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3. Einfaches Recht

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Eine der wichtigsten Quellen im normierten einfachen Recht ist das Bürgerliche Gesetzbuch. In den §§ 611 ff. des BGB sind Regelungen zum generellen Typus des Dienstvertrages und im mittlerweile neu eingeführten § 611a zum Arbeitsvertrag als speziellem Dienstvertrag enthalten. Begriffe wie „Arbeitnehmer“, „Arbeitgeber“ und „Arbeitsverhältnis“ deuten dabei auf Spezialnormen des Arbeitsrechts hin.[6]

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Im BGB finden sich darüber hinaus im allgemeinen Teil Vorschriften, die direkt im Arbeitsrecht gelten (etwa die Regelungen zur Geschäftsfähigkeit, Anfechtung von Willenserklärungen, Sittenwidrigkeit[7]) oder deren Rechtsgedanke von der Rechtsprechung weiterentwickelt und angepasst wurde (zum Beispiel die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB, die eine Abmahnung als milderes Mittel vor der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses vorsieht).

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Auf der Ebene des einfachen Rechts spielt weiterhin eine große Rolle das „Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge“ (TzBfG), welches die Teilzeitarbeit in Grundzügen regelt und unter bestimmten Voraussetzungen die Befristung und Bedingung von Arbeitsverhältnissen erlaubt.

Während der Durchführung des Arbeitsverhältnisses sind unter anderem das Arbeitszeitgesetz, das Bundesurlaubsgesetz und das Entgeltfortzahlungsgesetz wichtig, die neben vielen anderen Schutzgesetzen den Inhalt des Arbeitsverhältnisses maßgeblich mitbestimmen. Von enormer Bedeutung ist auch § 106 GewO, der das Weisungsrecht des Arbeitgebers regelt. Wenn es um die Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen geht, ist das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) von großer praktischer Bedeutung.

4. Sonstige Rechtsquellen

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Weitere wichtige Regelungen können sich aus dem Arbeitsvertrag (§ 611a BGB), dem Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungen ergeben. Nähere Erläuterungen dazu finden Sie weiter unten.[8]

Anmerkungen

[1]

BAG Urteil vom 10.10.2002, Az.: 2 AZR 472/01.

[2]

Nach BAGE 103, 111–123.

[3]

Nach BAG NZA-RR 2011, 162–166.

[4]

Nach BAG NZA-RR 2011, 162–166.

[5]

EGMR Urteil vom 10.11.2005, NVW 2006, 1389.

[6]

Vgl. §§ 611a, 612a, 613a, 619a, 622, 623 BGB.

[7]

Wiederholen Sie hierzu die Ausführungen in den Skripten „BGB AT I und II“.

[8]

Arbeitsvertrag: Rn. 26 ff.; Tarifvertrag: Rn. 373 ff.; Betriebsvereinbarung: Rn. 543 ff.

2. Teil Individualarbeitsrecht

Inhaltsverzeichnis

A. Grundbegriffe

B. Die Anbahnung und Begründung eines Arbeitsverhältnisses

C. Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

D. Der Betriebsübergang, § 613a BGB

2. Teil Individualarbeitsrecht › A. Grundbegriffe

A. Grundbegriffe

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Bevor man in die arbeitsrechtliche Fallbearbeitung einsteigen kann, muss man die entsprechenden Fachtermini beherrschen. Gerade im Arbeitsrecht haben einige das Gefühl, sich bereits auszukennen, da viele Begriffe dieses Rechtsgebiets im täglichen Leben vorkommen. Die Annahme, dass dieses Kapitel übersprungen werden kann, ist aber falsch. Denn oft genug handelt es sich bei dem vermeintlichen Wissen um weitverbreitete Irrtümer, welche in einer arbeitsrechtlichen Klausur nichts zu suchen haben.

Beispiele solcher Irrtümer

„Es besteht kein Arbeitsverhältnis, wenn kein schriftlicher Vertrag geschlossen wurde.“ (s. dazu Rn. 30)

„Wenn im Vertrag steht, dass der Mitarbeiter selbstständig beschäftigt wird, dann ist das halt so.“ (s. dazu Rn. 36)

2. Teil Individualarbeitsrecht › A. Grundbegriffe › I. Arbeitsvertrag

I. Arbeitsvertrag

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Die wichtigste Voraussetzung für die Anwendung des Arbeitsrechts ist natürlich das Vorliegen eines Arbeitsvertrags. Dieser wird vom Gesetzgeber nunmehr in § 611a Abs. 1 S. 1 BGB wie folgt definiert:


Unter einem Arbeitsvertrag versteht man einen gegenseitigen Vertrag zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber, durch den sich der Arbeitnehmer zur Leistung der festgelegten Arbeit und der Arbeitgeber im Gegenzug zur Gewährung eines Arbeitsentgelts verpflichtet.

