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Читать книгу: «Die Spur führt nach Altötting...», страница 4

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„Viel Glück.“

Jetzt galt es, Mario Pini die Adresse weiterzugeben und ihn davon abzuhalten, dort allein hinzugehen. Vielleicht konnte er ihn davon überzeugen, dass er ihn begleitete?

„Bezüglich Peter Friedrich habe ich eine positive Information für Sie, den konnten wir ausfindig machen.“ Mit zitternden Händen notierte Mario die Adresse, er hatte sich extra einen Stift und Papier besorgt. „An diesem Friedrich ist einiges nicht ganz schlüssig und ich würde Ihnen empfehlen, dass einer unserer Mitarbeiter Sie zu der Adresse begleitet, denn die Sache ist nicht ganz astrein.“

„Ich verstehe nicht, was Sie meinen.“

„Mein Bauchgefühl sagt mir, dass mit diesem Friedrich etwas nicht stimmt. Außer der Adresse haben wir nichts über den Mann herausfinden können. Gehen Sie dort nicht alleine hin und nehmen Sie sich professionelle Unterstützung mit, nur zu Ihrer eigenen Sicherheit. Letztendlich ist das natürlich Ihre Entscheidung, ich kann Ihnen nur dazu raten.“ Leo sprach mit Engelszungen und versuchte, ihn zu überzeugen. Wer war dieser Friedrich? Am liebsten wäre ihm gewesen, ihn dorthin zu begleiten, aber er konnte ihn nicht dazu zwingen.

Mario verstand immer noch nicht und wischte die Bedenken beiseite. Was sollte denn groß passieren?

„Danke, das muss nicht sein,“ lehnte er das Angebot ab. „Was haben Sie über die Familie Pini herausbekommen?“

„Diesbezüglich gestaltet sich die Suche sehr schwierig, aber wir bleiben weiter an der Sache dran.“ Leo verschwieg, dass er keinerlei Aussicht sah, die Familie überhaupt zu finden. Jeder Ansatzpunkt, den die Polizei hatte, lief absolut ins Leere, als ob es die Familie ab einem bestimmten Punkt nicht mehr gegeben hätte. Er hatte hier bereits eine Vermutung, die er Mario verschwieg. Auch Zeitler hatte nichts gefunden. Einige Ansatzmöglichkeiten wollte er noch ausschöpfen, aber auch er hatte keine großen Hoffnungen.

Mario informierte Frieda, die zwar neben ihm stand, aber nichts mitbekommen hatte. Er verschwieg ihr die Bedenken des vermeintlichen Detektivs, die er als Geldmacherei und Wichtigtuerei abtat. Natürlich wollten beide auf dem schnellsten Weg zu dieser Adresse und fanden eine Straße weiter ein Taxi, das sie umgehend zu dem gewünschten Ziel fuhr.

Leo Schwartz folgte ihnen. Es war ihm klar, dass die beiden so schnell wie möglich zu Peter Friedrich wollten, er an ihrer Stelle hätte das auch getan. Leo war gespannt darauf, was ihn dort erwartete. Er wusste nur, dass die Kriminalpolizei den Kerl im Visier hatte und dass Friedrich beobachtet wurde. Was sollte das?

Die Straße befand sich in einer schönen Wohngegend mit schmucken Einfamilienhäusern am Rande von Altötting. Auch das Haus, vor dem sie standen, war sehr hübsch und sehr gepflegt. Zwar etwas steril, aber durchaus ansprechend. Sie waren sich nicht sicher, ob sie hier richtig waren, da sich weder auf dem Klingelschild, noch auf dem Briefkasten ein Name befand. Aber die Hausnummer, die der Detektiv genannt hatte, stimmte. Mario klingelte mehrfach.

„Schau doch, der Vorhang bewegt sich,“ rief Frieda und zeigte auf das Fenster im ersten Stock. Mario klingelte abermals, aber niemand öffnete. Ein Wagen hielt auf der Straße. Ein Mann trat auf sie zu und zog beide zur Seite.

