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Erster Tierarzt-Besuch

Ich säuberte die blutende, schwarze Knubbelnase und kühlte sie mit dem Waschlappen, was sie sich gern gefallen ließ. Dann wollte ich ihre Nägel schneiden, sie waschen und kämmen, sowie die Ohren bürsten, schnieke machen für den Tierarztbesuch, dass er nicht noch einiges anderes findet, sowie gewohnt. Dabei stellte ich jedoch fest, dass ich keine Übung beim Daumen schneiden hatte. Er war eingewachsen. Es wäre besser, dies der Fachkraft zu überlassen, wenn wir morgen Vormittag sowieso hingingen.

Ich föhnte ihr dreilagiges, dichtes Fell trocken und schnitt ein paar lange Fransen ab. Ihre Nase cremte ich mit einer Wundsalbe ein, die ich selbst benutzte. Dann sprang sie zurück ins Körbchen, fühlte sich wieder wohl, schüttelte ihr großes Kissen darin selber auf, und so wir legten uns beide schlafen. Ich staunte oft, wie synchron unsere Handlungen abliefen. Das war fast egal, worum es ging. Sie schnarchte ziemlich laut. wenn ich ihr zurief: „Bonny, Nachtruhe!“, hörte sie auf. Der eigentliche Grund dieses Besuchs war ihr eingewachsener Daumennagel, den ich trotz dieser neu gekauften Nagelschere nicht in den Griff bekam. Ich wollte Bonny nicht länger weh tun, ihr Bellen verstand ich als wirklichen Schmerz und ging mit ihr zum Tierarzt an der Ecke.

Unsere Kommunikation war herausragend. Bonny gab mir klipp und klar kund, was sie wollte. Außerdem war es Dezember zum Jahreswechsel, ja, ihre Impfung war fällig. Der europäische Hunde-Impfpass war ihrem Ex-Frauchen auf der langen S-Bahnfahrt abhanden gekommen, wie sie es mir am Telefon aufgebracht beteuerte. „Dort hatte sich ein dickes Weib neben mich gesetzt, dass die sehr volle Tüte mit Bonny‘ s Sachen umkippte. Ich meine, ihr Impfpass muss dabei herausgefallen sein, vielleicht unter ihren Sitz, dass ich ihn übersah.“ Sie bekräftigte die Aussage mit einem starken Ansturm am Nachmittag im Umsteigebahnhof. Weil ich diese Strecke gut kannte, glaubte ich ihr halbwegs, zu mindestens, dass sie geimpft war. Es ging spontanes Vertrauen von ihr aus, wenn ich auch glaube, dass sie mir was verschwieg. Min großes Fiasko beim Tierarzt hieß: die Todesspritze! Doppelter Herzklappenfehler lautete die Diagnose. Er hielt das Teleskop, das um seinen Hals baumelte, in die Hand, runzelte mitleidsvoll die Stirn und erklärte im ernstvollen Ton, sowie ein Priester mit Schulddruck, dass die Worte auch im Inneren des Frauchens der kleinen Patientin ankämen.

Er klärte mich auf, dass es zumeist durch eine Infektion im Welpen-Alter geschieht, noch vor der ersten Impfung, wenn sie bei der Mutter sind. Ich wusste, dass eine Nachbarin Püppi der Bäuerin gab. Püppi stammte nicht von der eigenen Hündin, demnach konnte sie es davor bekommen haben. „Es gibt Gott sei Dank Medikamente, die vielleicht die Lebenserwartung noch etwas hinausschieben könnte, entweder als Tropfen oder als Pillen, die man ihr mit ins Fressen gibt.“ Sie sollte in kurzer Zeit sterben, wenn sie nicht die verabreichten Medikamente, im Wert von fünf Euro täglich, bekommen würde. Ich fragte nach eventuellen Nebenwirkungen, wie die chemische Substanz über die Leber und Niere verarbeitet werden würde. Die Frage wurde nicht eindeutig beantwortet. Stattdessen betonten beide weiter, der Tierarzt und die Assistentin, dass mein kleiner Fress-Sack so schön pummelig sein müsste, wenn sie die Leckerli, das vom Menschen

Erbeutetes und eine tägliche Ration des vollen Napfes an Trockenfutter-Gemisch aus Getreide und Gemüse, sowie die Fleischbrocken mit Soße aus der Dose bekommen würde. Ich fragte ihn, ob es das nicht auch als homöopathisches Mittel gäbe auf der Naturbasis. „Da gibt es Vitamine, Mineralien, Spurenelemente als ein körperliches Stärkungsmittel!“ Die

