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Читать книгу: «Die Dorf-Plage», страница 4

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III

Mit schwerem Herzen lief Lukas auf dem Hofe seines Vaters herum. Gedankenvoll sehen wir ihn an der Ecke der Scheuer stehen und in die Ferne nach der Stelle hinstarren, von wo die schweren Schläge eines Beiles herübertönten. Er kehrte sich um und machte einige Schritte, blieb wieder stehen, kreuzte die Arme, stampfte zornig auf den Boden, und entfernte sich endlich träumerisch nach dem Stalle zu. Hier schritt er langsam vor den Kühen hin und her, schlug in Gedanken den Arm den theuren Thieren um den Hals, als wollte er ihnen sein Leid klagen, warf sodann etwas Heu in die Pferdekrippe und trat dann schweigsam in die Hauskammer, wo seine Mutter eben beschäftigt war, Wasser aus einem siedenden Kessel in die Kaffeekanne zu gießen. Lukas ließ sich an der Ecke des Herdes auf eine hölzerne Bank nieder. Hier blieb er nachdenklich und von seiner Muthlosigkeit gänzlich niedergedrückt sitzen, das Auge nach dem glimmenden Feuer gerichtet.

Mutter Beth war eine kleine dicke Frau mit noch rothen Backen und großen blauen Augen, deren sanfter, aber lebendiger Blick von stiller Herzensgüte zeugten.

– Wenn sie auch zuweilen beim Anschauen ihres untröstlichen Sohnes mitleidsvoll den Kopf schüttelte, so schwebte doch immer noch ein leichtes Lächeln um ihre Lippen, und man sah es ihr an, daß sie den Verdruß desselben nicht so gar tief sich zu Gemüthe zog.

Als der Kaffee eingeschenkt war, setzte sie die Kanne auf die heiße Asche, rückte einen Stuhl an den Spinnrocken und ließ emsig den Flachs durch ihre Finger gleiten. Unter dem Geschnurre der Spindel sprach sie in tröstender Weise zu ihrem Sohne:

– »Lukas, du sitzest da, wie einer, der etwas Böses auf dem Gewissen trägt. Schlag’ dir doch einmal diese düstern Gedanken aus dem Kopfe: die Sache ist am Ende nicht so schlimm, als du glaubst.«

»So schlimm nicht?« antwortete der junge Bauer, ohne sich umzudrehen. »Warum mußten wir, aber auch gestern so fröhlich hier beisammen sitzen; warum mußtet ihr mich vor lauter angenehmen Dingen fast verrückt machen? Habt ihr denn schon vergessen, wie ihr dort in dem Kasten Alles zusammengelegt, was ihr Clara zum Brautgeschenk geben wolltet? Ja, Mutter, ich war so glücklich – so glücklich . . . ich sah die fernste Zukunft so heiter, so himmlisch schön vor mir ausgebreitet . . . Und habt ihr nicht selber euch die Thränen aus, den Augen gewischt, als ihr uns alle so voll Entzücken sahet? – Und der Vater, der mir schon seine Lehren gab, wie man es angreifen müsse, um ein tüchtiger Bauer zu werden. Und Clara, die gute Clara! Als ich ihr sagte, daß ihr für sie – eine sorgsame Mutter sein würdet, lief ihr das Herz über; sie brach in Thränen aus und war fast außer sich vor wonniger Ueberraschung.

