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Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › II. Verteidigungsstrategien zur Vermeidung der Ausweisung › 3. Nicht-EU-Ausländer (Minderjährige)

3. Nicht-EU-Ausländer (Minderjährige)

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Das neue Ausweisungsrecht hat insbesondere eine Veränderung gegenüber Ausländern gebracht, die – zum Zeitpunkt der Ausweisung (!)[1] – das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Während nach altem Recht die Ausweisungssystematik nur eingeschränkt Anwendung fand, verzichtet das neue Recht im Rahmen des Ausweisungsinteresses vollständig auf eine unterschiedliche Behandlung von Erwachsenen und Minderjährigen. Die besondere Schutzbedürftigkeit von Minderjährigen wird über die Regelungen zum Bleibeinteresse gelöst; auf Sondervorschriften für Heranwachsende verzichtet das neue Ausweisungsrecht vollständig, insoweit liegt eine weitere gravierende Verschärfung vor[2]. Auf die obige Darstellung zum Ausweisungs- und Bleibeinteresse kann also verwiesen werden (vgl. oben Rn. 22 ff.).

Hinweis

Soweit die Ausweisungstatbestände auf eine rechtskräftige Verurteilung abstellen, können – mangels Strafmündigkeit – Straftaten vor Vollendung des 14. Lebensjahres als Grund für eine Aufenthaltsbeendigung nicht herangezogen werden.[3]

Anmerkungen

[1]

BVerwG InfAuslR 1997, 390; vgl. auch Bergmann/Dienelt-Bauer § 55 AufenthG Rn. 18.

[2]

Vgl. Bergmann/Dienelt-Bauer Vorb §§ 53–56 AufenthG Rn. 14.

[3]

BVerwG NVwZ 2003, 217, 219 – „Fall Mehmet“.

Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › II. Verteidigungsstrategien zur Vermeidung der Ausweisung › 4. EU-Ausländer

4. EU-Ausländer

96

Das AuslRÄndG sowie die Umsetzung von Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG haben zu einer umfassenden gesetzlichen Neuregelung geführt. Freizügigkeitsberechtigte EU-Ausländer können nicht mehr ausgewiesen werden; eine Anwendung der im Aufenthaltsgesetz geregelten Ausweisungsgründe ist ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. § 11 FreizügG/EU). Der „Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt“ ist nunmehr abschließend in § 6 FreizügG/EU geregelt; nur unter der dort genannten Voraussetzung ist eine Aberkennung bestehender Aufenthaltsrechte zulässig[1].

Hinweis

Das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts bedarf der Feststellung durch die Ausländerbehörde, wobei eine Vermutung für das Vorliegen der Freizügigkeit gilt; ist das Nichtbestehen festgestellt, ist das AufenthG insgesamt anwendbar, d.h. auch die Ausweisungssystematik[2] (vgl. 11.2.1 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU).

Die Bestimmungen des FreizügG/EU finden in erster Linie auf Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten Anwendung. Darüber hinaus werden aber auch Staatsangehörige der dem EWR-Abkommen beigetretenen EFTA-Staaten[3] erfasst (vgl. § 12 FreizügG/EU); für Staatsangehörige der Schweiz gilt das Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU, wonach diese EU-Ausländern weitgehend gleichgestellt sind (vgl. 12.2 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU). Die bislang geltenden Einschränkungen für Staatsangehörige der Tschechischen Republik, Republik Estland, Republik Zypern, Republik Lettland, Republik Litauen, Republik Ungarn, Republik Malta, Republik Polen, Republik Slowenien und der Slowakischen Republik, welche zum 1.5.2004 Mitglieder der Europäischen Union geworden sind (vgl. § 13 FreizügG/EU), sind mit Wirkung zum 1.5.2011 entfallen, so dass diese den übrigen EU-Ausländern gleichstehen[4] (13.0 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU); Angehörige von Staaten, die mit der EWG lediglich assoziiert sind, genießen schließlich nur dann die Vorzüge des FreizügG/EU, wenn sie als Familienangehörige eines privilegierten Ausländers in den Anwendungsbereich der Norm fallen[5]. Bei Nicht-EU-Ausländern ist daher stets zu prüfen, ob diese hinsichtlich der Geltung des FreizügG/EU den EU-Ausländern gleichgestellt sind.

a) Verlustgründe

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Hinsichtlich der Geltung und Reichweite der Verlustgründe ist also danach zu differenzieren, ob der betroffene EU-Ausländer ein Aufenthaltsrecht oder ein Daueraufenthaltsrecht genießt, oder sich in den letzten 10 Jahren im Bundesgebiet aufgehalten hat bzw. minderjährig ist.

aa) Freizügigkeitsberechtigte Ausländer

98

Einem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger kann sein Aufenthaltsrecht nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit aberkannt werden.

