewig fort aus dem Geiste zu entbindenden Seins aufstrahlen und anbrechen in ihrem ganzen Glanze.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
27 сентября 2017
Объем:
310 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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