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Für den Abschluss des Arbeitsvertrags gilt das im ganzen Zivilrecht gegebene Prinzip der Vertragsfreiheit.[1] Bekanntermaßen gewährleistet dieser Grundsatz die Freiheit der handelnden Personen, über den Abschluss eines Vertrags überhaupt und auch über den Inhalt dieses Vertrags zu entscheiden. Eine Ausnahme von der Abschlussfreiheit besteht zum Beispiel bei einem Beschäftigungsverbot für Kinder und Jugendliche.

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Auch inhaltlich haben die Parteien grundsätzlich Gestaltungsfreiheit. Der Gestaltungsfreiraum findet jedoch dort seine Grenzen, wo zwingende Vorschriften bestehen, von denen nicht abgewichen werden darf.

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Mindestwirksamkeitsvoraussetzung für den Arbeitsvertrag ist die Einigung der Parteien über die wesentlichen Vertragsbestandteile. Als essentialia negotii des Arbeitsvertrags sind die Parteien, die Tätigkeit und die Zahl der Arbeitsstunden zu werten. Alles andere kann (in den Grenzen zwingender gesetzlicher Vorgaben), muss aber nicht geregelt werden, vgl. § 105 GewO.

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Entgegen einem weitverbreiteten Irrtum ist es nicht notwendig, den Arbeitsvertrag förmlich zu schließen. Es ist aber möglich, dass ein Formzwang zum Beispiel in einem Tarifvertrag enthalten ist. Bei Missachtung kann sich aus den §§ 125, 126 BGB die Nichtigkeit des Vertrages ergeben. Der Tarifvertrag ist als „Gesetz“ im Sinne dieser Vorschriften zu sehen. Allerdings bedarf es einer Auslegung der Bestimmung, ob der Tarifvertrag die Schriftform konstitutiv oder – wovon im Zweifel ausgegangen wird – nur deklaratorisch regeln will. Im letzteren Fall führt eine Nichtbeachtung nicht zur Nichtigkeit des Vertrages.

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Auf eventuelle Formvorschriften muss in der Klausur nur dann eingegangen werden, wenn der Sachverhalt oder der Bearbeitervermerk einen Hinweis darauf enthalten! Andernfalls kann schon der kurze Hinweis auf die allgemeine Formfreiheit zu viel sein.

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 2 NachwG, der vorschreibt, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine schriftliche Dokumentation der wichtigsten Arbeitsbedingungen hat. Diese Dokumentation dient lediglich der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zwischen den Parteien.

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Wie bei jedem zweiseitig verpflichtenden Vertrag lassen sich auch aus dem Arbeitsvertrag Rechte und Pflichten für beide Parteien herleiten. Beide Seiten treffen Haupt- und Nebenleistungspflichten, die gegenüber der anderen Partei einzuhalten sind.[2]

2. Teil Individualarbeitsrecht › A. Grundbegriffe › II. Arbeitnehmer

II. Arbeitnehmer

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Die Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft gehört zu den schwierigeren Aufgaben des Arbeitsrechtlers. Erforderlich ist eine genaue Abgrenzung zu anderen in Frage kommenden Vertragsverhältnissen, etwa dem Dienst- und Werkvertrag. Die korrekte Einstufung des Betroffenen stellt sich in der Praxis als schwer anzustellen dar, obschon sie gleichzeitig wegen der großen Unterschiede zum Dienst- oder Werkvertragsrecht sehr wichtig ist.

Neben der Festlegung des anzuwendenden materiellen Rechts hat das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft auch prozessrechtliche Folgen. Für Streitigkeiten eines Arbeitnehmers, die sein Arbeitsverhältnis betreffen, ist die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gem. § 2 Abs. 1 Nrn. 3, 4, 5, 9 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) gegeben.

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Das Arbeitsrecht wird gerne auch als Arbeitnehmerschutzrecht bezeichnet, da sehr viele Regelungen nur dazu geschaffen wurden, einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Arbeitnehmers und denen des ihm übergeordnet anzusehenden Arbeitgeber zu gewährleisten. Die Eingrenzung eines Dienstschuldners als Arbeitnehmer und damit die Anwendbarkeit des Arbeitnehmerschutzrechts ist daher von enormer Bedeutung für die Betroffenen. Die Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft ist immer dann in der Klausur anzusprechen, wenn eine Norm sie als Tatbestandsvoraussetzung vorsieht.

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Der Begriff der Arbeitnehmereigenschaft ist mittlerweile explizit in § 611a BGB gesetzlich geregelt. In einigen weiteren Vorschriften wird er ebenfalls erwähnt, so etwa in § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG und § 5 Abs. 1 BetrVG. Dort wird wortgleich festgelegt, dass Arbeitnehmer im Sinne des jeweiligen Gesetzes „Arbeiter, Angestellte und zur Berufsausbildung Beschäftigte“ seien.

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Im Laufe der Jahre und der Rechtsprechung hat sich nach allgemeiner Ansicht folgende Definition bewährt und nun Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden:


Laut § 611a Abs. 1 S. 1 BGB ist Arbeitnehmer, wer sich auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines Anderen zu weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet.[3]

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Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen steht fest, dass der Betroffene nicht im Rahmen eines unentgeltlichen Auftragsverhältnisses, freien Dienstverhältnisses (§ 611 BGB) oder eines Werkvertrages (§ 631 BGB) handelt.

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Bei der Klausurbearbeitung muss man sich zuerst nach dem Wortlaut des Sachverhalts richten. Nur wenn dort nicht von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, Arbeiter oder Angestelltem gesprochen wird, ist es nötig, mithilfe der Sachverhaltsangaben den Charakter des Vertrags zu ermitteln. Dazu müssen alle äußeren und inneren Merkmale herangezogen werden, die aus dem gegebenen Sachverhalt hervorgehen. Die konkrete Bezeichnung des Vertragsverhältnisses (z.B. Überschrift „Vertrag für freie Mitarbeiter“) kann nur als Indiz gewertet werden. Maßgeblich für die Qualifizierung des Rechtsverhältnisses ist nämlich seine tatsächliche Durchführung. Erscheint dieses nach Würdigung der äußeren Umstände als Arbeitsverhältnis, so sind die Parteien als Arbeitnehmer und Arbeitgeber einzuordnen und zu behandeln.


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Bei der Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft eines Beteiligten können Sie sich an folgenden Fragen orientieren:

Arbeitnehmereigenschaft

I.Ist der Vertrag dem Privatrecht zuzuordnen?

II.Ist der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger Dienste i.S.d. § 611a BGB zu erbringen?

III.Kann er dabei nicht selbstständig handeln?

WeisungsgebundenheitRn. 48

1. Privatrechtlicher Vertrag

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Die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien muss zunächst dem privaten Recht zuzuordnen sein. An dieser Stelle ist eine Abgrenzung zu öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen notwendig. Dem Anwendungsbereich des Arbeitsrechts unterfallen demnach etwa nicht Beamte, Soldaten und Richter. Diese Beziehungen basieren nämlich nicht auf einer „Einstellung“, also dem Abschluss eines Arbeitsvertrags. Rechtsgrundlage für die genannten Berufsbilder ist vielmehr die Ernennung, also die hoheitliche Indienststellung des Betroffenen durch einen Verwaltungsakt. Diese Rechtsbeziehungen ergeben sich also aus dem öffentlichen Recht.

Hinweis

Bitte nicht Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst verwechseln oder gleichstellen. Personen, die als Angestellte des öffentlichen Dienstes gelten, sind mit dem öffentlichen Träger der Staatsgewalt durch einen privatrechtlichen Vertrag verbunden. Diese Personen sind als privatrechtliche Arbeitnehmer zu qualifizieren.

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Nicht auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen weiterhin Tätigkeiten, die eine Person ausschließlich aufgrund familiärer Bindungen erbringt, etwa im Rahmen des § 1360 BGB.

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Strafgefangene, die während der Inhaftierung in der Haftanstalt Arbeit verrichten, sind ebenfalls keine Arbeitnehmer. Ihre Tätigkeit fußt allein auf einem staatlichen Zwangsverhältnis und gehört somit dem öffentlichen Recht an.[4]

An dieser Stelle rufen Sie sich bitte nochmals die im besonderen Schuldrecht gelernten Voraussetzungen der §§ 611, 631, 662, 705 BGB ins Gedächtnis.

2. Vertrag nach §§ 611a Abs. 1 S. 1 BGB

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In der Prüfung muss zunächst ausgeschlossen werden, dass ein Werkvertrag vorliegt.

Hinweis

Hier hilft die aus dem allgemeinen Zivilrecht bekannte Faustregel „Beim Dienstvertrag wird die Tätigkeit, beim Werkvertrag der Erfolg geschuldet“ weiter.

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Auszuschließen ist als Nächstes das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrages gem. § 705 ff. BGB. Mit einem solchen Vertrag regeln die Vertragsparteien, dass sie zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks kooperieren und ihre Einsätze mit Blick auf diesen Zweck leisten wollen (§ 705 BGB). Ein solcher Einsatz kann auch in der Erbringung von Arbeitsleistung bestehen (§ 706 Abs. 3 BGB).

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Die Dienste müssen gegen ein Entgelt erbracht werden. Wenn zwischen den Parteien Klarheit darüber herrscht, dass keine Vergütungsansprüche des Dienstleistenden bestehen, kann ein Auftrag i.S.d. §§ 662 ff. BGB vorliegen. Wenn hingegen die Parteien nicht über eine Vergütung gesprochen haben, aber Dienste wie die vereinbarten normalerweise nur gegen Geld erbracht werden, kann auch § 612 Abs. 1 BGB eingreifen. Diese Norm regelt die Höhe des Vergütungsanspruchs in diesen Fällen.

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Steht danach fest, dass § 611a BGB einschlägig ist, ist nach Maßgabe des folgenden Kapitels „Unselbstständigkeit der Dienstleistung“ zu ermitteln, ob ein so genannter freier Dienstvertrag oder ein Arbeitsvertrag vorliegt.

3. Unselbstständigkeit der Dienstleistung

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Auf dem Prüfungspunkt der Unselbstständigkeit der zu erbringenden Dienstleistung liegt in der Regel der bzw. ein Schwerpunkt der Klausur. An dieser Stelle sollte also der Sachverhalt genau ausgewertet und das Ergebnis im Gutachten umfangreich dargestellt werden. Wer hier lediglich eine halbe Seite schreibt, verschenkt in der Regel wertvolle Punkte!

Im Gegensatz zum Arbeitsvertrag wird die Dienstleistung im Rahmen eines freien Dienstvertrags in Selbstbestimmung und persönlicher Unabhängigkeit erbracht. Der Arbeitnehmer hingegen ist persönlich abhängig und fremdbestimmt durch den Arbeitgeber.

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Die Rechtsprechung hat Beurteilungsgrundsätze entwickelt, die bei der Zuordnung eines Dienstleistenden zum abhängigen Arbeitnehmer helfen können. Es ist aber darauf zu achten, dass ein „Abhaken“ vorgegebener Prüfungspunkte nicht immer zur sachgerechten Lösung führt. Vielmehr ist im Einzelfall auf die einzelnen tatsächlichen und rechtlichen Umstände abzustellen. Hierbei hat in der Regel der tatsächlich gelebte Vertragsinhalt ein höheres Gewicht als die vertraglich festgeschriebenen Regelungen. Denn das tatsächliche Verhalten der Parteien bestimmt maßgeblich den Inhalt des Vertragsverhältnisses, nicht ihre eventuell nur auf dem Papier stehenden Vereinbarungen. Insgesamt sind also sämtliche Umstände des Einzelfalls zu beachten und in ihrer Gesamtheit zu würdigen.[5]

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Eine entscheidende Hilfe bei der Einordnung eines Erwerbstätigen als Arbeitnehmer bietet § 84 Abs. 1 S. 2 HGB:

Selbstständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

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Daraus ist im Umkehrschluss zu folgern: Arbeitnehmer ist, wer seine Tätigkeit gerade nicht im Wesentlichen frei gestalten und auch seine Arbeitszeit nicht frei bestimmen kann, mit anderen Worten weisungsgebunden ist. Man spricht hier von einer persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit wird nicht gefordert.[6]

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Entscheidende Indizien, die zur Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft führen können, sind die Folgenden:


Weisungsgebundenheit des Dienstverpflichteten liegt dann vor, wenn er auf die Faktoren Zeit, Inhalt und Ort der Dienstleistung (vgl. § 106 GewO) keinen oder sehr wenig Einfluss hat.
Arbeitnehmer müssen ihre Dienste in der Regel in eigener Person, mithin höchstpersönlich, erbringen. Darf der Vertragspartner andere Personen mit der Erledigung seiner Aufgaben betrauen, spricht dies gegen eine Arbeitnehmereigenschaft.

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Falls diese Prüfung kein eindeutiges Ergebnis ermöglicht, können weitere Kriterien zur Beurteilung herangezogen werden. Diese stellen im Gegensatz zu den bisher genannten Abgrenzungskriterien jedoch nur schwache Indizien dar:


Bezeichnung der Vertragsparteien im Vertrag (Arbeitnehmer, Arbeitgeber).


Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge werden abgeführt.


Der zur Leistung Verpflichtete erhält auch im Krankheitsfall Lohnfortzahlung.


Der zur Leistung Verpflichtete erhält bezahlten Urlaub.

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In der Klausur wird in der Regel die Arbeitnehmereigenschaft zu bejahen sein, handelt es sich doch um eine Arbeitsrechtsklausur. Falls die Klausur im Rahmen einer Zivilklausur gestellt wird, müssen Sie im Zweifelsfall den Sachverhalt daraufhin untersuchen, bei welcher Lösung Sie sich mit der Entscheidung für oder gegen das Vorliegen eines Arbeitnehmers die wenigsten Probleme „abschneiden“. Diesen Weg sollten Sie dann wählen.


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Beispiel

Der Kläger war über einen Zeitraum von etwa 10 Jahren für die Beklagte als Fotograf tätig. Basis der Zusammenarbeit war eine schriftliche Vereinbarung, wonach der Kläger ein Unternehmen gründen sollte, um im hauseigenen Studio der Beklagten im Bereich „Möbeldekoration und Möbelfotografie“ Werbefotografie zu betreiben. Die Beklagte sollte neben den Räumlichkeiten auch Handwerker für den Auf- und Abbau der Werbeobjekte zur Verfügung stellen. § 2 der Vereinbarung sah vor, dass die Abrechnung der Fotoaufträge zu den üblichen Konditionen jeweils nach abgeschlossenem Auftrag erfolgen sollte. Die Parteien vereinbarten eine Laufzeit von zunächst 5 Jahren, in beiderseitigem Einvernehmen verlängerbar. Der Kläger brachte seine eigene Fotoausrichtung mit und engagierte auf eigene Rechnung Stylisten. Seine Aufträge bekam er per Fax, später E-Mail. Darin wurde ihm mitgeteilt, welches Möbelprogramm er in welchem Aufbau fotografieren sollte und wie lange und ab wann die Produktion laufen sollte. Die Handwerker bauten dann die Programme auf, die Stylisten dekorierten. Die fertigen Aufnahmen sandte der Kläger an die Beklagte, die ggf. Änderungswünsche mitteilte und erst nach deren Erledigung die Bilder abnahm. Der Kläger wurde nach Rechnungsstellung entlohnt. Im Januar 2009 bearbeitete der Kläger den letzten Auftrag für die Beklagte. Ende 2010 bot er seine Arbeitsleistung an, welche abgelehnt wurde. Anfang 2012 kündigte die Beklagte vorsorglich ein etwaig bestehendes Arbeitsverhältnis. Die Kündigungsschutzklage hatte keinen Erfolg. Die LAG-Richter urteilten, dass der Kläger nicht als Arbeitnehmer der Beklagten arbeitete. Weder die Auftragserteilung noch die zeitlichen Vorgaben (auch freie Mitarbeiter müssen sich oft an zeitlichen Gegebenheiten orientieren) sprachen für das Vorliegen einer Arbeitnehmereigenschaft. Weiterhin war auch die Vorgabe der Möbel (natürlich!) nicht ausreichend: „Zum Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten gehörte ohne Weiteres die Vorgabe der zu fotografierenden Möbel. Geschuldete Tätigkeit des Klägers war das Fotografieren von ihm durch die Beklagte gestellten Möbeln und Möbeldekoration(en). Im Rahmen dieser Vorgabe besaß der Kläger in fotografischer Hinsicht gestalterische Freiheit und Selbstständigkeit. Einer Vorgabe, wie er technisch die Fotografien zu bewerkstelligen hatte, war er nicht ausgesetzt. Er war Fotograf; im Bereich der Technik der Fotografie arbeitete er weisungsfrei.“ Die Abnahme der Fotos durch die Beklagte war ebenfalls kein Grund für die Annahme einer arbeitnehmerschaftlichen Abhängigkeit. Denn auch freie Mitarbeiter seien nicht völlig frei in ihrer Leistungserbringung. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation war nach Ansicht der Richter ebenfalls nicht erkennbar, auch wenn die Tätigkeiten des Kläger „Hand in Hand“ mit Mitarbeitern der Beklagten stattfanden: „Auf- und Abbau der Möbel/der Dekorationen ergaben sich daher aus den sachlichen Erfordernissen der mit dem Kläger vereinbarten Fotoeinsätze, ohne dass der Kläger insoweit in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert gewesen wäre.“[8]

2. Teil Individualarbeitsrecht › A. Grundbegriffe › III. Arbeitnehmerähnliche Personen

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9783811491854
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