Читать книгу: «Laura im Netz», страница 2

Шрифт:

Aber im Verdrängen war Laura Meisterin. Ist ja noch eine Weile hin, verscheuchte sie ihre Bedenken. Man muss Prioritäten setzen. Das Leben besteht nicht nur aus Schule.

Ich check mal lieber ein paar Profile durch, vielleicht ist ein netter Junge dabei, mit dem man ganz normal schreiben kann.

Plötzlich las sie thomas16. Neugierig schaute sie sich das Profil an. Ein gutaussehender blonder Junge, so etwa in ihrem Alter, lachte sie mit hellen blauen Au­gen an. Darunter stand:

thomas neubert * 16 jahre * 9.klasse * gym.

Laura war sofort begeistert. Endlich mal ein Normaler.

Kein Scheiß, kein Sex, kein Imponiergehabe.

Mit klopfendem Herzen schrieb sie ihn an: »hi«

5

Der fünfundvierzigjährige Wolfgang war Autoverkäufer und ar­beitete für eine japanische Firma am Rande von Nürnberg. Wenn keine Kunden da waren und er nicht viel zu tun hatte, ging er in letzter Zeit immer häufiger in ENAF.

Deshalb war sein Smartphone allzeit griffbereit, und er konnte es notfalls auch schnell wieder in der Tasche verschwinden lassen.

Jetzt um halb drei waren seine beiden Kollegen aus der Mittagspause zurück, und in seinem Kalender stand erst um halb vier der nächste Kundentermin.

Er nahm noch einen Schluck Kaffee und schaute durch die große Fensterscheibe hinaus auf die Straße. Alles war ruhig. Zeit, um ungestört ins Internet zu gehen. Er nahm sein Smartphone, loggte sich in ENAF ein und war in Sekundenschnelle on.

Plötzlich entdeckte er, dass ein Mädchen ihn angeschrieben hatte. Sein Puls schlug schneller, und er merkte, wie seine Hände feucht wurden.

Eine Laura hatte ihm ein »hi« geschickt. Interessiert schaute er sich ihr Profil an und las auch ihre deutlichen Hinweise.

Sein Blick saugte sich eine Weile an dem Bild fest, wo ein blondes hübsches Mädchengesicht zu erkennen war. Leider hatte sie über eine Gesichtshälfte ihre Haare gelegt. Aber was er sah, gefiel ihm so gut, dass er sich kaum satt sehen konnte. Er musste ihr unbedingt antworten um den Kontakt herzustellen. So tippte er:

»hi laura, hier ist tommy«.

Aber Laura war inzwischen wieder in TeeniesMeeting geswitcht.

6

Zehn Minuten nach drei, und Caro war immer noch nicht on­. Och, Menno. Seit sie mit diesem David ging, war kaum noch Verlass auf die sonst so pünktliche Caro.

Laura kaute wieder nervös auf der Unterlippe herum und überlegte. Jetzt noch mal runter in die Küche gehen, um was Trinkbares zu or­ganisieren, wäre zu gefährlich. Ihre Mutter könnte auf dumme Gedanken kommen und ihr irgendeine Aufgabe reindrücken. Dann dürfte sie doch noch Wasser bei Hubers holen. So schlich sie leise in den Flur, denn in der hinteren Ecke stand meist eine Kiste mit Limo-Flaschen. Aber die alten Holzdielen knarrten und verrieten jeden Tritt.

»Laura!« tönte es sogleich von unten. »Laura, kannst du mal zum Maierle rüber und ein paar Eier holen? Dann kann ich dem Bernd heut’ Abend Spiegeleier braten.«

»Leck mich«, brummte Laura leise und dachte: Typisch für diese Frau, zuerst auf Bernd schimpfen, dass er in der Stadt Es­sen geht, und nun wieder diese Schleimtour: »Schau mein Schatz, ich habe dir ein paar Spiegeleier mit Speck gebraten.«

Laut sagte sie: »Muss Hausaufgaben machen und mit Caro Mathe besprechen!« Was ihre Mutter weiter von sich gab, konnte Laura schon nicht mehr hören. Sie schnappte sich eine Limo-Flasche, tauchte schnell wieder in ihr Zimmer ab und drückte die Kopfhörer auf die Ohren.

Na endlich: caro. maus geruhte bei den Crazy Bitches on zu kommen.

