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§ 1 Gegenstand und Bedeutung des Handelsrechts

§ 1 Gegenstand und Bedeutung des Handelsrechts

Inhaltsverzeichnis

I. Konzeption der lex lata

II. Bedeutung des Handelsrechts und Verhältnis zum Bürgerlichen Recht

III. Fortentwicklung zum (Sonder-)Außenprivatrecht der Unternehmen?

IV. Rechtsvergleichung und Harmonisierung des Handelsrechts

§ 1 Gegenstand und Bedeutung des Handelsrechts › I. Konzeption der lex lata

I. Konzeption der lex lata

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Handelsrecht ist das Sonderprivatrecht der Kaufleute.[1] Dies bedeutet: Handelsrecht ist der Teil des Privatrechts, der für Kaufleute Sonderregelungen enthält. Die lex lata knüpft daher nicht „objektiv“ an einen acte de commerce an (wie das französische Recht, vgl. Art. 1 und 632 Code de Commerce von 1807), sondern hat sich für eine „subjektive Anknüpfung“ entschieden: Normadressat handelsrechtlicher Vorschriften ist nach der gesetzlichen Konzeption grundsätzlich nur der Kaufmann.[2] Weitere subjektive Anknüpfungen finden sich im Arbeitsrecht, das maßgeblich an den Arbeitnehmerbegriff anknüpft,[3] sowie im Verbraucherrecht, welches den Verbraucher iSd § 13 BGB in den Mittelpunkt seiner Schutzbemühungen stellt.[4]

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Allerdings gibt es im HGB vielfältige Ausnahmen von der Anknüpfung an den Kaufmann: Zum einen gelten bestimmte Regelungen auch für nichtkaufmännische Unternehmer – sei es bereits nach dem Wortlaut der lex lata (zB § 383 II HGB), sei es, weil sich die Rechtsentwicklung über die Beschränkungen des historischen Gesetzgebers hinweggesetzt hat (unten Rn. 18). Zum anderen unterliegen bestimmte Sachverhalte bereits dann dem Handelsrecht, wenn nur eine Partei Kaufmann ist (zB § 345 HGB, dazu unten Rn. 255).

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Der Spezialität des Handelsrechts wird auch im Zivilprozessrecht Rechnung getragen. Mit der Kammer für Handelssachen (KfH), geregelt im Siebenten Titel des GVG (§§ 93–114 GVG), besteht ein auf Handelssachen spezialisierter Spruchkörper, der sich auch in anderen Rechtsordnungen findet.[5] Die am Landgericht eingerichteten Kammern entscheiden nach Maßgabe des § 105 I GVG in der Besetzung mit einem Berufsrichter als Vorsitzendem und zwei ehrenamtlichen Handelsrichtern, die alle gleiches Stimmrecht haben (§ 105 II GVG). Während der Vorsitzende branchenspezifische Kenntnisse im Rahmen seiner Befassung mit Handelssachen iSd § 95 GVG erwirbt, muss es sich bei den Handelsrichtern um Kaufleute, Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder vergleichbar am Handelsverkehr beteiligte Personen handeln.

§ 1 Gegenstand und Bedeutung des Handelsrechts › II. Bedeutung des Handelsrechts und Verhältnis zum Bürgerlichen Recht

II. Bedeutung des Handelsrechts und Verhältnis zum Bürgerlichen Recht

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In einer Vielzahl handelsrechtlicher Vorschriften[6] werden Kaufleute strenger (zB Rügeobliegenheit gem. § 377 HGB)[7] oder auch großzügiger (zB Formfreiheit der Bürgschaft gem. § 350 HGB)[8] behandelt als Privatpersonen nach den einschlägigen Regelungen des BGB.[9] Diese Modifikation hat mehrere Gründe, die miteinander verwoben sind: Kaufleute sind aufgrund ihrer Geschäftsgewandtheit und -erfahrung weniger schutzbedürftig; daher ist es möglich, dem Interesse nach Schnelligkeit und Leichtigkeit des Handelsverkehrs Rechnung zu tragen. So kann einerseits der Spielraum der Privatautonomie erweitert, andererseits aber auch ein Mehr an Sorgfaltspflichten und kaufmännischen Obliegenheiten statuiert werden. Darüber hinaus ist für das Handelsrecht ein gesteigerter Verkehrs- und Vertrauensschutz charakteristisch (Beispiele: § 366 HGB, kaufmännisches Bestätigungsschreiben, gesetzlicher Umfang der Prokura; dazu unten Rn. 209 ff., 267, 269, 304, 308).[10] Wo es hingegen an handelsrechtlichen Spezialvorschriften und Rechtsfiguren fehlt, kann gem. Art. 2 I EGHGB auf die Vorschriften des BGB zurückgegriffen werden. Es ist gerade dieses Zusammenspiel bürgerlichrechtlicher und handelsrechtlicher Vorschriften, dessen Beherrschung im Referendar-[11] wie auch Assessorexamen[12] verlangt wird.

