Читать книгу: «Die Kostenvermeidungsdirektive», страница 3

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Klaro mischte sich ein: „Da Gudrun und ich kurz nach der Wende beide arbeitslos waren beziehungsweise nur sehr wenig verdienten, mussten wir unseren Sohn mit Klamotten aus einem Billigladen einkleiden. Auch er musste damals in der Schule Hohn und Spott über sich ergehen lassen. Ich verstehe nicht, weshalb jemand nur deshalb verhöhnt wird, weil er weniger Geld hat - wir haben immer wieder zugesehen, in Arbeit zu kommen. Aber wenn dir nicht viel dafür gezahlt wird? Und dann äußerte sich vor Kurzem die Kleiderkammer in Frankfurt am Main dahin gehend, dass sie für die Flüchtlinge ausschließlich Markenunterwäsche als Spende annimmt. Sind denn die Kinder unserer nicht wenigen Geringverdiener weniger wert als die Syrer und Iraker? Ich kann solche Äußerungen absolut nicht nachvollziehen!

Zurück zu Antons Thema: Du kannst doch den Großteil unserer heutigen Jugend nur noch mit gesenktem Kopf über ihrem Smartphone sehen. Dafür gibt es auch schon eine schöne Bezeichnung: Smombies = "Smartphone-Zombies". Nimm denen mal das in Teilen von Franken so genannte ‘Wischkästla’ weg - die wissen überhaupt nichts mehr mit sich anzufangen, sind orientierungslos und können ohne ihre Suchtmaschine nicht mal mehr zwei und zwei zusammenzählen!“

Max nickte: „Ich sehe das ebenso wie Klaro: Es ist nichts anderes als eine massenhafte Sucht, die schnellstens behandelt werden muss! Die Leute denken doch gar nicht mehr selbst nach, sondern verlassen sich blindlings darauf, was ihnen irgendeine ‘Äpp’ weismacht. Ich halte das für sehr gefährlich, denn wer nicht denkt, lässt sich sehr leicht regieren und manipulieren!“ Er wandte sich an Torsten: „Um zum Thema zurückzukehren. Was machst Du als Programmierer denn eigentlich mit deinem Facebook-Account?“

Torsten schüttelte den Kopf: „Ich habe gar keinen. Was soll ich damit? Wenn ich soziale Kontakte haben möchte, rede ich mit den Kollegen, der Verkäuferin an der Kasse, meinen Nachbarn, den Leuten, die ich beim Bergwandern treffe oder mit euch - mehr brauche ich nicht. Auf alle Fälle keine elektronischen Kontakte mit ‘Freunden’, die ich gar nicht kenne. Ich muss nicht mit immer neuen Selfies das Internet 'beglücken'. Und ich bin auch keiner, der die Welt über jeden Furz informieren muss, der mich gerade verlassen hat.“

Max grinste: „Da finden sich garantiert zehn Deppen, die dann auch auf ‘Gefällt mir’ klicken!“ „Klar,“ ging Torsten auf den Frotzel-Ton ein. „Im konkreten Fall würde ich das denen auch noch glauben: Die werden nämlich froh sein, den Pups nicht riechen zu müssen!“

Als Klaro nach dem Abklingen des Gelächters hinter vorgehaltener Hand mehrmals gähnte, fragte ihn Ole, ob er den Sandmann verpasst habe. „Nein, das habe ich nicht“, antwortete der Gefragte. „Nur hat unsere Nachbarin, die Ramona Kleffer, wieder mal heute einen freien Tag oder Spätdienst. Und da verabschiedet sie jedes Mal spät in der Nacht davor ihren Stecher - natürlich wie immer äußerst lautstark minutenlang im Hausflur, an den unser Schlafzimmer grenzt. Als ich dann um Ruhe gebeten habe, brüllte ihr Tschamsterer zurück, ich solle die Fresse halten.“ „Und was hast du darauf geantwortet?“, wollte Toni wissen. „Ich habe so getan, als ob ich meine Frau etwas fragen würde, aber so laut, dass es im Hausflur zu hören sein musste: ‘Wo habe ich nur die Axt hingelegt, ich werde ihm alle Knochen brechen!’ Sofort konnte ich hören, wie der Depp die Treppe hinunter rannte und sie die Wohnungstür schloss. Nur habe ich mich so darüber aufgeregt, dass ich bis drei Uhr noch wach war.“ So kannten und mochten die Stammtisch-Teilnehmer 'ihren' Torsten - immer zu einem Witz aufgelegt. „Wenn dies nicht das erste Mal war, warum hast du dann nicht die Polizei gerufen?“, fragte Max. „Weil die Polizei mit den Flüchtlingen überfordert ist und bei solchen Lappalien gar nicht mehr kommt. Und bevor die auch ohne Flüchtlinge da sein würden, herrscht ja wieder Ruhe im Haus. Ich werde einfach dieser Trutschn mal nachweislich ein Schreiben zukommen lassen, worin ich sie auf ihre immer wiederkehrende Verstöße aufmerksam machen werde und gleichzeitig sie darüber informiere, dass ich im Falle einer Kündigung durch meinen Arbeitgeber wegen Einschlafens oder mangelnder Konzentrationsfähigkeit am Arbeitsplatz, bedingt durch ihre nächtlichen Ruhestörungen, mir den finanziellen Verlust von ihr erstatten werden lasse, notfalls unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten.“ Klaro musste erst einmal Luft holen nach diesem Satz. Toni nutzte die Möglichkeit für eine Antwort und nickte: „Anders ois mid Geid kannst du am bledn Luda ned beikomma.“