»hi, sry, musste noch Küche in Normalzustand bringen, sonst reißt mir meine mum alle haare raus«

»meine würde mich gleich schlachten«, tippte Laura zurück und grinste über die nette Ausrede ihrer Freundin. Niemals würde Caro zugeben, dass ihr David der wahre Grund für die Verspätung war.

»du sag mal«, regte sich Laura auf, »der Lehner knallt doch voll durch, nur weil ich in seinem ätzenden Unterricht auf mein Smartphone geguckt hab´, will er meiner Mutter einen Brief schreiben, und beim nächsten Mal sogar für 2 Tage konfiszieren oder so, darf der das überhaupt«

»die dürfen alles«, schrieb Caro, die stellvertretende Klassen­sprecherin war, »aber du hast doch Tablet und Festnetz«

»Festnetz is nur für meine gnädige frau Mutter da, und wehe ich hols in mein Zimmer, dann kackt aber die dampfe, und mein Tablet darf ich nicht außer Haus nehmen«

»ok, lol«, schrieb Caro.

»themawechsel«, war Lauras Antwort, »haste schon mein neues Profil in ENAF gesehen«

»wie, haste ein neues, mom ich gucke mal«

---

»so, wieder da, cool, und das mit der ATENZIONE für die notgeilen Kerle is ja heftig, aber ich find ok, hoffentlich liest das auch einer«

Inzwischen hatte Laura wieder einen Blick in ENAF geworfen und sah die Nachricht: »hi laura, hier ist tommy«.

»du caro, warte, hab ne message von einem tommy, muss schnell gucken«

»hä - tommy« Caro verstand nichts mehr.

Es dauerte eine Weile bis Laura wieder schrieb:

»o mann ist der süß«

»wo haste den denn kennengelernt«, wollte Caro wissen.

»hab in ENAF paar profile angeguckt, mir hat das pic gefallen«

»von dem typen«

»ja klar, und der kommt aus köln, echt supi, da würde ich auch gern mal hin«

»schreibst du dem«

»japp, schaut net schlecht aus, ist sechzehn und macht neunte klasse gym«

»he, der kann dir vllt die bruchgleichungen erklären, wenn der inner neunten ist, hatten die das doch schon«

»du und deine tipps«, schmunzelte Laura.

Aber wenn sie so darüber nachdachte, hatte Caro gar nicht so unrecht. Warum nicht, wenn er gut in Mathe ist …

»ich kann doch net gleich mit mathe über den herfallen,

ich kenn den typen doch gar net, aber die idee ist trotzdem supi *g* kanns ja versuchen«

»was schreibste dem denn, isser on« wollte Caro wissen.

»he langsam, mal nicht so neugierig, caro. maus, ich frag ja auch net nach deinem schatzi«

»da gibts nix zu fragen«, kam die etwas säuerliche Antwort.

»wers glaubt«, schrieb Laura zurück.

Eine kurze Weile herrschte Funkstille zwischen den beiden Freundinnen, dann schrieb Caro:

»isser denn auch woanders angemeldet, haste schon nachgeguckt«

»weiß nicht, kann ja mal gucken«

»sag mir mal wie der typ heißt, ich guck mir den mal an«

»finger weg«, schoss Laura zurück, »der ist meiner«

»ok, ok, keine bange, bin glücklich vergeben«

Nach einer weiteren Pause wollte Caro wissen:

»was machste denn mom«

»och, nix besonderes, mucke hörn un mit dir schreiben«

»guck doch mal auf fb«, schrieb Caro, »steht er denn mit seinem vollen namen drin«

»du nervst mit deiner neugier«, ärgerte sich Laura.

Dann flogen Belanglosigkeiten hin und her, während Laura immer wieder einen Blick auf das Bild des blonden Kölners warf. Ja, der war wirklich süß. So einen Freund würde sie sich wünschen. Er sah richtig toll aus und war sicher nicht so bekloppt wie viele andere hier im Chat.

»he«, meldete sich Caro, »schreibst du schon mit ihm, weil du so lange pausen machst«

»hehe, das willste jetzt wissen, lol«

»grüß ihn von mir, *g*«, schrieb Caro.

»jaja«, gab Laura zurück, was so viel heißen sollte wie „sehr witzig, der gehört mir“

»ist ja schon ok, darfst ihn haben, ist vllt nur ein fake«

»quatsch, das hättest du wohl gern, olle bitch«

Obwohl Laura wusste, dass sich in den sozialen Netzwerken viele unechte Typen rumtrieben, wollte sie an so etwas gar nicht denken. Dieser Thomas aus Köln schien ganz normal und echt zu sein, jedenfalls wollte sie das so glauben.