Tinktur, die ich ihr als Nahrungsergänzung unter ihr Futter mischte, war

es dann, und suchte einen anderen Tierarzt auf, den ich konsultierte. Er bestätigte diese Diagnose mit Gelassenheit, die sich nicht in Todesnähe befand, und meinte, dass sie es ruhig mag. „Sie wollen mit ihr nicht zur Jagd gehen.“ „Das ist ein Hütehund, ein Klosterhund, kein Jagd-Hund!“ „Da sehen Sie mal. Ich würde auch vom Ausdauer-Sport abraten.“ „Sie mag kein Fahrrad. Sie muss nicht auf der Straße neben meinem Fahrrad herlaufen. Sie muss keine Schlitten ziehen, keine Kutsche und Karren.“

Er lachte. „Sie soll mich bei guter Laune halten und vor allem gesund!“ „Ich glaube, ihr passt beide hervorragend zusammen. Lasst euch keine Angst machen.“ Ich war heilfroh über den zweiten Tierarzt, wir gingen

das nächste Mal wegen Flöhe zu ihm; denn Bonny lebte knappe sieben Jahre weiter bei mir ohne irgendein chemisches Medikament.

Vielleicht gerade deshalb, die Vitamintropfen bekam sie und machte sie zum reinsten Zugpferd. Es waren Passanten auf der Straße, die nicht die Bemerkung unterdrücken konnten, von wegen, wie solch kleine Hündin mit ihren kurzen Beinchen mir immerzu vorne weg laufen konnte. „Dort kommt dein Frauchen kaum mit. Wie schaffst du das nur?“ „Sie hat vier Beine, ich nur zwei!“, war die Antwort. Dann sagten sie: „Wie du laufen kannst mit deinen Beinchen!“ Es freute mich, ich war stolz auf sie. Doch jaulte sie auf, als ihr aus Versehen auf die Zehen trat, weil sie mir vor die Füße lief. Voller Empörung schaute sie zu mir hoch: „Pass gefälligst auf!“

Ein zotteliger Passagier

Von klein auf war sie an den PKW-Sitz gewöhnt und liebte das Autofahren nach Sylt sowie woandershin. Ihr Ex-Frauchen hatte ein Ferienhaus an der Nordsee. Bonny räumte sich in Straßenbahnfahrten das Privileg ein, auf einem Menschensitz Platz zu nehmen, dabei nah am Fenster, um herausschauen zu können. Das gleiche betraf natürlich auch lange S-Bahnfahrten.

Es konnte im Berufsverkehr zum Problem werden und auf vielbesuchten Umsteigebahnhöfen. Ich schubste sie von ihrem Platz herunter, worauf sie zutiefst beleidigt reagierte. Sie machte mich oft zum Gespött der anderen Fahrgäste, wenn sie Bonny in Schutz nahmen und auf mich einredeten, ich

sollte sie doch dort sitzen lassen. „Sonst sitzen Penner in dreckigen Hosen, Säufer mit Bierflaschen. So lassen Sie sie doch dort heraus schauen, lassen Sie sie doch dort sitzen, unten wird sie noch getreten im Gemenge auf dem dreckigen Fußboden, lassen Sie sie doch! Wir haben Schuhe an, sie nicht!“

Damit hatte sie wieder gewonnen und grinste sich eins. Es war mir oftmals peinlich vor anderen, ihr nicht den Vortritt zu lassen in der besseren Platzwahl.

Ich hätte mich selbst bloß gestellt wegen meines Egoismus. Auf der Straße wurde sie oft bewundert, vor allem von Frauen im Alter rüstiger Rentner.

Zwei Monate später begann ein Dauerregen. Bonny sprang auf die oberste Stufe der Treppe eines Altbaus und setzte sich vor eine Haustür, um einem plötzlichem Regenschauer zu entgehen. Eine Mieterin, die ihren Schirm zuzog und den Schlüssel ins Schloss steckte, blieb überrascht vor Bonny stehen, kraulte ihr hinter den Ohren und sagte: „Meine Süße, du würdest mir gut gefallen!“ Ich reagierte sofort in Anbetracht, dass es mir an einer Hundepatin fehlte, wenn ich wirklich mal verhindert wäre und erklärte ihr, dass ich mir in dem Zusammenhang gerne ihre Rufnummer notieren würde. Sie hatte nichts dagegen und freute sich über meinen Vorschlag.