„Was machen Sie hier?“

„Das geht doch Sie nichts an,“ rief Frieda ungehalten. So etwas hatte sie noch nie erlebt! Mario war völlig sprachlos und durch das Auftreten eingeschüchtert.

„Was machen Sie hier?“, wiederholte der Mann ruhig seine Frage, immer den Blick abwechselnd auf Mario und die Straße gerichtet. Er zog seinen Ausweis aus der Tasche. Kriminalpolizei.

„Wir suchen Peter Friedrich.“

„Warum?“

„Das geht doch Sie nichts an. Mario, sag ihm, dass wir nichts Ungesetzliches machen. Lass dir diese Behandlung nicht gefallen.“ Frieda war sehr aufgeregt.

Der Polizist reagierte nicht auf Friedas Bemerkung und sah Mario fragend an.

„Wir wollten ihn lediglich etwas fragen, weiter nichts.“ Mario war die Situation sehr unangenehm und er beschloss, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Frieda wollte etwas sagen. Mario bremste sie, indem er sich bei dem Mann entschuldigte und Frieda hinter sich herzog. Sie gingen einfach drauf los und Mario wagte nicht einmal, sich umzublicken, während Frieda ohne Unterbrechung schimpfte.

„Was sollte das eben? Warum hast du dir das gefallen lassen? Das ist doch eine Unverschämtheit.“ Frieda hatte sich in Rage geredet und Mario ging einfach stumm weiter, bis er sich nach mehreren Straßen in Sicherheit wähnte.

„Jetzt sei doch mal still, Frieda, und beruhige dich. Ich habe doch keine Ahnung was hier los ist, aber das eben war nicht normal. Der Detektiv, mit dem ich telefoniert habe, hatte angedeutet, dass dieser Friedrich nicht ganz astrein ist, aber ich hab das nicht ernst genommen. Ich warte bis es dunkel ist, und dann beobachte ich das Haus. Ich möchte wissen, was hier los ist. Aber jetzt machen wir, dass wir hier wegkommen, ich hätte mir vor Angst fast in die Hosen gemacht.“

„Jetzt stell dich doch nicht so an, es ist doch nichts passiert. Und heute Abend komme ich mit, das machst du nicht alleine.“ Frieda war zu allem entschlossen und immer noch sehr aufgeregt.

„Auf keinen Fall, zu zweit fallen wir doch auf. Und darüber lasse ich nicht mit mir reden. Das ist nichts für dich. Und jetzt keine Widerrede, du musst nicht überall dabei sein.“

Frieda wollte protestieren, sah aber ein, dass eine einzelne Person weniger Aufmerksamkeit erregen würde, und gab klein bei. Die Straße lag relativ offen. Sich zu zweit verstecken wäre ziemlich aussichtslos. Wenn sie ehrlich war, hatte sie auch keine Lust darauf, sich hinter Büschen, Bäumen oder sonst was zu verstecken, vor allem nicht mit ihren Hüftproblemen. Schweigend gingen sie die letzten Straßen zurück zum Hotel.

Leo hatte alles mit angesehen und war den beiden abermals gefolgt. Trotz des einschüchternden Auftretens des Kollegen war er sich sicher, dass die beiden die Suche nach der Familie Pini nicht aufgeben würden. Er rief seinen Vorgesetzten an.

„Haben Sie herausbekommen, warum die Kripo diesen Friedrich beschattet?“

„Nein. Die Münchner Kollegen mauern. Ich kenne den dortigen Chef recht gut, aber der ist heute nicht im Haus. Ich hoffe, dass ich morgen mehr erfahren werde.“

„Informieren Sie mich, sobald Sie etwas wissen. Vielleicht läuft mit diesem Friedrich eine ganz krumme Geschichte, die nichts mit unserem Fall zu tun hat. Das wäre schlecht, denn dann sind wir völlig auf dem Holzweg und vergeuden nur Zeit. Aber warum sind dann Mario Pini und Frau Votteler hinter ihm her? Wie sind sie auf ihn gekommen?“

„Das finden wir heraus. Bleiben Sie den beiden auf den Fersen.“ Zeitler war sauer, denn sonst funktionierten seine Kontakte besser. Warum musste der Münchner Kollege gerade heute außer Haus sein?