99

Freizügigkeit genießen EU-Ausländer, die


sich als Arbeitnehmer zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU),
ohne sich dort niederzulassen, als selbständige Erwerbstätige Dienstleistungen i.S.d. Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft erbringen wollen (Erbringer von Dienstleistungen), wenn sie zur Erbringung der Dienstleistung berechtigt sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 FreizügG/EU),
Unionsbürger als Empfänger von Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU),
Verbleibeberechtigte i.S.d. Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 der Kommission vom 29. Juni 1970 über das Recht der Arbeitnehmer nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zu verbleiben (ABl. EG Nr. L 142 S. 24, 1975 Nr. L 324 S. 31) und der Richtlinie 75/34/EWG des Rates vom 17. Dezember 1974 über das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates nach der Beendigung der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates zu verbleiben (ABl. EG 1975 Nr. L 14 S. 10) (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU),
nichterwerbstätige Unionsbürger und ihre Familienangehörigen unter den Voraussetzungen des § 4 FreizügG/EU (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU).

100

Freizügigkeit genießen auch Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 1–5 FreizügG/EU genannten Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit[7]; Familienangehörige im Sinne des FreizügG/EU sind


der Ehegatte und die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU),
die Verwandten in aufsteigender Linie und in absteigender Linie der in Absatz 1 genannten Personen oder ihrer Ehegatten, denen diese Personen oder ihre Ehegatten Unterhalt gewähren (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU).
Ehegatten, die nicht Unionsbürger sind, behalten bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe ein Aufenthaltsrecht, wenn sie die für Unionsbürger geltenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1–3 oder Nr. 5 erfüllen und wenn
die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (§ 3 Abs. 5 Nr. 1 FreizügG/EU),
ihnen durch Vereinbarung der Ehegatten oder durch gerichtliche Entscheidung die elterliche Sorge für die Kinder des Unionsbürgers übertragen wurde (§ 3 Abs. 5 Nr. 2 FreizügG/EU),
es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange ein Festhalten an der Ehe nicht zugemutet werden konnte (§ 3 Abs. 5 Nr. 3 FreizügG/EU) oder
ihnen durch Vereinbarung der Ehegatten oder durch gerichtliche Entscheidung das Recht zum persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind nur im Bundesgebiet eingeräumt wurde (§ 3 Abs. 5 Nr. 4 FreizügG/EU).

Wird das abgeleitete Aufenthaltsrecht rechtsmissbräuchlich begründet, z.B. im Falle der Scheinehe[8], besteht kein Recht auf Freizügigkeit.

101

Freizügigkeit genießen schließlich auch die einem Mitgliedstaat angehörenden Studenten, sofern diesen nicht aufgrund anderer Bestimmungen ein Aufenthaltsrecht zusteht.[9]

102

Der Begriff der öffentlichen Ordnung ist als Einschränkung des Rechts der Freizügigkeit eng auszulegen.[10] Hiervon ausgehend sind bei strafrechtlichen Verurteilungen folgende Gesichtspunkte zu beachten:

103

Eine strafrechtliche Verurteilung führt – auch bei schweren Straftaten – nicht automatisch zum Rechtsverlust;[11] die Aberkennung erfordert stets eine Abwägung des Einzelfalls sowie eine Zukunftsprognose, d.h. die Feststellung einer Wiederholungsgefahr. Auch insoweit gilt, dass „einschlägige strafrechtliche Entscheidungen“ bei Prüfung der Gefahrenprognose zu berücksichtigten sind;[12] der Wortlaut der Anwendungshinweise sieht insoweit keine Beschränkung vor, so dass auch Entscheidungen nach §§ 57, 57a StGB Beachtung finden müssen. Eine Bindung der Behörde vermag die strafrechtliche Entscheidung jedoch auch hier nicht zu bewirken[13] (vgl. oben Rn. 84).

