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Noch einmal zurück zu deiner Theorie, dass man sich als Unternehmer nicht mit dem Produkt als solches identifizieren muss, sondern mit der Vision.

Ich habe immer das Gefühl, dass man das gar nicht laut sagen darf, weil eigentlich jeder erwartet, dass man sich mit Leidenschaft für das Produkt interessiert. Manche behaupten, wenn man leidenschaftlich hinter seinem Produkt steht, dann passiert der Rest von selbst. Und an der Stelle habe ich oft diskutiert und dagegengehalten, weil ich denke, die Leidenschaft muss derjenige haben, der das Produkt fertigt. In meinem Fall muss also der, der die Schokolade macht, die Leidenschaft haben, damit die Schokolade gut ist. Und ich erledige das, was ich mit Leidenschaft mache, nämlich eine Unternehmensvision entwickeln, Menschen zusammenbringen, eine Marke etablieren. Sicher gibt es Fälle, bei denen sich das deckt, bei denen der Hersteller auch der Vertreiber, der Konzepter und der Vermarkter ist. Aber oft ist es anders.

Also musste ich die Leute finden, die das, was ich mir ausgedacht habe, umsetzen können und aufbauen. Aber wie gesagt, es hätte nicht Schokolade sein müssen. Mir ging es auch nicht um den Herstellungsprozess an sich, sondern um das Konzept. Meine Aufgabe war es festzulegen, wie das Produkt aussehen soll. Ich wollte etwas haben, das zu Berlin passen musste, also etwas mit Ecken und Kanten, nicht zu fein. Aber eben hochqualitativ. Das habe ich entschieden. Aber wenn ich mich dann weiter in diesen ganzen Entstehungsprozess der Schokolade vertieft hätte und den auch noch begleitet hätte, dann hätte ich mich mit Sicherheit darin verloren. Meine Aufgabe war es, die zu finden, die das machen und produzieren.

Die andere Sache war das mit dem Schloss. Wie kann man diese Idee thematisch in das Produkt hineinbringen. Wie muss die Verpackung aussehen? Wie kann man dieses Bild vermarkten? Kann man jetzt schon das Schloss aufdrucken, das vermutlich erst 2018 oder 2019 stehen wird? Ja und auch das haben andere dann umgesetzt.

Warum hast du dich für ein Design, beziehungsweise eine Abbildung von etwas, entschieden, was es streng genommen noch gar nicht gibt? Wie reagieren denn die Kunden darauf?

Die Verpackung zeigt jetzt das Panorama der Berliner Stadtmitte, so wie es irgendwann einmal wieder aussehen wird. Natürlich verstehen das viele Menschen, die das Motiv anschauen, noch nicht. Sie kaufen die Dose, weil sie eine gewisse Nostalgie transportiert. Aber das mit dem fertigen Schloss ist ein wichtiger Teil des Marketingkonzepts, denn ich glaube, wir brauchen einfach auch diese Vorlaufzeit, um uns als Marke zu etablieren. Und wenn es uns dann noch gibt, dann sind wir sozusagen die ersten, die das umgesetzt haben. Darauf kann ich jetzt schon hinarbeiten.

Gab es zwischendurch Zweifel? Manchmal kommen die ja erstaunlicherweise, wenn man vom Erfolg überrollt wird.

Ja, so ähnlich war es. Natürlich hatte ich auch zwischendrin immer Zweifel und dachte, wenn jetzt irgendeiner dahinterkommt und merkt, dass ich von dem Markt an sich und vor allem auch von Schokolade überhaupt keine Ahnung habe, was dann? Und viele Fragen bilden sich ja auch erst dann, wenn man mitten im Prozess steckt.

Was hilft dir dann?

Letztendlich muss man einfach MACHEN. Und man muss die richtigen Fragen stellen. Nicht um den heißen Brei herum reden. Ich bin mit meiner direkten Art immer gut gefahren. Die Wege, wie Produkte auf den Markt kommen, sind ja auch so unterschiedlich. Ich hatte halt eine Idee, dann eine klare Vorstellung, dann bin ich mit dem Muster losgezogen. Andere haben schon das fertige Produkt. Und bei mir kam ja noch etwas anderes dazu. Ich wollte ja nicht den Schokoladenmarkt erobern, sondern ich wollte zunächst in den Souvenirbereich. Und da war die Schokolade erst einmal eigentlich zweitrangig. Wichtig war, dass sie schmeckt.

