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2.7.6 Anpassungsfähigkeit

Die Anpassungsfähigkeit ist das Verhalten des Menschen, sich auf geänderte Anforderungen und Gegebenheiten einer Umwelt einzustellen. Sie ist mit Flexibilität verbunden und hat sowohl im Privatbereich als auch im Berufsleben hohe Bedeutung. Im Schulalter wird von den Eltern hinsichtlich der Kinder Gehorsam eingefordert. Dieser darf aber nicht zum Ja-Sagertum bzw. in Knechtschaft ausarten.228 „Wer Kindern zu viele Freiheiten gestattet, der riskiert, dass sie sich nicht anpassen lernen, sondern zum totalen Widerstand neigen!“* Anpassungsstörungen können sich in Partner- und Familienproblemen, Lebensenttäuschungen, Schwierigkeiten im Beruf, finanziellen Einbußen und Gesundheitsproblemen äußern. Demgegenüber kann totale Anpassung in Unterwürfigkeit enden. Etwas deftig ausgedrückt heißt das: „Der Devote trägt den Hintern höher als den Kopf“ (E. Klepgen). Der Begriff Anpassung ist eng mit dem Lernen verwandt. Bei einfachen Verhaltensverstärkungen wird von Sensitivierung gesprochen und das Gegenteil ist die Gewöhnung. Die sensible Anpassung ist im Leben notwendig, ist andererseits aber als Totalanpassung gefährlich, wie es uns auch unsere deutsche Geschichte leider gezeigt hat: „Wer mit dem Strom schwimmt, schwimmt bergab“ (unbekannt).

► Thesen: „Jedermann hat sich zu bemühen, sich den Menschen anzupassen“ (Th. Hobbes). Warum? „Sensible Anpassung an die Mitmenschen macht uns Menschen das Leben leichter.“* Wir alle suchen Geborgenheit: „In der Umgebung von Menschen, die uns akzeptieren, fühlen wir uns sicher und geborgen. * Dabei gilt: „Anpassungsfähigkeit und Disziplin wachsen auf einem Holz“ (unbekannt). Das gilt sowohl für ältere als auch für jüngere Menschen. „Manche Schüler haben Probleme in der Schule, deren Folgen sich später im Beruf als sehr hinderlich erweisen. Deshalb ist es für junge Menschen wichtig, dass sie lernen, sich dem Druck der Schule bzw. der Ausbildung anzupassen.“* Das ist viel leichter gesagt als getan. Für das Agieren in einer Gruppe gilt: „Wer nicht bereit ist, sich anzupassen, kann schnell zum Außenseiter werden.“* „Wer es gelernt hat, nicht anzuecken, hat größere Entwicklungschancen als ein Quertreiber!“* Zum Schluss: „Die Fähigkeit der sensiblen Anpassung hat nichts mit Speichellecken zu tun!“*

► Dem stehen folgende Antithesen gegenüber: Totalanpassung ist falsch, denn vor allem, wenn es in der Gesellschaft ungerecht zugeht, sollten wir uns wehren: „Manche Gegebenheiten dürfen wir nicht einfach hinnehmen, sondern müssen uns entrüsten.“229 „Wer Widerstand zeigt, dient eher dem Fortschritt. Mitläufer sein ist einfach, begründet dagegen zu sein, ist schwieriger.“* Es darf auf jeden Fall nicht so weit kommen, dass man sich selbst aufgibt: „Reine Anpassung kann zur Selbstaufgabe der eigenen Persönlichkeit führen“ (Praxisweisheit). Wer persönliche Wünsche und die eigene Meinung ständig unterdrückt, kann krank werden. Mitunter ist mancher in seinem Widerstand anmaßend: „Angemaßte Größe ist oft die Ursache von Unzufriedenheit“ (U. Löchner). Auch gilt: „Nur Lebendiges schwimmt gegen den Strom“ (K.H. Deschner).

► Synthese: Die Forderung nach Anpassung oder Sozialisation beginnt bereits beim Kleinkind in der Familie, setzt sich beim Jugendlichen und später im Privat- und Berufsleben fort. E. Ferstl stellt fest: „Anpassung fördert allerdings den Drang, zu verdrängen.“ „Wer überhaupt nicht anpassungsbereit ist, wird im Regelfall scheitern.“* Und es gilt: „Wer nicht mit den Wölfen heulen will, muss mit den Krokodilen weinen“ (U. Erckenbrecht). Zum Nachdenken: „Die Anpassung ist die kleinste Form der Lüge“ (F.P. Rinnhofer).

Anpassungsfähigkeit braucht man auch im Ausland: „Wenn du in der Fremde bist, singe nicht allein, sondern im Chor“ (aus Afrika). Jeder sollte sich mit diesem Thema und mit den Regeln der jeweiligen Gesellschaft auseinandersetzen und kritisch abwägen, wann es nötig ist, sich anzupassen und wann Widerstand angebracht ist. Die Frage nach Anpassung und Widerstand stellt sich vor allem in der Politik.230 Man kann es auch nicht allen recht machen wollen:

„Wer es allen anderen recht machen will, kommt nicht weiter. Er dreht sich im Kreis“

(E. Ferstl)

Es liegt wohl in unseren Genen verankert, ob wir eher angepasst sind oder zu Widerstand neigen. Auch die Erziehung spielt dabei eine große Rolle. Die Gesellschaft benötigt schon immer Menschen, die sich nicht einfach in die Norm einfügen und sich mit einem Durchschnittsverhalten begnügen. Aber: „Widerstand hat grundsätzlich gewaltfrei zu erfolgen.“*

Der Mensch darf nicht immer den Weg des geringsten Widerstands gehen und darf sich nicht zum reinen „Ja-Sager“ ohne eigene Meinung entwickeln, nach dem Motto: „Hat der Herr den Schnupfen, so niesen die Knechte“ (Deutsches Sprichwort). Wir Menschen müssen uns vor allem zu den bewährten Prinzipien bekennen, auch wenn das anderen Menschen nicht passt. „Jeder Mensch muss für sich selbst einen angemessenen Weg zwischen der Anpassungsfähigkeit und dem Widerstand finden.“* „Nur wer seine eigenen Kräfte richtig einschätzt, wird Veränderungen bewirken können.“* Und zum Schluss zum Nachdenken: „Wer sich nicht anpassen will, muss die Welt verändern. Wer die Welt verändern will, muss sich anpassen“ (W. Mocker).

2.7.7 Kritik

Kritik ist die Beurteilung einer Person, Sache bzw. eines Systems. Der Begriff der Kritik hat eine lange Geschichte, u. a. gibt es interessante Beiträge von Kant, Fichte, Hegel und Marx.231 „Kritisches Verhalten ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens.“* Als Führungsinstrument ist Kritik als Lob oder als Tadel einsetzbar.232 Sie ist eine Grundform der Vernunft bzw. ein Wesensmerkmal der Urteilsbildung und auch eine Auseinandersetzung mit Handlungen, Handlungsnormen und -zielen, z. B. als Literatur-, Theater-, Spiele-, Musik- und Filmkritik. Es gibt außerdem Selbstkritik und Fremdkritik. Auch Karikaturen können Ausdruck von Kritik sein: „Kritische Karikaturen zeigen den politischen Pulsschlag der Zeitgeschichte“ (A. Dunker). Für kritische Karikaturen gilt: „Auch kein Karikaturist darf die Regeln des Anstands oder tiefreligiöse Empfindungen verletzen.“* Auf den ersten Blick ist die Meinung von H. Körber verblüffend: „Die spitzesten Lanzen werden von den Dünnhäutigen geschleudert.“ Interessant hinsichtlich der Kritik ist auch folgende Auffassung: „Die Zuneigung bestimmt den Blickwinkel“ (L. Peppel). Zur Kritik gibt es Feststellungen, positive Anmerkungen, aber auch negative Aussagen.

► Pro: Kritik kann als wesentliches Lebenselement hilfreich sein: „Kritik ist dort angebracht, wo sie hilft“ (V. Frank). Konstruktive Kritik ist allerdings nicht einfach: „Kritik will geübt sein“ (M. Hinrich). Auch die Qualität der Kritik spielt eine Rolle: „In dem Maße wie Wille und Fähigkeit zur Selbstkritik steigen, hebt sich auch das Niveau der Kritik an anderen“ (Ch. Morgenstern). Manche Menschen sind übertrieben kritisch: „Kritik ist lebenswichtig. Für Kritiker“ (E. Blanck). Die Praxis zeigt: „Kritische Menschen teilen gern aus, vertragen selbst aber überhaupt keine Kritik.“* Deshalb gilt schon immer: „Wer stechen will, muss selber stichfest sein“ (A. Grün). Wenn man im Stossfeuer der Kritik steht, dann ist Geduld nötig: „Manchmal muss man Kritik geduldig ertragen.“* Als Reaktion auf Kritik hat Neid überhaupt keinen Platz. Mark Twain mag Kritik nur unter einer Voraussetzung: „Ich liebe Kritik, aber ich muss damit einverstanden sein.“ Otto von Bismarck sagt zu Recht: „Ich bin dankbar für schärfste Kritik, wenn sie nur sachlich bleibt.“ Wirksame Kritik hat ihre positiven Folgen: „Was dich mitnimmt, bringt dich weiter“ (H. Sabo). Zum Schluss: „Konstruktive Kritik sollte uns nicht egal sein, sondern wir sollten uns mit ihr auseinandersetzen.“*

► Contra: „Kritik wirkt negativ, vor allem wenn sie unsachlich, destruktiv oder unverschämt ist.“* „Manche Sätze geben ihr Gift erst nach Jahren her“ (E. Canetti). Auch Diffamierungen sind unehrenhaft. „Kritik ist oft nichts anderes als Neid über den Erfolg des anderen“ (M. Mächler). Wir sollten uns darüber klar sein, das Kritik zu weiterer Kritik führt: „Kritik schlägt immer zurück“ (A. Maggauer-Kirsche). Vor allem sehr kritische Menschen sind anfällig für Kritik: „Niemand verträgt weniger Kritik als der Kritiker“ (P. Rosegger). Sie wollen das aber nicht wahrhaben: „Wer keine Kritik verträgt, hört nicht gern, dass er keine Kritik verträgt“ (M. Richter). Auch zur Reaktion auf Kritik gibt es interessante Meinungen:

▪ „Wer sich über Kritik ärgert, gibt zu, dass sie verdient war“ (Tacitus).

▪ „Wer Kritik übel nimmt, hat etwas zu verbergen“ (H. Schmidt).

Vor allem gibt es viele Weltverbesserer: „Der Jammer bei den Weltverbesserern ist, dass sie nicht bei sich selbst anfangen“ (M. Twain). „Keiner von uns kann die Welt retten.“* Angemessene Kritik ist auch Kopfsache: „Mittelmäßige Geister verurteilen gewöhnlich alles, was über ihren Horizont geht“ (La Rochefoucauld). Aus der Lebenspraxis gibt es Vergleichsbeispiele: „Die Kritik gleicht einer Bürste. Bei allzu leichten Stoffen darf man sie nicht verwenden, denn sonst bliebe nichts mehr übrig“ (H. de Balzac). Ein treffender Vergleich mit einem Chor: „Am Lautesten singen immer die, die falsch singen“ (F. Grillparzer). Das ist bemerkenswert!

► Conclusio: „Ein vornehmer Mensch tadelt sich selbst, ein gewöhnlicher die anderen“ (Konfuzius). Vor allem sollten wir zuerst vor der eigene Tür kehren: „Die Kritik an anderen hat noch keinem die eigene Leistung erspart“ (N. Coward). Auch folgende Feststellung passt hier: „Man wird nicht dadurch besser, indem man andere schlecht macht“ (H. Nordhoff). „Es ist gar viel leichter, ein Ding zu tadeln, als es selbst zu erfinden“ (A. Dürer). Mitunter wird schnell kritisiert, aber weniger schnell eingesteckt: „Kritik kommt geschmeidig über die Lippen, aber geschluckt wird sie nicht gern“ (T. Zölffel). Außerdem gilt: „Wer austeilt, muss auch einstecken können“ (O. Stock). Wir sollten angemessene Kritik akzeptieren, aber gegen unangemessene Kritik sollten wir uns wehren. Aber: „Gegen Kritik kann man sich weder wehren noch schützen“ (J.W. von Goethe). „Man soll gegenüber Kritik nicht zu empfindlich sein, man soll aber auch nicht unmäßig austeilen.“* Nicht wenige von uns jammern, obwohl es nicht angebracht ist: „Wir haben uns daran gewöhnt, auf hohem Niveau zu jammern“ (H. Kohl). Andere sind zu empfindlich: „Es gibt Menschen, die sich immer angegriffen wähnen, wenn jemand eine Meinung ausspricht“ (G.C. Lichtenberg). Und der österreichische Tiefenpsychologe A. Adler stellte etwas Bemerkenswertes fest: „Überempfindlichkeit ist Ausdruck eines Minderwertigkeitsgefühls.“

Demgegenüber gilt: „Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den andern, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt“ (Ch. Morgenstern). „Auch negative Kritik muss immer sachlich sein und darf niemals vor der Gruppe geschehen.“* Interessant ist die Feststellung von Walter Jens: „Die entscheidenden Veränderer der Welt sind immer gegen den Strom geschwommen.“ Und es gibt dazu Wünsche: „Etwas wünscht ich zu sehn, ich wünschte einmal von den Freunden, die das Schwache so schnell finden, das Gute zu sehn!“ (J.W. von Goethe und F. von Schiller). Und etwas rustikal: „Nur ein Schwein macht ein Schwein zur Sau“ (U. Erckenbrecht). Einige Anmerkungen zur Menschenführung:233 Kritik hat unter vier Augen aufbauend und nicht unter Versageraspekten zu erfolgen. Kleine Fehler dürfen nicht hart kritisiert werden: „Fremde Fehler beurteilen wir als Staatsanwalt, die eigenen als Verteidiger“ (aus Brasilien). Tadel an den Leistungen einzelner darf nicht auf alle übertragen werden. Negative Kritik kann auch in Frageform gekleidet werden, um die Schärfe zu nehmen. Die Kritik soll zu neuer Leistung anspornen und darf keinesfalls verletzend erfolgen. „Bei persönlicher Kritik sollte immer das Gute vor dem Schlechten genannt werden.“* „Der Weg zur Vollkommenheit und zu jedem Fortschritt ist fortwährende Selbstkritik“ (K. Schwitters). Und zum Schluss: „Willst du andere belehren, musst du vor deiner Tür erst kehren“ (unbekannt).

2.8 Gegebenheiten des Menschen

Über die Entwicklung des Menschen, den menschlichen Geist, das Gute, das Böse und das Schöne, die Tugenden, die Untugenden, die Antriebe und das Verhalten des Menschen hinaus gibt es weitere Gegebenheiten, die hier einer dialektischen Betrachtung unterzogen werden.

2.8.1 Ich

Das „Ich“ ist der Inbegriff des bewussten menschlichen Individuums234, mit seinem Denken, Wahrnehmen, Fühlen und Handeln. Diese Gegebenheit steht im Gegensatz zu seinem unbewussten Teil. Fichte sieht im „Ich“ die schöpferische Einheit, auf die bezogen alle Wirklichkeit erst Sinn erhält. Im Rahmen der Psychoanalyse von Sigmund Freud ist das „Ich“ die Kontrollinstanz, die sich zwischen den Wünschen und Bedürfnissen des „Es“ und den Normen des „Über-Ichs“ entscheiden muss. S. Freud stammt aus ärmlichen Verhältnissen, war aber ein hervorragender Schüler. Er bestand das Abitur mit Auszeichnung und promovierte später zum Doktor der Medizin. Mit seinen Veröffentlichungen hatte er aber zunächst wenig Erfolg. Er schätzte seine fünf Schwestern. Als Mensch und Vater war er keineswegs liebevoll, sondern gegenüber seinen Kindern eher unnahbar.235 Die Begriffe des „Ich, Es und Über-Ich“ verwandte vor ihm übrigens bereits Nietzsche. Das Ich tritt auch bei R. Descartes besonders hervor, denn er prägte den bekannten Satz: „Ich denke, also bin ich.“ Ähnlich S. Weil: „Ich kann, also bin ich.“ Im Alltag stellt mancher Mensch sein Ich zu sehr in den Vordergrund. Andere Menschen sind zu bescheiden. Was spricht für die Verwendung des Wortes „Ich“ und was spricht dagegen?

► Contra: Im Hinblick auf die Verwendung des Wortes „Ich“ in Texten können wir das Ich in seiner reinen Form feststellen: „Der Esel nennt sich selbst zuerst.“ Das „Ich“ des Schreibers interessiert den Leser im Regelfall erst in zweiter Linie. Wer in seinen Abhandlungen ständig „Ich“ schreibt, nimmt sich wohl meistens zu wichtig. Dabei wissen wir, dass gesellschaftliche Vorgänge nicht personalisiert werden sollten. Die Personalisierung beginnt beim „Ich“. „Das Ich täuscht in Sätzen oft etwas vor und wirkt sich selbst erhebend: „Ich erfahre aus informierten Kreisen …“236 Dabei ist von größter Bedeutung: „Die Inhalte einer Sache sind meistens entscheidend“ (Sprichwort). Darüber hinaus stellt sich die interessante Frage, wie der Mensch in seinem Leben mit seinem eigenen „Ich“ umgehen soll. Vor allem sollte der Mensch nach Selbsterkenntnis streben.237

► Pro: Wer „Ich“ meint, soll auch ich sagen; möglichst mit einem kleinen „i“. In Biographien beispielsweise geht es gar nicht ohne das „Ich“. Ein bisschen „Exhibitionismus“ und Eitelkeit ist unweigerlich mit dem Anspruch verbunden, etwas zu schreiben, was veröffentlichungswert ist. Wer „Ich“ schreibt, übernimmt – manchmal vielleicht nicht ganz bewusst – die alleinige Verantwortung für seine Aussagen. Im Gegensatz zum „Wir“. Wenn ein Ego Sätze mit „Ich“ schreibt, dann stimmt doch wenigstens der Blickwinkel des Egos. Solange der Weltgeist nicht zum Schreiben gebracht werden kann, ist jede Darstellung persönlich, auch wenn mindestens zwei Personen dabei mitwirken.238

► Conclusio: „Finde den Ursprung des „Ichs“, dann werden alle Schwierigkeiten verschwinden und das reine Selbst alleine wird bleiben“ (R. Maharshi). Mit der Sprache kann der Mensch beinahe alles machen – solange er nur weiß, was er macht (R.W. Leonhardt). Wodurch wird denn der wahre Wert es Menschen bestimmt?

„Der wahre Wert eines Menschen ist in erster Linie dadurch bestimmt, in welchem Grad und in welchem Sinn er zur Befreiung vom „Ich“ gelangt ist“

(Albert Einstein)

Sokrates sagte bescheiden: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“. Nach R.W. Leonhardt sollte jeder, der schreibt, seine ehrenwerte Scheu, das Personalpronomen der ersten Person Singularis zu verwenden, mit jedem Satz neu überprüfen. Das „Ich“ ist allemal besser und klarer als das andere gegen ihren Willen einbeziehende „Wir“. „Das unzulässig verallgemeinende „man“ ist vor allem in der Wissenschaft verpönt.“* Der Psychologe Peter Lauster kommt hinsichtlich des Umgangs mit dem eigenen „Ich“ zu dem Ergebnis, dass der Mensch sich selbst und seine Mitmenschen als Ganzes erfassen sollte. Außerdem soll er sich dem eigenen „Ich“ stellen, um ein selbstbestimmtes, freies und harmonisches Leben erreichen zu können.239 Allerdings gilt: „Wir sehen uns selbst nicht so, wie uns die anderen sehen.“* Zum Schluss in eigener Sache: „Wir Menschen müssen in unserem Leben viele Rollen spielen: Ich war in meinem Leben u. a. Gymnasiast, Student, Ehemann, Doktorand, Ausbildungsleiter, Lehrer, Dozent und Schriftsteller.“* Mein „Ich“ erlebte dabei – wie im Leben vieler anderer Menschen – ein ständiges und nicht einfaches Auf und Ab.240

2.8.2 Du

Als „Du“ wird in der Sozialphilosophie ein anderes Subjekt oder ein Dialog-Partner bezeichnet, das mit dem „Ich“ nicht identisch ist, das aber auch kein Fremder ist. In der praktischen Anwendung wird vom Dutzen gesprochen. Gandhi sagte zu dieser Gegebenheit: „Du und ich. Wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich zu verletzen.“ Der Religionsphilosoph Martin Buber bezeichnet das menschliche Gegenüber als „Du“ und die dingliche Welt als „Es“.241 Im praktischen Leben werden Minderjährige bzw. Familienangehörige und Freunde mit „Du“ angesprochen. Der Übergang von „Sie“ zum „Du“ setzt unter Erwachsenen meistens eine Vereinbarung voraus. Der Rückgang vom „Du“ zum „Sie“ ist meist durch eine Verschlechterung der Beziehungen verbunden. Während die Japaner etwa 23 verschiedene Anreden kennen, haben die Italiener drei, Engländer und Amerikaner aber nur eine Anrede („you“). Manche Kreise in Deutschland möchten das „Sie“ ganz abschaffen. Die Ansichten darüber sind aber verschieden. Was spricht für und was gegen das „Du“?

► Ein gewichtiges Argument spricht für das „Du“: „Die deutsche Sprache würde leichter – auch für Ausländer.“242 Die Art und Intimität der Beziehung wäre nicht gleich in der Anrede ablesbar. Manchen Klassengegensätzen und Vorgesetztenverhältnissen würde die Spitze genommen. Die Peinlichkeit verschwände, wenn man zu fremden Menschen plötzlich „Du“ sagen soll, nur weil sie ein Mitglied der Familie geheiratet haben. Gruppen können sich nicht mehr so leicht gegenüber anderen Gruppen abkapseln. Die im „Du“ sich ausdrückende Herablassung gegenüber Kindern würde aufhören. Die Vertraulichkeit des „Du“ würde den Umgang mit anderen Menschen vertrauter machen.

► Dagegen spricht, dass es auch in Frankreich das „vous“ und das „tu“ gibt. Im Englischen gibt es zwar nur eine Anrede („you“), aber es gibt Abstufungen, nämlich wenn die gleiche Person mit „John“, „Mr. Miller“ oder mit „Sir“ angesprochen wird. Durch das „Sie“ und „Du“ besteht weiterhin die Möglichkeit, Privates vom Geschäftlichen zu trennen. Das sprachliche Differenzierungsvermögen (als Teil der Intelligenz) nimmt ab, wo immer einer Sprache Ausdrucksnuancen genommen werden. „Du Blödmann“ kommt schneller über die Lippen als „Sie Blödmann.“ Wenn das „Du“ beschlossen ist, gibt es kein zurück zum „Sie“ mehr; deshalb erschient Vorsicht mit einem zu schnellen „Du“ angebracht. Kostbare Augenblicke gäbe es im privaten Verhältnis zweier Menschen zueinander nicht mehr, die durch den Übergang vom „Sie“ zum „Du“ markiert werden.243 Wer anderen das „Du“ anbietet muss mit allem rechnen: „Wenn man einem Menschen das Du anbietet und dieser lehnt das aber ab, dann ist das eine Beleidigung mit Folgen.“*

► Conclusio: Sind die pro-Argumente so gravierend, dass wir das „Sie“ abschaffen sollten? Nein: auch in Frankreich käme niemand auf die Idee, die bestehenden Gegebenheiten zu ändern. Im Geschäftsleben ist das „Sie“ am weitesten verbreitet und im privaten Bereich gibt es beides. Und es gilt: „Du bleibst doch immer, was du bist“ (J.W. von Goethe). Oder auch: „Werde, was du bist“ (F. W. von Schelling). Wie gehen wir mir dem „Du“ um? In manchen Organisationen (z. B. in der Computerbranche) ist das „Du“ vom ersten Tag an üblich und wird von Anfang an vorausgesetzt. In konservativen Unternehmen (z. B. Banken) ist so etwas auch heute noch nicht denkbar. Es ist herrschende Meinung, dass der Ranghöhere dem Rangniedrigeren, der Ältere dem Jüngeren und die Frau dem Mann das „Du“ zuerst anbietet. Bei jungen Menschen sollte man im Allgemeinen ab 16 Jahren nicht mehr „Du“ sagen. Anfänger und unsichere Menschen können sich viel Ärger ersparen, wenn sie mit Vorsicht an das „Du“ herangehen. Und zum Nachdenken:

„Das 'Du' hat gar nichts Vertrautes mehr,

wenn jeder jeden „du“ nennt“

(Rudolf Walter Leonhardt)

Wenn wir einen Menschen gar nicht kennen, dann sprechen wir ihn mit „Sie“ an, gute Freunde und Bekannte werden mit dem „Du“ begrüßt. Das Vertraute und Persönliche hebt sich dabei vom Fremden und Unpersönlichen ab und eine gewisse Distanz empfinde ich dabei als ganz gut so! Allerdings sollte man es mit der Distanz auch nicht übertreiben.

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22 декабря 2023
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