104

Aus der Schwere der Tat allein kann nicht auf das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr geschlossen werden;[14] umgekehrt ist es der Behörde allerdings nicht verwehrt die Gefahrenprognose auf die Begehung lediglich einer einzigen schwerwiegenden Tat zu stützen.[15]

105

Sind Vorstrafen aus dem Bundeszentralregister getilgt, bleiben diese bei der Entscheidung unberücksichtigt.[16]

106

Generalpräventive Erwägungen stellen somit keine Einzelfall bezogene Prüfung dar und sind somit ausnahmslos unzulässig.[17]

107

Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten „leichter Kriminalität“ sind selbst im Falle wiederholter Begehung nicht geeignet die Aberkennung des Aufenthaltsrechts zu begründen.[18]

Hinweis

Geht das Verhalten des Ausländers auf eine Krankheit zurück, normiert Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 64/221/EWG ein Ausweisungsverbot. Dieses gilt jedoch nicht absolut; gefährdet der Ausländer durch sein persönliches Verhalten die öffentliche Ordnung konkret und hinreichend schwer, kann auch krankheitsbedingtes Handeln die Aberkennung des Aufenthaltsrechts rechtfertigen.[19]

bb) EU-Ausländer mit Daueraufenthaltserlaubnis

108

Nach Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts (§ 4a FreizügG/EU) kann das Aufenthaltsrecht nur bei Vorliegen „schwerwiegender Gründe“ aberkannt werden.

109

Obwohl § 6 Abs. 4 FreizügG/EU, anders als die Vorgängerregelung (§ 6 Abs. 3 FreizügG/EU a.F.) auf das Wort „besonders“ verzichtet, besteht Einigkeit dahingehend, dass das Schutzniveau durch die Neufassung nicht abgesenkt worden ist.[20]

110

Gefordert wird eine gegenüber der ersten Stufe gesteigerte Intensität der Gefährdung, die in der Regel die Verurteilung wegen eines Verbrechens oder besonders schwerwiegender Vergehen voraussetzt;[21] notwendig und ausreichend ist auch insoweit eine konkrete Wiederholungsgefahr.[22]

cc) EU-Ausländer mit langjährigem Aufenthalt

111

EU-Ausländer, die sich mehr als 10 Jahre im Bundesgebiet aufhalten, genießen den größten Schutz; diesen kann das Aufenthaltsrecht nur aus „zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit“ aberkannt werden.[23] Gleiches gilt für Minderjährige, vorausgesetzt der Verlust des Aufenthaltsrechts ist nicht zum Wohle des Kindes erforderlich. Im Einzelnen gilt Folgendes:

112

Soweit das Gesetz auf eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mind. 5 Jahren abstellt, wird dadurch lediglich eine „Untätigkeitsschwelle“ normiert.[24] Wird das Strafmaß überschritten, ist gleichwohl eine umfassende Prüfung des Einzelfalls erforderlich. Die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland werden in der Regel nur bei schwersten Straftaten in Verbindung mit einer Wiederholungsgefahr betroffen sein, was – außer bei terroristischen Gefahren – regelmäßig nur dann der Fall sein wird, wenn die Bevölkerung allgemein gefährdet ist, z.B. im Bereich der Drogen[25]– oder Organisierten Kriminalität oder bei Anordnung der Sicherungsverwahrung.[26]

Hinweis

Der Aufenthalt über einen Zeitraum von zehn Jahren muss rechtmäßig gewesen sein.[27]

b) Rechtsfolge

113

Vor Änderung der Rechtslage war u.a. zu prüfen, ob der EU-Ausländer erhöhten Ausweisungsschutz gemäß Art. 3 ENA bzw. aus bilateralen Abkommen genießt.[28] Da weder Art. 3 ENA noch entsprechende Abkommen – vgl. Art. 3 Abs. 1 des Niederlassungs- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik, Art. 2 Abs. 1 des Niederlassungs- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland und Art. 2 Abs. 2 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik – einen über § 6 FreizügG/EU hinausgehenden Schutz gewähren, ist dieser indes bedeutungslos geworden.[29]

Anmerkungen

[1]

6.0 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU; Bergmann/Dienelt-Dienelt § 6 FreizügG/EU Rn. 9/10.

[2]

Bergmann/Dienelt-Bauer vor §§ 53–56 AufenthG Rn. 54.

[3]

Norwegen, Liechtenstein und Island.

[4]

Vgl. Bergmann/Dienelt-Bauer vor §§ 53–56 AufenthG Rn. 61.

[5]

Vgl. Kloesel/Christ/Häußer § 1 AufenthG/EWG Rn. 7–9 m.w.N.

[6]

Zum Freizügigkeitsrecht bei ausgeübter Prostitution vgl. BVerwG DVBl. 2003, 478.

[7]

Bergmann/Dienelt-Bauer Vorb §§ 53 AufenthG Rn. 45.

[8]

Vgl. 6.0.6 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU.

[9]

Vgl. Art. 1 Richtlinie 93/96 EWG.