Max nickte leicht und meinte: "Ja, das Problem mit lauten Nachbarn haben nicht nur die in Mehrfamilienhäusern Lebenden, sondern auch wir Eigenheimbesitzer. Dabei bin ich nicht gerade pingelig und denke, dass meine Toleranzgrenze auch ziemlich großzügig ist. Links und rechts von unserem Grundstück wohnen feierwütige Deppen. Beide Parteien haben die Häuser nur gemietet, tun aber so, als ob es die eigenen sind. Vom Frühjahr bis zum Herbst ist fast jedes Wochenende eine lautstarke Fete angesagt - es wird geschrien und gegrölt. Ich habe mehrfach versucht, mit denen darüber zu reden, es ist völlig sinnlos. Die kommen dir nur blöd, so nach dem Motto: "Wenn du Ruhe haben willst, dann lege dich auf den Friedhof!" Nach meinem ersten Gesprächsversuch wurde bei der nächsten Feier etwas gegrölt, das ungefähr so ging: Ist es auch schon zehn, wir werden trotzdem nicht gehn, und kommt die Polizei, wir bleiben trotzdem dabei. Nun, ich habe das mit der Polizei getestet: Der erste Besuch bei unseren links von uns wohnenden Nachbarn war noch kostenlos, der zweite nicht mehr - ich glaube, die haben dafür über neunzig Euro zahlen müssen. Seitdem geht es so halbwegs, warum aber immer nur mit Druck? Weshalb schalten denn diese Leute nicht auch mal ihr Hirn zum Nachdenken ein? Ich weiß nicht, wo diese massenhafte Rücksichtslosigkeit nur herkommt, die Menschen leben doch nur noch das Wort 'Egoismus'. Ohne lautstarke Brüllerei scheint wohl keiner mehr leben zu können. Und nicht nur die Lautstärke nervt meine Frau und mich. Sondern auch das Nachgeäffe: Fängt einer in der Straße an, den Rasen zu mähen, fühlen sich alle anderen bemüßigt, es ihm nachzutun, unabhängig davon, wie lang oder kurz das Gras wirklich ist. Fängt einer an, sein Auto auf der Straße zu waschen, ziehen andere nach - als ob in jedem Haus ständig einer hinter der Gardine sitzt und beobachtet, was sich auf der Straße tut. Mir scheint es so, dass der Großteil der Menschheit immer verrückter und überheblicher wird. Da muss uns doch dann irgendwann der Zorn Gottes treffen!"

Ole kam nochmals auf das Anfangsthema zurück: „Und wie kommt ein Jugendlicher zu einem Facebook-Account, ist das denn erlaubt?“

Klaro antwortete: „So viel ich weiß, kannst Du wohl ab einem Alter von dreizehn Jahren einen eröffnen. Und wenn Du noch nicht dreizehn Jahre alt bist, gibst Du halt ein anderes Geburtsdatum an. Das kontrolliert doch keiner!“

„Und genau das könnte Facebook mal rechtlich gesehen auf die Füße fallen. Ich halte diese Vorgehensweise für ziemlich lasch“, äußerte Toni seine Meinung dazu. „Aber wie will man das anders machen?“ Diese Frage blieb unbeantwortet im Raum stehen.

