Читать книгу: «Im Zentrum der Wut», страница 2

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3.

Die beiden Streithähne hatten sich beruhigt.

„War es das T-Shirt?“, fragte Leo, dem der nun ständig auf- und abgehende Kevin Sparks mächtig auf die Nerven ging.

„Was?“

„Wurde ich wegen meines T-Shirts heute besonders gründlich kontrolliert?“, wiederholte Leo.

„Nein, obwohl ich das echt hässlich finde. Sie müssen froh sein, dass Sie deshalb von Royalisten nicht eine in die Schnauze bekommen haben. Unsere Queen ist uns Briten heilig, auch wenn wir sie nicht alle mögen und viele von uns die Monarchie abschaffen wollen.“

„Warum dann?“

„Routinekontrolle, seit gestern besteht eine erhöhte Terrorwarnung.“

„Und ich sehe aus wie ein Terrorist?“

„Zum einen ist es verdächtig, dass Sie außer Ihrem Handgepäck nichts bei sich haben, das allein ist schon ungewöhnlich. Zum anderen ist es Ihr Erscheinungsbild.“

„Was ist damit? Ich sehe völlig normal aus!“

„In Ihren Augen mag das so sein und das nehme ich Ihnen sogar ab.“ Für Kevin Sparks war das Gespräch beendet, aber für Leo noch lange nicht. Er stand auf.

„Was soll an mir nicht stimmen?“, fragte er nun gekränkt. Er war es leid, dass jeder Dahergelaufene an ihm und seinem Outfit herummäkelte.

„Sie sehen aus, als wären Sie in den achtziger Jahren hängengeblieben. Die Jeans hat einen unmöglich altmodischen Schnitt, die Lederjacke ist mindestens zehn Jahre alt und Ihre Cowboystiefel haben auch schon bessere Zeiten gesehen. Und wo, zum Henker, haben Sie eigentlich dieses potthässliche Bordcase gefunden? Auf dem Sperrmüll?“

Jetzt war Leo richtig sauer. Ja, das Bordcase war reine Geschmackssache. Es war aus hellblauem Kunstleder, auf dem sich alte Aufkleber befanden. Dieses Bordcase, das eigentlich keines war, war einwandfrei und gehörte früher seiner Mutter, die damit weit gereist war.

Noch bevor er etwas auf diese ungeheuerlichen Frechheiten erwidern konnte, klopfte es an der Tür. Nicht zaghaft, sondern heftig.

Leo machte Anstalten, die Tür zu öffnen, aber Sparks hielt ihn zurück.

„Es ist bei einem Terroranschlag untersagt, die Tür zu öffnen“, sagte er bestimmt.

„Das ist ja lächerlich! Erstens wissen wir noch nicht, was wirklich passiert ist, weil wir hier sinnlos in diesem kleinen Kämmerlein sitzen, und zweiten…“

„Und zweitens?“

„Ach, leck mich!“ Leo hatte die Türklinke schon in der Hand, da bekam er von Sparks einen heftigen Schubs, der ihn fast zu Fall gebracht hätte.

„Wer ist da?“, rief Sparks laut, aber er bekam keine Antwort. „Hallo? Wer ist da?“, wiederholte er.

Anstelle einer Antwort klopfte es erneut.

Nun wurde Leo hellhörig, denn die Reaktion war nicht normal. Diesmal gab er Sparks einen heftigen Schubs, wodurch dieser hart auf den Boden fiel. Noch bevor Sparks realisieren konnte, was gerade passierte, gab es einen Schuss, gefolgt von einem zweiten.

Die beiden Männer sahen sich erschrocken an. Sie saßen in der Falle.

4.

Hans Hiebler reagierte sofort, als er kapierte, was ihm Christine Künstle gerade berichtete. Als sie ihn nicht erreichte, war sie zu ihm gefahren und hatte ihn quasi überfallen. Er nahm seinen Geldbeutel und den Autoschlüssel.

„Krohmer weiß Bescheid?“

„Nein, wie denn? Auch er hat sein Handy ausgeschaltet….“

„Gut.“ Hans wählte die Nummer seines Chefs Rudolf Krohmer, erreichte ihn aber nicht. Dann wählte er die Nummer von Krohmers Frau. „Es ist dringend, Luise, ich brauche den Chef.“ Krohmer hörte gespannt zu, auch der reagierte erschrocken. Warum hatte er gerade heute entgegen seiner Gewohnheit die Nachrichten nicht verfolgt? Sofort schaltete er den Fernseher ein. Die Bilder schockierten ihn.