Aber die Schokolade gibt es doch mittlerweile nicht mehr nur in der Souvenirdose, sondern auch in einer anderen Verpackung.

Da hinzukommen war noch einmal ein Weg für sich. Als die Dose schon auf dem Markt war, habe ich bedauert, dass sich über die Verpackung überhaupt nicht transportiert, wie lecker die Schokolade ist. Der Kunde von außerhalb, der Tourist, der kauft nur die Dose und die Schokolade ist für ihn zweitrangig. Also habe ich überlegt, wie ich die Berliner selbst und nicht nur die Souvenirkäufer erreichen kann. Das sind unterschiedliche Strategien. Dem Berliner muss die Schokolade schmecken und sie muss sichtbar sein, denn er kauft in der Regel eher selten Souvenirs. Es ging also darum, noch einmal genau die Zielgruppe zu analysieren und ihre jeweiligen Bedürfnisse. Ich kam zu dem Schluss, dass es unbedingt noch eine andere Verpackung geben muss. Denn bei der Dose war klar, dass der Berliner Kunde für sich selbst, also für den Hausgebrauch, maximal einmal eine Dose kaufen wird. Und dann steht sie auf dem Regal oder im Schrank. Will ich ihm also nicht nur die Dose, sondern auch die Schokolade verkaufen, muss ich das anders aufziehen. Und so haben wir über eine Kartonage nachgedacht, bei der eben die Schokolade und nicht das historische Berlin im Vordergrund steht. Und mit diesem Schritt kamen wieder neue Fragen, wie zum Beispiel: „Willst du jetzt eine Marke haben, die in jedem Supermarkt steht oder soll sie nur für exquisite Geschäfte sein?“ Und so ist das ein fortlaufender Entwicklungsprozess.

Gibt es weitere Erfahrungen, die du mit anderen Gründern teilen möchtest?

Unterschätze nie das Marketing. Der Aufwand ist immens. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man mit dem richtigen Budget wirklich etwas bewegen kann. Wenn ich könnte, würde ich als Nächstes gern einmal ausprobieren, den Spruch: „Traust Du Dich höflich zu sein?“ in ganz Berlin zu plakatieren. Mal sehen.

Und was rätst du jungen Gründern, die sich neu auf einem Markt etablieren wollen?

Das Wichtigste für mich war immer, nicht in Grenzen zu denken. Es heißt ja oft, man müsse ein mutiger Typ sein, wenn man gründet. Aber das trifft auf mich zum Beispiel gar nicht zu. Ich bin sogar eher vorsichtig und habe ein hohes Sicherheitsbewusstsein, überprüfe und kalkuliere lange, bevor ich mich entscheide. Manchmal habe ich sogar Angst, dass ich scheitere, weil ich zu vorsichtig bin. Und trotzdem habe ich immer GEMACHT. Habe mich also nicht von Meinungen und Ansichten beschränken lassen, sondern habe es stets selbst überprüft, indem ich den Weg gegangen bin. Ich bin der Meinung, dass man sich nicht von angeblich herrschenden Marktregeln einschüchtern lassen sollte. Märkte können sich verändern, das ist nicht vorhersehbar.

Gibt es nach wie vor Hürden?

Ja, aktuell stehen Verhandlungen an. Da merke ich, dass es schwierig für mich ist, auf die lange Bank geschoben zu werden. Ich habe es halt gern, wenn die Dinge von allein laufen und ich nicht immer nachschieben muss. Was ich auch als Herausforderung sehe, ist die Warenkalkulation. Oder wenn bestellte Ware nicht pünktlich kommt und ich dann mit den Händlern in Verzug gerate. Aktuell haben wir die Preise angepasst. Jetzt muss ich beobachten, wie das läuft und ich muss eventuell auch mal damit leben, dass etwas ausverkauft ist und ich nicht so schnell nachliefern kann. Dinge nicht 100-prozentig vorausplanen zu können – das empfinde ich manchmal als schwierig. Aber sonst kann man alles irgendwie lösen.