Dass Caro einen Freund zum Anfassen hatte, ärgerte sie schon ein wenig.

»Aber«, sie dachte wieder an Großvaters Leitspruch,

»man muss auch gönnen können.«

Nachdem Caro bei den Crazy Bitches off gegangen war, schaute Laura wieder auf das Profil von Thomas, um ihm zu antworten: »hi der und lg laura, wann biste denn meist on«

Dann ging sie doch auf Facebook. Caro hatte sie mit ihrer Neugier angesteckt. Sie gab bei Suche „Thomas Neubert“ ein. Sieben Treffer wurden angezeigt, aber ein blonder sechzehnjähriger Thomas aus Köln war nicht dabei.

7

Als Wolfgang so gegen zwanzig Uhr endlich nach Hause kam, war er genervt und schlecht gelaunt. Ein Kunde hatte zuerst eine Probefahrt gemacht, kam dann ewig nicht wieder zurück und bemängelte schließlich dies und jenes, warum er den Wagen doch nicht kaufen werde. Solche Kunden hasste Wolfgang. Ihn lange in Anspruch nehmen, Kaufinteresse heucheln, dann den Preis runter handeln und zu guter Letzt doch nicht kaufen.

»Maik hat eine Fünf in Deutsch heimgebracht«, empfing ihn seine Frau schon im Flur, »du musst unbedingt mit dem Jungen reden. Der versaut sich noch das Halbjahreszeugnis, wenn das so weitergeht. Auf mich hört der ja nicht. Die meiste Zeit hockt der im Internet, anstatt was für die Schule zu tun.«

»Ja, mach ich«, schnaufte Wolfgang angekratzt, »gibt’s auch was zu essen heut Abend?«

»Wenn du so spät heimkommst«, maulte seine Frau, »ist eh schon alles kalt.«

»Wenn alles kalt ist, kann ich auch später essen.« Wolfgang reagierte gereizt. »Ich muss sowie noch an den Schreibtisch«, sprach`s, drehte sich um und ging in sein kleines Büro, wobei er die Tür etwas heftig ins Schloss zog.

»Wie jeden Abend!«, hörte er seine Frau noch schimpfen, die sich wieder vor den Fernseher setzte, um nach kurzer Zeit einzuschlafen. Ein erträgliches Familienleben führten die drei schon lange nicht mehr. Sie arbeitete halbtags in einem Supermarkt an der Kasse, und der Sohnemann hing meist, wenn er nicht in der Schule war, in seinem Zimmer vor dem Tablet, und selbst unter der Dusche ging´s nie ohne griffbereites Smartphone. Gespräche beschränkten sich meist nur auf das Notwendigste.

Wolfgang setzte sich an den Schreibtisch und schaute auf das Display seines Smartphones. Vielleicht hatte sich das Mädchen auf seine Grüße hin gemeldet. Als er gerade in Ruhe einen Blick darauf werfen wollte, schlug die Haustür mit einem lauten Knall zu. Und schon ertönte sirenenhaft die Stimme seiner Frau: »Maik! Dein Vater will mit dir reden. Mach dich auf was gefasst. - Wolfgang, Maik ist da!«

Ohne anzuklopfen riss Maik die Zimmertür auf, gerade als Wolfgang sah, dass das Mädchen ihm eine Antwort geschickt hatte. »Mein Gott, was ist denn?« schnauzte er verärgert, als sein Sohn ins Zimmer polterte. »Kannst du nicht anklopfen?«

»Warum denn so förmlich? Hast wohl Geheimnisse«, grinste Maik und schaute über seine Schulter. »Was machst du denn in ENAF? Bist auf Partnersuche? Wer ist denn das auf dem Pic da? Hübsch, aber ein bisschen zu jung für dich.«

»Das geht dich gar nichts an«, fauchte Wolfgang und stieß seinen Sohn wütend zurück.

»Und du hast eine satte Fünf in Deutsch? Sag mal, soll das jetzt so weitergehen? Ich glaube, ich setz dich mal auf Internet-Verbot bis die Noten besser sind.«

»Hehe«, äffte Maik, »und was ist das da für ein Mädchen?«

»Nur die Tochter eines Kunden, wenn du es genau wissen willst. Ich muss was überprüfen.«

»In ENAF?«, schmunzelte Maik, »alles klar, Vater.«

Wolfgang hob seine Stimme. »Also ich will demnächst bessere Noten von dir sehen. Und jetzt Abflug.«

Maik knurrte irgendwas Unverständliches und trabte mit einem breiten Grinsen davon.