Als der Prassel-Regen in seichten Nieselregen übergegangen war, gingen Bonny und ich schnurstracks nach Hause.

Unerwarteter Besuch

Wenige Wochen darauf erinnerte ich mich an die nette, ältere Dame, weil sich ein alter Bekannter wieder gemeldet hatte, der urplötzlich vor meiner Tür stand, ohne dass ich ihn richtig erkannt hatte und vorsichtig reagierte. Bonny merkte das natürlich auf Anhieb und legte sich vor die Eingangstür.

Wäre sie aufgegangen, hätte er sich dagegen geworfen, sie aufgeschlossen, aufgebrochen, schließlich war er der Erbauer des Hauses, ein Ingenieur, der diese Haustechnik kennen musste, dann wäre er sofort über meine Bonny gefallen. Er hatte selbst einen Berner Sennen und kannte sich mit Hunden aus, ihren eigenen Prinzipien, insbesondere, was Fremde anbelangt.

Manche schlagen lauthals an, andere springen den Eindringling an. Meine verhielt sich beinah unsichtbar und unhörbar, niemand hätte vermutet, dass sich hinter der Tür eine Hündin verbirgt. Sie ließ jeden hineinkommen und bellte nie, doch nicht mehr heraus. Ging die Tür auf, saß sie dahinter, dass es so schien, als sei keiner da. Doch in dem Moment, in dem derjenige die Tür geschlossen hätte, wäre sie auf die Bildfläche getreten, indem sie sich vor die Tür gelegt hätte, um ihn nicht mehr rausgehen zu lassen. Sie hätte ihn festgehalten, bis ich in Erscheinung getreten wäre, das andere hätte sie mir überlassen. „Ähm, Sie haben einen Hund?“, hörte ich ihn am Telefon fragen, weil er mich ins Restaurant einladen wollte. Ich merkte gleich, wie er Respekt hatte, den er nicht zugeben wollte. Alleine wäre er nicht auf die Idee gekommen, dass da jemand bei mir in der Wohnung ist. Etwas später fragte er weiter: „Ja, ist Ihr Hund gaststättentauglich?“ Ich wusste

es nicht, weil ich bis dahin mit ihr kein Rendevous bei Dritten erlebt hatte. Wir waren nur für uns.

Vor zwei Jahren hatte ich mich bis über beide Ohren in ihn verliebt. Nein, er wollte mir etwas Persönliches erklären, das am Telefon schwierig wäre. Ich hatte vor gut zwei Jahren seine Telefonnummer gewählt, als sich eine Frauenstimme mit anderem Namen meldete. Genau in dem Moment, in dem eine Verbindung hergestellt war, rief ein etwa vierjähriges Mädchen in den Hörer hinein,- laut und deutlich, ja, beinahe fordernd: „M A M A !“

Darauf verstummte ich, und auch die Frau mit dem anderen Namen wollte nichts weiter sagen.

Jetzt war er wieder am Telefon: „Ich muss nur noch an Sie denken!“ „Hm,- nach - zwei - Jah - ren!“ „Ich brauche wieder einen klaren Kopf!“ Jetzt war das Eis gebrochen und ich musste lachen. „Also gut, am 17. Dezember um 18 Uhr bei Tony, dem Italiener.“ Bonny schien dies ungehört mitbekommen zu haben. Sie peilte zu mir herüber, hatte ihr Kinn auf dem Körbchen-Rand abgelegt und sah mir mit dem „von unten nach oben Blick“ in die Augen.

Ich saß auf dem Teppichboden, mit dem Rücken an meinen Kleiderschrank gelehnt. Sie ruhte in entspannter Geste auf einem Kissen im Körbchen, das im Flur stand, direkt vor meiner Zimmertür. Sie war fast immer offen, mit dem Unterschied, ob ganz weit offen, halb offen oder angelehnt.

Aus ihren großen, dunkelbraunen Augen traf mich der eindringliche Blick: „Ich komme dahin mit!“ Hundefreunde amüsierten sich köstlich, wenn sie hörten, dass sie vor dem Kühlschrank schlief. „Dort müsste sie die schönsten Träume haben, wenn nicht, bekommt sie die noch.“ Es ging nicht anders, weil im Flur gleichzeitig die Küche war, eine zwei Meter lange Küchenzeile.