„Herr Pini?“, sprach sie eine Person in dunklem Anzug am Eingang des Hotels an.

„Ja?“

„Ich möchte Sie bitten, sofort wieder abzureisen.“

„Und warum sollte ich das tun?“

Der Mann antwortete nicht auf die Frage, sondern zeigte nur seinen Ausweis. Kriminalpolizei. Schon wieder die Kriminalpolizei? Was war hier eigentlich los?

„Sie waren heute am Haus von Peter Friedrich? Wie sind Sie auf ihn gekommen und was wollten Sie von ihm?“

Mario nahm seinen ganzen Mut zusammen, denn die Situation hier war fast wie in einem Krimi, unheimlich und spannungsgeladen. Inständig hoffte er, dass Frieda ihren Mund hielt und sich nicht wieder einmischte.

„Das ist allein unsere Angelegenheit und geht die Kriminalpolizei überhaupt nichts an. Woher kennen Sie eigentlich meinen Namen? Und woher wissen Sie, dass wir hier in diesem Hotel abgestiegen sind?“ Mario bemühte sich, ruhig zu sprechen und sich seine Angst nicht anmerken zu lassen.

Der Polizist lachte süffisant.

„Sie sind hier im Hotel registriert, halten Sie die Polizei bitte nicht für blöd.“

„Was ist an Peter Friedrich so interessant? Wird er überwacht oder suchen Sie nach ihm?“

Wieder dieses blöde, überhebliche Grinsen.

„Ich wiederhole: Was wollen Sie von Peter Friedrich und wie haben Sie ihn gefunden?“

Mario wurde nervös. Was sollte er dem Mann sagen? Er konnte die Situation überhaupt nicht einschätzen und wollte unter keinen Umständen einen Fehler begehen. Frieda war zum Glück erstaunlich ruhig und suchte hinter seinem Rücken Schutz. Er überlegte verzweifelt, was er sagen sollte, schwitzte stark und zitterte am ganzen Körper. In dem Moment fuhr ein Taxi fast direkt neben sie und brachte neue Gäste. Der Taxifahrer öffnete den Kofferraum und lud mehrere Koffer aus. Drei ältere Personen, von denen zwei am Stock gingen, stiegen aus dem Taxi und gingen direkt an ihnen vorbei.

„Darf ich Ihnen helfen?“ Mario schnappte sich einen Koffer, nahm Frieda an die andere Hand und zog sie einfach mit sich. Der Taxifahrer war sehr erfreut über die unvermittelte Hilfe und unterhielt sich mit Mario, während die ganze Gruppe ins Hotel ging. Der Polizist blieb draußen fluchend zurück.

Nachdem ihm überschwänglich für seine Hilfe gedankt wurde, zog er Frieda weiter mit sich zu einem Nebenausgang des Hotels und sie liefen planlos kreuz und quer durch Altötting, bis sie sich sicher waren, dass sie nicht verfolgt wurden.

„Was ist hier eigentlich los? Was wollte der Polizist von uns?“ Frieda war völlig außer Atem und er setzte sie auf eine Mauer vor einem Einfamilienhaus, damit sie sich etwas ausruhen konnte. Nicht ohne vorher seine Jacke unterzulegen, damit sie sich nicht erkältet.

„Ich habe keine Ahnung, was hier vor sich geht. Aber ganz sauber ist die Sache nicht, sonst wäre uns der Typ ins Hotel gefolgt, hätte uns dort vernommen oder uns mitgenommen. Aber das hat er nicht gemacht.“

Mario nahm sein Handy, wählte die Nummer des Detektivs und schilderte das, was vor Friedrichs Haus und vor dem Hotel passiert ist.