[10]

6.1.1.1 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU; Bergmann/Dienelt-Dienelt § 6 FreizügG/EU Rn. 13.

[11]

6.2.1 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU.

[12]

6.2.2.1.3 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU; Bergmann/Dienelt-Dienelt § 6 FreizügG/EU Rn. 19, 26.

[13]

6.2.2.1.5 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU.

[14]

6.2.4 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU.

[15]

6.2.4 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU; Bergmann/Dienelt-Dienelt § 6 FreizügG/EU Rn. 18.

[16]

6.2.2.1.4 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU; Bergmann/Dienelt-Dienelt § 6 FreizügG/EU Rn. 17.

[17]

6.2.2.1.1 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU; Bergmann/Dienelt-Dienelt § 6 FreizügG/EU Rn. 17.

[18]

6.2.2.1.2 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU; Bergmann/Dienelt-Dienelt § 6 FreizügG/EU Rn. 16.

[19]

Vgl. BVerwG NVwZ 2009, 326, 327.

[20]

Bergmann/Dienelt-Dienelt § 6 FreizügG/EU Rn. 49.

[21]

6.4.1 Anwendungshinweise zum FreizügG/EU; vgl. Bergmann/Dienelt-Dienelt § 6 FreizügG/EU Rn. 51.

[22]

Bergmann/Dienelt-Dienelt § 6 FreizügG/EU Rn. 51.

[23]

Vgl. auch VGH Mannheim NVwZ-RR 2009, 700.

[24]

Bergmann/Dienelt-Dienelt § 6 FreizügG/EU Rn. 63.

[25]

EuGH NVwZ 2011, 221, 223.

[26]

Bergmann/Dienelt-Dienelt § 6 FreizügG/EU Rn. 63.

[27]

Bergmann/Dienelt-Dienelt 6 FreizügG/EU Rn. 56.

[28]

Vgl. 2. Auflage 2005, Rn. 102 ff.

[29]

Bergmann/Dienelt-Bauer §§ 53–56 AufenthG Rn. 128.

Teil 1 Verteidigung und Ausländerrecht › II. Verteidigungsstrategien zur Vermeidung der Ausweisung › 5. Unionsrechtlich privilegierte Ausländer

5. Unionsrechtlich privilegierte Ausländer

114

Obwohl die alte Ausweisungssystematik – mit Ausnahme der freizügigkeitsberechtigten EU-Ausländer – grundsätzlich für alle Ausländer Geltung beanspruchte, galt bereits nach altem Recht für einzelne Saaten – z.B. die Türkei – aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen eine Sonderstellung. Obwohl die Türkei – bis heute – kein EU-Mitglied ist, wurden ihre Staatsangehörigen – aufgrund völkerrechtlicher Verträge – bereits nach altem Recht den EU-Ausländern weitestgehend gleichgestellt.[1] Der Gesetzgeber hat dies im Rahmen der Neuregelung zum Anlass genommen in § 53 Abs. 3 AufenthG für bestimmte Fälle Sonderreglungen festzuschreiben, die sich an der bisherigen Rechtsprechung orientieren. Im Einzelnen gilt Folgendes:

a) Ausweisungstatbestand

115

Ein Ausländer, der


als Asylberechtigter anerkannt ist,
der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt,
der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt,
dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder
der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,

darf gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist; eine generealpräventiv motivierte Ausweisung ist damit ausgeschlossen[2].

aa) Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge

116

Eine erhebliche Verbesserung hat das neue Ausweisungsrecht für Asylberechtigte und Flüchtlinge gebracht, da diese – anders als nach altem Recht – nicht mehr aus generalpräventiven Gründen ausgewiesen werden können.

Hinweis

Die Ausweisung von Asylbewerbern ist in § 54 Abs. 4 AufenthG geregelt; die Vorschrift orientiert sich an § 56 Abs. 4 AufenthG a.F.

bb) Staatangehörige der Türkei

117

Erhöhten Ausweisungsschutz i.d.S. genießen somit auch türkische Arbeitnehmer,[3] die mindestens vier Jahre dem regulären Arbeitsmarkt angehören (Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei).

118

Gleiches gilt für Familienangehörige – auch den Stiefsohn[4] – eines dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers, wenn diese die Genehmigung zum Zuzug erhalten haben und sich mind. fünf Jahre ordnungsgemäß im Bundesgebiet aufhalten;[5] der Ausweisungsschutz bleibt auch im Falle der Scheidung[6], der Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit[7] oder dem Auszug aus der elterlichen Wohnung im Falle des Eintritt der Volljährigkeit erhalten.[8]

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