Wolfgang atmete einmal kräftig durch, griff nach dem Smartphone und warf erneut einen Blick auf das Display, als die Tür zum zweiten Mal aufflog und seine Frau im Türrahmen stand.

»Und? Was hat dein Sohn gesagt?«, wollte sie wissen.

Wolfgang war so erschrocken, dass sein schlechtes Gewissen ihn sichtlich zusammen zucken ließ. Seine Frau warf einen kurzen Blick auf das Display und sagte in vorwurfsvollem Ton: »Was machst du da? Wer ist das junge Ding? - Ach ja, so sieht also deine Abendarbeit aus, für die du sogar das Essen stehen lässt.«

»Nein, nein. Musste noch was nachschauen. Ein Kunde will seiner Tochter ein Auto kaufen. - Mit Maik habe ich geredet. Er will sich bessern. So, nun lass mich in Ruhe.«

Seine Frau seufzte und zog lautstark die Tür hinter sich zu.

Mittlerweile war Wolfgang jede Lust vergangen: der versaute Tag im Geschäft, sein Sohn mit Schulproblemen und nun auch noch seine nörgelnde Frau, die gesehen hatte was sie niemals sehen durfte. Alles Ärgerliche kam auch immer zusammen.

Wolfgang öffnete die untere Schreibtischtür und holte eine Flasche Weinbrand hervor. Erst mal einen kräftigen Schluck zur Entspannung.

Was hatte das Mädchen geantwortet? Wolfgang wurde ganz kirre. Er horchte in die Wohnung hinein. Alles ruhig. Die Geräusche des Fernsehers drangen leise aus dem Wohnzimmer, in dem seine Frau hoffentlich bald auf dem Sofa wieder einschlafen würde.

Der Weinbrand tat ihm gut. Noch einen Schluck, noch einmal durchatmen, dann las er:

»hi der und lg laura, wann biste denn meist on«

Sie hatte also geantwortet. Wolfgang fühlte sich mit einem Schlag wieder putzmunter. Der Kontakt war hergestellt. Eine leichte Erregung jagte durch seinen Körper. Irgendetwas ging in ihm vor, das er nicht beschreiben konnte.

Schon lange hatte er sich danach gesehnt, mit einem jungen Mädchen Kontakt aufzunehmen. Vielleicht könnte sogar mehr daraus werden. Der normale Alltag und vor allem das Gesetz verboten sexuelle Kontakte zwischen Jugendlichen und Erwachsenen.

Sexuelle Handlungen an Kindern unter 14 Jahren sind ausnahmslos verboten. Jugendliche ab 14 Jahren dürfen miteinander Sex haben, z.B. eine 15-Jährige mit einem 16-Jährigern. Wenn einer von beiden allerdings älter als 21 ist, sind sexuelle Kontakte generell verboten, "weil der Ältere die fehlende sexuelle Selbstbestimmung des Jüngeren ausnutzen könnte".

§ 176 StGB

Die Gedanken sind frei, nur die Taten sind strafbar, entschuldigte Wolfgang seine Fantasien. Hier, in der Anonymität des Internets, so glaubte er, dürfte er seine Neigungen ausleben. Sicherlich zeigte Laura ihm weitere Bilder, vielleicht sogar im Bikini. Seine Einbildungskraft trieb ungute Blüten. Vielleicht konnte er sie sogar zu einem Treffen überreden.

Er wähnte sich schon ganz nah am Ziel seiner Sehnsüchte. Er musste es nur noch geschickt einfädeln. Aber da würde ihm schon noch was einfallen. Der erste Schritt, die Kontaktaufnahme, war getan. Nun galt es, Vertrauen aufzubauen.

Leider war sie nicht on. Also schrieb er ihr eine Antwort. Aber, was sollte er als Zeitpunkt eines gemeinsamen Chattens angeben? Wann war er ungestört? Vormittags war sie sicher in der Schule, nachmittags hatte er oft Kunden im Geschäft und auch keine Ruhe, seinen Neigungen nachzugehen. Er überlegte einen Augenblick. Vielleicht abends, dann könnte er sich in sein Zimmer zurückziehen und seiner Frau Büroarbeiten vortäuschen.

So schrieb er dann: »hallo laura, schön dass du antwortest, würde mich freuen, dich kennenzulernen, bin meist abends on, lg tommy«

Wolfgang schaltete sein Smartphone aus und fühlte wieder dieses Kribbeln am ganzen Körper.