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Weiterhin enthält das HGB zahlreiche Organisationsvorschriften, die das Auftreten des kaufmännischen Unternehmens im Rechtsverkehr zum Gegenstand haben, nämlich das Register- (§§ 8 ff. HGB), das Firmen- (§§ 17 ff. HGB) und das Bilanzrecht (§§ 238 ff. HGB). Von ganz besonderer Bedeutung für das Examen sind hier Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der Publizität des Handelsregisters (§ 15 HGB, dazu unten Rn. 59 ff.) und der Haftung bei Fortführung eines Unternehmens durch den Erwerber oder Erben gem. §§ 25 ff. HGB (unten Rn. 152 ff.).

§ 1 Gegenstand und Bedeutung des Handelsrechts › III. Fortentwicklung zum (Sonder-)Außenprivatrecht der Unternehmen?

III. Fortentwicklung zum (Sonder-)Außenprivatrecht der Unternehmen?

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Teile der Rechtswissenschaft wollen das Handelsrecht zu einem speziellen Außenprivatrecht der Unternehmen fortentwickeln.[13] Dieser Gedanke ist reizvoll, wenngleich nicht unumstritten.[14] Jedenfalls sind Rechtsfortbildungen durch das geschriebene Recht verschiedentlich Grenzen gezogen, die nur der demokratisch legitimierte Gesetzgeber verschieben kann.[15] Examenskandidaten sind gut beraten, sich im Rahmen der Fallbearbeitung am gesicherten Stand von Rechtsprechung und Lehre zu orientieren.

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Davon zu unterscheiden ist allerdings die Frage nach der (analogen) Anwendung handelsrechtlicher Vorschriften auf Nichtkaufleute in speziellen Konstellationen.[16] Hierauf wird etwa im Rahmen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens (unten Rn. 284) und für den redlichen Erwerb von beweglichen Sachen nach § 366 HGB (unten Rn. 304, 310) zurückzukommen sein.

§ 1 Gegenstand und Bedeutung des Handelsrechts › IV. Rechtsvergleichung und Harmonisierung des Handelsrechts

IV. Rechtsvergleichung und Harmonisierung des Handelsrechts

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Während neben Deutschland und Frankreich auch Spanien, Portugal, Brasilien und Japan durch eine Zweiteilung des Privatrechts in große Kodifikationen des Zivilrechts einerseits und des Handelsrechts andererseits gekennzeichnet sind, existiert in anderen Rechtsordnungen, wie zB in der Schweiz und den skandinavischen Länder[17], kein gesondertes Handelsrecht. Eine dritte Gruppe von Rechtsordnungen, zu der beispielsweise Italien und die Niederlande gehören, verfügte zunächst über ein eigenständiges Handelsrecht, gab diese Zweiteilung im Laufe der Zeit aber wieder auf. Nun verfügen diese Staaten jeweils über ein einheitliches Zivilgesetzbuch, das allerdings auch spezielle materielle Regelungen des Handelsrechts enthält.[18]

9

Bei einem transatlantischen Vergleich wird deutlich, dass die USA über ein einheitliches Handelsrecht verfügt, das die Europäische Union bisher vermissen lässt.[19] Eine gewisse Harmonisierung des europäischen Handelsrechts hat bisher nur im Rahmen von EU-Sekundärrecht, Völkerrecht und einzelnen Übereinkommen stattgefunden. Exemplarisch dafür steht die (frühere) Publizitätsrichtlinie,[20] die sich inzwischen in der konsolidierten Gesellschaftsrechtsrichtlinie (GesRRL)[21] findet[22] und im Zuge der Digitalisierungsrichtlinie[23] nicht unerhebliche Änderungen erfahren hat (unten Rn. 52). Erwähnenswert erscheinen auch die nicht mehr zum Pflichtfachstoff gehörende Handelsvertreterrichtlinie[24] oder auch die in der konsolidierten GesRRL aufgegangene Zweigniederlassungsrichtlinie.[25] Demgegenüber hat die Diskussion über ein Europäisches Handelsgesetzbuch gerade erst begonnen.[26]

Anmerkungen

[1]

Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 1; K. Schmidt, Handelsrecht, § 1 Rn. 1.