– Jetzt sitzt sie wieder zwischen den vier stummen Mauern des steinernen Hofes und reißt sich vielleicht die Haare aus vor Verzweiflung!«

Nach einer Weile fuhr er mit noch heftigerer Aufregung fort:

– »Und eine ganze Nacht davon träumen; nicht schlafen können vor Freude, hundertmal aufspringen, um zu sehen, ob die Sonne des ersehnten Tages noch nicht aufsteige; sein Herz beben fühlen, singen, tanzen, den Verstand fast verlieren . . . und dann endlich wie ein Messer, das ins warme Herz schneidet, den Vater ausrufen hören: »Keine Hoffnung mehr! Es ist aus, aus für immer! – Seht, Mutter, ihr mögt es glauben oder nicht, aber so etwas ist stark genug, um einen in’s Grab zu bringen!«

– »Aber Lukas, du bist auch gar so ein halsstarriger Junge,« sprach die Mutter verdrießlich. »Warum willst du nicht auf meine Worte merken? Laß nur einmal des Vaters Gram sich abkühlen und es wird sich schon noch gut wenden. Wärst du an seiner Stelle, du würdest vielleicht noch muthloser sein, als er. Stelle dich nur recht in seine Lage: er geht zu Jan Staers, um ihm im Drange seines guten Herzens Anträge zu machen, die vielleicht unsererseits nicht sehr überlegt und rathsam waren. Aber es ist ihm darum zu thun, ihn zu retten und Clara glücklich zu machen. Und was erhält er zur Antwort? »Neidiger Knicker, häßlicher Schalbeißer!« tönt’s ihm entgegen. Zur Thüre will man ihn hinausschmeißen und droht ihm mit Prügeln! Lukas, es ist doch dein Vater und du solltest fühlen, daß er Gründe hat, gerechte Gründe, erbittert zu sein!«

– »Liebe Mutter, das fühle ich recht wohl,« rief Lukas aus, »aber was kann Clara dazu, daß ihr Gott einen solchen Vater gegeben?«

– »Ja, Kind,« seufzte die alte Frau, »das ist freilich ihre Schuld nicht, aber jeder hat hienieden sein eigenes Kreuz zu tragen. Hätte ich die Sachen so voraussehen können, du würdest mit Clara niemals Bekanntschaft gemacht haben.«

– »Der Vater behauptet doch, Jan Staers sei schon seit zwanzig Jahren ein Trunkenbold? Ihr habt ihn also wohl nie anders gekannt.«

– »Ich habe mich verleiten lassen; verleiten, Lukas, das ist der wahre Ausdruck. Noch eher als du, Junge, hatte ich mit Wohlgefallen meine Augen auf Clara gerichtet. Sie war von Kindheit an ein vortreffliches Mädchen; so gottesfürchtig, – so fleißig und so unglücklich . . . und dabei war sie hübsch und hatte gar so freundliche schwarze Augen. Siehst du, so sind halt die Mütter! noch ehe ihr euch liebtet, sagte ich schon bei mir selbst: dieß wäre eine gute Frau für meinen Lukas!«

Ihre Stimme war immer herzlicher geworden, und bei den letzten Worten drangen ihr sogar Thränen aus den Augen hervor. Der Jüngling sprang auf, griff ihr die Hand und rief:

– »O, gute Mutter, habt Dank! Ihr seid doch noch immer derselben Ansicht?«

– »Das heißt, mit der Zeit, ja.«

– »Wie so, mit der Zeit?«

– »Der Vater ist Meister und so dürfen wir nichts Anderes im Sinne haben, als er, und der Dorn, der ihn gestochen hat, wird sich nicht so schnell wieder herausreißen lassen. So müssen wir eben Geduld haben, Kind.«

Lukas setzte sich wieder entmuthigt auf die Bank und murmelte vor sich hin:

– »Warten, warten! Und inzwischen die Gewißheit haben, daß sie unglücklich ist und nichts auf der Erde zu gewärtigen hat, als Schrecken und Jammer. Warten, und darüber vor Verdruß krank werden und vergehen!«

– »Sieh, Lukas, wenn du keine Geduld haben willst, so kann ich nichts dazu thun. Du möchtest gar zu gern die Ochsen hinter den Pflug spannen. Das geht nicht. Es kommen so viele Tage im Jahre; und wenn es heute schlecht Wetter ist, – so wird vielleicht morgen wieder Sonnenschein eintreten.«