Natürlich hatte Leo alles mit angesehen und konnte das Vorgehen des Kollegen auch nicht nachvollziehen. Die Sache stank gewaltig. Er konnte die beiden nicht einfach sich selbst überlassen. Er musste Mario irgendwie überzeugen, dass er Hilfe brauchte, und zwar seine.

„Die Kriminalpolizei? Was wollte die von Ihnen?“

„Das weiß ich nicht. Der Mann sagte, ich solle wieder abreisen. Ich konnte ihm entkommen und bin mit meiner Begleitung mitten in Altötting. Was soll ich jetzt tun?“

Mario Pini klang verzweifelt und Leo bekam Mitleid mit ihm. Ja, er konnte nachvollziehen, dass der Mann Angst hatte. Noch wusste er nicht, was die Kriminalpolizei von ihm wollte und was sie mit dem ihm unbekannten Peter Friedrich zu tun hat. Eins war klar: Mario Pini und Frieda Votteler durften nicht in ihr Hotel zurück. Dort wartete ganz sicher die Polizei auf sie. Und solange er nicht wusste, was die wollten, musste er die beiden in Sicherheit bringen.

„Gehen Sie auf keinen Fall in Ihr Hotel zurück, die Polizei wartet dort auf sie, darauf können Sie sich verlassen. Es ist jetzt neunzehn Uhr, das ist noch zu früh.“

„Was reden Sie da? Wofür ist es zu früh?“ Mario verstand kein Wort.

„Hören Sie mit bitte zu und tun Sie genau das, was ich Ihnen sage. Sie müssen sich um eine andere Unterkunft bemühen. Suchen Sie sich am besten einen kleinen Gasthof. Wenn Sie sich nach einundzwanzig Uhr dort einmieten, gehen die Meldedaten erst morgen raus, dann wären Sie in der kommenden Nacht sicher. Bitte kein Hotel!“

„Ich kenne mich in Altötting nicht aus. Wie soll ich hier einen Gasthof finden?“ Mario wurde beinahe hysterisch.

„Bleiben Sie ruhig. Es ist besser, Sie verlassen Altötting. Fahren Sie in einen Nachbarort, vielleicht Burghausen oder Mühldorf. Nehmen Sie auf keinen Fall ein Taxi, das kriegt die Polizei schnell raus. Nehmen Sie die Bahn oder den Bus.“

„Gut, das werden wir machen,“ sagte Mario, der langsam verstand, dass er und Frieda in Gefahr sein könnten. Das Warum verstand er zwar nicht, aber das würde sich später klären lassen.

„Verfügen Sie über genug Bargeld?“

„Bargeld haben wir genug, das ist kein Problem.“

„Achten Sie darauf, dass Sie weder eine Kreditkarte, noch eine EC-Karte verwenden. Gehen Sie zum Bahnhof oder zu einer Bushaltestelle und fahren Sie los. Versuchen Sie, sich so normal wie möglich zu bewegen.“

„Gut.“

„Ich möchte Sie bitten, dass Sie sich ein neues Handy besorgen, das nicht auf Ihren Namen registriert ist. Ihr Handy können Sie vergessen. Wenn es die Polizei auf Sie abgesehen hat, hat sie spätestens morgen nicht nur die Nummer, sondern hat sie auch geortet und weiß, wo sie sich aufhalten. Also, Handy ausschalten oder gleich wegwerfen.“

„Und wie soll ich mir ein Handy besorgen?“

Leo hatte längst bemerkt, dass er es mit einem völlig ahnungslosen, verängstigten und unbescholtenen Typen zu tun hatte. Er musste behutsam vorgehen und viel Geduld aufbringen.