[2]

K. Schmidt, Handelsrecht, § 1 Rn. 4; Fischinger, Handelsrecht, Rn. 2.

[3]

Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, § 2 Rn. 91. – Zum Arbeitsrecht im HGB siehe Wank JA 2007, 321 ff.

[4]

Instruktiv zu Fragen der Anwendung des BGB, HGB und Verbraucherrechts: Wolf/v. Bismarck JA 2010, 841 ff. Zum Verbraucherrecht insgesamt Schürnbrand/Janal, Examens-Repetitorium Verbraucherschutzrecht, 3. Aufl. 2018.

[5]

Zu Entwicklungslinien und Zukunftsperspektiven ausf. Fleischer/Danninger ZIP 2017, 205 ff.; rechtsvergleichend Fleischer/Cools RabelsZ 81 (2017), 608 ff.

[6]

Eine Auflistung der wichtigsten Abweichungen findet sich etwa bei Brox/Henssler, Handelsrecht, Rn. 21.

[7]

Ausf. unten Rn. 336 ff.

[8]

Ausf. unten Rn. 318.

[9]

Aber auch das BGB differenziert zwischen dem weniger schutzbedürftigen Unternehmer (§ 14) und dem schutzbedürftigen Verbraucher (§ 13): §§ 241a, 288 II, 310 III, 312 ff., 355 ff., 474 ff., 491 ff., 499, 500, 501, 505 ff. und 661a BGB.

[10]

Brox/Henssler, Handelsrecht, Rn. 7 ff.; Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 15 ff.

[11]

Für einen Überblick vgl. Petersen Jura 2013, 377 ff.; Steinbeck Ad Legendum 2013, 298 ff.

[12]

Dazu im Überblick Markgraf/Kießling JuS 2010, 881 ff.

[13]

So insbesondere K. Schmidt, Handelsrecht, § 1 Rn. 21 f., § 2 Rn. 10.

[14]

Tendenziell abl. Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 27 ff.

[15]

Abl. die hM: Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 24 mwN; zur Rechtsfortbildung im Gesellschaftsrecht Röthel, FS K. Schmidt II, 2019, 273, 281 ff.

[16]

K. Schmidt, Handelsrecht, § 2 Rn. 20 ff.; Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 25.

[17]

Fischer, Schwedisches Handels- und Verfahrensrecht, 1965, S. 13 f.

[18]

Ausf. zum europäischen Ist-Zustand Lehmann ZHR 181 (2017), 9, 15 f.

[19]

Zur Diskrepanz zwischen den USA und der EU Magnus, FS Drobnig, 1998, S. 58.

[20]

Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 9. März 1968, ABl. vom 14. März 1968 Nr. L 65/8; abgelöst durch Richtlinie 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 18 Absatz 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (EU-Publizitätsrichtlinie 2009), ABlEU vom 1. Oktober 2009, L 258/11.

[21]

Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABlEU vom 30. Juni 2017 Nr. L 169/46.

[22]

Siehe dazu ausf. Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, § 18 (mit Abdruck der RL).

[23]

Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der RL 2017/1132/EU im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht, ABlEU vom 11. Juli 2019 Nr. L 186/80.

[24]

Richtlinie 86/653/EWG des Rates v. 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbstständigen Handelsvertreter, ABlEG Nr. L 382/17.

[25]

Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates v. 21. Dezember 1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, ABlEG Nr. L 395/36, heute Teil VI der neuen GesRRL (bei Fn 21); dazu näher Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht § 26.

[26]

Dazu ausf. Lehmann ZHR 181 (2017), 9, 18 ff.; zu Vor- und Nachteilen einheitlicher Regelungen am Beispiel der USA vgl. die Studie von Ribstein/Kobayashi, 25 Journal of Legal Studies (1996), 131, 137 ff.

§ 2 Kaufmannseigenschaft

§ 2 Kaufmannseigenschaft

Inhaltsverzeichnis

I. System der §§ 1–6 HGB

II. Der Grundtatbestand des § 1 HGB

III. Scheinkaufmann

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In Klausuren stellt sich die Frage der Kaufmannseigenschaft regelmäßig nur mittelbar, etwa im Rahmen der Prüfung, ob der Kauf „für beide Teile ein Handelsgeschäft“ und deshalb § 377 HGB anwendbar ist.[1] In diesem Zusammenhang kann dann zB auch die Abgrenzung zwischen der OHG – die ein Handelsgewerbe betreibt und Kaufmann ist – und der (nichtkaufmännischen) BGB-Gesellschaft erforderlich werden (ausf. unten Rn. 437, 472 f.). Ein häufiger Fehler ist es, wenn sich Studierende in diesem Fall ohne weitere Überlegung auf § 1 HGB stürzen, diese Vorschrift durchsubsumieren und dabei ihr Lehrbuchwissen loswerden wollen. Eine gute Falllösung zeichnet sich gerade dadurch aus, dass der Bearbeiter die Systematik der §§ 1–6 HGB erkennt und die praktischen Hilfestellungen des Gesetzes in sachgerechter Weise nutzt. So ist es etwa verfehlt, die Kaufmannseigenschaft eines in das Handelsregister eingetragenen Unternehmers mit der Argumentation in Frage zu stellen, er sei nur ein Kleingewerbetreibender (mag dies auch zutreffen) und deshalb gem. § 1 II Hs. 2 HGB nicht Kaufmann; dieses Ergebnis ist wegen § 2 S. 1 HGB, zumindest wegen § 5 HGB unrichtig (unten Rn. 22).

11

Anders ist dagegen zu prüfen, wenn zB in einer Anwaltsklausur die Frage aufgeworfen wird, ob der Mandant, der ein neues Unternehmen gegründet hat, Kaufmann ist und welche Schritte nunmehr einzuleiten sind. Bei dieser Fragestellung steht materiell § 1 HGB im Vordergrund. Wird die Kaufmannseigenschaft bejaht, dann tritt ergänzend die Anmeldepflicht gem. § 29 HGB hinzu (unten Rn. 54). Ähnlich ist das Prüfungsprogramm, wenn etwa eine bislang nicht in das Handelsregister eingetragene vermögensverwaltende Personengesellschaft die Auskunft begehrt, ob sich die persönliche Haftung ihrer Gesellschafter (unten Rn. 470, 595 ff.) durch Umwandlung in eine KG begrenzen lässt: Die Antwort ergibt sich hier aus §§ 105 II, 2 HGB (iVm § 161 II HGB).

§ 2 Kaufmannseigenschaft › I. System der §§ 1–6 HGB

I. System der §§ 1–6 HGB

1. Istkaufmann

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Kaufmann iSd HGB ist nach dem Grundtatbestand des § 1 I HGB, „wer ein Handelsgewerbe betreibt“. Diese gesetzliche Qualifikation ist zwingend; auf die (hier nur deklaratorische[2]) Handelsregistereintragung (Rn. 58) kommt es deshalb nicht an. Daher die Bezeichnung: Istkaufmann.[3]

2. Kannkaufmann

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Dies gilt allerdings gem. § 1 II Hs. 2 HGB nicht für den Kleingewerbetreibenden. Dieser ist jedoch kraft Gesetzes berechtigt, die Kaufmannseigenschaft durch (hier konstitutive[4]) Eintragung in das Handelsregister zu erwerben (§ 2 HGB). Praxisrelevant ist diese Option weniger für den Einzelkaufmann als für die kleingewerbliche Personengesellschaft. Sie ist materiell BGB-Gesellschaft, also Nichtkaufmann (unten Rn. 473). Durch Eintragung kann sie gem. §§ 161 II, 105 II 1 Hs. 2 iVm § 2 HGB zur KG werden und so die persönliche Haftung ihrer Gesellschafter begrenzen (dazu oben Rn. 11 sowie ausf. unten Rn. 478, 633 ff.). Ein solches Wahlrecht haben auch die land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen, die grundsätzlich nicht dem Handelsrecht unterfallen (§ 3 HGB). Da sowohl der Kleingewerbetreibende als auch der Land- und Forstwirt kraft freiwilliger Eintragung die Kaufmannseigenschaft erlangen können, spricht man insoweit vom Kannkaufmann.[5]