„Ich fliege nach London und versuche dort, ihm zu helfen“, sagte Hans fest entschlossen.

„Was wollen Sie dort ausrichtigen? Überstürzen Sie nichts, Hiebler. Sie werden keinen Flug bekommen, die Flughäfen sind sicher alle dicht.“

„Machen Sie sich darüber keine Sorgen, ich werde einen Flug bekommen. Versuchen Sie, sich ein Bild über die Lage in Heathrow zu verschaffen und informieren Sie Leo.“ Er gab Krohmer die Nummer des Engländers. „Leos Handy ist zu jeder vollen und die von Sparks zu jeder halben Stunde eingeschaltet. Drücken Sie uns die Daumen!“

„Mach ich! Melden Sie sich bei mir, sobald Sie einen Flug haben, verstanden?“

„Alles klar, Chef.“

Krohmer schaltete den Fernseher ein und notierte alle wichtigen Punkte. Er verstand den Kollegen Hiebler, er an seiner Stelle hätte auch so gehandelt.

Hans lief zum Wagen, während er versuchte, einen Flug nach London zu bekommen. Christine ignorierte er einfach. Die war stinksauer und konnte nur seinem Wagen hinterhersehen. Sie stieg in ihren und fuhr davon. Für sie war klar, was sie jetzt tun musste. Sie rief Tante Gerda an, die neben dem Telefon wartete.

„Dein unverschämter Neffe hat mich einfach stehen lassen. Kannst du mir einen Gefallen tun, Gerda? Kannst du versuchen, einen Flug nach London für mich zu buchen? Die Fluggesellschaft und der Preis sind völlig egal. Buche einfach den nächstbesten Flug nach London.“

„Ich werde es versuchen“, sagte Tante Gerda.

„Prima. Ich fahre direkt zum Flughafen, ich habe alles bei mir, was ich brauche. Bitte ruf mich an, wenn du einen Flug für mich buchen konntest.“

Tante Gerda war verzweifelt. Sie nahm ihren Laptop und rief die entsprechenden Seiten auf.

Hans ging es ähnlich wie seiner Tante, wobei seine Suche während der Fahrt sehr viel komplizierter war. Er musste die entsprechenden Nummern der Airlines, die ihm einfielen, mithilfe seines Handys herausfinden und gleichzeitig auf den Verkehr achten. Er rief eine Fluggesellschaft nach der anderen an, aber niemand konnte oder wollte ihm helfen. Es war nicht mehr weit bis zum Flughafen, die Zeit drängte. Obwohl es Sonntagabend war, rief er auch alle Reisebüros an, die er fand. Was sollte er sonst tun?

Hans war am Flughafen angekommen und stellte seinen Wagen ab. Rückblickend war er sehr froh darüber, dass die Fahrt reibungslos verlaufen war und nichts passiert war, auch wenn es ihm nicht gelang, einen Platz in einer Maschine nach London zu buchen. Sofort ging er von einem Schalter zum nächsten und hatte bei einer Airline endlich Glück. Es gab tatsächlich einen Platz in einer Maschine nach London-Stansted, die um einundzwanzig Uhr dreißig startete. Stansted war zwar von Heathrow weit entfernt, aber die Strecke konnte er mit einem Mietwagen bewältigen. Der Ticketpreis war horrend, um nicht zu sagen, völlig unverschämt. Da er kein Gepäck bei sich hatte, konnte er sich zumindest die völlig überhöhten Kosten dafür sparen. Dass es keine freie Bordverpflegung gab, interessierte ihn hingegen herzlich wenig. Die lustlose Dame am Schalter wurde auch nicht freundlicher, als er noch einen Mietwagen dazu buchte. Sie gab ihm wortlos die Kreditkarte zurück und sah ihn dabei noch nicht einmal an. Normalerweise würde sich Hans darüber ärgern, aber momentan war er nur froh, einen Flug bekommen zu haben. Nachdem er seinen Chef Krohmer informiert hatte, ging er durch die Sicherheitsschleuse, holte sich einen Kaffee und konnte durchatmen. Alles war geregelt. Es war jetzt gleich neunzehn Uhr. Was würde ihn in London erwarten?

Krohmer wartete und rief dann Leos Nummer an. Der hatte vor einer Minute sein Handy eingeschaltet und war erleichtert, Krohmers Stimme zu hören. Er kauerte mit Sparks in der sicheren Ecke, während auf die Tür geschossen wurde.