8

»Na, Mädel, was machen deine Bruchgleichungen?«, grinste der Busfahrer freundlich, als Laura wieder die Letzte im Bus war und sich hinter ihn gesetzt hatte.

»Passt schon«, gab sie zurück, »hab´ jetzt einen, der mir´s erklären kann.«

»Das ging aber schnell«, lachte der Fahrer, »gestern noch solo und heute verliebt. Tja, die Jugend, dann mach´s mal gut, Mädel!«

Laura sprang aus dem Bus, der Fahrer schloss die Tür, gab Gas und ließ Laura in einer nach Diesel stinkenden Abgaswolke stehen.

Sie musste grinsen. Klar hatte sie einen. Sie kannte jetzt einen aus der neunten Klasse der sicher bereit war, ihr diese doofen Gleichungen zu erklären.

Schnell rannte sie nach Hause. Die Bäuerin vom Nachbarhof staunte nicht schlecht, als Laura ihr ein freundliches »Grüß Gott!« zurief. Sonst war das Mädchen immer verschlossen und mürrisch, aber heut war sie irgendwie anders.

Klar, sie war ja auch gut drauf, hatte nun einen Freund, wenn auch nur einen Chatfreund, aber wer weiß, es kann ja auch mehr daraus werden.

Ausnahmsweise war Lauras Mutter heute ohne Kopf- und sonstige Beschwerden und rührte in der Küche in einem übergroßen Topf, aus dem es nach Fleisch roch.

»Kannst gleich unten bleiben«, rief sie zur Begrüßung. »Gibt Essen. Nudeln mit Gulasch. Bernd mag das so gern!«

»Okay«, grinste Laura, »das ist ja mal was Neues.«

Endlich waren die Nudeln mit Gulasch verspeist. Bernd steckte sich eine Zigarette an, lehnte sich zurück und wollte einen auf Kumpel machen. »Na, Große, alles klar bei dir?«

»Alles klar«, nickte Laura, »muss nach oben, Hausi machen.«

Bernd machte eine großzügige Handbewegung, die ihr die Erlaubnis zum Aufstehen signalisierte. Laura stand auf und sprang zwei Stufen auf einmal nehmend die alte Holztreppe hoch.

Sie warf sich auf ihr Bett, steckte die Ohrstöpsel rein und ließ sich von Sam Smith verzaubern. Dann las sie wieder und wieder die Nachricht von Tommy. Sie hatte sie seit heute früh bestimmt schon tausendmal gelesen: »hallo laura, schön dass du antwortest, würde mich freuen, dich kennenzulernen, bin meist abends on, lg tommy«

Sam Smith´ Stimme und Tommys Worte ließen in ihr ein prickelndes Gefühl der Glückseligkeit aufkommen.

Kaum dass sie sich dem Zauber hingegeben hatte, holte Bernds kräftige Stimme sie in die Wirklichkeit zurück:

»He Große, wenn du deine Hausaufgaben machen willst, dann nimm mal deine Tasche aus dem Flur mit oder hast du alles im Kopf?«

Ach ja, ihren Rucksack hatte sie ganz vergessen. Also raste sie noch einmal runter und wieder rauf. Dabei wunderte sie sich über sich selbst, was Jungs in einem Mädel für Kräfte freisetzen können. Langsam begann sie, Caro zu verstehen.

Ja, Tommy hatte ihr geschrieben. Laura jubelte innerlich. Am liebsten hätte sie ganz viele Smileys mit Herzaugen geschickt.

Aber sie schrieb nur:

»thx für die message, freu mich, bin auch abends on, dir auch lg.«

Sie ging in die Whatsapp-Gruppe und notierte für Caro:

»der typ, also tommy, hat geschrieben, o mann, der ist so süß«

Laura blieb in ENAF und ging gleichzeitig in TeeniesMeeting. Kaum aber, dass sie allgemein »hi@all« geschrieben hatte, trudelten auch schon Anfragen ein wie: »na du«; »hi süße, zeig mal dein ganzes face«; »was geht so«; »was treibt dich hier rein«; »auch langweile«; »lust auf lust«; »magst rollenspiele«; »willste mal zugucken«.

