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Читать книгу: «Lodernder Hass», страница 2

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„Ein Einbrecher, der etwas auf sich hält, lässt am Tatort keine Beweismittel zurück“, behauptete Stefan.

„Sobald es hell wird, werde ich mich umgucken“, beendete Gregor die Diskussion. „Ist dir übrigens aufgefallen, dass es kaum noch regnet?“

„Dann kann ja Bianca nicht weit sein“, war Stefans treffender Kommentar, weil sie in dem Augenblick tatsächlich forschen Schrittes um die Ecke bog. Seine sonst sehr männlichen Gesichtszüge verwandelten sich in ein weiches Lächeln. „Schön, dass du gekommen bist.“

„Guten Morgen, ihr Lieben.“

Auf den ersten Blick wirkte Bianca Jochens ausgeruht und voller Tatendrang. Sie trug eine schwarze Samthose und einen dunklen, mit Silberfäden durchwirkten dünnen Pulli, über den sie eine lange, dunkle Strickjacke geworfen hat. Ihr Outfit zeugte noch von ihrem Bühnenauftritt. Das braune Haar mit dem rötlichen Schimmer fiel jedoch schon strähnig auf ihre Schultern und Rouge und Lidschatten täuschten nicht darüber hinweg, wie übernächtigt ihre Augen waren.

Während Stefan ihr mit heimlicher Bewunderung entgegen blickte, mischte sich leichte Ironie in Gregors Stimme, als er sagte: „Ich werde dann mit Stefan den Brandort begutachten, und Madame kann ja schon mal ins Krankenhaus fahren und mit den Opfern reden.“ Er grinste lausbübisch, als er sah, wie Bianca ihn giftig anfunkelte.

„Ich mag diese Sprüche nicht, Gregor. Du weißt genau, dass für mich der Brandschutt gar nicht tief genug sein kann. Meine Arbeitsklamotten hängen übrigens bei euch im Transit.“ Ihre Augen überflogen den Halbschatten. „Falls ihr’s nicht wisst, ich habe bis vor kurzem noch im Rampenlicht gestanden. Als du mich angerufen hast, Gregor, war ich gerade eine halbe Stunde zu Hause.“

Bianca hatte ein hübsches Gesicht mit forschenden braunen Augen, die fröhlich, aber auch hart. kritisch und provozierend blicken konnten. „Warum lässt du dich denn für die Rufbereitschaft einteilen, wenn du heute Abend Musik machst?“ erkundigte Stefan sich

Sie zuckte mit den Schultern. „Ist ja nicht so schlimm, Leute. Wie ist denn hier die Lage? War`s dein Ernst, Gregor, dass ich ins Krankenhaus fahren soll?“

„Ja, das war mein Ernst.“ Pergande zählte die Fakten auf, die bisher bekannt waren und fügte hinzu: „Die Familie aus der Wohnung, die zum Hof hinaus geht, sie ist in die Uni-Klinik gebracht worden. Vielleicht können sie uns etwas zu dem Geschäft erzählen.“ In seine Augen mischte sich kaum wahrnehmbarer Frohsinn. „Und vergiss nicht zu fragen, wie es der alten Dame geht.“

„Gut, dass du mich darauf hingewiesen hast.“

„Stefan und ich werden uns jetzt etwas eingehender mit den Festgenommenen beschäftigen. Und wenn es hell wird, sehen wir uns den Brandort an.“

„Ich nehme an, wir treffen uns dann am Kommissariat.“ Bianca wandte sich um und ging zurück zur Straße.

Pergande grinste. „Ganz schön gewagt, mit ihren Pumps bei diesem Wetter.“

Als Henningsen und Pergande nach einer Weile folgten, sahen sie Bianca mit ihrem weißen Mitsubishi in einem weiten Bogen wenden und Richtung Krankenhaus davon fahren. Vor dem Haus war die Feuerwehr gerade dabei, diese markanten Sitzpolster, wie Stefan sie in einem Thailändischen Restaurant schon zu Gesicht bekommen hat, aus dem Haus zu schaffen. Sie qualmten noch sehr stark und wurden mit einer Kübelspritze nachgelöscht.