Danach wandte sich Ole nochmals an Torsten: „Wann genau bist Du im Urlaub und mit welcher Gesellschaft werdet ihr fliegen?“

„Wir sind vom 3. - 17.11. weg - ich werde also keinen Stammtisch verpassen, höchstens ein paar nächtliche Ruhestörungen“, grinste Torsten. „Fliegen werden wir mit Daedalus Air Burgas - den Namen hatte ich vorher noch nie gehört. Das sind Bulgaren, die ausgemusterte Maschinen von Lufthansa und Condor aufkaufen. Allerdings werden diese weiterhin durch Lufthansa gewartet - das war das Einzige, was mich da etwas beruhigte. Bei dem Pauschalangebot kannst du dir halt nicht die Fluggesellschaft aussuchen. Ich habe aber lieber einen normalen Bulgaren im Cockpit als einen psychisch kranken Deutschen“, spielte er auf das Germanwings-Unglück im Frühjahr des Jahres 2015 an. „Vielleicht kommt dieser Urlaub ganz richtig - wir werden etwa 4 - 5 Tage, in der Nähe der Kapverden, keine deutschen Fernsehsender empfangen können. Da hat man die Möglichkeit, sich mal nicht jeden Tag über unsere Politiker aufregen zu müssen!“

Anton versuchte, Trost zu spenden: „Vielleicht ist das auch alles zu Ende, wenn ihr wieder zurück seid.“

Klaro schüttelte energisch den Kopf: „Da kennst Du die Merkel aber schlecht, die bleibt stur bei ihrem Kurs - und wenn die Welt einstürzen sollte! Frau Merkel macht doch nie einen Fehler, jedenfalls keinen, den sie zugeben würde.“

Max erhob sein Glas: „Hoffen wir, dass unsere Welt noch etwas hält. Und ihr solltet versuchen, euren Urlaub zu genießen. Prost!“

Ole hatte noch eine weitere Frage: "Ich war zwar noch nie auf solch einem Kreuzfahrtdampfer, habe aber mal gehört, dass sehr viele Asiaten, darunter speziell welche von den Philippinen, auf den Schiffen schuften sollen. Hast du denn keine Angst, dass da mal ein Anhänger der Abu Sayyaf darunter sein könnte?" Torsten schüttelte den Kopf: "Darüber hatte ich mich nach unserer Südamerika-Kreuzfahrt informiert. Also, die reine Mitgliederzahl der Gruppe liegt wohl bei etwa zweihundert Leuten. Dazu kommen noch ungefähr zweitausend Sympathisanten, die aber selbst keine Entführungen oder andere terroristische Aktionen durchführen. Es ist also eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass von den zweihundert Kämpfern einer auf dem Schiff angestellt wird. Hinzu kommt, dass die Besatzungsmitglieder, genau wie die Passagiere, nur durch die Schleuse an Bord kommen und dort wird echt kontrolliert. Da müssten schon mehrere von denen auf dem gleichen Schiff angeheuert haben, um Waffen an Bord zu schmuggeln. Und was ich noch gelesen habe, ist, dass die Abu Sayyaf die Philippinen zu einem muslimischen Gottesstaat machen wollen; von Aktionen außerhalb ihres Landes habe ich noch nie etwas gehört."

Ole hob sein Glas: "Dann wünsche ich Euch einen schönen und erholsamen Urlaub."

Kapitel 3 - Die Reise beginnt

Die alte Boeing 737 der „Daedalus Air Burgas“ bot einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Der Sitzabstand war noch deutlich größer als bei neueren Modellen. Die Stewardessen sprachen nur gebrochen Deutsch. Wo sie mit ihren Sprachkenntnissen nicht weiter kamen, wurde auf Englisch weitergemacht. Knapp fünf Stunden sollte der Flug dauern, doch schon vor dem Start gab es eine Verzögerung: Die Maschine wurde mit einer braunen Enteisungsflüssigkeit besprüht. Das dauerte etwas.

Der Flug war relativ ruhig, ein einziges Mal kam das Anschnallzeichen wegen Turbulenzen, die aber nicht auftraten oder vom Piloten umflogen wurden.

Klarmanns saßen rechts noch vor der Tragfläche und sahen immer wieder nach unten - seit Längerem war nur noch das Wasser des Atlantiks zu sehen. Auf dem dritten Sitz am Gang saß eine Oma aus Österreich, die eine Gurtverlängerung benötigte. Deshalb wurde es auch auf dem Mittelsitz etwas enger als sonst. Aber Torsten Klarmann konnte damit leben.

Nach einem Toilettenbesuch tauschte er mit seiner Frau die Plätze. So saß er am Fenster und Gudrun konnte sich ungestört mit der freundlichen Oma unterhalten. Diese hatte schon die turbulentesten Flüge erlebt und wusste anschaulich davon zu berichten. Trotzdem flog sie immer noch sehr gern. Dagegen fühlten sich Klarmanns im Flieger nicht allzu wohl. Sicherlich genossen beide immer wieder diese wunderbare Perspektive auf die Erde, aber ein leichtes Gefühl des Ausgeliefertseins ließ sich nicht dauerhaft unterdrücken, ohne dass man es schon als Flugangst bezeichnen könnte.