3. Formkaufmann

14

Der Vorschrift des § 6 HGB kommt nur eine klarstellende Funktion zu. Sie bestimmt, dass Handelsgesellschaften kraft ihrer Rechtsform Kaufleute sind – daher auch die Bezeichnung Formkaufmann.[6] Abs. 1 bestimmt, dass die Kaufmannsvorschriften auch auf Handelsgesellschaften Anwendung finden. Dies ist eine Selbstverständlichkeit, denn die Rechtsform der Personenhandelsgesellschaft (OHG, KG und EWIV) hat zur Voraussetzung, dass entweder ein Handelsgewerbe iSv § 1 HGB betrieben wird (§ 105 I HGB) oder die Eintragung im Handelsregister gem. § 2 HGB erfolgt ist (§ 105 II HGB).[7] Die Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA und SE) sind bereits nach ihren eigenen spezialgesetzlichen Regelungen stets Kaufleute.[8] Dies gilt auch dann – und das wird von Abs. 2 nochmals ausdrücklich hervorgehoben –, wenn ihr Unternehmensgegenstand nicht der Betrieb eines (Handels-)Gewerbes ist (§§ 3 I, 278 III AktG, § 13 III GmbHG). So ist insbesondere auch auf Unternehmen der öffentlichen Hand, die in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft organisiert sind, aber kein (Handels-)Gewerbe betreiben, Kaufmannsrecht anwendbar; zweifelhaft ist allein die Anwendung handelsrechtlicher Vorschriften auf öffentliche Unternehmen mit anderer Rechtsform (dazu unten Rn. 28 ff., 393).

15

Hinweis für die Klausur:

Handelt also ein Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, so ergibt sich die Kaufmannseigenschaft unmittelbar aus § 6 II HGB; die Voraussetzungen der §§ 1–3 HGB sind nicht zu prüfen. Dies gilt allerdings nur, wenn bereits die Eintragung im Handelsregister erfolgt ist; auf sog. Vorgesellschaften (zum Begriff unten Rn. 507) findet § 6 II HGB dagegen keine Anwendung.[9] Handelsgesellschaft ist die Vorgesellschaft nur (aber auch stets), wenn sie ein Handelsgewerbe iSv § 1 HGB betreibt.[10]

16

Problematisch ist, ob auch auf die Gesellschafter einer Handelsgesellschaft die Vorschriften über Kaufleute Anwendung finden:

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Fall 1:[11]

Der persönlich haftende Gesellschafter G der X-OHG sowie der Alleingesellschafter-Geschäftsführer A der Y-GmbH haben sich gegenüber dem Lieferanten L für eine Schuld des Unternehmers U per Telefax verbürgt.

18

Die Übersendung einer Bürgschaftsurkunde durch Telefax wahrt nicht die gem. § 766 BGB geforderte Schriftform (vgl. § 126 BGB).[12] Die Bürgschaft wäre somit nach allgemeinen Regeln aufgrund des Formmangels gem. § 125 S. 1 BGB nichtig.[13] Formlos sind Bürgschaften nach § 350 HGB nur wirksam, wenn sie für G und A Handelsgeschäfte sind. Dies setzt voraus, dass G und A Kaufleute sind (§§ 343, 344 HGB).[14] Kaufmann ist jedoch stets nur der Unternehmensträger selbst, also die Kapitalgesellschaft als juristische Person, aber auch die Personenhandelsgesellschaft (Trennungsprinzip). Daher sind bei streng dogmatischer Betrachtung die Gesellschafter generell nicht Kaufleute. Dies ist für Anlagegesellschafter (Aktionäre oder Kommanditisten[15]) auch allgemein anerkannt. Die Kaufmannseigenschaft wird vom BGH jedoch auch für den Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH verneint;[16] für den persönlich haftenden Gesellschafter einer OHG oder KG in Übereinstimmung mit der ganz hL[17] dagegen bejaht.[18]

19

Dieser Auffassung ist nur im Ergebnis zu folgen. Dogmatisch stimmig wird die hM allein durch eine Veränderung der Blickrichtung: Es kommt nicht darauf an, ob der Gesellschafter einer Handelsgesellschaft Kaufmann ist – dies ist generell zu verneinen –, sondern ob die betreffende Norm (hier: § 350 HGB) nach ihrem Zweck auch auf bestimmte Nichtkaufleute entsprechend anwendbar ist.[19] Diese Frage kann – unabhängig vom Recht zur Geschäftsführung[20] – im Hinblick auf einen persönlich haftenden Gesellschafter (wie hier G) in Übereinstimmung mit der hM bejaht werden.[21] Dagegen erscheint es nicht angebracht, den Schutz des § 766 BGB dem geschäftsführenden (Allein-)Gesellschafter einer GmbH – hier A – zu verweigern.[22]

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