„Ihr wisst ja, dass mit Polsterungen nicht zu spaßen ist“, kam der Feuerwehr-Einsatzleiter Pergandes Protest zuvor, „man glaubt, sie sind gelöscht, aber irgendwo hat sich dann doch noch ein Schwelbrand gehalten.“ Er hatte inzwischen seinen Helm abgenommen. Schütteres Haar kräuselte sich feucht an seiner hohen Stirn entlang. „Sie waren seitlich vom Schaufenster aufgestapelt, lagen also nicht im Brandherd.“

Gregor bat eine Streifenwagenbesatzung darum, bis zu ihrer Brandortbesichtigung die Sicherung des Objektes zu übernehmen. „Ich weiß, dass ihr nicht gerade begeistert seid, aber vor dem Hellwerden können wir uns drinnen nicht umsehen. Wir werden zuerst eure Festnahmen bearbeiten, mal sehen, ob wir damit schon einen Schritt weiter kommen. Und übrigens“, er klopfte dem Uniformierten jovial auf die nasse Lederjacke, „was eure Tätigkeiten hier im Umfeld des Brandortes anbelangt, habt ihr wirklich allerbeste Arbeit geleistet.“

3

Gregor Pergande und Stefan Henningsen betraten die Polizeidienststelle in der Troplowitzstraße, die vom Brandort nicht weiter als einen halben Kilometer entfernt lag. Der Wachdienstraum, wo tagsüber reger Publikumsverkehr herrschte, wirkte schläfrig. Eine Schreibtischlampe beleuchtete einen älteren Polizeibeamten mit lichten grauen Haaren, schmaler Lesebrille und ausgeprägten Tränensäcken. Er war am telefonieren, während er einen Aktenordner nach etwas durchstöberte. Auf der Besucherbank lümmelte ein junger Mann mit längerem Haar. Der Kopf war ihm in den Nacken gefallen, die Augen geschlossen, der Mund offen. Aus einem Nebenraum tauchte ein Uniformierter mit athletischer Figur und einer weißblond gefärbten Kurzhaarfrisur auf. Nachlässig hielt er einen Becher dampfenden Kaffees in der Hand.

„Aha, die Brandermittler“, stellte er fest. Er nickte kurz und setzte sich an dem Computer am Publikumstresen, wo er dabei war, eine Vordruckmaske auszufüllen.

Pergande folgte ihm und legte seine College-Mappe auf dem Tresen ab. „Ihr habt es hier ja richtig gemütlich.“ Henningsen trat hinzu, murmelte aber nur ein sparsames „Moin, Moin“, weil er sah, dass die Kollegen in Gedanken ganz woanders waren.

„Von gemütlich kann keine Rede sein“, erwiderte der Blonde auch prompt. „Zwei Streifenwagen sind bei einem schweren Verkehrsunfall, der dritte unterstützt die 27er bei einer Schlägerei im Männerwohnheim. Und eine Wagenbesatzung muss ja nun euren Brandort bewachen.“

In Pergandes Gesicht stand ein Lächeln, aber hinter seiner Stirn lauerte die Lust zum Streiten. „Der Brandort von heute Nacht steht auf meiner Wunschliste auch nicht gerade ganz oben. Und wenn sie da eine Weile den Supermarkt bewachen, laufen sie nicht Gefahr, dass sie in einen viel schlimmeren Einsatz verwickelt werden.“

Der Blonde setzte gerade zu einer Erwiderung an, als Henningsen ablenkte: „Wir sind nicht zum Plaudern hier, wir wollen eure Festnahme verarzten. Wo ist der Kollege, der den Bericht fertigt?“

„Hinten, in den Schreibzimmern.“ Er vollführte eine vage Handbewegung zur gegenüber liegenden Seite vom Wachraum.

Sie fanden einen Kollegen in den Bericht vertieft, der andere saß neben ihm auf dem Schreibtisch und aß einen Apfel, indem er mit einem Küchenmesser Stück für Stück abteilte und in den Mund schob, ohne das Messer aus der Hand zu legen.

„Wir vom LKA 45 sind auch für tödliche Arbeitsunfälle zuständig“, bemerkte Gregor trocken, worauf er jedoch nur ein schiefes Lächeln erntete. Dann ließ er sich aber sofort das Wesentliche schildern, während Stefan die Computerauszüge studierte und feststellte, dass der per Haftbefehl gesuchte Ralph Knüpfer zwar zahlreiche Einbruchsdiebstähle begangen, aber nie einen Hang dazu gezeigt hat, die verräterischen Spuren durch Feuer zu vernichten. Gemeldet war er bei seiner Mutter in der Christian-Förster-Straße. Insofern vielleicht nicht überraschend, wenn er die Hoheluftchaussee herauf- und am Brandort vorbeikam.

Sein Kumpel, Sven Ortlieb, war 21. Zwei Jahre jünger als Knüpfer. Er hat bislang noch gegen kein Gesetz verstoßen.

„Weswegen der Haftbefehl?“ wollte Pergande wissen.