Oh Mann, wieder nur notgeile Typen hier. TeeniesMeeting war von morgens bis abends leider voll von diesen gestörten Typen. Alle Altersstufen waren vertreten, obwohl es ein Chat für junge Leute war. Und je älter, je schlimmer und distanzloser. Aber nicht nur Männer, sondern auch Frauen oder Mädchen klopften an. Meist waren es Lesben oder Bi-Typen, die auch nur Sexgespräche wollten. In diesem Fall war Laura froh, dass sie auch hier nur das Bild reingestellt hatte, das eine Gesichtshälfte zeigte, sonst wären sicher noch "mehr Wespen auf dem Kuchen" gelandet.

Widerwillig nahm sie ihr Mathematikbuch. Diese Bruchgleichungen nervten tierisch. Aber sie musste jetzt langsam mal ran. Nächste Woche würde die Schulaufgabe anstehen, und die durfte sie nicht verhauen. Überhaupt sah es momentan nicht so toll mit ihren Noten aus. Aber wie sollte sie auch lernen bei all dem Stress, den sie zu Hause hatte?

Unruhig fiel ihr Blick immer wieder auf ihr Smartphone, als sie plötzlich bemerke, dass Caro bei den Crazy Bitches aufgetaucht war.

»na du, dein tommy hat also echt geantwortet«

»klar, warum denn auch nicht«

»und was schreibt er«

»nix genaues, er is meist abends on«

»vllt hat er ne freundin«

»jaja, hättest du wohl gern«, äffte Laura verschnupft.

Die beiden Mädchen schrieben noch eine Weile in ihrer Gruppe, da bemerkte Laura plötzlich, dass thomas16 on gekommen war.

»du caro, tommy ist jetzt on«

»hehe, da will ich euer glück net stören, viel spaß, und frag ihn gleich mal nach mathe un ob er ne freundin hat«

»cu«, war Lauras knappe Antwort. Dann drückte sie Caro weg und schrieb an thomas16:

»hi«

»hallo, grüß dich«, kam die Antwort, »wie gehts denn so und was machste«

»passt schon, mom hausi, doofes mathe«

»ach so, hausaufgaben für die schule, was macht ihr da«

»bruchgleichungen«

»okay«

Laura war etwas aufgewühlt. Immer wieder vertippte sie sich, denn ihre Daumen tanzten unruhig auf der Tastatur hin und her. Nur das Richtige schreiben, keinen Fehler machen, denn dieser Thomas schien echt in Ordnung zu sein.

»sag mal, biste auch auf facebook«, wollte Laura wissen.

»nein, warum fragste, ist das wichtig«

Seinen Facebook-Account durfte Wolfgang ihr auf keinen Fall verraten, denn da stand er ja mit seinen richtigen Angaben drin.

»und du«, forschte er weiter, »wo bist du sonst noch«

»naja, in TenniesMeeting, meiner Whatsapp-Gruppe, Facebook und hier in ENAF«, schrieb Laura, »aber in der Whatsapp-Gruppe sind nur die aus meiner klasse drin, da lassen wir keinen anderen rein, sry«

»schon ok«, antwortete er, »ich finds toll, dass ich dich kennen gelernt habe und wir miteinander schreiben«

Wolfgang überlegte spontan, ob er sich für diesen Zweck hier einen neuen Whatsapp-Account zulegen sollte, denn in irgendeiner Schublade musste noch sein altes Smartphone liegen. Wenn er sich eine neue Sim-Karte besorgte, konnte er mit ihr telefonieren und schreiben.

Laura überlegte derweil, ob sie ihn nach Mathe fragen sollte. Aber es würde ihn vielleicht erschrecken, wenn sie direkt mit ihrem Schulproblem kam. Auf ihre vorsichtige Frage, wie er denn so in Mathe sei, meinte er nur: »na ja, geht so«.

Dann schwenkte Wolfgang gleich auf Lauras Hobbies um, die sie ja ausführlich in ihrem Profil genannt hatte und erzählte, dass er gern Fußball spielt und den Film "Fifty Shades of Grey“ auch unheimlich geil findet und der Country-Pop von Taylor Swift zu seinen Favoriten zählt.

Den Film hatte Wolfgang gesehen, aber nach Taylor Swift musste er googlen um herauszufinden, wer das ist und was sie für einen Musikstil verfolgt.

Als Laura dies las, schlug ihr Herz wegen dieser vermeintlichen gemeinsamen Interessen noch heftiger.

Mit ihrer nächsten Frage zögerte sie einen Augenblick, doch dann musste es heraus: »darf ich dich was fragen«

Eine bange Ungewissheit brannte in ihr.

»klar«, kam die Antwort.