„Da kann ich Ihnen leider nicht helfen, das müssen Sie irgendwie hinkriegen.“

„Was sollen wir machen, wenn wir ein Zimmer gefunden haben?“

„Dann rufen Sie mich an und geben mir die Adresse durch. Ich werde zusehen, dass ich so schnell wie möglich zu Ihnen komme,“ sagte Leo geduldig. Natürlich wäre es einfach gewesen, die beiden einfach in seinen Wagen zu laden und mit ihnen davonzufahren. Aber dadurch würde er seine Tarnung auffliegen lassen und musste sich als Polizist outen. Der ganze Fall musste geheim ablaufen, das hatte er Bösel versprochen. Es war schon vermessen, Zeitler einfach die Wahrheit zu sagen. Nein, es war besser, sich weiterhin als Detektiv auszugeben und als solcher auch aufzutreten.

Frieda hörte dem Telefonat zu, verstand aber kein Wort.

„Der Detektiv denkt auch, dass wir in Gefahr sind. Wir dürfen auf keinen Fall zurück ins Hotel. Wir sollen aus Altötting raus und uns irgendwo in einem Nachbarort in einem Gasthof ein Zimmer nehmen,“ erklärte Mario Frieda, die ihn fragend anstarrte. „Der Detektiv kommt und hilft uns.“

„Gott sei Dank!“, sagte Frieda erleichtert.

„Vorher müssen wir das Handy entsorgen und ein anderes besorgen. Ich weiß nicht, wie ich das anstellen soll.“

„Du meinst, wie auf dem Schwarzmarkt nach dem Krieg?“

„So in etwa.“

„Gut. Dort hinten ist ein Mülleimer, wirf dein Handy dort rein. Was ist mit meinem?“

„Das läuft auch auf meinem Namen. Zur Sicherheit werfen wir das auch weg.“

Frieda musste sich nach so kurzer Zeit schon wieder von ihrem Handy trennen, das tat ihr sehr weh. Aber die Sicherheit ging vor. Sie griff in ihre Handtasche und übergab es Mario.

„Gehen wir irgendwo hin, wo junge Leute sind. Dort können wir ganz sicher ein Handy besorgen.“

„Wie stellst du dir das vor? Denkst du, wir spazieren einfach zu irgendjemand hin und fragen ihn, ob er uns sein Handy verkauft?“

„So in etwa, ja.“ Frieda war enttäuscht. Mario war zwar ein netter, freundlicher Kerl, aber viel zu weich für diese Welt.

Mario war total überfordert und trottete ihr hinterher. Die Handys warf er in den nächsten Abfalleimer, dieser Punkt war leicht. Alles, was jetzt kam, war sehr viel schwerer. Wie sollten sie jemanden finden, der gewillt war, sein Handy zu verkaufen?

Nach einer halben Stunde entdeckten sie mehrere junge Leute rauchend vor einem Lokal. Die beiden stellten sich dazu und Mario war so aufgeregt, dass er kein Wort rausbrachte. Krampfhaft überlegte er, wie er am besten vorgehen sollte, und legte sich die schönsten Geschichten in Gedanken zurecht. Frieda spürte Marios Unfähigkeit und beschloss, die Initiative zu ergreifen.

„Würde uns jemand ein Handy verkaufen?“, fragte Frieda in die Runde. „Unseres wurde leider gestohlen. Wir zahlen gut.“

Mario war geschockt über die direkte Art und auch sehr verwundert über die Reaktion der jungen Leute, die positiv reagierten.

„Ich habe eines, das ich verkaufen würde, kommt aber auf den Preis an.“

„Wir suchen eins, mit dem man das Internet nutzen kann, über den Preis werden wir uns sicher einig.“ Der junge Mann, Frieda und Mario traten einen Schritt zur Seite, um ungestört verhandeln zu können.

„Internet können doch heute alle.“ Er sah Frieda lächelnd an. „Ich denke mal, ihr sucht eins mit einer Prepaid-Karte?“

Frieda sah Mario fragend an, der sofort zustimmend nickte. Von solchen Dingen hatte sie keine Ahnung.

„Genau das suchen wir.“

Der junge Mann reichte ihr das Handy, das augenscheinlich in Ordnung war.

