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17 Uhr 27 / Perdika. Griechenland

Führerschein! Fahrzeugpapiere! Der Polizist sah ihn sehr ernst an. Die Fahrzeugpapiere lagen feinsäuberlich im Regal (bei den Unterlagen für die Miete und den Strom), erinnerte sich Niko. Und der Führerschein? Glück gehabt, den fand er im Handschuhfach. Er sei 20 km / h zu schnell gefahren? Wie solle er das wissen?! Die Tachonadel spinnt schon seit mindestens drei Wochen, brachte er zu seiner Rechtfertigung hervor. Und meine Frau ist schwanger. Eben kam der Anruf. Ich bin auf dem Weg zu ihr, das ist doch verständlich, oder? Er habe eben keinen Hubschrauber wie dieser Herzog William in Großbritannien, der zu seiner Frau fliegt, wenn es soweit ist. Er sei froh, dass er sich dieses klapprige Auto leisten kann, versuchte Niko Milde zu erwirken bei Kosta, seinem Nachbarn. Pass mal auf, Niko. Du nimmst mich doch auf den Arm. Wie sollte deine Frau in den Wehen liegen? Prüfend sah Kosta ihn an, während er sich mit dem Führerschein etwas Luft zufächelte. Niko sog tief die Meeresluft ein, stieß sie mit einem Lächeln – das alle Gesichtsmuskeln in Anspruch nahm – wieder aus und fiel Kosta um den Hals. Sie ist schwanger Mann, endlich! Seit mehr als drei Jahren hatten sie versucht, Eltern zu werden. Hatten mehrere Ärzte konsultiert und alles schien vergebens, hatten die Hoffnung beinahe schon aufgegeben. Kosta erwiderte den Druck der Umarmung und klopfte ihm auf den Rücken. Klasse Mann, gut gemacht. Er gab Niko seinen Führerschein zurück. Du gibst morgen Abend einen aus. Und am Wochenende feiern wir bei uns im Garten!


20 Uhr 02 / Los Angeles. USA

Was ist denn nicht gut an diesem Stoff? Der (etablierte) Filmproduzent wunderte sich über die Antwort seines Lieblingsautors und bestellte noch zwei Drinks. Es war nicht üblich in der Branche, dass es zwischen den Hierarchien besonders ehrlich zu ging. Aber sie beide kannten sich seit vielen Jahren und hatten diverse Projekte erfolgreich zusammen gestemmt, an die zeitweise nur wenige geglaubt hatten. Ist dir dein Sinn fürs Risiko abhanden gekommen?

Mit der folgenden Antwort hätte er nun aber gar nicht gerechnet. Ich gehe nie ein Risiko ein, sagte er Autor. Ich mache dir aus jedem Thema etwas, das den Zuschauer bewegt.

Nur warum um alles in der Welt er dann nicht ein Drehbuch über das königliche Baby – das in diesen Tagen euphorisch in Großbritannien und vom Rest der Welt erwartet wurde – schreiben wollte, konnte der Boss (wie er den Produzenten mit einem ironischen Unterton nannte) einfach nicht begreifen. Die Leute werden scharenweise ins Kino rennen. Denk doch mal, welche anderen Projekte wir durch den Gewinn vorfinanzieren könnten. Der Autor schüttelte den Kopf. Im Grunde war alles möglich. Okay, nimm irgendeinen Ort, stelle eine Figur dort hin und gib ihr ein Ziel, eine Motivation und ein Hindernis. Damit hast du noch gar nichts, Boss.

Der Produzent lehnte sich zurück und lies ihn weiterreden. Was soll das werden? London, eine schwangere Herzogin, die will dass ihr Kind endlich gesund zur Welt kommt und dass es ohne Stress aufwachsen wird. Und das Hindernis? Vielleicht die Medienleute, die sie belagern? Da landest du eher bei Prinzessin Diana. Vielleicht der königliche Hof? Da bist du bei dieser deutschen Produktion von vor hundert Jahren über diese österreichische Kaiserin.

Der Produzent rieb sich das Kinn. Er hatte keine Ahnung, worauf sein Autor hinaus wollte. Okay. Nehmen wir erst mal nur London und die Herzogin. Und dann? Mit einer Geste forderte der Boss ihn auf weiterzusprechen.

Das ist alles noch keine Geschichte, was da gerade in London passiert. Du brauchst ein Thema, eine Grundfrage, etwas das du der Welt klarmachen willst. Selbst wenn du dich für einen britischen Regisseur entscheidest. Sam Mendes? Überleg mal … Der hat „REVOLUTI-ONARY ROAD“ gedreht. Eine lebensfrohe, kluge Frau, die in den Konventionen ihrer Ehe gefangen ist und deren erneute Schwangerschaft zu einer Katastrophe führt … Der würde dich auslachen. Und Ridley Scott? Ich meine, er ist der Größte. Du hast schon mal mit dem gedreht, ich weiß. Aber der würde sofort den Hörer auf die Gabel knallen.

Der Produzent fühlte sich ertappt und lachte drauflos, um seinen Status zu wahren. Er hatte zig Filme produziert, Niederlagen erlitten und Tiefschläge, aber bisher hatte der Erfolg des Großteils seiner Projekte ihn davor bewahrt, eine Hypothek auf seine Villa aufzunehmen. Manchmal vergisst man eben das Naheliegende. Vielleicht lag es daran, dass ihn dieser wildgewordene Medienrummel faszinierte. Wie konnte es sein, dass um eine Frau und deren Baby so viel Wind gemacht wurde?

Es ist die Hoffnung, die das Neugeborene in den Menschen nähert. Eine Projektion. Der Autor ergänzte seine Schilderung mit einem Vorschlag. Es ist ein bisschen wie bei „ROBIN HOOD“. Überleg doch mal. Lass uns was anderes zusammen machen. Russell Crowe hat mal gesagt, dass jeder Mann und sein Hund sich einen 2. Teil von „GLADIATOR“ wünscht. Ich habe eine Idee, wie das funktioniert. Lass mich das für dich schreiben.


23 Uhr 49 / Belfast. Nordirland

Eigentlich hatten sich alle versammelt, um auf Jamies neues Lebensjahr anzustoßen. Der stand mitten in der Menge der Schaulustigen (die vor lauter Überraschung gar nicht daran dachten, einen der beiden anzufeuern) und schrie die zwei Streithähne an, es sein zu lassen, bis ein paar der Gäste ihre Gläser abstellten und die beiden auseinanderrissen. Um diese Zeit hatten alle schon was getrunken. Später konnten sie nicht erst damit anfangen, morgen war ein ganz normaler Arbeitstag. Aber am Alkohol lag es nicht, dass dieser Streit so plötzlich entbrannt war.

Jamie hatte seine Freunde eingeladen und jeder durfte weitere Freunde mitbringen. Er liebte die große Runde und schließlich war es sein Dreißigster. Ausgelassen war die Stimmung in der ganzen Wohnung. Die Leute tanzten zur Musik von der Konserve. Im Nachbarzimmer hatte einer seine Fidel ausgepackt, ein anderer spielte Tin Whistle, die typisch irischen Instrumente. Keiner wusste genau, wie es angefangen hatte und noch nie – meinte einer – hätte er erlebt, dass wegen Musik ein Streit entbrannt wäre. Es ging wohl eher um Religion oder so, warf jemand ein. Jamie interessierte sich nicht für Religion. Genauso wenig tat das mit Sicherheit auch ein großer Teil der Leute, die in den vergangenen drei Nächten auf den Straßen seiner Heimatstadt randalierten, sagte er sich. Aber diese Scheiße findet nicht in meinem Wohnzimmer statt, packte er die beiden Jungs am Kragen, die soeben seinen Fußboden und sich gegenseitig die Fressen poliert hatten. Einer war sein Kumpel Patrick, den anderen sah er heute zum ersten Mal.

Ich hab dich gesehen letzte Nacht, halt’s Maul wenn ich mit dir rede, ging der Andere Paddy an, der sich den Schädel hielt. Wieso er seinen Freund beleidige, fragte Jamie mit dem letzten Fünkchen Ruhe, das ihm langsam aber sicher abhandenkam. Was war hier überhaupt los?!

Steine werfen und Benzinbomben, das ist was für euch! Auf welcher Seite stehst du eigentlich?! Bist du Katholik oder Protestant?, griff der Andere Paddy verbal an. Jamie verstand genauso wenig wie seine Gäste.

Ihr seid doch Idioten, lärmte der Andere weiter. Schlagt euch jedes Jahr und wir müssen es ausbaden. Ich hab ne Frau und drei Kinder zuhause. Die letzten drei Nächte haben die auf mich gewartet. Haben sich Sorgen gemacht! Als ich Polizist geworden bin, hab ich mir was anderes drunter vorgestellt, als ein Rollenspiel von 1690 nachzustellen, eure Scheißtradition. Wisst ihr eigentlich noch, warum ihr euch die Köpfe einhaut? Was seid ihr denn für Männer? Schlagt ihr auch eure Frauen?

Jamie konnte es kaum glauben. Sein Kumpel Patrick wird in wenigen Tagen selbst Vater. Es ärgerte ihn maßlos wenn Jamie prophezeite, dass sein Kind am selben Tag wie der Sohn von William – Herzog von Cambridge und Prinz von Großbritannien und Nordirland – zur Welt kommen würde. Gestern Abend meinte Paddy, dass er lieber bei Amy bleiben wolle anstatt in den Pub mitzugehen. War er stattdessen bei den Demonstrationen gewesen?


5 Uhr 05 / Koroljow. Russische Föderation

Leise schloss sie die Tür, hing ihre Jacke an die Garderobe, ging weiter auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer, wo sie ihre Tasche abstellte und öffnete dann behutsam die Tür zum Kinderzimmer, wo Mascha, Sergej und Natascha friedlich schliefen. Eine Weile stand sie vor den Betten ihrer drei Kinder und lauschte deren Schlaf. Der Vorhang bewegte sich leicht im offenen Fenster, schnell zog sie ihn zu, vorsichtig, damit sie kein Geräusch verursache. Die Sonne schickte ihre ersten Strahlen ins Zimmer ihrer drei Gold-schätze. Doch sie hatten noch eine ganze Stunde und sollten nicht vor der Zeit wach werden. Selbst ein Kuss konnte sie aufwecken und so entschied sie, sich den für später aufzuheben. Zum Gute-Nacht-Sagen, bevor sie sich auf den Weg zur Arbeit machte.

Sie war froh, die Stelle vor zwei Jahren bekommen zu haben. Das Schichtsystem gehörte eben dazu. Alexej hatte bessere Arbeitszeiten. In Wochen wie dieser, brachte er die Kinder zu den Großeltern. Was würde sie nur ohne Mamuschka machen? Mascha war inzwischen zweieinhalb und noch immer bekamen sie keinen Platz in einem der wenigen Kindergärten. Natascha und Sergej waren gerne bei ihr zu Hause geblieben. Sergej hatte geweint, als sie damals die Stelle bei RKK Energija bekam. Aber inzwischen maulten alle drei, wenn sie ihre Babuschka mal zwei Tage nicht sehen konnten. Leise schlich sie sich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer und schloss die Tür, ohne dabei ein Geräusch zu verursachen. Gähnend rieb sie sich die Augen und ging ins Bad auf die Toilette. Hoffentlich weckte die Spülung keinen. Der Weg in die Küche, wo sie sich ein Glas mit Leitungswasser füllte und langsam austrank, war das letzte Ritual, bevor sie das Schlafzimmer betrat und sich an Alexej kuschelte. Er roch immer so gut, schloss sie müde ihre Augen. Er spürte ihren Körper und zog sie für einen Moment an sich. In einer Stunde würde er die Kinder wecken, Frühstück machen, dann auf dem Weg zu Arbeit bei seiner Schwiegermutter klingeln, jedem seiner Kinder einen dicken Kuss geben und einen zweiten von der Mama. Dankbarkeit erfüllte ihr Herz, einen Mann wie Alexej gefunden zu haben. Sie hätte keine Ahnung wie sie alles regeln würde, wenn sie alleinerziehend wäre, kam ihr kurz in den Sinn, bevor sie ins Reich des Schlafes glitt.


9 Uhr 14 / Berlin

Die Tränen stiegen unaufhaltsam in ihr auf, alles wurde schemenhaft. Nach mehr als drei Jahren und ohne Vorwarnung. Oder hatte sie es nur nicht bemerkt? Sie wollte es nicht wahrhaben. Sie verstand nicht, warum er sich gestern so plötzlich von ihr getrennt hatte, kaum dass sie es überhaupt zu fassen bekam. Es glitt ihr aus den Händen, die ihn sanft berührt hatten und über drei Jahre mit seinen fest verschlungen waren. Sie liebte ihn aus ganzem Herzen und er … hatte von sich nie das Gegenteil behauptet. Ob es daran lag, dass er gerade sein Abitur nachmachte und noch nicht wusste, wie es danach weitergeht? Weil sie gesagt hatte, dass sie selbst auch Kinder zur Welt bringen will, eigene? Für Anna brach eine Welt zusammen. Allein das stete Konzentrieren auf die Bücher, hatte sie in den letzten Wochen unter Anspannung gesetzt. – Entschuldigen Sie. Wenn Ihnen nicht gut ist, können wir einen neuen Termin anberaumen. Das wäre dann allerdings erst in zwei Monaten möglich. – Sie richtete sich auf und wischte sich die Tränen aus ihren Augen, von ihren Wangen und vom Hals. Langsam zeichneten sich die Gesichter der Hebammen-Prüfungskommission (einschließlich des Leiters des gesamten Ausbildungsbereiches) wieder vor ihr ab. Alle starrten sie an. Und sie starrte die Leute an. Dann schob sie tief aus ihrem Inneren ein Lächeln vor die Wolken. Was, wenn sie die Hebamme von Herzogin Catherine wäre? Da könne sie auch nicht rumheulen! Entschuldigung, wie lautete Ihre letzte Frage?


10 Uhr 29 / Sydney. Australien

Merinde war es nicht gerade leicht gefallen, wieder in die Schule zu gehen. Sie hatte aufregende Ferien gehabt und sich zum ersten Mal verliebt. Leider war der Urlaub mit den Eltern eines Tages zu Ende gegangen, doch die Erinnerungen konnte ihr keiner nehmen. Kauri. Wie der Baum, unter dem sie sich oft getroffen hatten. Es wurde nicht mehr daraus als Händchen zu halten, nachdem ihr doofer kleiner Bruder die beiden eines Abends entdeckte. Wegen ihm hatten sie Neuseeland ausgewählt für diesen Sommer. Merinde interessierte sich nicht für das Auenland, aber auf der Tour war sie Kauri begegnet und hatte sich im Stillen bei ihrem Bruder bedankt. Bis zu dem Moment (eine Woche darauf), als er plötzlich vor ihnen stand. Schnell hatte sie ihre Brüste wieder bedeckt und Eithan eine geknallt. Sicherheitshalber war sie ihm hinterher-gerannt, wer weiß was er den Eltern erzählen würde. Beim Frühstück hatte er es dann ausgeplaudert. Es waren nur noch drei Tage bis zur Abreise gewesen. Ihre beste Freundin, die seit gestern wieder neben ihr die Schulbank drückte, war seit einem halben Jahr keine Jungfrau mehr. Und sie?!

Merinde, hast du ein Beispiel, über das wir sprechen können? Sie zuckte zusammen, als die Englischlehrerin sie aus ihren Gedanken riss. Sie fand den Unterricht bei ihr ganz okay, Mrs Whitehead war modern und offener als viele ihrer anderen Lehrer. Das einzig Peinliche an ihrer Englischlehrerin war deren übergroßes Interesse am britischen Königshaus und neuerdings vor allem an dieser Kate. God Save the Queen.

Mrs Whitehead sah sie erwartungsvoll an. Merinde schaute erwartungsvoll zurück. Einen Ausdruck oder ein Sprichwort, an dem sich die feinen Unterschiede zwischen dem britischen und dem amerikanischen Englisch demonstrieren lassen, flüsterte ihre Freundin ihr zu. Merinde zuckte die Schultern. Amerikanisches Englisch? Ein Ausdruck? Hemingway fiel ihr ein, aus dem Bücherschrank ihrer Eltern. Die Bücher dort interessierten sie mehr als das Jugendregal in der Bibliothek. Hemingway war der einzige amerikanische Autor, den sie kannte. Eines Tages hatte jemand ihn herausfordern wollen. Und er hatte sich darauf eingelassen, seine Fähigkeiten als Schriftsteller in die Waagschale zu werfen. Man könne keine wirklich gute Geschichte in nur einem Satz erzählen, wollte man ihn provozieren. Nun?, hakte Mrs Whitehead nach. – „For Sale: Baby Shoes, Never Worn.“ („Zu verkaufen. Babyschuhe, nie getragen.“) Hemingway hatte die Prüfung bestanden. Allerdings war Merinde sich in diesem Moment nicht so sicher, ob es ihr genauso ergehen würde.


13 Uhr 03 / London

Geduldig lies John es klingeln. Hier passierte sowieso nichts. Jim flirtete gerade mit einer Fotografin (der lies aber auch gar nichts anbrennen) und Tony diskutierte mit anderen Redakteuren die aktuellen Namens-Hits, die von den Wettbüros sogar hier vor dem Sankt Mary’s auf Tafeln präsentiert wurden. Mary war bei Gott keine Heilige, dachte er und gab die Hoffnung auf, dass sie an ihr Telefon ginge. In diesem Moment hörte er Marys genervte Stimme am anderen Ende der Leitung. Was soll das, wieso lässt du es zwanzig Mal klingeln? Diese Frage hätte er IHR stellen können, aber das verkniff er sich. Offensichtlich war sie noch immer nicht gut auf ihn zu sprechen.

Ich dachte, es ist deine Mittagspause, antwortete John vorsichtig. Betreten suchte er den Anblick von jemand Freundlichem. Die Fotografin strich sich ihr Haar hinters Ohr, Jim schien ihr zu gefallen. Eben, es ist meine Pause. Da will ich mal abschalten. Was willst du?, unterbrach Mary diesen Gedanken. Nur mal hören wie es so läuft, sagte er schlicht und versuchte, zuversichtlich zu klingen.

Ob er denn nichts zu tun hätte, nicht irgendwo im Nirgendwo unterwegs sei mit einem Team vom BBC? Sie war überrascht zu erfahren, dass er sich in der Praed Street in London aufhielt. Das war der Moment, auf den John gewartet hatte. Aber sie reagierte nicht, wie er es sich ausgemalt hatte! Dabei war sie doch ein Fan der königlichen Familie! Müsste sie nicht ausflippen, dass er – ihr Ehemann und Vater ihres 5jährigen Sohnes – hier live von der Geburt des königlichen Babys berichtete?! Wie begeistert hatte sie sich damals vor zwei Jahren am Straßenrand gedrängt, Wochen vorher einen Urlaubstag beantragt, um einen Blick auf die Hochzeitskutsche zu erhaschen, auf William und auf Kate, an deren Kleidungsstil sie sich neuerdings zu orientieren suchte …

Mary war der einzige Grund, warum er sich um diesen Job hier in der prallen Sonne gerissen hatte. Tagelang hatte er seinem Chef in den Ohren gelegen und obendrein noch extra zwei beschissene Termine angenommen, die sie sonst nur Praktikanten aufdrückten. Sie würde ihn zurückhaben wollen, wenn sie davon erfuhr, dass er sich den ganzen Tag lang mit nichts Anderem beschäftigte als der Geburt des dritten Thronfolgers … Davon war er bis zu diesem Moment überzeugt gewesen. Es war seine letzte Chance. John, ich bin mit ein paar Kollegen zum Mittagessen verabredet. Ist noch was?

Er wünschte ihr einen schönen Tag und sie solle Paul einem Kuss von ihm geben. Und sackte in sich zusammen. Die Ärzte im Krankenhaus würden ihn sofort versorgen, aber es fühlte sich nur so an, als hätte eine Kugel aus Stahl sein Herz getroffen.


18 Uhr 35 / Killsroe. Vereinigtes Königreich

Es war erst die zweite Inszenierung der im letzten Frühling gegründeten Laientheatergruppe und schon beim ersten Treffen (noch vor der Leseprobe) zu „Der Widerspenstigen Zähmung“ von William Shakespeare kam es zu solch einer Diskussion unter den Hobby-Schauspielern, dass deren Gründer, Künstlerischer Leiter und einziger Regisseur zu bezweifeln begann, dass die Auswahl des Stückes eine lobenswerte Entscheidung gewesen sei. Vor einer Woche hatten sie sich das erste Mal getroffen, um die Termine für die Weihnachtsaufführung zu besprechen. Anschließend hatte Michael die dreizehn Exemplare ausgeteilt (für jeden eins) und sie nach Hause geschickt mit der Aufgabe, das Stück bis heute zu lesen. Michael hatte beschlossen, eine klassische Lesart auf die Bühne des Gemeindesaals zu bringen, aber da hatte er die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Peter, der Wirt, war ganz und gar nicht damit einverstanden, den betrunkenen Kesselflicker zu spielen. Michael hatte nicht daran gedacht, dass er damit der Realität etwas zu nahe kam. Die Zuschauer wollen schließlich in eine Welt entführt werden, die sie träumen macht. Zu dumm aber auch. Was wäre wenn … Steven, genau, Steven wäre ein guter Ersatz, wurde ihm auf die Schnelle bewusst. Als Lehrer und jemand, der nur an Feiertagen trank, würde die Ironie der Rolle bereits in deren Besetzung stecken. Schnell griff er Peters Widerstand auf und gab ihm Stevens Rolle, der ursprünglich einen von Biancas Freiern spielen sollte. Aber Steven sprach sich entschieden dafür aus, die komplette Rahmenhandlung zu streichen. Sie lenke nur vom Wesentlichen ab, unterstrich er seine Meinung. Was ist denn das Wesentliche, fragte Peggy in das Gemurmel der anderen hinein.

Himmelherrgott, haltet die Klappe, sprach Michael ein Machtwort. Gekränkt verzog Peggy sich in eine Ecke des Raumes und blätterte in ihrer Zeitschrift. Oh Peggy, du warst doch nicht gemeint damit. Komm wieder her, du spielst Bianca, um die sich viele Männer bewerben. Mit verzogenem Gesicht, aber dennoch versöhnt, setzte Peggy sich wieder auf ihren Platz. Nachdem Phil sie vor vier Jahren wegen einer anderen verlassen hatte, war sie mehr und mehr zum Mauerblümchen geworden. Du hast Peggys Frage nicht beantwortet, meldete sich Patti zu Wort.

Immer wieder musste sie ihn provozieren! Michael vermutete, dass da mehr dahinter steckte, aber er war zu schüchtern, sie mal allein auf ein Bier (oder was die Frauen so trinken) einzuladen. Wie bitte?, fiel ihm als einzige Antwort ein. Peggy, bitte wiederhole deine Frage einmal, setzte Patti nach. Ich würde auch gerne wissen, was das Wesentliche an der „Widerspenstigen Zähmung“ ist, kam Marvin Peggy zuvor. Marvin hatte es wirklich drauf, sich immer wieder in den Vordergrund zu drängen. Zur Strafe hatte er ihm die Rolle des Grumio zugedacht, dem Diener Petruchios.

Okay Leute, okay. Vielleicht war es das Beste, den Inhalt des Stückes zusammenzufassen, bevor er die Rollen verteilte. Dann würde jeder von ihnen gleich wissen, wohin er in der Inszenierung gehörte. Also, da haben wir zuerst einmal Bianca. Sie hat eine Menge Verehrer. Peggy lächelte Michael dankbar an. Und sie hat eine ältere Schwester, Catherine.Das ist dann wohl meine Rolle, fragte Patti dazwischen.

Anfangs waren es vier Frauen in der Gruppe gewesen, aber Stella war inzwischen im siebten Monat schwanger (das würde nichts werden mit der Weihnachtsaufführung) und Helen hatte sich die Masern zugezogen. Unmöglich sie für diese Inszenierung einzuplanen. Für die Rolle der Catherine kam eindeutig nur Patti in Frage. Zu Shakespeares Zeiten durften Frauen überhaupt kein Theater spielen, meldete sich Kevin zu Wort. Das war ja klar. Noch immer hatte Pattis Ex-Ehemann ein Problem damit, dass sie ihn verlassen hatte. Kevin hatte Michael eines Abends im Pub (nach zu vielen Guiness) gedroht, ja bloß aufzuhören mit dem Geflirte mit seiner Patti. Beschwichtigend hatte Michael ihm klarzumachen versucht, dass er noch niemals mit ihr geflirtet habe und Kevin hatte es gut sein lassen. Gerne würde er sich mal allein mit ihr treffen. Wenn sie bloß den ersten Schritt machen würde … Kevin, du bist hier in einer Theatergruppe im 21. Jahrhundert. Wenn es dir nicht passt, dass Frauen heute emanzipiert sind, dann geh doch nach Hause und lass uns hier weitermachen. Kevin setzte sich wieder auf seinen Stuhl und verschränkte die Arme vor der (durchtrainierten) Brust. Danke Kevin, jetzt hab ich den Faden verloren. Also, wo waren wir stehengeblieben?

Beflissen gab Chris ihm das Stichwort. Catherine, die große Schwester von Bianca. Chris war ihm einer der Liebsten in seiner Truppe. Der war mit jeder Rolle zufrieden, die Michael ihm gab. Das hatte er bewiesen. Zum einen in der ersten Weihnachtsaufführung im letzten Jahr und im Grunde täglich als Hausmeister in seiner Papierfabrik. Ihm wollte er die Rolle des Petruchio geben, als Dank für seine Treue und wegen seiner lauten Stimme.

Nehmt euch mal ein Beispiel an Chris, verdammt nochmal. Wenn mir jetzt noch einer dazwischenredet … dann könnt ihr euch einen anderen Regisseur suchen! Also … Bianca möchte nichts lieber als zu heiraten. Aber da gibt es dieses Gesetz, dass erst die ältere Schwester verheiratet sein muss, bevor die jüngere zum Zuge kommen darf. Und Catherine ist ein Weibsbild, das es den Männern mit ihrer vorlauten Art nicht leicht macht. Da kommt Petruchio wie gerufen, um Bianca den Weg frei zu räumen, indem er Catherine zeigt, wer die Hosen an hat. Vorsichtig meldete sich an dieser Stelle Peggy. Mit einem tiefen Seufzer und zum Himmel gerichteten Blick, knallte Michael sein Stückexemplar auf den Fußboden. Was zur Hölle … Peggy knaupelte nervös an ihren Fingernägeln, aber ihre Bedenken in diesem Moment waren so stark, dass sie alles riskieren musste.

Es hat ja vielleicht nichts mit unserer Aufführung zu tun, dass die Frau von Prinz William in diesen Tagen ein Baby bekommt, aber sie heißt eben Catherine und ist die ältere Schwester von Pippa Middleton, die noch unverheiratet ist. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können in diesem Moment. Niemand jedoch hätte es gerade Peggy Tintle zugetraut, dass sie den Mut hatte, Michael Fitzbutton zu widersprechen.


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Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
137 стр. 13 иллюстраций
ISBN:
9783954885787
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