Krohmer gab einen groben Bericht darüber ab, was er aus den Nachrichten erfahren hatte. Und das war leider nicht viel.

„Der Reporter sagte, dass von außen keine Schäden am Gebäude festzustellen sind. Über Tote und Verletzte gibt es noch keine zuverlässigen Aussagen.“

„Danke, Chef.“

„Geht es Ihnen gut?“

„Momentan nicht. Auf unsere Tür wird geschossen. Ich schalte das Handy aus. Vielleicht hören wir uns später noch.“ Dann wurde die Verbindung unterbrochen.

Krohmer war geschockt über das, was er eben gehört hatte. Es wurde geschossen! Seine Frau hatte das Gespräch mit angehört.

„Mach dir keine Sorgen, mein Lieber. Leo kommt wieder wohlbehalten zurück, ganz sicher.“ Luise Krohmer machte sich zwar ebenfalls große Sorgen, trotzdem versuchte sie, immer alles positiv zu sehen.

„Wollen wir es hoffen.“ Krohmer setzte sich wieder vor den Fernseher, er musste für den nächsten Anruf unbedingt auf dem Laufenden bleiben.

Tante Gerda gab ihr Bestes. Sie rief geduldig eine Airline nach der anderen an und war so charmant wie möglich. Endlich hatte sie Glück. Sie konnte ein Ticket buchen und bezahlte per Sofortüberweisung. Nur zehn Minuten später bekam sie die Zahlungsbestätigung. Dann rief sie Christine an.

„Das Ticket ist für dich hinterlegt, es ist bereits bezahlt.“

„Ich habe zwar keine Ahnung, wie du das geschafft hast, aber ich bin mächtig stolz auf dich! Vielen Dank, meine Liebe. Du bekommst das Geld selbstverständlich zurück.“

„Willst du mich beleidigen? Geld spielt doch jetzt überhaupt keine Rolle! Das ist mein bescheidener Anteil in der Sache, mehr kann ich leider nicht tun. Pass auf dich und meinen Hans auf. Ihr beide bringt mir Leo gesund zurück, hörst du?“

„Wir tun unser Bestes. Ich melde mich wieder. Drück die Daumen, Gerda!“

Christine trat das Gaspedal durch, auf Geschwindigkeitsbegrenzungen und Überholverbote konnte sie keine Rücksicht nehmen. Ob Leo noch am Leben war? Sie stellte sich die schlimmsten Szenarien vor, bis sie sich dazu zwang, positiv zu denken. Leo war nicht tot und auch nicht in Lebensgefahr! Das durfte einfach nicht sein!

5.

„Läuft alles nach Plan?“, wollte John wissen. Er sah auf die Uhr, die zweite Phase hätte vor zwanzig Minuten beginnen müssen und wäre in Kürze beendet.

„Selbstverständlich. Peter und ich haben wie vereinbart einzelne Schüsse abgegeben, nachdem die Bomben hochgegangen sind. Hier herrscht eine Panik, die dir gefallen würde.“

„Hoffentlich habt ihr nicht übertrieben“, sagte John, der seinen Bruder sehr gut kannte. Carter übertrieb gerne und handelte auf eigene Faust, was er ihm diesmal strikt verboten hatte. Eigentlich wollte er seinen Bruder nicht dabei haben und wählte lieber einen zuverlässigen Mann, dieser aber wurde vorgestern leider verhaftet. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als auf seinen Bruder zurückzugreifen. „Habt ihr an die Masken gedacht?“

„Klar. Denkst du, wir sind doof?“

„Ich muss mich auf dich verlassen können, Carter. Du weißt, was du zu tun hast?“

„Selbstverständlich! Du denkst wirklich, dass ich dumm bin, oder?“

„Wenn das so wäre, hätte ich dich nicht mit an Bord genommen. Ich vertraue dir, kleiner Bruder. In fünf Minuten haut ihr ab und fahrt direkt nach Croydon. Der Wagen steht für dich bereit. Wenn alles erledigt ist, meldest du dich bei mir. Du hältst dich exakt an den Zeitplan und bleibst keine Minute länger. Hast du verstanden?“

„Klar.“ Carter war sauer auf seinen Bruder, der in ihm immer noch den kleinen, dummen Jungen sah, der er mit seinen zweiunddreißig Jahren längst nicht mehr war. Ob sich das irgendwann mal ändern würde? Wie oft musste er sich noch beweisen, um endlich vor ihm bestehen zu können? Als er von John vor zwei Tagen auf diesen Job angesprochen wurde, hatte er spontan zugesagt, obwohl er bis jetzt immer noch nicht wusste, worum es eigentlich wirklich ging. John wollte in Heathrow Unruhe stiften, das war klar. Aber warum, wollte er ihm nicht verraten und das ärgerte ihn. Diesen Job musste er auf jeden Fall ganz nach Johns Anweisungen hinter sich bringen. Vielleicht konnte er ihn dann endlich davon überzeugen, dass er sich auf ihn verlassen konnte.

Carter sah sich nach Peter um, der sich eigentlich immer in seiner Nähe aufhalten sollte. Wo war der Trottel? Wütend machte er sich auf die Suche nach ihm. Nur noch drei Minuten und ihr Auftrag war am Flughafen zu Ende. Je mehr Zeit verging, desto wütender wurde er. Von Peter war weit und breit nichts zu sehen. Die fünf Minuten waren längst um. Carter wurde nervös. Dann hörte er Schüsse. Was sollte das? Carter rannte auf die Schussgeräusche zu. Als er Peter sah, wie er auf eine verschlossene Tür schoss, hätte er kotzen können.

John war kurz vor seinem Ziel angekommen. Der Parkplatz des Tower of London war nicht ganz so voll wie sonst. Es war spät und in einer halben Stunde wurden die Tore der Touristenattraktion geschlossen. Trotzdem tummelten sich immer noch jede Menge Menschen auf dem Vorplatz. John kaufte ein Ticket, wobei er sich von der gelangweilten Frau belehren lassen musste, dass sich ein Besuch jetzt eigentlich nicht mehr lohnen würde. Normalerweise würde er sich einen Spaß daraus machen, die Frau zur Weißglut zu bringen, aber dafür war jetzt keine Zeit, jede Minute zählte. John bedankte sich und ging auf sein Ziel zu.

Es war Zeit für Phase drei.

6.

„Was machst du hier?“, rief Hans Hiebler viel zu laut, als er fassungslos zusehen musste, wie sich Christine Künstle im Flugzeug direkt neben ihn setzte und ihre riesige Handtasche wie selbstverständlich unter seine Füße schob, da bei ihr kein Platz dafür war. Die Tasche war nicht das Problem, es ging um Christine selbst, die er nicht brauchen konnte.

„Was ich hier mache? Ich fliege nach London. Was dagegen?“

„Ich weiß, was du vorhast! Nein, du kommst nicht mit, das kannst du vergessen! Du steigst sofort wieder aus!“ Hans war außer sich. Es war ihm klar, dass sich Christine große Sorgen um Leo machte, aber das ging dann doch zu weit!

„Was erlaubst du dir? Mir hat niemand vorzuschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe, auch Du nicht!“

„Ich verstehe, dass du dich sorgst, aber du hast in London nichts verloren! Ich habe keine Ahnung, was mich dort erwartet und habe keine Lust, auch noch auf dich aufpassen zu müssen. Einen Klotz am Bein kann ich nicht brauchen. Bitte sei vernünftig und steig wieder aus!“ Hans flehte Christine geradezu an.

„Ich bin also ein Klotz am Bein? Du musst nicht auf mich aufpassen, dass schaffe ich sehr gut alleine! Und jetzt halt den Mund, bevor ich mich vergesse!“ Christine war stinksauer.

„Gibt es Probleme?“, fragte die genervte Flugbegleiterin, die nicht scharf darauf war, nach London fliegen zu müssen. Der Anschlag auf Heathrow hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet und dabei wurden die wildesten Gerüchte gestreut. Man munkelte, dass Heathrow nicht der einzige Flughafen für einen Anschlag bleiben würde und Stansted, das Ziel dieses Fluges, wurde bereits namentlich genannt.

„Die Dame möchte gerne aussteigen“, sagte Hans, nachdem Christine nicht reagierte.

„Nein, möchte ich nicht. Ich habe ein gültiges Ticket und fliege nach London. Sagen Sie dem Herrn, dass er mich nicht weiter belästigen soll.“

Die Flugbegleiterin war völlig überfordert. Was sollte sie tun? Sie ging zu ihrem Vorgesetzten und schilderte den Fall, während Hans weiter versuchte, Christine zum Gehen zu bewegen. Er brachte überzeugende Argumente vor, die alle an ihr abprallten. Christine sagte kein Wort mehr und blickte nur stur geradeaus. Nichts und niemand würde sie von diesem Flug abhalten können.

„Was sollen wir tun?“, fragte die Flugbegleiterin verzweifelt. „Du siehst ja selbst, dass der Mann möchte, dass die Frau aussteigt.“

„Beide haben gültige Tickets. Wenn sie ein persönliches Problem miteinander haben, sollen sie das unter sich klären.“

„Wäre es nicht besser, wenn wir die beiden auseinandersetzen?“

„Wenn du jemanden findest, der freiwillig seinen Platz räumt, bezweifle ich, dass die Frau darauf eingeht. Sieh doch nur, wie sie dasitzt. Nein, die gibt ihren Platz nicht auf, die Sorte Frau kenne ich. Spar dir die Mühe, das ist es nicht wert.“

„Und wenn die beiden Probleme machen?“

„Dann können wir immer noch reagieren. Lass uns diesen Flug so schnell wie möglich hinter uns bringen. Ich bin froh, wenn ich wieder heil aus England raus bin. Du kennst die Gerüchte um vermeintliche Anschläge?“

„Leider ja.“ Die Flugbegleiterin stimmte ihrem Vorgesetzten zu. Da es an Bord nur eine kleine Auswahl an Verpflegung gab, hatte sie eigentlich einen ruhigen Flug vor sich. Sie hoffte darauf, dass die beiden Passagiere in Reihe 17 keine Probleme machten, denn darauf konnte sie gerne verzichten.

Christine kochte innerlich. Was fiel Hans eigentlich ein? Nur, weil sie ein paar Jahre älter war, musste sie sich nicht so dumm von ihm anreden und bevormunden lassen. Hatte er nicht auch Recht mit seinen Argumenten? Mag sein. Leo war in Gefahr und sie würde es sich um nichts in der Welt nehmen lassen, zumindest zu versuchen, ihm zu helfen. Wie sie das anstellen wollte, wusste sie noch nicht, ihr würde zur gegebenen Zeit noch das Richtige einfallen. Die erste Hürde war, nach London zu gelangen und dabei war sie gerade.

Hans war zwar wütend, aber langsam beruhigte er sich wieder. Je mehr er über Christine und das, was er ihr an den Kopf geworfen hatte, nachdachte, desto mehr schämte er sich. Christine kannte Leo schon sehr viel länger und reagierte so, wie er schließlich auch reagiert hatte. Er versuchte eine kleine Wiedergutmachung, indem er ihr ein völlig überteuertes Getränk kaufte, als die Flugbegleiterin sich näherte. Er konnte an dem Gesicht der jungen Frau ablesen, dass sie Angst hatte. Auch er hatte die Gerüchte um Stansted gehört, glaubte aber nicht daran.

Christine verschränkte die Arme, als Hans ihr das Getränk reichte. Er klappte ihr kleines Tischchen nach unten und stellte den Becher darauf. Dann lächelte er sie an.

„Nun komm schon, sei nicht mehr sauer. Du weißt ganz genau, dass ich es nur gut gemeint habe“, sagte Hans versöhnlich, nahm ihre Hand und drückte einen dicken Kuss darauf.

Christine fühlte sich geschmeichelt und konnte dem treuherzigen Blick kaum widerstehen, aber trotzdem blieb sie stur. Sie hatte großen Durst, aber sie rührte das Getränk nicht an. So leicht wollte sie es Hans nicht machen. Er hatte sie beleidigt und das ließ sie niemandem ungestraft durchgehen.

Hans bot seinen ganzen Charme auf und bettelte weiter, bis sie sich schließlich erweichen ließ. Es begann eine oberflächliche Unterhaltung, die vor allem die Flugbegleiterin erleichtert registrierte.

„Wie willst du in London vorgehen?“, wollte Christine wissen.

„Ich dachte, ich fange beim Scotland Yard an, die für diesen Fall vermutlich zuständig sind.“

„Denkst du, die lassen uns einfach mitmischen?“

„Wir werden sehen. Sagtest du eben uns? Du denkst doch nicht im Ernst daran, dass du mich wirklich begleiten wirst? Nein, meine Liebe, das kannst du vergessen. Offensichtlich kann ich dich nicht davon abhalten, nach London zu fliegen. Aber dort wirst du zusehen müssen, wie du zurechtkommst. Ich kann dich nicht brauchen, das habe ich dir doch vorhin klar und deutlich gesagt.“ Hans sprach viel zu laut. Einige der Mitreisenden wurden erneut hellhörig.

„Wenn du mich nicht dabeihaben willst, mache ich das alleine. Ich stehe nicht tatenlos herum, während Leo in Lebensgefahr schwebt.“

Hans ließ das unkommentiert. Sobald das Flugzeug landete, musste er Christine irgendwie loswerden. Wie er das anstellen wollte, wusste er noch nicht. Momentan waren ihm die Hände gebunden. Wenn Christine auf sich allein gestellt war, würde sie sicher wieder so schnell wie möglich nach Hause fliegen und das wäre auch das Beste für sie. Um Christine machte er sich keine Sorgen mehr, das Thema würde erledigt sein, sobald er sie abgeschüttelt hatte. Er hatte noch über eine halbe Stunde. Also lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Es wäre schön, wenn er etwas schlafen könnte, aber das war ihm nicht vergönnt. Die schlimmsten Szenen liefen vor ihm ab. Noch hatte er keine Ahnung, was wirklich in Heathrow passiert war und wie es Leo ging.

Ob er noch lebte? Ganz sicher, denn eine andere Möglichkeit zog er nicht in Betracht!

7.

Carter sah auf die Uhr. Die von seinem Bruder vorgegebenen fünf Minuten waren schon lange vorbei. Er durfte nicht mehr hier sein, genau so wie Peter, der immer wieder einen Schuss auf eine offenbar verschlossene Tür abgab. Was machte der Trottel denn da?

Die Tür wies bereits mehrere Löcher auf.

„Was soll das?“, schrie Carter wütend und drückte Peters Waffe nach unten. „Wir müssten längst weg sein! Das hat ein Nachspiel, darauf kannst du dich verlassen!“

Erst jetzt sah Peter auf die Uhr. Er hatte sich durch die verschlossene Tür, hinter der er wichtige Personen vermutete, ablenken lassen. Er hatte bereits mehrere Überfälle und einige Entführungen durchgeführt, die fast alle perfekt gelaufen waren. Hinter dieser Tür musste jemand sein, bei dem es ein fettes Lösegeld gab, das konnte er förmlich riechen.

„Ich brauche nicht mehr lange, dann ist die Tür auf!“

„Lass das! Was soll der Scheiß?“

„Diese Tür ist keine normale Tür, sonst wäre sie längst offen. Ich vermute, dass sich dahinter ein fetter Fisch verschanzt hat. Was glaubst du, wie viel Lösegeld wir kassieren könnten – denk doch mal nach!“

„Wir sind nicht wegen einer Entführung hier, hast du verstanden? Wir haben für unseren Job ganz klare Anweisungen bekommen – und das hier gehört nicht dazu. Wenn John davon Wind bekommt, wirst du deinen Alleingang bereuen, das kannst du mir glauben. Los jetzt!“

Carter rannte los und Peter folgte ihm. Niemand stellte sich den beiden in den Weg, weshalb sie auf dem schnellsten Weg das Flughafengebäude verlassen konnten. Erst jetzt bemerkte Carter, dass Peter keine Maske trug.

„Was ist mit deiner Maske?“

„Kümmere dich um deinen eigenen Mist. Steig ein!“

Endlich saßen sie im Wagen. Carter sah auf die Uhr und erschrak.

„Wir sind fast eine Stunde zu spät! Dafür könnte ich dich umbringen, du verdammtes Arschloch! Was hast du dir nur dabei gedacht?“ Carter startete den Wagen und fuhr so ruhig wie möglich los.

„Jetzt bleib mal locker, Carter, es ist doch nichts passiert!“

„Nichts passiert? Wir sind nicht im Zeitplan und werden sehr wahrscheinlich mitten in einer Straßensperre landen. Außerdem hast du deine Maske entgegen der Anweisung abgezogen. Dein Gesicht ist jetzt auf vielen Überwachungskameras deutlich zu sehen. Was bist du nur für ein Loser?“

„Jetzt mach mal halblang! Wie redest du eigentlich mit mir?“

„Johns Anweisungen waren…“

„Das ist mir scheißegal! Du spielst dich hier auf und im Grunde genommen bin ich derjenige, der sauer sein könnte. Du hast mir vorhin die Tour vermasselt, ich war so knapp am Ziel.“

„Gar nichts warst du! Du hast auf eine verschlossene Tür geballert, hinter der vermutlich niemand war. Du bist ein Loser, John, und wirst auch immer einer sein. Ich hätte dich nicht mit an Bord nehmen sollen. Ich hätte wissen müssen, dass du für den Job nicht geeignet bist.“

Carter war stinksauer. Er hatte genug und wollte nur noch weg.

„Weißt du was? John und du, ihr beide könnt mich mal!“

Carter hatte das Ende des Parkplatzes erreicht. John hatte angewiesen, die Waffen mitsamt den Masken hier zu entsorgen. Dieser kleine Bereich wurde nicht von den Kameras erfasst. Carter stieg aus und machte das, was sein Bruder von ihm verlangte. Peter dachte überhaupt nicht daran, ihm das gleichzutun. Er ging einfach mitsamt seiner Waffe davon, die Maske warf er einfach weit von sich.

„Was hast du vor? Bleib gefälligst hier!“

Statt einer Antwort zeigte ihm Peter den Mittelfinger, dabei drehte er sich nicht einmal um. Er ging einfach weiter.

„Bleib stehen, sofort!“ Carter war außer sich. Peter vermasselte alles. Wie sollte er John erklären, was hier gerade passierte? Carter war nervös und wusste nicht, was er machen sollte. Was würde John an seiner Stelle tun? Carter griff nach seinem Gewehr und legte an. Dann drückte er ab. Peter fiel um wie ein Stein. Carter warf die Waffe mitsamt der Maske weg. Er nahm die Folien aus dem Kofferraum und klebte die Firmenschilder aufs Auto. Dabei zitterte er und musste sich darauf konzentrieren, dass die Aufkleber einigermaßen gerade angebracht wurden. Dann zog er den Arbeitskittel über, nahm die Werkzeugtasche aus dem Kofferraum und stellte sie auf dem Rücksitz ab. Alles so, wie John es angewiesen hatte. Dann stieg er ein, zog die Handschuhe aus, legte sie auf den Beifahrersitz und fuhr mit quietschenden Reifen davon.

„Scheiße! Scheiße! Scheiße!“, schrie er laut. Warum war Peter einfach weggelaufen? Wäre er zurückgekommen und einfach wie geplant in den Wagen gestiegen, hätte er ihn nicht erschießen müssen. Peter war selbst schuld daran! Wieder sah er auf die Uhr, er war viel zu spät dran. Wie sollte er John das erklären?

Er kurbelte das Fenster der alten Karre runter und warf die Handschuhe während der Fahrt einfach raus. Alles wäre ein guter Plan gewesen, wenn Peter nicht so ein verdammtes Arschloch gewesen wäre.

Leo Schwartz und Kevin Sparks hatten sich in die einzig sichere Ecke gekauert. Bei jedem Schuss zuckten sie zusammen.

„Die Tür hält einiges aus. Die wurden nach 2005 alle erneuert“, erklärte Sparks, was Leo keineswegs beruhigte.

„Aber auch die Tür gibt irgendwann nach“, sagte er so leise wie möglich. „Die ersten Geschosse gehen bereits durch.“

Beide hatten bereits mit ihrem Leben abgeschlossen. Weder Leo, noch Sparks, glaubten daran, hier lebend rauszukommen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Tür nachgab.

Dann war es plötzlich still. Leo war nicht sicher, ob er richtig verstanden hatte, was vor der Tür gesprochen wurde.

„Es hat sich so angehört, als hätte der Schütze einen Rüffel kassiert. Mit viel Glück haben wir es geschafft.“

Sparks hatte nicht darauf geachtet. Er hatte sich dazu gezwungen, sich nicht auf die Schüsse zu konzentrieren, sondern an all die lieben Menschen zu denken, die er nun nicht mehr sehen durfte. Langsam verstand er Leos Worte. Konnte das sein? War es so, dass er weiterleben durfte? Erst jetzt bemerkte er, dass er sich an so sehr an Leos T-Shirt festgeklammert hatte, dass er einen Krampf hatte. Dafür schämte er sich jetzt, was Leo bemerkte.

„Denken Sie sich nichts. Ich habe nicht nur mit meinem Leben abgeschlossen, sondern mir vor Angst fast in die Hosen gemacht.“

Jetzt lachten beide, was sehr befreiend war.

„Was nun?“, fragte Sparks.

„Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gerne hier bleiben. Für irgendeine Aktion fehlt mir momentan der Mut. Ich möchte einfach nur hier sitzen und mich darüber freuen, dass ich vorerst dem Tod von der Schippe gesprungen bin.“

„Ich bin dabei“, sagte Sparks erleichtert.

Leo schaltete sein Handy ein: Drei verpasste Anrufe. Verdammt, er hätte früher einschalten sollen! Er versuchte, die Nummer zurückzurufen, erreichte aber wieder nur die Mailbox. Das war Christines Handy. Zu schade, dass er sie verpasst hatte. Dass sie gerade im Flugzeug saß und auf dem Weg zu ihm war, hätte er sich nicht in den kühnsten Träumen vorstellen können. Er versuchte es nochmals bei Hans, aber auch ihn erreichte er nicht. Es blieb noch Krohmer, der sich bereits nach dem ersten Klingeln meldete.

„Geht es Ihnen gut?“

„Alles in Ordnung, Chef. Die Ballerei hat aufgehört. Ich denke, wir sind vorerst in Sicherheit. Gibt es Neuigkeiten?“

„Nein. Die Informationen wiederholen sich. Sobald ich etwas höre, melde ich mich.“

„Gut. Dann lege ich jetzt auf.“

„Passen Sie auf sich auf, Schwartz. Ich möchte Sie in einem Stück wieder hier haben.“

„Jetzt sind Sie dran, schalten Sie Ihr Handy ein“, sagte Leo zu Sparks, während er sein eigenes Handy ausschaltete. „Vielleicht haben Sie jetzt wieder ein Netz.“

„Mobilephone heißt das bei uns in England“, korrigierte Sparks.

„Von mir aus auch das.“

Sparks wählte einige Telefonnummern, hatte aber immer noch keinen Erfolg. Trotzdem ließ er es eingeschaltet.

Die beide saßen stumm nebeneinander. Das laute Klingeln von Sparks Handy durchriss die Stille. Er erkannte die Nummer seines Vorgesetzten Gordon Bell. Noch niemals vorher hatte er sich so sehr über dessen Stimme gefreut. Sparks wollte sich erklären und stellte viele Fragen, aber dafür hatte Bell keine Zeit. Am Flughafen ging alles drunter und drüber und er versuchte, irgendwie Ordnung reinzubringen.

„Wir gehen davon aus, dass der Anschlag vorüber ist. Verstärkung ist vor Ort. Bleiben Sie, wo Sie sind. Wir werden Sie rausholen, dann können wir alles in Ruhe besprechen.“

Den beiden war die Erleichterung anzusehen. Es folgte eine lockere Unterhaltung.

„Weshalb sprechen Sie eigentlich so gut deutsch?“

„Als meine Mutter starb, hat mich mein Vater in ein Internat an den Bodensee verfrachtet.“

„Nach Salem?“ Leo hatte davon gehört. War das nicht eine Einrichtung für Sprösslinge gut betuchter Eltern? Er konnte sich aber auch täuschen.

„Ja, ich war in Salem.“ Sparks hatte keine Lust, sich näher zu erklären, denn an die Internatszeit hatte er nicht nur gute Erinnerungen.

„Wie alt waren Sie, als Sie nach Salem kamen?“

„Damals war ich acht. Sechs Jahre können Sie selbst dazuzählen.“

„Und warum mögen Sie die Deutschen nicht?“

„Das hat viele Gründe und würde zu weit führen. Ich halte die Deutschen für großspurig und überheblich. Sobald mir mehr dazu einfällt, lasse ich es Sie wissen. Jetzt möchte ich nur hier sitzen und mich darüber freuen, dass ich nochmals davongekommen bin. Es klingt vielleicht dämlich, aber ich hatte bereits mit dem Leben abgeschlossen.“

„Ich auch.“

Es trat eine Stille ein, die beiden guttat. Zur nächsten vollen Stunde war es zwar noch hin, trotzdem schaltete Leo sein Handy ein. Warum nicht? Nicht mehr lange, und er konnte es wieder problemlos aufladen.

Das Klingeln durchbrach die Stille.

„Hallo Chef“, meldete er sich und Krohmer war erleichtert, Leos fröhliche Stimme zu hören. „Wir bekamen eben die Nachricht, dass vorerst Ruhe eingekehrt ist. Sparks Vorgesetzter sprach sogar davon, dass der Anschlag vorüber sei.“

„Gott sei Dank! Es wurde mehrfach bestätigt, dass es tatsächlich keine Beschädigungen am Flughafengebäude gab. Zahlen über Opfer gibt es immer noch keine.“

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