„Und das funktioniert auch?“

„Sicher, Ehrenwort. Ich wollte mir sowieso ein neues kaufen. Ich verlange, sagen wir 150 Euro? Interesse?“

„Ich gebe Ihnen 200 Euro, wenn das Ganze unter uns bleibt. Und wenn jemand fragen sollte, haben Sie es verloren. Einverstanden?“

„Einverstanden.“ Er notierte eine Nummer auf einer leeren Zigarettenschachtel, die auf dem Tisch lag. „Das ist Ihre neue Handynummer. Bitte löschen Sie alle Nummern und SMS, ich verlass mich drauf.“

„Geht in Ordnung. Und zu niemandem ein Wort.“

Sie übergaben das Geld und gingen davon. Das Ganze hatte keine zehn Minuten gedauert.

„Du warst einfach wunderbar. Woher kannst du so etwas? Ich habe mir vor Angst fast in die Hosen gemacht.“

„Du vergisst, dass ich 1944 geboren bin. Die Zeit damals war nicht einfach, man hatte fast nichts. Nach der Flucht aus Ostpreußen landeten wir nach einigen Zwischenstationen schließlich in einem Flüchtlingslager auf der Schwäbischen Alb. Da bin ich praktisch aufgewachsen. Damals galt: Fressen oder gefressen werden. Ich habe mich für ersteres entschieden. Mein Vater war nach dem Krieg lange in russischer Gefangenschaft, er wurde erst mit der letzten Welle 1955 entlassen. Seine Hilfe konnten wir vergessen. Meine Mutter konnte leider mit den Essensrationen und dem Geld nicht umgehen, da musste ich einspringen und habe alles organisiert, was wir zum Leben brauchten. Ich war Anfang der fünfziger Jahre zwar noch ziemlich jung, acht oder neun Jahre alt. Trotzdem brachte ich es fertig, Essen, Kleidung, Medikamente und Brennholz zu organisieren und ich kann behaupten, dass ich gar nicht mal so schlecht darin war.“

„Unvorstellbar, was du früher als Kind leisten musstest. Das kann man sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen.“

„Wenn ich damals so gezögert hätte wie du, wären wir jämmerlich untergegangen. Du musst unbedingt an deinem Selbstbewusstsein arbeiten und dir mehr zutrauen, mit dieser unterwürfigen und vorsichtigen Einstellung wirst du nicht weit kommen. Bitte reiß dich künftig zusammen. Hier geht es zum Bahnhof. Es ist besser, wir beeilen uns. Ich befürchte, dass in dem Kaff so spät keine Bahn mehr fährt. Ich könnte Gift darauf nehmen, dass der Linienbusverkehr für heute bereits eingestellt wurde.“ Mit dieser Annahme lag sie absolut richtig, Busse fuhren heute keine mehr.

Mario konnte mit ihrem energischen Schritt kaum mithalten. Sie sprachen nicht miteinander. Er musste daran denken, was Frieda zu ihm gesagt hatte. Sie hatte ja Recht, er war tatsächlich ängstlich und sehr auf Sicherheit bedacht, was ihn bisher aber nicht gestört hatte. Seit gestern spürte er deutlich, dass er in manchen Situationen viel zu viele Defizite im Umgang mit Menschen und mit Spontanität und Selbstvertrauen hatte und nahm sich fest vor, daran zu arbeiten und sich zu ändern.

Am Bahnhof standen drei Personen, auch sie warteten auf den Zug. Mario studierte den Fahrplan.