2 Mein einziger Kollege bin ich selbst – arbeiten als Freelancer

Maya Meiners – photographie

Das Gut Jersbeck liegt ein wenig abseits von Hamburg, ein bisschen versteckt und eingebettet in einen wunderschönen Barockgarten. Hier bin ich verabredet mit einer Fotogräfin – so jedenfalls hat die Zeitschrift „LandGang“ Maya Meiners unlängst in einem Artikel genannt. Die Wortkreation passt zum Ambiente. Als ich das Gut erreiche, mein Auto abstelle und langsam auf das Haus von Maya zugehe, empfängt mich eine Atmosphäre von Ruhe und Abgeschiedenheit. Es ist, als würde ich an einem Urlaubsort ankommen, weit weg von meinem Alltag. Mein erster Gedanke ist, dass das ein Ort ist, der zum Verweilen, Ausruhen und Entspannen einlädt. Weniger ein Ort an dem man arbeitet. Aber vielleicht ist es auch genau richtig so, denn das Bild, das man schnell vor sich sieht, wenn das Wort Freelancer fällt, ist ein entspannter Mensch, der mit einem Laptop auf den Knien in der Sonne sitzt und neben sich einen Cappuccino oder einen Cocktail zu stehen hat. Wir glauben, dass er jederzeit seinen Rechner zuklappen kann, um seine Freiheit in vollen Zügen zu genießen.

Freelancer – allein das Wort klingt verlockend. Es trägt den Duft von Freiheit in sich, von Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Hören wir, dass jemand als Freelancer arbeitet, dann denken wir vielleicht an „The 4-Hour-Workweek“ von Timothy Ferris, das Buch in dem er beschreibt, wie man sein Geld mit einer Vier-Stunden-Woche verdienen kann. Heimlich träumen wir davon, auch so ein Leben zu führen. „Freikreierer“ heißt Freelancer wörtlich übersetzt und es impliziert, dass ein solcher natürlich nur die Arbeit macht, die ihm gefällt. Dass er sie erledigt, wann es ihm gefällt und dass er alles ganz in seinem Sinne gestalten kann.

Soweit die Theorie. Allein die Tatsache, dass – obwohl viele davon träumen - die wenigsten diesen Traum leben, zeigt, dass die Realität wahrscheinlich etwas anders aussieht. Viele ahnen, dass Freiberuflichkeit ihren Preis hat. Dass es den wenigsten Freelancern vergönnt ist, wirklich so ein lässiges Leben jenseits der 40-Stunden-Woche zu führen. Und dass der Schritt, jeden Morgen aus eigenem Antrieb heraus aus dem Bett zu steigen, anstatt sich noch einmal umzudrehen, vermutlich einen Charakterzug erfordert, den sich die wenigsten zutrauen: knallharte Disziplin.

Aber nicht nur das. Freelancer sind Multitasking-Talente. Als Ideengeber, Arbeitnehmer, Auftragsbeschaffer, Vertriebsprofi und Chef in einem meistern sie ihren beruflichen Alltag. Tauchen immer wieder in neue Projekte mit ganz neuen Anforderungen und neuen Menschen ein. Das verlangt ein hohes Maß an Selbstmanagement, Organisationstalent und die permanente Bereitschaft, sich auf Neues und Unbekanntes einzulassen.

Als Freelancer zu arbeiten ist ein Statement. In erster Linie dafür, dass man gut mit sich selbst klarkommt. Denn wie schon in der Überschrift gesagt: nur Kollege ICH ist Teil des Kernteams. Das hat Vor- und Nachteile. Gut ist, dass man vieles allein entscheiden kann. Dass die Entscheidungswege damit kürzer sind. Und doch fehlt manchmal das Feedback von anderen. Oder die Ideen, die ein anderer beitragen könnte. Oder einfach nur mal ein freundliches Wort, wenn man durchhängt und auch der dritte Kaffee nicht den gewünschten Kick bringt.

Mehr noch als bei Selbstständigen, die in einen gewissen Rhythmus eingebunden sind, ist es für Feelancer fundamental, eine Balance zwischen der täglichen Arbeit und den Auszeiten zu schaffen, in denen es gelingt, den „Brunnen aufzufüllen“, wie es Julia Cameron in ihrem Buch „Der Weg des Künstlers“ beschreibt. Denn Kreativität braucht einen Nährboden, und der muss gut gesättigt sein, will man zu jeder Zeit auf ihn zurückgreifen. Viele Freelancer neigen dazu, sich auszubeuten und zu knechten. Sie arbeiten bis in die Nacht hinein und stellen die persönlichen Bedürfnisse, ihre Familie und ihre Freizeit hintenan. Das Gefühl nur mal eben noch kurz die Welt retten zu wollen, oder zumindest den Auftraggeber noch glücklicher zu machen, in dem man die Arbeit doch schneller als vereinbart erledigt, diesen Mechanismus kennen die meisten Freelancer sehr gut. Und die meisten wissen auch, dass das auf Dauer nicht funktioniert.