Die Oma würde allerdings nicht mit auf die „Atlantico“ kommen, im Flieger saßen Urlauber von vier verschiedenen Veranstaltern. So hielten die Stewardessen beim Verteilen der Snacks Sitzplatzlisten in den Händen, denn nicht jeder Veranstalter hatte einen Flug mit Snack gebucht. AHOS wollte seine Gäste wohl keine fünf Stunden ohne Essen lassen und so bekamen Klarmanns auch je einen Snack und Keksriegel. Dazu gab es mehrfach alkoholfreie Getränke.

Etwa zwanzig Minuten vor der Landung kam der Teide in Sicht: völlig frei von oben bis unten zu sehen, allerdings ohne die von Klarmanns gewünschte Schneekappe. Mit einem „Sahnehäubchen“ fanden sie Vulkane irgendwie schöner. Als Torsten Klarmann einfiel, Fotos davon machen zu wollen, war es zu spät: Sie hätten erst die Oma sich aus dem Sitz wuchten lassen müssen, um an das Handgepäck zu kommen. So ließen sie es bleiben und genossen die Ansicht, solange es ihnen möglich war. Innerlich ärgerte sich Torsten Klarmann, dass er nach dem Toilettenbesuch nicht wenigstens die kleinere der beiden Kameras aus dem Handgepäck geholt hatte. Diese hätte gut in eine der Beintaschen seiner Cargohose gepasst. Er bevorzugte diese Hosen aufgrund der vielen Taschen, die er sehr praktisch fand. Die Bezeichnung 'Cargohose' fand er passend: Er konnte damit viel 'Fracht' transportieren.

Die „Atlantico“ lag in Las Palmas am Kreuzfahrt-Terminal. Ihr in Weiß und Lindgrün gespritzter Rumpf strahlte hell in der angenehm warmen kanarischen Novembersonne. Heute sollten die neuen Gäste für die lange Tour, die von den Kanaren über die Kapverden und zurück über die Kanaren bis Madeira führte, anreisen. In etwa einer halben Stunde würden die ersten Passagiere, die auch die Pauschalanreise über AHOS gebucht hatten, hier ankommen.

Friederike Oberndorfer war mit sich und der Welt zufrieden und so genoss sie die wärmenden Sonnenstrahlen und die kurze Ruhe vor dem Passagier-Ansturm. Seit sechs Wochen war sie nun als SEM tätig und alles war bisher bestens gelaufen - AHOS konnte mit der ehrgeizigen Mitarbeiterin zufrieden sein. Denn bereits zweimal hatte sie Passagiere dazu gebracht, die in ihren Augen unzulässigen Beschwerden zurückzuziehen. Und mehr als diese beiden Beschwerden zu Landausflügen waren bisher nicht eingegangen.

Ihre Mitarbeiterinnen hatte sie auf ihren Kurs und ihren Führungsstil eingeschworen. Wer zuckte, bekam sehr schnell die Rache seiner äußerst bissigen Vorgesetzten zu spüren und würde sich hüten, nochmals aufzumucken. Nach oben wurde gebuckelt. Im Endeffekt hätte Heinrich Mann nicht den „Untertan“ erfinden müssen, Friederike war ein lebendiges Beispiel dafür.

Ihre Mitarbeiterinnen waren schon im Check In-Gebäude, die „Schichtwechsel“ gut geplant.

Gegen 12 Uhr rollte dann der erste Bus an, der Arbeitstag für die „Empfangsmitarbeiterinnen“ begann. Klarmanns erreichten etwa eine Stunde später das Kreuzfahrt-Terminal, verließen ihren Bus und begaben sich zum Check In-Gebäude. Um die Koffer brauchten sie sich nicht zu kümmern. Diese würden nach einer Sicherheitskontrolle vor die Kabinentür gestellt werden. Während sie in der Schlange warteten, bekam Gudrun Klarmann Probleme mit ihrem Asthma - das Paar vor ihnen hatte sich zu stark einparfümiert. Nachdem sie etwas Abstand zu ihren Vorderleuten ließen und sie sich mit ihrem Asthmaspray etwas Erleichterung verschaffen konnte, raunte ihr Torsten eine seiner blöden Bemerkungen ins Ohr: "Das riecht schon nicht mehr wie ein Duftbäumchen, sondern mehr wie ein Duft-Sequoia."