„Zur Strafvollstreckung“, antwortete der Uniformierte, dessen Apfel sich inzwischen auf ein säulenförmiges Kerngehäuse reduziert hat.

Henningsen und Pergande stimmten in ihrer Meinung überein, dass die beiden tatsächlich nur Schaulustige waren.

„Wenn Du nichts dagegen hast, Gregor, nehm’ ich mir den Knüpfer vor.“

„Wir nehmen ihn uns beide vor, den anderen lassen wir schlafen.

Der „Sichere Raum“ hatte zum Wachraum hin ein breites Fenster, durch das die Delinquenten stets unter Beobachtung waren. Knüpfer lag schlafend auf der Holzbank ausgetreckt. Seine nasse Jacke hing auf einem Holzstuhl. Als Henningsen die Tür öffnete, atmete der Raum warme Feuchtigkeit und den Geruch nach Alkohol, Schweiß und alten Socken aus.

Pergande rümpfte angewidert die Nase und stieß den Schlafenden unsanft an. Sein Blick war ungewohnt ernst. „Erheb’ dich mal, Freundchen. Wir möchten gern mit dir reden.“

Ein schmales, bleiches Gesicht wandte sich ihnen zu. Es dauerte eine Weile, ehe Knüpfers Erinnerungen einsetzten und noch eine weitere Weile, bis er aufrecht saß.

„Und?“ Er fuhr mit der Hand durch langes, dunkelblondes Haar, das strähnig über seine Schultern fiel. Der schmale Bartflaum über seinem schmalen Mund verlieh dem schmalen Gesicht etwas Verschlagenes. Wenn die Augen nicht wären. Sie wirkten, als würde Knüpfer ständig über etwas nachdenken, im Wissen, dass er sich der Lösung des Problems niemals annäherte.

„So ein seliger Dornröschen-Schlaf. Und alle Sorgen sind vergessen, stimmt’s?“ Pergande lächelte amüsiert. Sein Blick wirkte beinahe väterlich. „Als ich dich so friedlich schlummern sah, habe ich darüber nachgedacht, ob du’s nicht wusstest, oder ob deine Neugier so übermächtig war, dass du alle Vorsicht außer Acht gelassen hast.“

„Was soll ich nicht gewusst haben?“ Seine Stimme war belegt, er musste sich räuspern. „Sie müssen mir das schon irgendwie erklären.“

„Dass du uns ab jetzt noch eine ganze Zeit erhalten bleiben wirst.“

„Soll heißen...?“

„Du hast vor sechs Wochen deine Haftstrafe nicht angetreten, mein Lieber. So etwas sieht die Gerichtsbarkeit nicht gern. Deswegen hat sie einen Haftbefehl ausgestellt, und den werden wir jetzt gnadenlos vollstrecken.“

Im Nu straffte sich sein Körper und er war hellwach. Knüpfer suchte stotternd nach Ausflüchten, bis er sich innerhalb einer Minute mehrmals widersprach und Stefan Henningsen ihn unterbrach.

„Wir möchten gern von dir wissen, was euch heute Nacht in die Hoheluftchaussee geführt hat?“

Knüpfer kratzte ausgiebig seine Brust. Sein schwarzes T-Shirt war am Kragen eingerissen. „Ein warmes Bett. Zu Hause, bei Mama.“

„‘Bei Mama’.“ Gregor warf Stefan einen viel sagenden Blick zu. „Dann muss ja so ein warmes Feuer wie gerufen kommen.“

Knüpfer sah Pergande erst verständnislos an und schüttelte dann den Kopf. „Wir war’n auf ‘ner Party, Olli und ich. Haben einfach den Bus verpasst und sind zu Fuß nach Haus, das kurze Stück.“

„Wo auf 'ner Party?“, fragte Henningsen.

„Am Grindel. In den Hochhäusern.“

„Lässt sich das nachprüfen?“

„Klar lässt sich das nachprüfen.“

„Was war denn das da am Asia-Markt?“ Pergande warf Knüpfers Jacke auf den Tisch und zog den Stuhl zu sich heran. „Wer war zuerst da, ihr oder das Feuer?“

Es dauerte ein paar Augenblicke, ehe Knüpfer die Tragweite der Frage begriff. „Irgend so’n Kerl, der vorm Laden telefoniert hat. Mit der Feuerwehr oder so. Da konnte man im Laden schon Flammen sehen.“ Jetzt kratzte er sich den Rücken. „Olli hat ihn gefragt, ob er gesehen hat, wer’s war. Hat er aber wohl nicht.“

Gregor und Stefan ließen ihn noch eine Weile zappeln, wussten jedoch schon frühzeitig, dass Ralph Knüpfer und sein Freund weder mit der Brandstiftung zu tun noch etwas Verdächtiges beobachtet hatten. Der blonde Uniformierte schritt danach zielstrebig zu dem schlafenden Sven Ortlieb und weckte ihn unsanft. „Sieh’ zu, dass du nach Hause kommst, eh’ es bei uns was kostet.“ Ortlieb wohnte, nicht weit entfernt, in der Lenz-Siedlung.