Da war alles weiß gefliest. Wenn Bonny aus dem Regen kam, durfte sie nicht mit Schmutz ins Zimmer, das mit hochwertigem Teppichboden ausgelegt war. Ich musste sie zuerst fein sauber machen, bevor sie mich in meinem Bereich besuchen kommen durfte. Die Regeln hatten wir von Anfang an

festgelegt. Ich war mir unschlüssig, ob ich sie zu dem Rendevous ins feine Restaurant mitnehmen sollte. Schließlich hatten wir noch keine Erfahrung darin. Steve, unserem spontanem Gastgeber, musste es sehr wichtig sein.

Jetzt fiel mir wieder die Hunde-Patin Jutta ein, als mögliche Lösung für einen Abend, rief ich bei ihr an. Erst meldete sich der Anrufbeantworter, dann bekam ich sie persönlich zu sprechen. Sie hätte es sich anders überlegt, nachdem sie mit ihrer Schwester darüber gesprochen hätte. Öfter

gibt es Situationen, denen sie vielleicht nicht mehr gewachsen ist, wenn da die großen Hunde kommen zum Schnuppern, das würde ihr Angst machen. Manche sporadischen Arztbesuche stellte sie ebenso dagegen. Somit war es eine höfliche Ablehnung. Es wurde mir klar, warum sich Bonny mich ausgesucht hatte, für mich wären dies all keine Gründe gewesen.

Nun mussten wir es darauf ankommen lassen. Sie hatte bei dem Telefonat ihre Ohren gehoben, die sonst wie zwei große Blätter von ihrem Kopf herabhingen. Vor ihrem Körbchen breitete sich eine zähflüssige Lache aus,

die ich als Gallensaft identifizierte, unübersehbar und gelb auf den weißen Fliesen.

Bonny hatte zurzeit jenes Telefonierens Gift und Galle gespuckt, um mir zu zeigen,

auf was für absurde Ideen ich käme, sie einfach wegzugeben, wenn ich mich mit jemandem traf. Es war doch klar, dass sie mitkäme, auch zum Schutz für mich, und natürlich aus reiner Neugierde. Wer war er eigentlich?

Im noblen Restaurant

Wir kamen eine halbe Stunde zu spät, auf der Promenade zu Tony gab es neue Informationen zu verarbeiten, nicht nur an Baumstämmen, sondern auch im Erleben wahrhaftiger Begegnung mit Hunden und dem Mensch.

Steve hatte bereits den Ober gefragt, wie lange man so auf die Dame mit Hündchen warten müsse. „Na ja, eine halbe Stunde könnte es dauern, ist die Strecke länger als üblich“, beruhigte er ihn. Ich bedankte mich dafür. beim Ober. „Ich bin in Gera geboren“, lautete sein erster Satz. Ich dachte sofort an meinen Vater. „Mein Vater hatte in Gera seine Jugend verbracht, seine Stiefmutter war dort geboren.“ „Ja, waren Sie denn mal da?“ „Kein einziges Mal bisher. Mein Früherer, ihr sagt Bekannter, stammt aus Jena. Da kauften wir seine Standardjeans, ich habe von Jena nur ein Kaufhaus gesehen.“ „Ja, Gera ist ne halbe Autostunde von Jena entfernt.“ „Er wäre keinen Umweg für mich gefahren oder hätte angehalten, selbst wenn mir

die Blase geplatzt wäre.“ „So sind Sie auf den Hund gekommen?“ „Nicht ganz, ein bissl.“ „Es hört sich bayrisch an. Ich muss heute Nacht mit dem ICC nach Ulm fahren, neuer Auftrag. Baupläne abliefern und besprechen.“ Der Ober machte darauf aufmerksam, dass an Nachbars Tisch ein anderer kleiner Hund saß und ich die Leine über die Stuhllehne legen sollte, damit sie sich nicht selbständig mache. Bonny zeigte mehr Interesse für Steve als für den anderen Hund. Sie lag wie auf der Lauer direkt unter seinem Stuhl und nahm alles wahr, was hier nun geschah.

Als wir uns mit den Speisekarten gegenüber saßen, konzentrierte ich mich auf die Weinkarten, die offenen Weine im 0,3 l Glas vor den Flaschen und Steve auf Fischspezialitäten des Atlantik. Ich entschied mich für Risotto a la casa, ein Sahne-Curry-Gemüse Risotto, das ich im Schaukasten vor der Eingangstür erpicht hatte und einen Rosé. Es war meine Unsicherheit.