Etwa zwanzig Minuten später gingen sie langsam auf das Schiff zu. Rumpf und Aufbauten waren komplett in strahlendem Weiß gespritzt. Nur am Bug gab es einen herrlichen lindgrünen Fleck, der nach hinten langsam immer mehr in das Weiß des Rumpfes überging. Und ab etwa 30% der Gesamtlänge des Schiffsrumpfes war dann alles nur noch Weiß. Irgendwie sah es aus, als hätte jemand einen Farbbeutel exakt von vorn an den Bug geworfen und dieser hätte seinen Inhalt symmetrisch auf beiden Seiten des Rumpfes verteilt. Dieses Lindgrün wiederholte sich am weißen Schornstein: Dort prangten die vier Großbuchstaben des Reederei-Kürzels in der gleichen freundlichen Farbe.

Vor Erreichen der „Atlantico“ stand da eine Fotografin als Hindernis. Wie schon bei allen Fahrten mit AHOS zuvor wollte diese ein Foto von beiden hinter dem Rettungsring. Doch Klarmanns lehnten diesmal freundlich, aber kategorisch ab - sie waren seit 1 Uhr auf den Beinen und an viel Schlaf war in der letzten, sehr kurzen Nacht nicht zu denken gewesen. Das würde kein schönes Erinnerungsfoto werden, also ließen sie es lieber gleich bleiben.

Die Hände desinfizieren und ab in die Schleuse auf Deck drei. Hier wurde das Handgepäck und jeder Eintretende durch Sicherheitspersonal des Schiffes kontrolliert. Über die Treppe eine Etage nach oben brachte Klarmanns auf Deck 4, wo sie ihre Innenkabine schnell fanden. Diese war schon bezugsfertig - ein toller Service, da laut Katalog die Kabinen erst ab 16 Uhr zur Verfügung stehen sollten. Die Kabine Nummer 4148 war so ausgestattet, wie sie es schon von ihren drei vorherigen Reisen kannten: zwei getrennt stehende Betten, die eigentlich mehr zusammengeschraubte Holzgestelle mit Matratze waren. Ein dreitüriger Kleiderschrank mit eingebautem Safe, die Tür zum kleinen, aber ausreichenden Bad, eine Ablage an der Wand mit Fernsehgerät, Telefon, Spiegel und Föhn sowie zwei Stühle und ein kleiner Tisch. Das würde ihre Unterkunft für die nächsten zwei Wochen sein. Das Einzige, was beiden nicht so gefiel, war, dass es selbst dann in der Kabine schummrig blieb, wenn alle Leuchten eingeschaltet waren - es fehlte einfach eine Lampe, die das Zimmer etwas heller machte. Zum Lesen oder etwas Schreiben war diese Beleuchtung echt nicht geeignet. Aber das ist Geschmackssache. Solange das Wetter mitspielt und man sich tagsüber auf dem Sonnendeck aufhalten kann, reicht das. Und wer Schmuse-Stimmungs-Beleuchtung mochte oder benötigte, war hier richtig. Die in der Kabine dominierenden Farben waren ein helles Gelb, Weiß und natürlich die Reedereifarbe Lindgrün. Es sollte alles freundlich wirken. Auf dem Tisch lagen die ausgedruckten „Eintrittskarten“ für die schon online im Voraus gebuchten Landausflüge.

Obwohl beide vor dem Abflug in München noch etwas gefrühstückt hatten, beeilten sie sich, ins Hauptrestaurant zu kommen. Auch der im Flugzeug verteilte Snack konnte nichts mehr ihrem Hunger entgegensetzen. Im Hauptrestaurant gab es noch bis 14 Uhr Mittagessen. Dort saßen die auf ihre Abreise Wartenden zusammen mit den ersten Neuankömmlingen. In den Büfettrestaurants von AHOS ist es wichtig, sich zuerst einen Platz zu suchen, diesen mittels Besteck und Serviette oder Trinkglas zu markieren und dann erst auf Essenssuche zu gehen. Wer das nicht weiß, dem kann es passieren, mit Tellern in der Hand dazustehen und keinen Sitzplatz zu finden. Klarmanns kannten das Prozedere schon und konnten dann die „Büfettmeile“ entlang gehen bzw. sich zwischen anderen Gästen hindurchwinden, um zu prüfen, was sie sich auf die Teller schaufeln wollten. Torsten Klarmann fand für sich schnell etwas: Pasta mit Tomatensoße, eine seiner Lieblingsspeisen. Dafür benötigte seine Frau Gudrun etwas länger. Doch Kartoffeln mit Kassler und Sauerkraut stellten auch sie zufrieden.

Als beide nach dem Mittagessen wieder ihre Kabine erreichten, standen schon die Koffer vor der Tür. In der Kabine angekommen, war erst einmal duschen angesagt. Während der eine duschte, räumte der andere das Reisegepäck aus und die Schränke ein. Als sie damit fertig waren und auf den mitgebrachten Wecker schauten, war es schon 15:12 Uhr - also Zeit für Kaffee und Kuchen. Aufgrund des heutigen späten Mittagessens hatte keiner der beiden so richtig Lust, schon wieder „Schaufeln“ zu gehen, doch bis zum Abendessen würde es noch etwas dauern. Also mussten heute bei jedem von ihnen nur eine Tasse Kaffee und ein kleines Stück Kuchen „dran glauben“.

Danach zogen sich beide die schon im Handgepäck mitgenommenen Sonnendeck-Klamotten an - T-Shirt, Shorts und Badelatschen. Im Handgepäck deswegen, weil manchmal das Reisegepäck doch etwas länger bis zur Kabine benötigt. Heute wäre dies nicht notwendig gewesen, aber das kann ja keiner vorhersehen. Dazu kamen noch Kamera und Fernglas und ab ging es auf das Pooldeck auf Deck 10. Dort holten sich beide je ein Pool-Handtuch, stiegen die Treppe zu Deck 11 hinauf und suchten sich wegen des ab und zu böigen Windes zwei Liegen auf der Lee-Seite. Da sich Gudrun nie merken konnte, was Luv und was Lee ist, hatte Torsten ihr zwei kleine Eselsbrücken gebaut: „1. Luv ist die dem Wind zugewandte Seite, also da, wo die Luft (der Wind) herkommt. Oder 2.: Lee ist die dem Wind abgewandte Seite, wo du also kaum einen Hauch spüren solltest - praktisch der Windschatten. Du musst dich fragen: Weht hier Wind? Antwortest Du mit Nee, dann bist du auf Lee.“ Der Himmel war nur leicht bewölkt, die Sonne wärmte noch deutlich besser als in Deutschland. Aus etwa zweiundzwanzig Metern Höhe sahen die gerade ankommenden Passagiere schon relativ klein aus. Gudrun Klarmann stand an der Reling und blickte über den Hafenbereich sowie einen Teil von Las Palmas in Richtung Westen. Dort war ein kegelförmiger Berg mit Antenne zu sehen. Sie hängte sich bei ihrem Mann am Arm ein. „Schau mal, wenn wir morgen schönes Wetter haben werden, können wir vielleicht von Gomera aus den Teide so ähnlich wie diesen Antennenberg sehen“, freute sie sich schon jetzt auf die morgige Aussicht. Torsten blickte in die von ihr gewiesene Richtung und schmunzelte sichtlich erstaunt: „Wenn Du deinen Kopf jetzt noch ein klein wenig nach rechts drehst, kannst du sofort den Teide sehen!“ Dazu küsste er sie auf ihre Wange. Verblüfft drehte sie ihren Kopf ein Stück nach rechts. Dort schaute wirklich der „echte“ Teide aus den unten liegenden Wolken! „Weshalb ist uns denn das 2011 entgangen, als wir von hier nach Südamerika gestartet waren?“ „Weil es da ziemlich stark bedeckt war“, entgegnete er. „Doch ich werde nach unserer Rückkehr nochmals alle Fotos überprüfen, ob wir da bis jetzt etwas übersehen haben.“ Landschaften, Wildtiere und Naturbilder faszinierten beide deutlich mehr als Städte oder einzelne architektonische Leistungen. „Dann konnte unsere Reise ja gar nicht besser beginnen“, meinte sie glücklich. „Vormittags den Teide komplett vom Flieger aus sehen und jetzt über die Wolken aufragend vom Schiff. Ich nehme dir nur übel, dass du nicht nach unserem Toilettenbesuch während des Fluges die Kamera aus dem Handgepäck geholt hast. Aber jetzt bekommst du die Möglichkeit, deinen Fehler wenigstens etwas auszubügeln. Und ich hoffe, dass du diese Möglichkeit nutzen wirst!“ Das ließ sich der begeisterte Hobby-Fotograf nicht zweimal sagen, und schoss Fotos mit unterschiedlichen Zoomstärken und Belichtungseinstellungen. Danach wurde die ganze Szene auch noch als Videoclip aufgenommen. Währenddessen hatte Gudrun den Teide ausgiebig mit dem Fernglas betrachtet. Nun setzte sie sich auf die Liege und wollte ihrem Mann das Fernglas überlassen. Doch dieser winkte ab: „Ich muss mich erst mal entspannen, das längere Halten der Kamera strengt mich doch etwas an.“ Diese Aussage bezog sich auf sein Problem mit der Wirbelsäule. Ein paar Minuten später holte er die Teide-Betrachtung per Fernglas nach.

Ab achtzehn Uhr gab es Abendessen. Was viele störte: Oft standen schon Passagiere fünfzehn Minuten vor der Öffnungszeit der beiden Restaurants Schlange, um einen Platz zu ergattern. Wer ein paar Minuten später kam, würde Mühe haben, einen Platz zu finden und müsste dann eventuell auf die zweite Abendbrotzeit ausweichen. Deshalb hatten sich Klarmanns angewöhnt, etwa zwei Minuten vor dem „Sturm auf das Büfett“ am Restaurant zu sein. Das Schöne war, dass es für die Kleiderordnung nur zwei Bedingungen gab: keine Badebekleidung und die Herren in langen Hosen. Das war alles. Trotz der manchmal etwas nervenden Platzsuche bevorzugten sie Büfettessen gegenüber den herkömmlichen Kreuzfahrt-Restaurants mit festen Essenszeiten, festen Tischnummern und Tischpartnern. Dazu musste man essen, was der Kellner auf den Tisch stellte und konnte sich das nicht aussuchen. So wie bei AHOS fanden sie es für sich am besten. Auf der „Atlantico“ gab es Mottoessen, welches sich im zweiwöchigen Turnus wiederholte. Im Hauptrestaurant war heute „Französische Küche“ angesagt, im zweiten Büfettrestaurant, der „Palmeninsel“, Italien. Bei Pizza und Pasta würden beide garantiert etwas für sich finden.

21 Uhr begann die während der Seereise einzige Pflichtveranstaltung für alle Passagiere - die Seenotrettungsübung. Nachdem endlich alle Passagiere mit ihren Schwimmwesten auf den ihnen zugewiesenen Plätzen erschienen waren - so richtig Lust dazu hatte ja keiner, wurde das Verhalten im Notfall auf Englisch und Deutsch vorgelesen - wohl vom Band. Danach konnte auch offiziell der Urlaub beginnen.

Um 23 Uhr sollte die “Atlantico“ in Richtung La Gomera auslaufen. Eine Stunde vorher startete schon die „Auslauf-Party“, wobei diese Bezeichnung wohl nicht mit den, um diese Jahreszeit reichlich an Bord vertretenen, Senioren in Verbindung gebracht werden sollte. Klarmanns fühlten sich trotz ihrer Mitte 50 noch gar nicht so alt, um sich selbst als Senior zu bezeichnen. Das wurde ihnen aber immer wieder deutlich, wenn sie an ihren schon zweiunddreißigjährigen Sohn dachten. Die „Auslauf-Party“ gehörte zu den wenigen Ereignissen, die Klarmanns wegen der meist überlauten Musik nicht an AHOS mochten. Hinzu kamen die fast ständige Animation während der Seetage sowie die überzogene Lautstärke der Beschallung. Sie waren der Meinung, dass alles auch etwas gedämpfter ginge und damit angenehmer wäre. Auf dem Pooldeck hatte keiner eine Chance, dieser Dauerbeschallung während aller Seetage zu entgehen; auf dem ruhigen Deck 6 konnte man aber keine Sonnenliegen, sondern nur Stühle aufstellen. So hatten sie sich angewöhnt, ihre Liegen auf Deck 11 immer vor der „Lichtblick“-Bar aufzustellen, die die Pooldeck-Beschallung etwas dämpfte. Klarmanns waren garantiert nicht die Einzigen, die sich immer wieder fragten, weshalb die Hafenstädte solch einen, meist nachts stattfindenden, Krach beim Auslaufen einfach ohne Protest hinnahmen. Wahrscheinlich nahmen diese lieber die Beschallung in Kauf, als eventuell auf die Liegegebühren ganz zu verzichten.

Sie waren auch nicht die Einzigen, die sich etwas lärmgeschützt vor der Bar auf Deck 11 aufhielten. Da das Typhon an einem Mast oberhalb der „Lichtblick“-Bar befestigt war, stellten alle vor der Bar Stehenden pünktlich 23 Uhr ihr Sektglas ab und hielten sich die Ohren zu. Ein Mitreisender hatte während ihrer Norwegentour bei der Ausfahrt aus Bergen das einmal so formuliert: „Erst wird dreimal getrötet und dann beginnt die Mucke.“ Die „Mucke“ war seine Bezeichnung für den teilweise sehr sentimentalen Auslaufsong von AHOS.

Nach dem Passieren der Mole begaben sich Klarmanns wie die meisten in Richtung Kabine, während die „Atlantico“ ihre Reise in das Dunkel der lauen Kanarennacht antrat. Nur der „harte Kern“ feierte den Start in den Urlaub noch weiter bis in die frühen Morgenstunden hinein. Doch davon war in den Kabinen glücklicherweise nichts zu hören. Nach diesem, für sie langen, Tag wurden sie vom leichten Seegang schnell in den Schlaf gewiegt.

Halb sieben klingelte am nächsten Tag der Wecker und wurde so lange immer penetranter, bis ihn endlich einer der beiden ausschaltete. Während Gudrun duschte, prüfte Torsten über die Webcams der „Atlantico“, auf die man mit dem Fernsehgerät zugreifen konnte, wie das Wetter war. Prächtig - die Sonne kam auf der Steuerbordseite langsam über den Horizont, ohne dass größere Wolkenansammlungen zu sehen wären. Und der Teide war sehr deutlich zu erkennen. Die über den Bug „zielende“ Webcam zeigte schon die Felsen bei San Sebastian, ihrem heutigen Zielhafen.

Die mittschiffs gelegene Kabine empfanden beide als sehr ruhig: Kein Klatschen der Wellen an die Außenhaut, kein Antriebswellen- oder Propellergeräusch waren zu hören. In den Gängen war es nachts meist ruhig. Hier wirkte wohl die Drohung in den AGB, dass Ruhestörer im nächsten Hafen ohne Kostenerstattung an Land „ausgesetzt“ werden können. Durch die niedrige Lage der Kabine über dem Meeresspiegel waren hier auch kaum Rollbewegungen zu spüren.

Schnell duschte und rasierte sich auch Torsten Klarmann, um pünktlich sieben Uhr frühstücken zu können. Der Landausflug sollte neun Uhr beginnen. Die Zeit zwischen Frühstück und Ausflug wollten sie nutzen, um vom obersten Deck aus Fotos zu schießen und sich schon mal ein Bild von der Landschaft zu machen.

Beide waren begeistert: Ein paar kleine Wölkchen behinderten die Sicht nicht, da sie sehr hoch am Himmel schwebten. Rechts vom Teide vergoldete die Sonne das ganz ruhige Meer. Und drehten sie sich um, erblickten sie die bunten, am Berghang klebenden Häuser von San Sebastian. „Das sieht aus wie eine gomeranische Favela - aber deutlich schöner als in Brasilien“, meinte Torsten Klarmann zu seiner Frau. „Ja, hier sieht das alles viel freundlicher aus“, konnte diese seine Meinung bestätigen. Mit dem Fernglas konnte sie eine eingerüstete Christusstatue auf dem Berg oberhalb des kleinen Hafens erkennen. „Ist die aber mickrig“, fiel ihr Vergleich zu der bekannten Statue in Rio aus.

Da sich alle Teilnehmer „ihres“ Landausfluges um 8:45 Uhr an der Tanzfläche auf Deck 8 treffen sollten, mussten Klarmanns erst von Deck 4 die Treppen bis auf Deck 8 hinaufsteigen - an den Hafentagen konnte man zur Zeit des Beginns der Landausflüge nicht hoffen, einen der Lifte benutzen zu können. Als alle Teilnehmer zusammen waren, walzte sich die Menge durch das Treppenhaus wieder abwärts bis auf Deck 3 zur Schleuse. So ganz begriffen Klarmanns wohl nie, weshalb alle Ausflüge gleichzeitig beginnen mussten. Bei einer zeitlichen Versetzung von zehn oder fünfzehn Minuten wäre dann der Stau vor der Schleuse oder schon im Treppenhaus deutlich geringer. Und würden sich die Teilnehmer außerhalb des Schiffes treffen, könnte man einen Großteil dieser Menschenwalzen durch die Treppenhäuser vermeiden - AHOS wollte es aber nicht anders.

Am Bus wurden sie von der gomeranischen Reiseleiterin Elena und dem Busfahrer Rico begrüßt. Da Elena deutsch sprach, fuhr diesmal kein Guide von AHOS mit. Torsten und Gudrun fanden auf der rechten Seite eine Sitzreihe für sich. Doch mit der Abfahrt musste noch gewartet werden, da die Ehefrau eines Ausflugsteilnehmers immer noch nicht „eingetrudelt“ war. Als sie dann endlich den Bus bestieg, stupste Torsten Klarmann seine Angetraute leicht in die Seite: „Das ist doch eines der beiden Pärchen, das schon gestern Abend zur Seenotrettungsübung zu spät gekommen war. Kennen denn diese Deppen keine Uhr?“ Der Bus fuhr erst kurz durch San Sebastian und dann ging es auf Kehren schnell aufwärts in die Berge. La Gomera war, wie alle Kanareninseln, vulkanischen Ursprungs und dies war sehr schnell an den Bergformen und dem seit Millionen von Jahren erstarrten Ergussgestein zu sehen. Rico machte, wo es möglich war, immer wieder einen Stopp, um den Ausflugsteilnehmern die Möglichkeit zu geben, sich die Beine zu vertreten und zu fotografieren. Die Reiseleiterin Elena nutzte jeden Stopp zu einer Zigarette.

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9783738080636
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