»hast du ’ne freundin« - Puh, jetzt war es raus.

Es dauerte eine gefühlte halbe Ewigkeit bis Thomas schrieb: »nein, bin solo und du«

»auch«, schrieb Laura und setzte sichtlich erleichtert noch einen Smiley dahinter.

Als Thomas wissen wollte, warum sie keinen Freund habe, denn sie würde doch sicher gut aussehen, beschrieb sie vorsichtig ihre Wohnsituation, die Mutter, das Dorf und das Bauernhaus. Je mehr sie erzählte, umso offener wurde sie. Irgendwie hatte sie Vertrauen gefasst zu dem unbekannten Jungen im Chat, der sehr nett und auch solo war.

Thomas gab freundliche Rückmeldungen, denn jetzt galt es Vertrauen aufzubauen:

»verstehe, geht mir auch so, lass dich nicht verrückt machen«

Als sie sich nach einer guten halben Stunde mit einem herzlichen »ciao« und »hdl« verabschiedeten, schlug ihr Herz Purzelbäume.

9

»Na«, wollte Caro wissen, als sie sich morgens im Schulbus neben Laura in den abgewetzten Sitz fallen ließ, »hast du mit deinem Tommy gestern noch schön geschrieben?«

»Oh Mann, der ist solo und sooo cool.« Laura lief vor Schwärmen fast über wie eine Regentonne nach einem Gewitter. »Und vor allem ist er kein notgeiler Spinner mit doofer Anmache und so. Und weißt du was, der steht auch auf Taylor Swift und war in "Fifty Shades of Grey", ist das nicht supi? «

»Hehe, ich merk schon«, grinste Caro, »dich hat´s ja ganz schön erwischt. Wann schreibt ihr wieder?«

»Kein Plan, vielleicht heut Nachmittag oder heut Abend. Oh Mann, Caro, der hat´s echt drauf.« Laura verdrehte schmachtend die Augen.

»Nicht, dass du später enttäuscht bist«, warnte Caro, »du kennst den doch gar nicht, und im Internet musst du immer vorsichtig sein.«

Warnungen wollte Laura jetzt gar nicht hören. Sie hatte sich seit gestern Abend aus der realen Welt verabschiedet und flog auf Wolke Sieben. Das musste ihre Freundin doch verstehen!

Der Schulvormittag zog sich schleppend hin. Immer wieder sah sie auf die Uhr. Bei Mathe dachte sie dann doch ernsthaft darüber nach, nachmittags bei Tommy nachzufragen.

»Na, Mädel«, lachte der Busfahrer, und wunderte sich über Lauras Eifer »du hast es heute aber eilig. Gibt’s was Besonderes?«

»Och nö«, grinste Laura, »alles im grünen Bereich.«

Schnell sprang sie aus dem Bus, als sie endlich Wiesenbach erreicht hatten. Der Busfahrer schüttelte lachend den Kopf.

Ihrer Mutter rief sie nur ein kurzes »Hallo!« zu, dann stürzte sie die Treppe hoch in ihr Zimmer.

»Was ist mitessen?«, rief sie ihrer Tochter nach.

»Später«, war die kurze Antwort, »erst was checken.«

Der Rucksack flog in die Ecke, aus der Minki erschreckt hochsprang. »Sorry«, brummte Laura und streichelte kurz die schwarz-weiße Katze, »muss doch mal ganz in Ruhe gucken, ob Tommy schon on ist.«

Seit sie aus der Schule war, starrte sie pausenlos auf ihr Smartphone. An der Haltestelle wäre sie fast gegen den Bus gelaufen.

Nun galt es, geduldig zu sein und zu warten. Vielleicht kam er ja bald on.

»Essen!« tönte es wie eine Sirene von unten, »wie lang´ soll ich noch warten?

»Ja, ja, bin schon unterwegs. Nerv´ mich nicht«, brummte Laura, schnappte sich ihr Smartphone und ging betont langsam die Treppe runter.

»Was gibt´s denn so Wichtiges, dass du gleich nach oben verschwinden musst«, maulte ihre Mutter, »da koch´ ich mal was, und dann steh ich hier und warte. Morgen darfst du wieder warten!«

Laura nickte und setzte sich schweigend an den Esstisch, während ihre Mutter lustlos in einer alten Zeitschrift blätterte.

Es war wie immer. Ihre Mutter scherte sich einen Dreck darum wie es ihr ging. Hauptsache sie allein war Mittelpunkt des Universums.