„Mühldorf oder Burghausen?“

„Das ist mir völlig wurscht. Wir nehmen den Zug, der zuerst fährt. Entschuldige meinen barschen Ton, aber ich bin sauer und enttäuscht. Eigentlich wolltest du heute Abend zum Haus von diesem Peter Friedrich und nach deiner Familie suchen. Das kannst du jetzt vergessen. Ich habe so große Hoffnungen darauf gesetzt, Informationen über die Pinis zu bekommen. Stattdessen müssen wir flüchten und uns verkriechen wie feige Hasen.“

„Du weißt doch, was der Detektiv gesagt hat: Wir sollen aus Altötting raus. Das mit Peter Friedrich holen wir nach, versprochen.“

Frieda erwiderte nichts darauf, sie war ja der gleichen Meinung. Trotzdem war sie enttäuscht. Es interessierte sie nicht, warum die Kriminalpolizei aufgetaucht war und sie bat, wieder abzureisen. Was hatten sie mit der Polizei zu schaffen? Sie war sich sicher, dass dieser Friedrich einen wichtigen Hinweis auf die Familie Pini geben konnte. Er musste einen Bezug zu der Familie haben. Warum sonst stand sein Name in den Unterlagen des Reutlinger Immobilienmaklers? In ihren Augen vergeudeten sie wertvolle Zeit, indem sie vor etwas davonliefen, das sie nicht verstand. Aber sie musste sich fügen.

Schweigend warteten sie an dem kalten, unfreundlichen Bahnhof auf den nächsten Zug. Mario verstand Friedas Enttäuschung, auch er wäre am liebsten zu Friedrich gefahren und hätte ihn zur Rede gestellt. Sollte er sich über die Ratschläge des Detektives hinwegsetzen? Noch war Zeit dazu. Er war hin- und hergerissen. Dann fuhr der Zug ein und die Entscheidung war gefallen. Ihr Ziel stand fest: Burghausen.

Der Zug war fast leer und fuhr sehr, sehr langsam und ähnelte dem von gestern. Er hatte wieder das Gefühl, dass sie zu Fuß viel schneller gewesen wären. Nach einer knappen halben Stunde erreichten sie endlich ihr Ziel. Frieda hatte noch kein Wort gesagt und Mario ließ sie in Ruhe. Was hätte er auch sagen sollen?

Am Burghauser Bahnhof studierte Mario den Fahrplan und auch die Streckenkarte genauer. Er begriff, dass sie sich nahe der österreichischen Grenze befanden. Das war sehr interessant, denn bis jetzt war es ihm völlig egal, in welcher Ecke Deutschlands sie waren und in Erdkunde war er nie ein Genie gewesen. Er sah auf die Uhr; nur noch zwei Minuten bis einundzwanzig Uhr. Perfekt. Der Detektiv sagte, sie sollten nach dieser Uhrzeit einchecken, sie waren genau im Zeitplan.

Mario ging zu einem der Taxis. Die genervte Frieda trottete ihm hinterher. Mario sah ihr an, dass sie müde war. Sie brauchte dringend Ruhe. Hätte er sie nicht doch lieber zuhause lassen sollen?

„Kennen Sie eine gemütliche Pension? Wir sind keine Freunde von großen Hotels.“

„Kenn ich, steigen Sie ein. Kein Gepäck?“

„Kein Gepäck.“

Mario überlegte sich eine passable Ausrede für das fehlende Gepäck. Aber da der Taxifahrer nicht nachfragte und sich offensichtlich nur für seine Musik interessierte, schwiegen sie bis zu ihrem Ziel, das sie nach knapp zehn Minuten erreichten. Da die Fahrt für den Taxifahrer nicht lukrativ war, legte Mario ein ordentliches Trinkgeld auf den geringen Fahrpreis und entlockte ihm dadurch ein Lächeln. Die Pension war auf den ersten Blick sehr ansprechend, was beide aber wenig interessierte. Trotz der späten Gäste war die Dame am Empfang sehr liebenswürdig und begleitete sie zu den gemütlichen, sauberen Zimmern. Sie schien nicht zu bemerken, dass sie kein Gepäck hatten, oder sie interessierte sich nicht dafür. Sie hatten beide bei der Anmeldung gültige Pässe vorgelegt und machten nicht den Anschein, dass sie ihre Zimmer nicht bezahlen könnten. Alles andere war für sie nicht von Interesse. Mario fragte nach der Möglichkeit eines Abendessens.

„Natürlich können Sie bei uns essen. Unser Haus wird auch wegen der guten Küche geschätzt. Ich reserviere einen Tisch für Sie.“

Mario hatte an der Rezeption einen Prospekt der Pension eingesteckt. Er rief den Detektiv an und nannte ihm die neue Handynummer und die Adresse der Pension.

„Für die nächsten beiden Tage sind Sie in Sicherheit. Besorgen Sie sich morgen früh Kleidung und alles, was Sie sonst noch brauchen. Unternehmen Sie bitte nichts, bis ich bei Ihnen bin.“

„Wann sind Sie hier?“

„Ich habe noch einiges zu recherchieren und werde mich beeilen. Ich bin so schnell wie möglich bei Ihnen. Bleiben Sie bitte ruhig. Wie geht es Ihrer Begleitung? Wäre es nicht besser, sie fährt wieder nach Hause?“

„Das wäre mir auch lieber. Allerdings befürchte ich, dass sie sich weigert. Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Votteler ist hart im Nehmen.“

Leo wusste längst, wo die beiden untergekommen waren. Er war ihnen gefolgt. Noch hatte er keine Informationen darüber, warum sich die Kriminalpolizei für Peter Friedrich interessierte. Und vor allem nicht, warum die Kriminalpolizei Mario Pini bat, wieder abzureisen. Die beiden Kollegen waren echt. Das herauszufinden, war für seinen Vorgesetzten Zeitler eine Kleinigkeit gewesen.

„Die beiden sind in der Pension Enzian in Burghausen untergekommen,“ sagte Leo zu Zeitler.

„Gut. Ich kümmere mich darum, dass die Meldungen nicht rausgehen. Wäre es nicht besser, die beiden aus der Schusslinie zu nehmen? Ein Öko-Fuzzi und eine alte Frau sind nicht gerade das ideale Gespann.“ Zeitler sagte das zwar salopp, aber er machte sich ernsthaft Sorgen.

„Wir brauchen die beiden. Ohne sie wären wir nie auf die Spur von Peter Friedrich gekommen. Er muss etwas mit der Familie Pini zu tun haben. Vielleicht kommen wir so an Jürgen Knoblich.“

„Ich finde das weit hergeholt. Es gibt nichts, was darauf hindeutet.“

„Wir haben keine andere Spur.“

„Das weiß ich.“

„Haben Sie etwas von den Münchner Kollegen gehört?“

„Noch nicht. Mein Kontakt ist nicht erreichbar, ich bin aber dran. Ich bin gespannt, was die Kripo München von Peter Friedrich möchte. Solange müssen Sie ein Auge auf Pini und Frau Votteler haben.“

„Ich pass auf die beiden auf, versprochen.“ Leo hatte eine ungemütliche Nacht vor sich, die er im Wagen verbringen wollte. Das war nicht das erste Mal. Für einen Moment hatte er darüber nachgedacht, sofort auf der Bildfläche zu erscheinen, entschied sich dann aber dagegen. Bevor er nicht mehr Informationen hatte, blieb er vorerst lieber noch im Hintergrund.

Als Mario das Restaurant betrat, saß Frieda bereits am Tisch und aß. Er erwähnte nur mit knappen Worten das eben geführte Telefongespräch und Frieda verstand sofort: Hier konnten sie auf keinen Fall über das Telefonat und das heute Erlebte sprechen. Das Restaurant war voll. Daher verständigten sie sich stillschweigend, die Unterhaltung nach dem Essen fortzuführen.

„Gehen wir vor dem Schlafen noch eine Runde spazieren?“, schlug Frieda vor, die ein Glas Rotwein zu viel hatte und dringend frische Luft brauchte.

„Gerne,“ sagte Mario, obwohl er keine Lust darauf hatte. Schweigend gingen die beiden um den Block.

Leo Schwartz folgte den beiden. Nachdem sie wieder in die Pension gingen, stieg er in seinen Wagen. Hoffentlich war das der letzte Spaziergang für heute und es gab keine weiteren Überraschungen.

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