Pergande erkundigte sich beim Wachhabenden nach dem Asia-Markt. Er wusste jedoch nichts Besonderes über das Geschäft zu berichten. Von Beschwerden, die sich gegen den Ladeninhaber richteten, war ihm nichts bekannt, und von der Geschäftsführung kannte er persönlich niemanden. Erst Montag würde der für dieses Viertel zuständige Kontaktbeamte wieder zum Dienst erscheinen.

Stefan ließ sich einen Internet-Rechner zeigen. Während Gregor sich in den Aufenthaltsraum setze und eine Tasse Kaffee trank, versuchte er etwas über das Geschäft heraus zu bekommen. Er fand tatsächlich eine Homepage. Sie war aber nicht besonders ausführlich und gab als Erreichbarkeit nur einen Festnetzanschluss und die bereits bekannte Mobilfunk-Nummer her. Kein Hinweis auf den Inhaber. Sehr dilettantisch, wie Stefan fand. Aber die Seite warb damit, dass jeden Donnerstag und Sonntag frische Ware zum Teil aus einem Direktimport angeliefert werde und Restaurants und kleinere Lebensmittelgeschäfte von Kiel bis Hannover zum Kundenstamm gehörten. Eine ganze Spalte bestand aus irgendwelchen asiatischen Schriftzeichen. Das alles half ihnen im Moment nicht weiter.

Er versuchte noch einmal, den Mobilanschluss zu erreichen. Auf dem Display stand, es werde angeklopft. Henningsen ließ ein paar Minuten verstreichen und versuchte es erneut. Der Ruf ging hinaus, das Gespräch wurde angenommen. „Hallo?“

Henningsen meldet sich.

„Hallo?“ Ein ‘Hallo’, dem das Fremdländische deutlich anzuhören war. Langgezogen und laut und trotzdem zu leise, weil die Hintergrundgeräusche vorherrschend waren. Geräusche, wie auf einer Party. Laute Stimmen, Gelächter.

„Hier spricht die Kriminalpolizei!“

„Hal-lo!“ Nach ein paar Sekunden schimpfte die Stimme ausgiebig und in einer fremden Sprache, dann wurde die Verbindung unterbrochen.

Henningsen starrte einen Augenblick irritiert auf den Telefonhörer, wählte dann die Nummer des Wachhabenden und stellte fest, dass das Gerät intakt ist. Einem weiteren Versuch unter der Mobil-Nummer folgte wieder eine automatische Ansage.

Diese einfachen Hindernisse in den Ermittlungen ärgerten ihn. Dann aber sah er die Gelegenheit, sich im Internet rasch über das aktuelle Kinoprogramm zu informieren. Er surfte über die Seiten von Cinemaxx, Abaton und Holi, als ihm das Autokennzeichen vom Lieferwagen einfiel. Stefan ärgerte sich, dass er nicht gleich daran gedacht hatte. Wenn der Supermarkt nicht gerade eine GmbH oder etwas ähnliches ist, womit eigentlich nicht zu rechnen war, hätten sie ja vielleicht ihren Inhaber ermittelt.

Er setzte sich an den Dienstrechner und rief die Leitung zum Kraftfahrtbundesamt auf. Das Resultat war ernüchternd. Der Computer wies auf einen Verbindungsfehler hin; die Seite vom KBA war zur Zeit nicht erreichbar. Vom Wachhabenden musste er hören, dass die Leitung schon seit den frühen Abendstunden unterbrochen war.

„Die Menschheit erschließt das Sonnensystem, aber eine einfache Datenautobahn bereitet Probleme“, stellte Henningsen fest. Frustriert folgte er seinem Kollegen in den Aufenthaltsraum. Die Stehlampe dort tauchte ihr Umfeld in behagliches Zwielicht und verlieh Pergandes Antlitz diabolische Züge. Aber der Kaffeeduft war verführerisch.

Stefan berichtete kurz, weshalb die Vorermittlungen ins Stocken geraten waren, aber Gregor schmunzelte nur. „Gönn dir erst mal einen schönen Bohnenkaffee, wer weiß, wann du dazu wieder Gelegenheit hast. Der Automat steht in der Küche. Pro Tasse 50 Cent.“

„Die Kollegen in der Lerchenstraße nehmen nur 30 Cent.“

„An der Davidswache habe ich ihn spendiert bekommen. Vermutlich finanzieren wir hier den nächsten Betriebsausflug.“

Henningsen orientierte sich gerade zur Küche, als das Signal vom Diensthandy ertönte. Pergande meldete sich. Er lauschte aufmerksam, und nach ein paar Sekunden war auch der letzte Funken Heiterkeit wieder aus seinen Augen verschwunden. Er klemmte das Gerät zwischen Ohr und Schulter ein, zog ein kleines Merkheft aus der Tasche und machte sich Notizen. Henningsen kehrte mit einem Becher Kaffee zurück und setzte sich zu ihm.

„Bei der alten Dame ist ein erneuter Herzstillstand eingetreten. Die Reanimation ist ohne Erfolg geblieben. Tja.....“ - so ernst hatte Stefan Henningsen seinen Kollegen lange nicht erlebt, „jetzt sind alle Kriterien erfüllt, dass der Fall in unseren Händen bleibt, richtig?“

„Ich habe nie daran gezweifelt, Gregor."

„Nicht?“ Pergande lächelte flüchtig, lehnte sich zurück und trank einen Schluck Kaffee. „Bianca hat veranlasst, dass die Verstorbene zur Obduktion überstellt wird. Und sie hat inzwischen mit den anderen Hausbewohnern gesprochen.“ Er blickte nachdenklich in den Trinkbecher. „Sag mal, schmeckt dir der Kaffee?“

Henningsen zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich steht er schon eine halbe Ewigkeit auf der Heizplatte. Härtet aber dafür gegen die Giftstoffe am Brandort ab.“ Wie zum Trotz trank er von der tiefschwarzen heißen Flüssigkeit. „Hat Bianca Näheres erzählt?“

„Nur angedeutet. Aber sie meinte, höchst merkwürdig, was sich da im Asia-Markt abspielt. Bianca hat von Marlene Kopp ein paar Sachen heraus bekommen.“

„Marlene Kopp?“

„Aus der oberen Etage. Die Familie, die zur Beobachtung eingeliefert wurde. Bianca kommt gleich zurück. Sie sagt, es gibt einiges zu erzählen. Und ich sage, die Geschichte nimmt langsam Form an.“

Stefan Henningsen streckte sich auf dem Lehnstuhl aus, als ginge es auf den Feierabend zu. „Du meinst, dass es auf eine Beziehungstat hinaus läuft?“

„Auf jeden Fall eine Brandstiftung, die mit dem Geschäft oder dem Inhaber in einem engen Zusammenhang steht.“

„Das ist dann ja alles viel zu einfach“, war Henningsens ironische Feststellung.

Bianca, die eine Viertelstunde später zu ihnen stieß, fand, dass der Kaffee wie ausgekochte Sportsocken schmeckte, aber auch sie trank einen, mit viel Milch und Zucker. „Ich weiß nicht, was man von der Geschichte halten soll“, begann sie und rührte bedächtig in der Tasse herum, „Frau Kopp erzählte, wie aufgeschlossen sie gegenüber asiatischen Spezialitäten sei. Sie hat sich gefreut, dass nahebei so ein Supermarkt aufmacht und war total enttäuscht, wie unpersönlich und geschäftsmäßig es darin zuging. Selbst die Herzlichkeit kam ihr aufgesetzt und geschäftsmäßig vor.“

„Alles kein Grund, um so einen Laden in Brand zu setzen“, warf Henningsen ein.

„Wenn Du mich zu Ende reden ließest...“

Er hob grinsend die Hand. „O.k., Bianca..., sorry.“

„Die Ware überteuert, verglichen mit einem Asia-Markt am Hauptbahnhof, die Beratung soll zwar fachmännisch geklungen haben aber manchmal deswegen kaum verständlich, weil die Geschäftsführerin nur rudimentär der deutschen Sprache mächtig ist.“ Bianca blies über den Kaffee und trank einen vorsichtigen Schluck. „Sie soll ziemlich herrschsüchtig sein und die Kassiererin und einen anderen Ladenmitarbeiter schon mal lautstark zur Schnecke gemacht haben, selbst wenn sich Kunden im Geschäft aufhielten. Deswegen seien dort eigentlich nur wenige zum Einkaufen gegangen. Frau Kopp meinte, gut könne der Laden nicht gelaufen sein.“

Ihre Kollegen sahen sich vielsagend an. Pergande rückte seine Brille zurecht und musterte Bianca prüfend. „Wenn wir jetzt noch erfahren, dass die Ladeninhaberin eine große Inventar- und Geschäftsausfall-Versicherung abgeschlossen hat, dann hätten wir eine erste Arbeitsgrundlage.“

„Wenn unsere beiden Probanden hier als Verdächtige ausscheiden, ist’s doch immerhin etwas.“ Biancas Miene blieb ernst. „Wir sind hier nicht im Tatort-Krimi, der nach neunzig Minuten aufgeklärt ist.“

4

Das Morgengrauen ging fast unmerklich vonstatten. Der Himmel war nach wie vor verhangen, aber es hatte zu regnen aufgehört. Es war nicht ganz fünf Uhr, als das Ermittler-Team die Brandortarbeit aufnahm. Von den uniformierten Kollegen bekam Pergande einen Schlüssel für die Wohnungstür der Verstorbenen ausgehändigt, den die Feuerwehr auf dem Küchentisch gefunden hatte. Dadurch stand ihnen ein Stromanschluss zur Verfügung, und sie konnten die beiden Halogenstrahler aufbauen.

Nachdem alle drei in dunklen Schutzanzügen und Gummistiefeln steckten und die gelben Atemschutzmasken übergestreift hatten, trugen sie das Equipment hinein und fluteten den Brandort mit gleißendem Licht. Die schwarzen, bizarr geformten Regale und Kühltruhen, die durch den Löschangriff durcheinander geworfene Ware, alles zeichnete sich in aufdringlicher Deutlichkeit ab. Ein Bombenanschlag könnte kaum eine größere Wirkung erzielen, dachte Bianca Jochens bei sich und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, um nirgendwo hängen zu bleiben oder auszurutschen. Die Plastikflaschen mit Speiseöl und anderen Flüssigkeiten waren geschmolzen; der Inhalt bedeckte den gefliesten Boden, und man bewegte sich wie auf Glatteis.

Mit den Masken war ihr Gesichtsausschnitt eingeschränkt, weshalb sie alle nur langsam voran kamen. Aber es war deutlich ein einziger Brandschwerpunkt zu erkennen, der ihnen in diesem Falle anzeigte, wo das Feuer ausgebrochen sein dürfte. Dort, wo es am längsten und intensivsten gewütet hatte, wo die Schäden am stärksten ausgeprägt waren. Obwohl im angrenzenden Büro eine Menge Papiere herumlagen und Büromöbel standen, zeigte sich der Brandverlauf mehr zum Verkaufsraum und über eine offene Lagerfläche zum Hinterausgang hin, wo durch ein undichtes Fenster Sauerstoff hinein gelangte. Und als die große Schaufensterscheibe zersprang, loderten die Flammen gierig in genau diese Richtung.

Pergande zeigte auf ein paar Stellen mit scharfkantigen Verbrennungsspuren, die darauf hindeuteten, dass ein flüssiger Brandbeschleuniger eingesetzt worden ist. Von der Feuerwehr hatten sie ja auch schon erfahren, dass eindeutig Benzindämpfe wahrgenommen wurden. Deswegen verzichtete Pergande darauf, die Maske abzusetzen und sich selbst davon zu überzeugen, so wie er es entgegen der Arbeitsschutzbestimmungen sonst gerne tat.

Doch auch im Büro hat das Feuer großen Schaden angerichtet. Drei Computer-Monitore standen auf einem L-förmig aufgebauten Schreibtisch und waren deformiert. Stapel von Geschäftspapieren durchnässt, verwirbelt und größtenteils angebrannt. Die Rauchgase haben sich schwarz und giftig über die gesamte Büroeinrichtung gelegt, in derselben Intensität auch in den Schränken, was bedeuten konnte, dass sie beim Brandausbruch offen gestanden haben. In einem der Schränke lag der Einsatz der Registrierkasse. In allen Fächern lag Münzgeld. Daran waren die Täter offenbar nicht interessiert. Ob Geschäftsunterlagen durchwühlt wurden, war für sie nicht ohne weiteres ersichtlich, weil die Feuerwehr mit dem Löschwasser auch im Büro nicht gegeizt hat. Der hohe Druck hat viele Sachen auf den Boden gerissen. Henningsen überflog die Papiere, ohne dabei ihre Lage zu verändern. Das meiste waren Rechnungen von Lieferanten aus Bremen und Holland, sowie Cargounterlagen vom Hamburger Flughafen. Auf den ersten Blick entdeckte er nur den Firmennamen als Rechnungsadresse. Vielleicht boten die Ordner in den Büroschränken mehr Ermittlungsansätze. Die Ordnerrücken waren mit fernöstlichen Schriftzeichen oder unverständlichen Abkürzungen versehen.

Pergande begann bereits mit der Fotodokumentation. Er ging dabei sehr systematisch vor und kennzeichnete die Schüttspuren mit Pfeilen und Nummerntäfelchen. Das Team war sich einig, dass es den Tätern nur darum gegangen ist, im Supermarkt großen Schaden anzurichten; der Brandbeschleuniger wurde von einem Standort unweit des kleinen offenen Warenlagers, wo Reissäcke aufgeschichtet und Kartons gestapelt waren, zur Verkaufsfläche und zum Büroeingang hin ausgeschüttet. Ein paar leere Kartons wurden unterhalb des kleinen Altars mit Buddha-Statue bis zum ersten Warenregal hin in Brand gesetzt. Das war an den völlig verkohlten Überresten zu erkennen. Von hier haben die Täter, vielleicht war es auch nur einer, den Rückzug angetreten. Doch bis zur Hintertür hin waren absolut keine Spuren zu erkennen, die Anhaltspunkte auf sie boten. Kein Gegenstand, der nicht zum Laden gehörte, keine Spur, die auf eine überstürzte Flucht hindeutete und schon gar keine Fingerprints, weil jeder Quadratzentimeter mit einer schmierigen schwarzen Schicht überzogen war.

Nachdem alle wesentlichen und scheinbar unbedeutenden Details fotografiert waren, gingen sie daran und sichteten vorsichtig, um die verbliebenen Papiere zu erhalten, die Geschäftsunterlagen auf dem Schreibtisch, auf dem Fußboden und in den Aktenordnern. Bianca entdeckte eine fast leere und eine angebrochene Flasche Remy Martin im Schreibtisch. Auf dem Regal zwischen Tür und Sofa lagen Kinderbücher und Spielsachen. In einem der Büroschränke wurden mehrere Stangen Zigaretten aufbewahrt.

Als Henningsen einen Aktenordner aus dem Schrank zog, rutschte ein Heft im DIN-a-4-Format mit dickem Kunststoffeinband heraus und fiel auf den Boden. Er bückte sich danach und stellte fest: es war eine Speisenkarte. Restaurant Siam Park. Er legte sie schon auf den Schreibtisch, weil er vermutete, dass sich die Geschäftsführerin und Mitarbeiter ab und zu etwas zum Essen kommen ließen. Dann wurde ihm bewusst, dass es in diesem Stadtviertel kein Restaurant Siam Park gab und er nahm die Karte wieder in die Hand. Er schlug sie auf und hielt sie sich vor das Sichtfenster seiner Atemschutzmaske. Auch wenn die Hitze der Flammen den Kunststoffhüllen arg zugesetzt hat und er die zusammen geklebten Seiten erst voneinander lösen musste, einiges Wesentliche war noch zu erkennen. Die Fotos auf der Innenseite zeigten ein typisches Thai-Restaurant, gemütlich eingerichtet, mit einer kleinen Bühne, auf der Tänzerinnen in bunter, glitzernder Kostümierung zu sehen waren. Er blätterte die Seiten durch und stellte fest, dass dort eine stattliche Palette an Speisen, traditionellen Getränken und Cocktails angeboten wurden. Er blätterte wieder zurück und fand dann, wonach er suchte. Die Adresse vom Restaurant. Nahe Hauptbahnhof, Spadenteich 3. Und dann stockte ihm der gefilterte Atem.

„Hey, Leute - ich werd’ verrückt!“ Er hielt die Karte empor, und Bianca und Pergande sahen sich um. „ ...wer Inhaberin vom Restaurant ‘Siam Park’ ist!“

„Du, Stefan -“ Pergandes Stimme unter der Maske klang gedämpft, und seine Stimme hatte einen beschwichtigenden Tonfall, „wenn, dann suchen wir den Inhaber von diesem Supermarkt.“

Bianca war schon aufgeschlossener. „Wer ist es denn?“

Henningsen hielt ihnen die Karte entgegen. „Sriwan Friedlaender.“

„Wenn mich nicht alles täuscht, ist das...“

Henningsen sah durch das Sichtfenster in Pergandes Augen. „Ja, genau!“

Sie veranlassten eine Notverglasung und ließen die Türschlösser austauschen. Der Brandort blieb somit sichergestellt.

„Wir müssen jetzt umgehend in den Falkenried“, stellte Gregor Pergande fest, während er sich mit Stefan auf der Ladefläche des Ford Transit der Arbeitskleidung entledigte. Dazu blieb ihnen zwischen dem Stauraum nicht ganz ein Meter Platz. „Das siehst du doch auch so, oder?“

„Na klar.“ Henningsen hängte Jacke und Hose über einen Bügel und verstaute sie in seinem Fach, wo auch die anderen Ausrüstungsgegenstände auf engstem Raum zusammengestellt waren. „Ich frage mich wirklich, warum dieser Friedlaender sich am Brandort aufgehalten hat. Und geht anschließend nach Hause, als wär' es gar nichts, wenn der Supermarkt seiner Ehefrau abbrennt.“

„Zumindest hätte man erwarten können, dass die Verantwortlichen hier mal erscheinen. Kannst du nicht mal deine Stiefel wegstellen, Stefan? Ich möchte hier keinen Spagat machen müssen.“ Pergande quälte sich aus seinem Overall und sah Henningsen vorwurfsvoll an. „Sie müssten sich normal ja auch auf den Geschäftsbeginn vorbereiten.“

„Ich versuche mich gerade in die Leute hineinzuversetzen“, überlegte Stefan, an die Regalbretter des Stauraums gelehnt. Er beobachtete Gregor mit verhaltenem Lächeln, weil er von ihm den Spagat sehen wollte, nahm dann aber doch die Stiefel und stellte sie in sein Fach. „Daniel Friedlaender geht nach Hause und berichtet von dem Feuer. Die Ladeninhaberin wegen der bevorstehenden Ladenöffnung in heller Aufregung, zieht sich an und kommt umgehend her. Somit müsste sie also längst hier sein.“

„Wir wissen nur nicht, wen du vorhin telefonisch erreicht hast. War es die Inhaberin, auf einer Fete und sturzbetrunken?“

„Vielleicht die, von der die Nachbarn erzählt haben.“

„Aber irgendjemand müsste erscheinen.“

Henningsen und Pergande sprangen nacheinander ins Freie, wo Bianca in ihrem Bühnenoutfit stand und die Schutzkleidung über den Arm trug. „Wir müssen unverzüglich in den Falkenried“, drängte sie und warf ihre Sachen in den Transit. „Ich bin dabei.“

„Zu dritt wäre vielleicht etwas übertrieben“, stellte Pergande nachdenklich fest, „fahr du ruhig nach Hause. Wenn du nur einen kleinen Umweg über St. Georg machen könntest? Sieh dir mal das Restaurant an. Würde mich wirklich interessieren, was für ein Gourmet-Tempel das ist.“

Falkenried. Eine ruhige Wohnstraße zwischen Martinistraße und Lehmweg. Weiter unten, in dem Neubaugebiet vis-à-vis vom Isebekkanal, hatte Rafael van der Vaart mit seiner Frau Silvie gewohnt. Henningsen war darüber genau informiert, weil er erbarmungsloser HSV-Fan war. Der obere Straßenabschnitt, ab dem Eppendorfer Weg, zeichnete sich, zumindest im Sommer, durch gesunde, dicht belaubte Kastanienbäume und hohe Parkplatznot aus. Noch waren die Bäume, ohne positiven Einfluss auf die Parkplatznot, winterkahl. Die Wohnhäuser stammten fast alle aus der Gründerzeit. Das, vor dem sie nun standen, musste allerdings später entstanden sein und eine Lücke ausgefüllt haben. Die Fassade war grob verputzt und hellgelb übermalt. Rechts gab es eine Parterrewohnung mit kleinem Vorgarten, links eine Toreinfahrt zum Gewerbehof. Das schwarze schmiedeeiserne Doppeltor war geschlossen.

Pergande stellte den Transit vor dem Tor ab und legte das Schild „Kriminalpolizei“ auf das Armaturenbrett. Henningsen war bereits hinaus gesprungen und studierte das Klingelbrett. ‘Friedlaender’ stand unten rechts. Also wohnten sie in der Parterrewohnung. Nur wenige Fenster waren in dieser frühen Stunde erleuchtet. Aber dort brannte Licht, und es war auch Bewegung hinter den herabgelassenen Rollos zu erkennen.

Henningsen sah seinen Kollegen hinzu kommen. In seinem Blick Verwunderung darüber, warum er zögerte. Doch Stefan war stets zurückhaltend wenn es darum ging, unmittelbar nach einer Tat bei unklarem Hintergrund einen Betroffenen aufzusuchen und nicht zu wissen, welche Rolle er spielte. Andererseits konnte man mit dem obligatorischen „Beileidsbesuch“ heute Morgen noch keinen taktischen Fehler begehen.

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