Gut, dass Laura nun endlich einen Freund hatte, mit dem sie hoffentlich all ihre Gedanken austauschen konnte. Immer wieder starrte sie gebannt auf ihr Smartphone, als müsse etwas ganz besonderes dort passieren.

10

Wolfgang hatte den ganzen Vormittag die neuen Wagenmodelle im Verkaufsraum mit Fahrzeugangaben und Preisen ausgezeichnet. Jetzt, am frühen Nachmittag, wollte er sich eine kurze Auszeit gönnen.

Am Automaten holte er sich einen großen Becher Milchkaffee mit Zucker und ging langsam in sein Büro.

Sein Smartphone lag eingeschaltet auf dem Schreibtisch. Ab und zu warf er einen Blick darauf.

Seit gestern konnte er kaum an etwas anderes denken als an diese süße Laura. Er musste unbedingt noch mehr Bilder von ihr sehen. Heute würde er sie fragen.

In seiner Fantasie malte er sich aus, wie sie im engem Pulli oder T-Shirt mit Hotpants, im Slip oder BH aussah. Welche Größe sie wohl hatte. Sie würde ihm sicher ein Bikinibild schicken, wenn er sie höflich fragte. Das dürfte doch nicht zu viel verlangt sein.

Und wenn sie weitere Bilder von ihm forderte? Eine dunkle Wolke legte sich über seine perfiden Fantasien.

Na, da würde ihm schon was einfallen.

Wolfgang lehnte sich in Gedanken versunken zurück und schlürfte seinen Kaffee, der mittlerweile kalt geworden war. Dafür wurde es ihm immer heißer. Laura geisterte fortwährend durch seine Gehirngänge, und sein gieriger Blick klebte am Display des Smartphones.

Ein Kunde betrat den Verkaufsraum und riss ihn aus seinen Träumen. Ausgerechnet jetzt. Missmutig stand Wolfgang auf: »Kann ich Ihnen helfen?« fragte er wenig einladend.

»Ich schau mich nur mal um«, war die Antwort.

Wolfgang verschwand wortlos wieder in seinem Büro.

Ein erneuter Blick auf das Display verriet ihm, dass Laura on war und ihm ein

»hi« geschickt hatte.

»grüß dich«, tippte er aufgeregt zurück.

»na wie gehts«, fragte Laura.

»immer gut« schrieb Wolfgang.

»was machste«, kam die Frage.

»hab auf dich gewartet«

Nach weiteren Nettigkeiten was jeder so im Augenblick macht, ging Laura zum Angriff über.

»du bist doch in der 9. klasse gym«

»ja, warum«

»dann habt ihr doch sicher in der 8. klasse bruchgleichungen gemacht«

»kann sein, warum«

»ich komm da net klar, vllt weißt du noch, wie das geht«

»und was«

Wolfgang schwitzte und spürte, wie sein Hemdkragen plötzlich enger wurde.

»ich soll die definitionsmenge bestimmen und die gleichung lösen, sagt dir das was«

»oh, na ja«

»7:3x = 5:6x – 1:4«

Wolfgang schluckte. Ach du lieber Himmel, woher sollte er das denn wissen? Das war doch viel zu lange her, dass er so etwas lösen musste. Außerdem war er nie gut in Mathe gewesen.

Dass sie ihn nach solchen Dingen fragen würde, hätte er nie im Leben gedacht. Wenn er jetzt was falsch machte, war er enttarnt und sie würde sich zurückziehen. Er musste also Zeit gewinnen.

»warte mal«

»gern«

Er überlegte, wie er aus dieser Nummer am besten wieder rauskommen konnte.

Dann hatte er eine Idee und schrieb:

»sry, meine mutter ruft, bin gleich wieder da«

»ok«

Wolfgang stand auf und ging in seinem Büro unruhig auf und ab. Wie sollte er das nun beantworten? Wo sollte er auf die Schnelle Informationen über Bruchgleichungen herbekommen?

Jetzt nach einer Seite zu googeln, die ihm vielleicht Aufschluss geben könnte, würde viel zu lange dauern. Außerdem müsste er es dann selbst kapieren, um es ihr wieder zu erklären. Er musste also irgendeine passende Ausrede finden.

So schrieb er:

»meine mutter nervt mal wieder, sie will, dass ich ihr jetzt sofort helfe, bist du heute abend on«

Бесплатный фрагмент закончился.

384,09 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
141 стр. 3 иллюстрации
ISBN:
9783742754486
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают