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Kapitel 1: Die gefährliche Gier der Banken
Aus der Maus wird ein Elefant

Das traf auch auf Länder wie Spanien, Italien und Portugal zu. Der spätere Chefökonom der Deutschen Bank, Thomas Mayer, hatte das in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ damals klar erkannt. Seine Einschätzung, „Länder wie Spanien, Italien und Griechenland haben ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren“, traf und trifft ohne Einschränkungen zu.

Das bedeutete, gleich zwei wichtige Brückenpfeiler der Eurozone (nämlich Spanien und Italien) waren morsch und auch ein kleinerer wackelte schon. Kein Zweifel: Die Stabilität der Brücke war akut gefährdet. Natürlich – bis sich die Schäden in einer Brückenkonstruktion derart ausbreiten, daß sie zusammenbricht, vergeht eine gewisse Zeit. Ähnlich ist es mit den ökonomischen Krisen. Zweifellos ist die Wettbewerbsfähigkeit in einer globalen Gesellschaft ein ganz entscheidender Pfeiler. Geht sie verloren, sinkt zunächst das Wachstum, dann schließen Betriebe, die Arbeitslosigkeit nimmt zu und dies wiederum führt zu einer sinkenden Konsumquote. Konsequenz: Rezession.

Doch die Europa-Brücke hatte noch mehr Schäden. Anfang 2009 warnte der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, daß der Stabilitäts- und Wachstumspakt in Gefahr sei. Er verlangte, daß das Haushaltsdefizit in Krisenphasen drei Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten dürfe. Damals bekämpften so gut wie alle Eurostaaten die Krise mit Konjunkturprogrammen. Für Stark waren das Ausgaben, „die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen.“ Die folgende Tabelle 1 zeigt, daß der Pakt schon seit Jahren grob mißachtet wurde. Stark meinte, die Konjunkturprogramme würden die Lage nur noch verschlimmern.


Tabelle 1 Haushaltsdefizite in der Eurozone 2000–2011 in % BIP (ausgewählte Länder)
Land2000200520072008200920102011
Deutschland1,1-3,30,20,1-3,1-4,1-0,8
Frankreich-1,5-3,0-2,8-3,3-7,0-7,1-5,3
Griechenland-3,8-5,6-6,8-9,9-15,6-10,8-5,3
Irland4,71,70,17,4-13,9-30,9-13,3
Italien-0,9-4,5-1,6-2,7-5,4-4,3-3,1
Portugal-3,3-6,5-3,2-3,7-10,2-9,9-4,4
Spanien-1,01,31,9-4,5-11,2-9,7-9,4

Quelle: laenderdaten.info

Hier können Sie sehen, daß jene Staaten, die laut Thomas Mayer die Wettbewerbsfähigkeit verloren hatten, auch den Stabilitäts- und Wachstumspakt seit Jahren nicht einhielten. Dennoch wurde keines der südeuropäischen Länder kritisiert, ermahnt oder bestraft. Die EU-Elite nahm das mit einem Achselzucken hin und wachte auch dann noch nicht auf, als die Ratingagenturen erste Zweifel an der Bonität dieser Länder anmeldeten (Wie das in Spanien ablief, können Sie über www.epubli.de in meinem E-Book „Killt Spanien den Euro?“ nachlesen).

Obwohl ihr Ruf wegen der zwiespältigen Rolle, die sie im Rahmen der US-Finanzkrise gespielt hatten, ziemlich angekratzt war, dauerte es nicht lange, bis sie mit ihren Einschätzungen in der sich verschärfenden europäischen Verschuldungskrise eine Schlüsselrolle übernahmen. Das Feld dafür bereiteten sie schon Mitte April 2009 vor. Damals verpaßte Standard & Poors Spanien, Portugal, Irland und Griechenland schlechtere Bonitätsnoten. Das war ein erster Warnschuß. Und wie reagierten die Südeuropäer darauf? Sie kündigten an, die im Stabilitätspakt festgelegten Grenzen für das Haushaltsdefizit lockern zu wollen.

Wie war es möglich, daß die Angezählten diese Warnung nicht ernst nahmen? Dafür war ein anderes Machtzentrum verantwortlich – die Europäische Zentralbank (EZB). Natürlich wird EZB-Chef Jean-Claude Trichet die oben genannten Fakten gekannt haben. Doch sein Urteil fiel völlig anders aus. Ende Januar 2009 vertrat er den Standpunkt: „Wenn jemand behauptet, der Euroraum wäre gefährdet, dann ist das eine Vorstellung, die ich für unangemessen halte.“

Doch der „Markt“ sah das anders. Der „Markt“ – das sind die Hauptakteure auf den Finanzmärkten: Banken, Versicherungen, Hedgefonds, Reiche und Superreiche. Sie nämlich entscheiden als Käufer von Staatsanleihen, ob die Ratingagenturen oder die EZB richtig liegen. Und wie lautete ihr Urteil? Sie glaubten den Ratingagenturen und verlangten Renditeaufschläge für griechische, irische, aber auch italienische und spanische Staatsanleihen. Das bedeutete: Sie stuften die Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsunfähigkeit dieser Länder höher ein. Und das sah dann so aus: Noch im Spätsommer 2008 waren die sogenannten Spreads nicht höher als 1 Prozent. Anfang 2009 mußte Griechenland jedoch gut 3 Prozentpunkte mehr Zinsen als Deutschland zahlen. Hintergrund: Die gesamte Staatsverschuldung Griechenlands summierte sich 2007 auf knapp 95 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Diese Zahlen lösten im Bundesfinanzministerium Alarm aus. Offensichtlich wurden Berechnungen zu der Frage angestellt, ob die Griechen ihre Schulden aus eigener Kraft begleichen können. Anders gesagt: Die Schuldentragfähigkeit wurde untersucht. Das Ergebnis lautete: Nein, das schaffen sie nicht (mehr zur Schuldentragfähigkeit siehe unten).

Daraufhin forderte Finanzminister Peer Steinbrück überraschend, die Europäische Union in ihrer Gesamtheit müsse helfen, wenn ein Euroland in gravierende Zahlungsschwierigkeiten gerate. So verständlich diese Forderung auch sein mag – sie wäre ein Verstoß gegen Artikel 103 des EG-Vertrages – die sogenannte „No-Bail-out“-Klausel. Sie besagt, dass in der Währungsunion kein Staat für die Schulden anderer Staaten haften oder aufkommen muss. Steinbrück hatte seine Position offenbar nicht abgesprochen, denn wenige Stunden später schickte die Kanzlerin ihren Sprecher vor und ließ erklären: Die Äußerungen von Steinbrück würden auf keinen Fall bedeuten, daß Deutschland den EU-Vertrag ändern wolle.

Für den früheren Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, stand damals fest: Es wäre eine Katastrophe, wenn die „No-Bail-out“-Klausel aufgeweicht würde. „Das legt die Axt an den stabilitätspolitischen Rahmen der Währungsunion.“ Dass jeder Staat für seine eigenen Schulden und Defizite hafte, sei entscheidend für die finanzpolitische Disziplin. „Ohne das gebe es kein Halten mehr.“

Deutliche Worte von einem Insider. Doch in Brüssel war man sich nicht einig. Denn EU-Währungskommissar Joaquín Almunia vertrat wie Steinbrück den Standpunkt, daß man für EU- Länder, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten, eine „europäische Lösung“ finden müsse. Der Gang zum Internationalen Währungsfonds (IWF) – also deren Einbeziehung – sei unnötig. Die EU-Elite ignorierte die Einschätzungen von Almunia und Steinbrück. Schwer zu sagen, welchem Regierungschef und EU-Kommissar klar war, daß die Griechen es aus eigener Kraft nicht schaffen können, und wem nicht. Damals war die Mehrheit noch davon überzeugt, daß Griechenland mit einem Anteil von 2,5 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU keine Gefahr darstelle. Gerate dieses Land in eine Krise oder gar eine Pleite, würde das den Elefanten EU nicht im geringsten belasten. Das erwies sich als fatale Fehleinschätzung, denn schon sehr bald wurde aus der Maus ein Elefant. Wie war das möglich?

„Wir rechnen mit weiteren Turbulenzen“

In Griechenland regierte seit Anfang Oktober 2009 die Panhellenische Sozialistischen Bewegung (PASOK). Sie geriet sofort ins Visier der Eurogruppe. Auf ihrem Treffen am 20. Oktober war die Verschuldung Griechenlands das zentrale Thema. Wegen mangelnder Zuverlässigkeit seiner Statistik wurde Athen scharf gerügt. „Das Spiel ist aus – wir brauchen seriöse Statistiken“, forderte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker. Daß die Gespräche mit dem neuen griechischen Finanzminister Giorgos Papakonstantinou alles andere als harmonisch verliefen, konnte man daraus entnehmen, daß Eurogruppenmitglieder „gravierende, ernste Probleme“ in Athen erkannt hatten.

Was waren das für „gravierende“ Probleme? Aus den nun folgenden Zahlen können Sie entnehmen, wie tief Griechenland bereits in eine Verschuldungskrise hineingeschlittert war.


Tabelle 2 Indikatoren zur Schuldenkrise in Griechenland 2005–2012
JahrHaushaltssaldoSchuldenquotePrivate SparquoteZinssatzZinslastquote explizitimplizit
2005-5,3114,0-8,03,64,44,1
2010-8,3129,2-7,39,15,315,5
2012-6,5142,2-12,05,617,1

Quelle: Kiel Institut, Working Paper, Nr. 1690, März 2011

Betrachtet man die Zahlen aus Tabelle 1 und 2, so ergibt sich ein eindeutiger Schluß: Es mußte etwas passieren, denn die Griechen steuerten eindeutig auf den Abgrund zu. Daß Staaten auch zuvor schon an den Rand einer Zahlungsunfähigkeit gerieten oder auch Pleite gingen, war nicht neu. In der Regel meldeten sie Insolvenz an und schuldeten um. Doch Griechenland war Mitglied einer Währungsunion. Damit lag der Fall völlig anders als in anderen hochverschuldeten Ländern wie Argentinien, Japan oder den USA. Diese Länder gehörten keiner Währungsunion an. Darum konnten sie ihre Währung auch beliebig auf- und abwerten, um dadurch Exportwaren günstiger anbieten oder Importe günstiger einführen zu können. In der Eurozone kann kein Land am Eurokurs „drehen“. Hier bestimmt die EZB allein den Kurs des Euro.

Es war also ernst. Doch die EU-Elite verfiel in Lethargie – und die wurde sofort bestraft. Ende November 2009 waren schon viele Investoren nervös, weil nicht klar war, wie sich das fiskalpolitisch angeschlagene Griechenland angesichts seiner schwachen Konjunktur entwickeln würde. Und so kam es, daß die Rendite für zehnjährige Staatspapiere Griechenlands sich mit 5,12 Prozent – gegenüber 3,16 Prozent für Bundesanleihen – jenem Punkt näherte, ab dem die Begleichung der Schulden kaum noch möglich ist – der liegt nämlich bei 6 Prozent. Am 9. Dezember 2009 hatte die Ratingagentur Fitch ihr Urteil bereits gefällt – sie stufte die Kreditwürdigkeit Griechenlands auf „BBB+“ von „A –“ herab. Zuvor hatte die Ratingagentur S&P davor gewarnt, dass die Bonitätsnote „A –“ akut gefährdet sei.

Welche Bedeutung hat diese Einschätzung? Das „A –“ Rating war die Mindestanforderung, damit ein Land seine Anleihen als Sicherheit bei der EZB hinterlegen konnte. Solange es diese Möglichkeit gab, war die Refinanzierung gewährleistet. Doch wegen der Finanzkrise ging die EZB noch einen Schritt weiter und senkte diese Grenze auf BBB– herab – jedoch nur bis Ende 2010. Danach würde das A-Rating wieder gelten. Kurzum: mit BBB+ war Griechenland nur eine Stufe von jenem Punkt entfernt, an dem die Refinanzierung nicht mehr möglich war. Dann wäre die Pleite unvermeidbar gewesen.

Die griechische Regierung war sich dieser Gefahr bewußt. Ministerpräsident Giorgos Papandreou versicherte, Athen könne mit der schlimmen Finanzlage fertig werden. „Wir sind entschlossen zu handeln. Wir werden uns mit den Problemen konfrontieren und die Glaubwürdigkeit des Landes wiederherstellen.“ Anderenfalls sei „sogar die Souveränität des Landes Gefahren ausgesetzt.“ Er werde sich in den kommenden Tagen mit allen Spitzenpolitikern des Landes treffen, um Maßnahmen für die Genesung der Wirtschaft und für die Bekämpfung der Vetternwirtschaft, der Korruption und der Steuerhinterziehung zu suchen.

Aus dem Munde des griechischen Finanzministers Giorgos Papakonstantinou klang es freilich ganz anders. Der Panik nahe gab er Sätze wie diese von sich: „Es ist wahr, die Wirtschaft des Landes geht durch schwierige Zeiten.“ Die Berichte der Ratingagenturen würden die Lage erschweren. „Wir rechnen mit weiteren Turbulenzen. Ich versichere aber: Die Regierung wird alles tun, um die verlorengegangene Glaubwürdigkeit (der Wirtschaft) des Landes wiederzugewinnen.“

„Weitere Turbulenzen“? Im Kanzleramt und im Finanzministerium gab man sich cool. Die Kanzlerin ließ verlauten, sie sehe derzeit keinen Anlass für mögliche Hilfen an das finanziell schwer angeschlagene Euroland. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums verwies auf Aussagen des griechischen Finanzministeriums, wonach das Land die Probleme aus eigener Kraft lösen wolle. „Insofern gibt es auch keinen Grund, jetzt daran zu zweifeln, dass es nicht grundsätzlich auch möglich sein soll.“

Anmerkung: Gab es damals Alternativen zu der Position Merkels? Hätte eine frühzeitige Umschuldung weniger Kosten verursacht als das Hinauszögern und Durchwursteln sowie das Spardiktat in Verbindung mit den Rettungspaketen? Auf diese Frage gehe ich in diesem Buch mehrfach ein.

Die für den damaligen Zeitpunkt entscheidende Frage lautete: War den EU-Staatschefs der Ernst der Lage nicht bewußt oder standen sie unter dem Einfluß anderer Mächte? Klingt nach Verschwörungstheorie? Lesen Sie weiter – es wird spannend.

Die Banken und ihre Angst vor dem Untergang

Kein Zweifel: Die kaum noch vorhandene Wettbewerbsfähigkeit der südeuropäischen Länder hat den Boden für die Verschuldungskrise in der Eurozone bereitet. Sie war die Zündschnur, doch die Bombe hat einen anderen Namen.

Untersuchen wir das genauer. Die Südeuropäer sowie Irland können schon darum nicht die Ursache der Verschuldungskrise sein, weil sie innerhalb der Eurozone wirtschaftliche Zwerge sind. Die unten stehende Tabelle zeigt das. Der BIP-Anteil an der gesamten Eurozone beträgt gerade mal 6,1 Prozent, jener der Bevölkerung 7,9. Doch ihre Verschuldungskriterien sind überproportional hoch.


Tabelle 3 Statistischer Überblick: Periphere Euroländer und gesamte Eurozone, 2010
GriechenlandIrlandPortugalEurozone
BIP (in Mio. Euro, laufende Preise) In % der Eurozone230 1732,5153 9391.7172 6991.99 190 619100.0
Gesamtbevölkerung (in 1000) in % der Eurozone11.3293.44.4801.310 6373,2331 966100.0
Bruttostaatsverschuldung (in % des BIP)142.896.293.085.1
Staatsdefizit (in % des BIP)-10,5-32,4(a)9.16.0
Banken: Exposure gegenüber eigenemDomizilstaat (in Mio. Euro)54 44712 46619 568-

a) Darin sind Auslagen für Bankrekapitalisierungen in Form von Eigenwechseln (ca. 20% des BIP) enthalten, für welche keine unmittelbare Marktfinanzierung nötig ist.

Quellen: Eurostat, EBA/Die Volkswirtschaft

Unter diesen Kriterien wiederum will ich Ihre Aufmerksamkeit auf den Punkt „Banken“ lenken. So gut wie jeder Staat der Eurozone war mit den nationalen Banken finanziell eng verbunden – vor allem, indem die Banken große Bestände an Staatsanleihen hielten. Beispiel Griechenland: Nach den Streßtests der European Banking Authority (EBA) besaßen die größten griechischen Geschäftsbanken Ende 2010 Staatsanleihen im Wert von über 54 Milliarden Euro (s. Tabelle oben).

Diese Abhängigkeit von Staat und inländischen Banken enthält das Risiko eines Teufelskreises. Das folgende Szenario macht deutlich, was damit gemeint ist: Sobald eine oder mehrere Großbanken in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, wurden sie vom Staat gerettet. Weil das in der Regel ziemlich kostspielig ist, verschlechtert sich die finanzielle Situation des Staates. Daraufhin melden Ratingagenturen Zweifel an seiner Bonität an und stufen das Kreditrating herab. Folge: Die Risikoprämien auf Anleihen dieses Staates steigen an, was deren Wert vermindert. Folge: Dadurch sinkt auch der Wert der Staatsanleihen, die die Bank bzw. die Banken im Besitz haben. Folge: Der Staat ist zu einer weiteren Stützungsmaßnahme gezwungen. Folge: Der Teufelskreis beginnt von vorn. Es wird deutlich: Dies führt irgendwann zum Bankrott von Banken und Staat. Soweit das Modell.

Zunächst muß man jedoch feststellen, daß in den Jahren vor der Finanzkrise die finanzielle Verflechtung von Staat und nationalen Banken kein Problem war. Die Banken galten – nicht zuletzt wegen der Annahme staatlicher Garantien – als sicher, und die Staatsfinanzen waren entweder „gesund“ oder wurden als „unproblematisch“ eingeordnet. Erst mit der Finanzkrise änderte sich alles. Sie deckte die Risiken, Versäumnisse und Fehler dieser Konstellation schonungslos auf. In so gut wie jedem Euroland mußte der Staat Banken mit staatlichen Mitteln vor der Zahlungsunfähigkeit retten. Für die meisten verschlechterte sich die finanzielle Lage. Und schon erfaßte der oben beschriebene Teufelskreis die Eurozone.

Hauptursachen waren jedoch erstens: die hohe Verschuldung der Banken, zweitens: deren viel zu geringe Eigenkapiteldecke im Verhältnis zu den risikobehafteten Staatsanleihen, die sie kauften, weil sie mit den hohen Renditen hohe Gewinne scheffelten sowie drittens: das sogenannte Too-big-to-fail-Problem (TBTF). Weil die Banken als Kreditgeber für Unternehmen und Privatpersonen eine wichtige Funktion für die gesamte Volkswirtschaft haben (sie sind also systemrelevant), bringen eine oder mehrere Bankenpleiten das Finanzsystem und damit letztlich die Volkswirtschaft zu Fall. Also ist der Staat gezwungen, die Banken zu retten.

Was Sie dieser Tabelle nicht entnehmen können, ist die Tatsache, daß nicht nur griechische Banken griechische Staatsanleihen gekauft haben, sondern auch europäische und außereuropäische. Folglich schlagen sich direkte Verluste durch Wertänderungen dieser Anleihen nicht nur bei inländischen, sondern auch bei ausländischen Banken nieder. Und schon haben wir einen Dominoeffekt. Er ist der Ausgangspunkt für eine globale Krise.

Gab es im Fall Griechenland diese Gefahr? Ende des 2. Quartals 2011 sah das nach einer Analyse der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) so aus: Französische Banken hatten gegenüber dem griechischen Staat Forderungen von rund 10,5 Milliarden US-Dollar, bei den deutschen Banken standen 12,5 Milliarden US-Dollar in den Büchern. Außer diesen Forderungen gab es auch noch finanzielle Verknüpfungen zwischen den Banken in Form von Beteiligungen. Die schon damals schwer angeschlagene Emporiki (die fünftgrößte Bank Griechenlands) mit Ausleihungen von 22 Milliarden Euro war fast zu 100 Prozent im Besitz der französischen Credit Agricole (CA). Daher war die CA, welche Tier-1-Eigenkapital in Höhe von 60 Milliarden Euro (Juni 2011) besaß, gegenüber Griechenland stark exponiert, auch wenn sie nur rund 650 Millionen Euro an griechischen Staatsanleihen hielt.


Tabelle 4 Wert der von ausländischen Banken gehaltenen griechische Staatsanleihen in Milliarden Dollar 2010
BankenWert Anfang 2010Wert Ende 2010
Amerikanische Banken5,41,5
Italienische Banken3,32,3
Britische Banken3,63,4
Banken aus dem restlichen Euroraum22,97,7
Französische Banken2715
Deutsche Banken23,122,7

Quelle:

http://de.statista.com/statistik/daten/studie/189878/umfrage/wert-der-von-auslaendischen-banken-gehaltenen-griechischen-staatsanleihen/

Ein weiterer kritischer Punkt ergibt sich aus den Zahlungsverpflichtungen Griechenlands für die nächsten Jahre. Aus der folgenden Tabelle können Sie die Fakten entnehmen:


Tabelle 5 Zeitpunkt der Fälligkeit griechischer Staatsanleihen von 2010 bis 2020 (in Milliarden Euro)
JahrFälliger Betrag in Milliarden Euro
201015,8
201131,3
201231,7
201324,9
201431,6
201521,1
201615,1
201722,1
20189,8
201924,7
20205,3

Quelle: Bloomberg

Die Schuldentragfähigkeit

Wenn wir uns nun in die Lage eines Investors oder eines beliebigen Analysten einer Ratingagentur versetzen und fragen, welche Berechnungen er Anfang 2010 anstellen würde, um die Schuldentragfähigkeit und damit die Bonität Griechenlands beurteilen zu können – mit welchem Ergebnis hätte man rechnen müssen?

Er würde sich zunächst die Entwicklung der Staatsverschuldung vornehmen (Tabelle 1) und dabei eine rasche Zunahme seit Beginn der Finanzkrise in den USA feststellen. Nehmen wir an, bis 2015 würde die Quote auf 150 Prozent vom BIP ansteigen (Anmerkung: Das ist eine sehr moderate Steigerung!), dann wäre es sicher nicht vermessen, davon auszugehen, daß die Renditeaufschläge im Schnitt bei 6 Prozent liegen werden. Daraus ergibt sich ein Zinsendienst von 9 Prozent vom BIP (6x1,5), der aus dem Steueraufkommen beglichen werden muß. Damit eröffnet sich ein gewaltiges Problem, denn die Steuerquote lag in Griechenland bei 20 Prozent.

Okay, die Griechen könnten die Steuern ja erhöhen. Einfacher gesagt als getan. Denn allein um den Anstieg der Verschuldung von 100 auf 150 Prozent bei 6 Prozent bedienen zu können, müßte die Quote um mindestens 3 Prozent angehoben werden. Für die griechische Bevölkerung hätte das eine über viele Jahre erhebliche steuerliche Belastung bedeutet. Und dabei wäre nichts gewonnen, denn es werden ja lediglich die Zinsen für Altschulden gezahlt. Sofern die Verschuldung höher ausfällt, müßte die Belastung erneut gesteigert werden. Somit zeichnet sich ab, daß jede künftige Regierung in Athen mit erheblichen und zunehmenden Widerständen der Bevölkerung rechnen muß. Denn mit dem Zinsendienst und den Steuererhöhungen ist eine zunehmende Verarmung verbunden. Zugleich gelingt es dem Staat nicht, das Verschuldungsproblem loszuwerden.

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