Steve wählte den Atlantik-Fisch, der vom Ober am Tisch entgrätet wurde, was ich vorher nicht wusste. Sonst hätte ich mich auch über Fisch gefreut, der zart und saftig aussah, schneeweiß, als er enthüllt war. Der Ober hatte zwei Fische geholt, weil er mein Risotto als kleine Vorspeise betrachtete. Ich traute mich nicht zu sagen, dass ich jetzt auch Fisch essen möchte, als er lachte, dass er ihn selbst essen würde. „Leben Sie von Vorspeise sowie Nachtisch?“ „Wie es kommt, ab und zu gibt’ s größere Zwischenmahlzeit.“ „Alles andere isst Ihre Hündin mit?“ Bonny gab mir zu verstehen, dass sie ihn mag, was ich nicht gleich merkte, da ich einfach zu aufgeregt war und mich auf Steve und das Essen konzentrierte. Sie war unsichtbar geworden

unter seiner Sitzfläche. Er erzählte von seinem Berner Sennen, der ihm mal die Jacke zerrissen hatte in einer stürmischen Begrüßung, und dass

er ihn in keine Restaurants mitnehmen konnte.

Er hatte Zimmermann gelernt in Gera sowie sein Vater. Ich musste dabei an Jesus Chr. denken. Schon während dieses Telefonats fragte er mich in überraschender Weise: „Glauben Sie an Gott?“

Ich reagiere äußerst empfindsam auf jede Art von Ketzerei und Zynismus in diesem Sinn und fragte ihn: „Glauben Sie an Gott?“ Er besaß eine sehr direkte Art. Ich wollte heraus finden, wie ich seine Frage verstehen sollte. War es eine Provokation, Fangfrage, Satire und Spaß? Nach kurzer Pause, in der er tief Luft holte, antwortete er im Brustton der Überzeugung: „Jah,

ich glaube an Gott!“ Jetzt wusste ich, schon im Wechsel des Tonfalls zum Vorangegangenen, dass es ehrlich gemeint war. Ich fühlte mich wie klein beigegeben, als ich sagte: „Jah, ich glaube auch an Gott!“ Es war wie die Gegenwärtigkeit, die mich daran erinnern sollte, am Punkt angekommen, der sich in unteren Gefilden befand. Ich war voller Angst, alles wird gut.

Davor hatte er geflunkert, sonst wäre er nicht an mich heran gekommen. Es ärgerte ihn, dass er vor einer verschlossenen Tür stand. Was sagte mir ein befreundeter Kollege? „Herzelein, merke dir ein für allemal. Es gibt keine verschlossenen Türen, es gibt einfach nur geschlossene Türen. Ich bringe dir jetzt einmal bei, wie man so jede Tür aus den Angeln nimmt.“

„Was kennen Sie sonst aus dem Ostgebiet?“ „Rügen.“ Er musste herzlich lachen. „Ja, Rügen?“ „Na, auch Brandenburg natürlich.“ Wir kamen dem Thema unseres Zusammentreffens näher.

„Im Telefonbuch stand eine Nummer unter meinem Namen für Zepernick, also Kreis Barnim. Ich wohne da nicht mehr, sondern im Prenzlauer Berg.“ Ich nickte stumm und schaute schuldbewusst wie fragend zu ihm hinüber. „Sie versuchten, mich dort in zeitlichen Abständen zu erreichen?“ Ich hob und senkte ausdrucksstark meinen Kopf wie in einem Ja-ha. „Ich bin dort nicht mehr.“ Er hatte seit einer letzten Begegnung etwas verursacht, dass ich ihn wieder sprechen wollte. Doch meldete sich ein anderer Name, der mich irritierte. In Muschelhöhe des Hörers kam mal ein zirka vierjähriges Mädchen zu Wort: „Mama?“ Spontan war es, als hätte es mir die Sprache verschlagen. Ich versuchte es erneut. Aber wen ich sprechen wollte, jener hob nicht ab. Jetzt war mir das klar. Im Prinzip ging dies Missverständnis auch von ihm aus. Wie sollte ich auf die Idee kommen, dass ein Mann mit Kindern nicht mehr zuhause wohnt, den Kindern hatte er ein Haus gebaut.

Er war beruflich eingespannt, wohnte nicht bei der Mutter der Kinder, ein

Bauingenieur, der deutschlandweit baute und oft woanders schlief, über Nacht musste er nach Süddeutschland im ICC-Zug. Dafür sind die Foto-Handys entstanden: „Schau’ mal Lukas, dein Papa will dir „Gute Nacht“ sagen.“ Jetzt aßen wir im Südosten von Berlin. Danach musste er in den Nordwesten, einen Freund im Krankenhaus besuchen, immer auf Achse sozusagen. Bonny lauschte in heller Wachsamkeit, sie verstand zwar die Worte nicht, nahm aber unsere Stimmen mit Tonlage wahr. Steve nannte unsere Verbindung mystisch. Sie wurde wie unsichtbar gelenkt von dem ersten Moment, dem Tag der Wohnungsübergabe, als er sich mit seinem kräftigem Händedruck verabschiedete: „Alles Gute für Sie, Frau S.!“ Er schaute mir forsch in die Augen, und ich verlor kurz mein Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, hielt er meine Hand immer noch fest. Dabei

lachte er und fing mich auf. Zum Glück, sonst wäre ich rücklings in das französische Fenster gefallen. Es war zweieinhalb Jahre her. Steve ging zum Klo und ergriff im Vorübergehen meine Stuhllehne, dass ich genau solch innere Kraft merkte wie am Tag der Wohnungsübergabe, ein Licht ging von ihm aus. Als er wieder Platz nahm, fädelte er überraschend ein Thema ein, es mir nicht. Steve provozierte gern. „Na, dann erben Sie ja

ein Haus?“ Er lehnte sich zurück. „Nein!“, war meine Antwort. „Nein? Ach ja, Sie sprachen bei jenem Foto, das ich von Ihnen habe, von Ihrer Zwillingsschwester.“ „Das ist Wahlverwandtschaft.“ Er verstand sofort, ohne es von Goethe gelesen zu haben. „Tja, wenn Ihre Mutter in einem Haus in Bayern lebt?“„Trotzdem werde ich kein Haus erben.“ Steve im

Inbegriff der Provokation, er wusste nichts von meinen älteren Brüdern:

„Nein, ist Familie nicht wichtig?“ „Nein“, antwortete ich kurz, wie jetzt

ist Schluss. Ich hatte dabei das Gefühl, dass er mehr wusste, als er sagte.

Kraus-Falten lagen auf seiner Stirn, als ich abrupt das Thema wechselte:

„Was für ein schöner Abend! Wie schade, dass er zu Ende gehen muss!“

Mein Weinglas war zu einem Drittel voll. Ich schaffte es nicht, Alkohol schnell auszutrinken, auch nicht zum Essen. Steve rief den Kellner und bestellte zwei Espresso. Der Kellner brachte sie mit der Rechnung, die

er mir hinlegte. Steve gluckste, zog die Visa-Karte und unterschrieb sie.

Dann sprang er auf, suchte an der Garderobe meine Jacke, warf sie mir über, und ich schlüpfte hinein. Er war echter Gentleman ohne Schleim,

kein Spießer-Typ. Ich mochte ihn mehr, als ich mir eingestehen konnte.

Kein Jeanstyp, kein Anzugtyp, auch sein Outfit hatte individuellen Stil,

was man seltener sah. Bonny ging voraus, im typischen Watschelgang, gleich eines Panda-Bär, als wollte sie vor ihm kokettieren. Sie hatte die Atmosphäre und Anspannung bemerkt. Ich sagte, auf Wiedersehen und hoffte im Stillen ein Wiederhören. In drei Wochen hatte ich Geburtstag.

„Ja, die ist aber schön!“ Sie steckte dieses dicke Kompliment weg. Alle meine Tiere fielen durch besonderes Aussehen auf, vorher war das eine Katze, eine gesprenkelte, getigerte Perser-Katze mit weißem Mäulchen.

Die Zwergkaninchen, eine Braune und ihr weißer Junge mit viel Braun.

Bildschön, dass sie Tierärzten auffielen: „Hast du ein hübsches Gesicht!“

Steve eilte zum blauen Caravan und kramte in dem Handschuhfach nach einer Visitenkarte. Im Zweifel, ob ich sie annehmen sollte, steckte er sie

mir mit einem Lächeln schnell zu. „Aber ja doch!“ Ich blieb stehen, und Bonny mit erhobener Nase. Wir sahen dem Auto noch lange nach. Als er außer Sichtweite war, setzten wir unseren Weg fort zu diesem Haus, das von ihm erbaut worden war. Bonny hatte es sich ausgesucht oder geahnt, was für ein geheimer Zauber von ihm ausging. Im Aberglauben heißt es:

„Man sieht sich oft zweimal im Leben.“ Unser Wiedersehen blieb offen.

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