Eine Freelancer-Gründung sieht auf den ersten Blick wie eine simple Sache aus. Man geht zum Finanzamt, meldet seine Tätigkeit an, kauft sich ein bisschen Equipment und los geht es. Manchmal funktioniert es genau so. Allerdings nur dann, wenn man schon so gut vernetzt und bekannt ist, dass die potenziellen Kunden Schlange stehen und den Gründungsstart gar nicht mehr erwarten können. Will man sich etablieren und in einem bereits satten Markt positionieren, dann braucht es schon weitaus mehr Vorbereitung. Denn es dürfte kaum das Ziel sein, der tausendste Fotograf, Webdesigner oder Lektor in Hamburg oder die zigtausendste Journalistin, Sängerin, Grafikerin oder Übersetzerin in Berlin zu sein und sich nur mit Mühe und Not über Wasser halten zu können. Freelancer-Märkte sind meist sehr dichte Märkte, gerade in Zeiten, in denen es sich Unternehmen selten leisten können, kreative Köpfe fest anzustellen. Es bedarf also entweder einer Spezialisierung, um sich abzuheben, oder man muss einen anderen Weg finden, um auf sich aufmerksam zu machen.

In unserem Interview beschreibt Maya Meiners sehr aufgeschlossen und ehrlich, mit welchen Herausforderungen sie sich auseinandersetzen musste, um zum einen zu ihrem eigenen Rhythmus als Freelancer zu finden und zum anderen, wie sie es geschafft hat, sich als Fotografin zu positionieren.

Das war alles andere als ein Spaziergang im Barockgarten, denn Maya ist wie viele Freelancer Quereinsteigerin und hat lange mit sich gehadert, überhaupt diesen Schritt zu wagen. Was sie aus ihrem Alltag erzählt, macht Mut, zeigt aber auch, wie sehr man als Selbstständiger – und insbesondere als Freelancer – immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen wird. Was für eine Herausforderung es ist, Tag für Tag allein an vorderster Front zu stehen: ohne eine Gemeinschaft, in der man mal eben untertauchen, sich verstecken oder von der man sich tragen lassen kann.

Maya, wie bist du dazu gekommen, dich als Fotografin selbstständig zu machen? Das war ja nicht dein Ursprungsberuf.

Stimmt, ich habe Sozialpädagogik in Hamburg studiert und danach auch sieben Jahre als Sozialpädagogin in unterschiedlichen Arbeitsfeldern gearbeitet. Dann kam der Bruch – klassisch mit Burnout. Mir war damals klar, dass ich etwas verändern musste. Jedenfalls bin ich ein Jahr auf Reise gegangen. Mit einem alten VW-Bus durch Europa getourt und die Kurzfassung ist, dass ich danach gegründet habe.

Ohne je als Fotografin gearbeitet zu haben?

Nein, natürlich nicht. Nach dem Abitur hatte ich zwei Berufswünsche. Soziale Arbeit und Fotografie. Zunächst habe ich mich auch der Fotografie gewidmet, war ein Jahr Assistentin bei einem Modefotografen in Hamburg. Aber das Modebusiness lag mir nicht besonders, darum habe ich anschließend ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert und mich danach für die Soziale Arbeit entschieden. Das Fotografieren hat mich aber immer begleitet, das heißt, ich hatte parallel zu meiner Arbeit immer auch kleinere Fotojobs. Ich habe das als Ausgleich und Hobby betrachtet. Obwohl damals schon einige meiner Freunde und Bekannten gesagt haben, ich sollte mich doch als Fotografin selbstständig machen. Aber ich habe mich einfach nicht getraut. Das lag zum einen daran, dass ich mich selbst überhaupt nicht als Unternehmerpersönlichkeit gesehen habe. Ich komme nicht aus einem Unternehmerhaushalt, wo die Frauen Karriere machen. Im Gegenteil. Karriere oder wirtschaftliche, zahlenorientierte Berufe haben mich nie interessiert.

Dazu kam, dass ich wusste, dass es gerade in Hamburg Tausende Fotografen gibt. Schließlich ist es eine Medienhochburg. Was sollte ich denn da noch? Ich als Quereinsteigerin, die den Beruf noch nicht einmal richtig gelernt hat. Ich fand mich zum damaligen Zeitpunkt auch einfach nicht gut genug. Also unterm Strich, ich war ein Stück weit alles in dem klassischen Satz gefangen, der alle Zweifel zusammenfasst: „Ich schaffe es nicht.“ Ich verglich mich mit anderen und habe immer gedacht: Ja, das ist ja ganz nett, was du da machst. Aber damit kannst du kein Geld verdienen.“ Ich konnte mir das einfach nicht vorstellen.

Jetzt ist es Realität. Hast du dir das Wissen und Können selbst angeeignet oder noch einmal eine Ausbildung absolviert?

Eine Ausbildung habe ich nicht gemacht. Ich habe in dem einem Assistenzjahr sehr viel gelernt. Und ich habe ein natürliches Talent für die Fotografie. Das ist sogar größer als mein Technikverständnis, das man in der Branche selbstverständlich auch braucht. Mittlerweile sage ich immer, dass der, der technisch hochperfekte Bilder will, bei mir nicht an der richtigen Stelle ist. Aber ein Mindestmaß an Technik muss vorhanden sein. Wenn ich selbst ein bestimmtes Bild kreieren will oder mein Kunde wünscht ein bestimmtes Bild, dann muss ich einfach wissen, mit welchen technischen Mitteln ich das umsetzen kann. Und das habe ich mir selbst angeeignet. Eben einfach geMACHT und gelernt durch Bücher und unzählige Video-Tutorials aus dem Internet. Aber der Grundstein war die Assistenz bei dem Fotografen.

Greift da der Spruch: Wenn man etwas wirklich will, setzt man alle Hebel in Bewegung?

Definitiv. Was mich all die Jahre angetrieben hat, waren Fragen wie „Was will ich wirklich?“, „Wofür schlägt mein Herz?“, „Was fällt mir leicht?“, „Wo zieht es mich automatisch hin?“. Ich wollte mich auf die Suche nach meiner Berufung machen, herausfinden, was in mir angelegt ist an Talenten, an Ideen, an Leidenschaft. Im Grunde wusste ich, dass es die Fotografie ist, also lag der Gedanke nah, dass ich damit auch mein Geld verdienen könnte. Und wenn man das erst einmal weiß, dann setzt man auch alle Hebel in Bewegung, räumt alle Steine aus dem Weg. Ich glaube, das kennt jeder, der sprichwörtlich schon ein paar Jahre auf der Uhr hat. Die Dinge, die man wirklich vom Herzen her will, die kann man auch umsetzen.

Es war also nach deiner Reise auch sofort klar, dass du nicht mehr in den sozialen Bereich zurückgehst, sondern dich als Fotografin selbstständig machst?

So schnell ging es dann doch alles nicht. Ich hatte mir für das Jahr schon vorgenommen, eine klare Vision zu entwickeln, wie es nach der Reise weitergeht und vor allem, wo es beruflich hingeht. Aber wie das so ist, die Monate verstrichen, ich bin mit meinem VW-Bus durch Europa getourt und hatte immer noch keine großartigen Eingebungen. Auf der Reise tauchte plötzlich die Idee auf, mich mit einem Campingplatz selbstständig zu machen. Ich hatte ja nun auf meiner Tour Hunderte Campingplätze gesehen und mir war klar: Von dem nimmt man das, von dem anderen das und am Ende hat man einen tollen Naturcampingplatz. Ich war geschult und hatte ein gutes Gefühl dafür, was Leute auf Campingplätzen brauchen. Und aus dieser Idee entwickelten sich großartige Visionen. Ich sah einen Hof mit verschieden gestalteten Arealen, Kunstausstellungen und einem kleinen Cafébetrieb vor mir und wenn ich jetzt davon erzähle, da merke ich sofort wieder, wie meine Begeisterung aufflammt. Aber bei all dem Wunschdenken kam natürlich sofort die berechtigte Frage: Wie soll ich das umsetzen?

Das klingt, als würde an der Stelle der soziale Aspekt deiner Persönlichkeit wieder zum Vorschein kommen?

Ja. Klar. Das ist ein großer Anteil von mir und auch Basis meiner fotografischen Tätigkeit. Ich hatte mir überlegt, die Fotografie in Form von Seminaren und Ausstellungen mit in das Campingplatzprojekt zu integrieren. Aber das waren eben alles nur Ideen und letztendlich kam ich zu dem Schluss, dass dieses Projekt für mich alleine schlichtweg eine Nummer zu groß ist. Ich brauchte ja etwas, das sich bis zum Herbst 2011 umsetzen ließ. Ich musste einfach Geld verdienen und mir war klar, dass ich, wenn ich zurück bin, höchstens noch zwei Monate zum Ankommen habe. Zum September 2011 hatte ich mich arbeitslos gemeldet. Das Resultat war, dass ich von der Agentur umgehend Stellen im sozialen Bereich zugewiesen bekam. Ich merkte sofort, dass das für mich überhaupt nicht mehr infrage kommt und dass ich nicht irgendwann, sondern sofort eine Alternative brauchte. Und die Selbstständigkeit mit der Fotografie schwirrte mir ja auch schon das ganze Jahr über im Kopf herum.

Und so habe ich den Entschluss gefasst, mich als Fotografin selbstständig zu machen. Aber eben mit ganz vielen Ängsten und Zweifeln. Um aus denen herauszukommen, bin ich in die .garage hamburg gegangen und habe mich dort informiert, was ich brauche. Die Art und Weise, wie ich dort beraten wurde, hat mir Mut gemacht. Ich wusste dann auch, dass der Gründungszuschuss in der Form, wie er bisher verteilt wurde, bald nicht mehr existieren wird. Ohne die Förderung hätte ich es aber nicht bewerkstelligen können. Ich benötigte diese finanzielle Basis. Also wurde der Druck zu handeln noch größer und da habe ich die Zweifel beiseite geschoben und innerhalb einer Woche all das erledigt, was andere Gründer wahrscheinlich in monatelanger Arbeit gut vorbereiten. Von der Marktanalyse über die Preiskalkulation – eben das ganze Programm.

Das hört sich dann doch an, als wäre es eine Notgründung. Jedenfalls klingt es für mich trotz der Leidenschaft nicht so, als ob du es aus vollem Herzen getan hast.

Ich glaube, es war eine Mischung. Ich habe es ja viele Jahre lang in mir bewegt. Und mich lange, wie schon gesagt, schlichtweg nicht getraut. Heute weiß ich, dass ein Grund dafür auch mein Mangel an Informationen war. Ich wusste nicht, wie ich es umsetzen sollte. Meine Ängste waren zeitweise einfach größer als der Wunsch zu fotografieren und damit mein Geld zu verdienen. Ich kenne einige Menschen, denen das so geht. Deswegen habe ich mich vorher nicht damit beschäftigt, Unternehmerin sein zu können.

Und ja es stimmt, dann war es quasi die Not, wenn man es so will. Ich sollte mich bewerben, sollte zurück in meinen alten Beruf, in dem es genug offene Stellen gab und das wollte ich auf keinen Fall. Also fragte ich mich: Wann, wenn nicht jetzt? Also im Grunde hat die Not den Anlass gegeben, etwas sichtbar zu machen, was schon lange in mir geschlummert hat. Wäre ich nicht in Not gewesen, hätte ich es vielleicht gar nicht gemacht.

Wie waren denn die ersten Schritte? Ging es gleich nach der Gründung los?

Diese Zeit war eine echte Herausforderung für mich. Irgendwann bekam ich die Bewilligung. Dann gab es den Tag der Gründung, den ich auch offiziell mit einer Freundin gefeiert habe. Sie ist zur selben Zeit wie ich in die Selbstständigkeit gegangen. Wir haben parallel die Tränen getrocknet, den Businessplan geschrieben und den Sekt getrunken und dann kam wirklich die berühmte Frage: Und jetzt?

Im Grunde hatte ich ja noch nichts. Abgesehen von einer Ausrüstung und meinem Laptop. Aber es war klar, dass ich damit zwar schon etwas tun kann, aber wenn ich es wirklich professionell machen will, dann brauche ich noch mehr und vor allem brauche ich Kunden!

Da ich gern gestalte, habe ich mich erst einmal hingesetzt und kleine Flyer mit meinem Angebot gebastelt. Für Kinder und Familien, für Hochzeiten. Ich hatte ja all die Jahre fotografiert und somit genug Material, das ich verwenden konnte. Dann habe ich allen, die ich kannte, also Freunden und Bekannten, eine E-Mail geschrieben. Habe sie darüber informiert, dass ich gegründet habe und dass ich mich über Unterstützung freuen würde. Und dann habe ich angefangen, Test-Shootings zum Selbstkostenpreis anzubieten. Einfach damit ich ins MACHEN kam. Denn das war für mich die zentrale Frage: Wie komme ich weg von den Planungen, hin zum Machen?

Ich war sehr aktiv, habe Termine für Fotoshootings mit Freunden und Bekannten veranstaltet und habe fotografiert um noch mehr Material zu sammeln. Das habe ich anschließend verwendet, um daraus kleine Fotoalben zu gestalten, die ich dann verschenkt habe. Meine Idee dahinter war, dass alle, die so ein Album bekommen, nicht nur selbst etwas zum Anschauen haben, sondern es auch anderen zeigen können. Wir kennen das doch alle. Die Fotos, die wir machen, bleiben als Datenmüll auf unseren Rechnern liegen und ich glaube viele Menschen fassen Bilder dann doch lieber an und schauen sie dann vor allem auch öfter an. Und mein Plan ist aufgegangen. Diese Aktion brachte mir die ersten Jobs und so kamen die Dinge ins Rollen. Plötzlich riefen Leute an und sagten: „Ich habe die Fotos bei einer Freundin gesehen und möchte auch so etwas.“

Das hat mich motiviert weiterzumachen. Also habe ich vor Weihnachten einfach Weihnachtsmotive fotografiert und Karten hergestellt. Mit denen bin ich auf einen Kunsthandwerksmarkt gegangen, habe mir einen Platz reserviert und die Karten verkauft. Parallel habe ich sie auch wieder an ganz viele Freunde geschickt und plötzlich hatte ich Kartenbestellungen von fast 400 Stück.

Das klingt mehr nach einer intuitiven Vorgehensweise als nach großer Planung.

Ja das stimmt. Ich war in gutem Kontakt mit Freunden, habe um Feedback gebeten, Literatur gewälzt und habe geschaut, was andere Fotografen machen. In dem Zusammenhang habe ich meine Konkurrenzanalyse noch mal intensiviert. Habe geschaut, was andere für Preise nehmen. Aber letztendlich hat sich Rücklauf aus meiner Bewegung heraus ergeben.

Gab es in der Phase noch Zweifel?

Ja. Die größte Hürde war mein eigenes Selbstwertgefühl. Ich glaube, das bleibt auch immer meine große Herausforderung – wobei es schon besser geworden ist. Nachdem ich den Businessplan geschrieben hatte, war ich schon auf einem guten Weg. Aber die Angst davor zu versagen, es nicht zu schaffen, auf einen Markt zu gehen, der im Prinzip übersättigt ist, war ebenso präsent wie der Zwang, mich abzuwerten und mich mit anderen zu vergleichen.

Daneben gab es aber auch die andere Seite und Phasen, in denen ich mir selbst immer wieder sagte: „Ich bin ich. Ich bin besonders, indem ich es MACHE, und niemand macht es so wie ich. Auch wenn es Tausende Fotografen in Hamburg gibt. Ich habe eine Chance auf Erfolg, ich kann das schaffen, wenn ich an mich glaube.“

Also das ist das, was ich jetzt nach gut eineinhalb Jahren sagen kann: Es hängt viel davon ab, wie ich aufgestellt bin. Wenn ich gut drauf bin, wenn ich an mich glaube und einfach MACHE, dann gibt es auch eine entsprechend positive Resonanz. Und wenn ich sehr mit mir hadere, dann ist es schwieriger. Dann verzögere ich bestimmte Dinge und komischerweise gibt es dann auch von Kundenseite her Verzögerungen oder Absagen. Das spiegelt sich.

Was hat dich denn in der Anfangsphase am meisten motiviert?

Für mich war es wirklich immer das Wichtigste ins MACHEN zu kommen. Und es war toll, dass ich wahnsinnig viel Unterstützung von Freunden und von meiner Familie bekommen habe. Ganz viele haben einfach aufgeatmet, als ich diesen Schritt gegangen bin. Manche haben ja schon Jahre auf mich eingeredet und sie glauben alle an mich. Das war gut – wenn mir selbst der Glaube ab und an gefehlt hat, dann haben Freunde das überbrückt. Und es war nicht so ein wohlgemeintes Zureden, so wie bei einer behütenden Mutter, die grundsätzlich alles toll findet, was ihre Tochter macht. Nein es war echter, überzeugter Glaube an mich und meine Fähigkeiten und das war schlichtweg super.

Ist das freie Arbeiten ohne einen festen Auftraggeber für dich eine Herausforderung?

Auf jeden Fall. Gerade dann, wenn so ein saisonales Loch kommt. Erlebt habe ich das nach dem ersten Weihnachtsfest. Da war halt länger nichts zu tun und es gibt ja auch keinen, außer dir selbst, der den Startpunkt, an dem du wieder loslegen musst, festlegt. Es ist ja niemand da, das Wetter ist grau und trüb, das Telefon klingelt nicht, weil keiner Fotos haben möchte und es ist einfach auch kein tolles Fotowetter. Also was fängst Du an? Es war damals so, dass ich von Oktober bis Dezember eine super Zeit hatte. Ich war ganz viel im MACHEN und Tun und dann kam diese Flaute, auf die ich wirklich überhaupt nicht vorbereitet war. So etwas erlebt man als Angestellter natürlich nicht.

Das klingt wirklich nach einer schwierigen Phase. Wie hast du sie überbrückt?

Ja, in der Zeit hat mir nicht einmal geholfen, dass die anderen an mich geglaubt haben. Das war zwar nett, aber es hat mein Problem nicht gelöst. Im Grunde habe ich da erst gemerkt, dass ich noch so viele Fragen zu dem Business überhaupt habe. Ich hatte zu dem Zeitpunkt noch keine Homepage, keine Visitenkarten, keine richtigen, professionellen Flyer. Mir war auch klar, dass ich unbedingt Hilfe bei der Entwicklung meiner Unternehmerpersönlichkeit brauchte, dass ich insgesamt noch viel mehr Informationen benötigte. Man kann ja vieles mit einem Businessplan abklären, aber was für ein breites Feld man als Selbstständiger zu beackern hat, das merkt man erst, wenn man drinsteckt.

Ich habe es gelöst, indem ich wieder zur .garage hamburg gegangen bin. In Hamburg gibt es ein spezielles Programm für Kreative, die .garage beta. Da waren neun oder zehn Leute in einer Gruppe. Sie kamen aus den unterschiedlichsten Bereichen: Webdesigner, Produktdesigner, Yogalehrer, Klavierlehrer. Das Gute war, dass dieses Programm gefördert wurde und ich es berufsbegleitend wahrnehmen konnte. So bekam ich alle Informationen, die mir noch fehlten. Und zusätzlich musste jeder einmal pro Monat vor der gesamten Gruppe sein Unternehmen darstellen und das hat mich wirklich nach vorn gebracht und inspiriert. In dieser Zeit habe ich Visitenkarten erstellt, Flyer angefertigt und meine Homepage kreiert. In den drei Monaten ist wirklich richtig viel passiert. Ich habe neue Kontakte geknüpft, die auch heute noch bestehen. Ich habe mir ein richtiges Unterstützungsnetzwerk aufgebaut.

Im Anschluss an diese Phase habe ich noch das KfW-Gründercoaching genutzt. Also ich bin sehr dankbar, dass es all diese Möglichkeiten gibt – vom Gründungszuschuss über den Weiterbildungsbonus bis zum KfW-Coaching. Das ist besonders am Anfang einer Selbstständigkeit, wenn die Finanzen eher knapp sind, ein wahres Geschenk.

Meinst du, dass es unerlässlich ist für jemanden, der als Freelancer startet, zu gut zu vernetzen und dafür dementsprechende Netzwerktreffen zu besuchen?

Ich selbst habe wirklich nur positive Erfahrungen damit gemacht. Ich kenne allerdings durch andere Gründer auch die negativen Seiten. Es gibt ja zum Beispiel diese Gründerstammtische oder die Frauenstammtische. Ich glaube, es hängt viel von dem Business und von der eigenen Persönlichkeit oder von dem Kreis ab, in den man eintaucht. Das kann auch nach hinten losgehen. Ich habe von Beispielen gehört, wo solche Netzwerktreffen sehr stark konkurrenzorientiert geführt wurden und das kann demotivieren. Dann fängst man wieder an sich zu vergleichen und sieht, was andere schon gemacht haben. Dann ist solch ein Netzwerk nicht hilfreich. Ich hatte zwei Existenzgründer in meinem Bekanntenkreis, mit denen ich mich intensiv austauschen konnte, dazu die Teilnehmer aus der .garage. Das hat mir geholfen zu sehen, dass die Probleme, mit denen ich mich herumschlage, nicht exklusiv meine sind. Auch das Gefühl, mich selbst wie der letzte Depp zu fühlen, weil ich nicht hochkomme oder weil ich auf dem Schlauch stehe und nicht weiß, was ich als nächstes machen soll – das geht in der Regel 90 Prozent der anderen Gründer auch so. Und das versteht jemand, der angestellt ist, natürlich nicht. Das habe ich vorher auch nicht verstanden. Aber mit einem Mal bin ich in einer neuen Welt, die nach ganz anderen Regeln funktioniert. Da ist schon hilfreich und auch noch mal beruhigend zu sehen, dass es anderen genauso geht wie einem selbst.

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9783844274318
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