– »Und der Vater, der war so aufgebracht, daß ich ihn kaum anzusehen wagte! Ich mag ihm auch gar nicht mehr davon reden. Aus sei’s für immer, sagte er.«

– »Ja das sagt er nur so, um seinem Aerger Luft zu lassen; ich aber, die ich mich fünfzehn Jahre mit dem Gedanken herumgetragen, daß Clara meine Tochter werden soll, bin nicht Willens, ihn so auf einmal schießen zu lassen. Zuerst muß man etwas nachgeben, Lukas: der Vater ist Meister und wir dürfen ihm nicht widersprechen. Aber laß mich nur machen, ich werde schon ein Wörtchen einlegen und die Sache wieder auf’s Tapet zu bringen wissen. Dein Vater ist ein herzensguter Mann und seine Verstimmung wird mit der Zeit nachlassen.«

Lukas wollte seiner Mutter für ihre tröstlichen Zusicherungen danken, als Vater Torfs zur Hinterthüre in die Stube trat und ein Beil aus der Hand zu Boden fallen ließ, während er sich mit der anderen den Schweiß von der Stirne wischte. Ernst und ruhig war sein Gesicht; kurz, aber doch freundlich seine Begrüßung.

Er setzte sich an den Tisch, ohne ein Wort zu reden. Die Frau trug den Kaffee und das Brod auf, und winkte ihrem Sohne, daß er auch herzutreten möge.

Vater Torfs mußte in seinem Hause eines hohen Ansehens genießen, denn seine bloße Erscheinung hatte im Gemüthe des Lukas eine völlige Umwandlung bewirkt. Der Jüngling schien seine Traurigkeit zu bemeistern und setzte sich schüchtern und mit niedergeschlagenen Augen seinem Vater gegenüber und aß und trank, freilich ohne Appetit und wohl nur, um jenem nicht zu mißfallen. Es herrschte noch immer am Tische ein reinliches Schweigen, bis endlich der Greis mit sanftem Tone anhob:

– «Lukas, ich habe dich diesen Morgen nicht zum Arbeiten angehalten, weil ich mir wohl vorstellen konnte, daß dir der Kopf nicht sonderlich darnach stand; ich wollte deinen Verdruß sich etwas abkühlen lassen. Jetzt aber solltest du doch Hand an’s Werk legen, um das Buchenholz auf den Karten zu laden . . . Morgen fährst du damit zur Stadt, um es unserm Pachtherrn zu übergeben.«

– »Gut, Vater, ich werde thun, wie ihr befehlt,« antwortete ehrerbietig der Jüngling, wenn auch mit etwas schmerzlichem Tone.

Die Mutter war aufgestanden, um etwas zu holen; am Fenster jedoch blieb sie einen Augenblick stehen und sah nach der Straße. Ihre Haltung zeugte von ängstlicher Neugierde. Unterdessen sagte der Vater zum Sohne:

– »Fasse Muth, lieber Lukas, es thut mir wehe, dich so verstimmt zu sehen. Ich bin auch jung gewesen, und weiß recht gut, was es heißt, sich in feinen Hoffnungen grausam betrogen zu sehen; aber es läßt sich nicht ändern, du mußt dich darein finden . . . «

Auf einmal drangen einige verworrene Stimmen aus der Straße ins Zimmer herein, und dazwischen ein schallendes Gelächter.

– »Es sind die Dienstboten und Arbeitsleute des Pächters Dreimans,« bemerkte Torfs, »die den letzten Wagen Kartoffeln vom Felde hereinbringen; ich habe sie noch vor einer Weile den Wagen mit grünen Zweigen behängen sehen. Diesen Abend feiern sie das Kuchenfest auf ihrem Hofe . . . Sie sind wohl recht lustig, Bethe?«

Die Frau wandte sich um. Auf ihren Zügen jedoch war nur Angst und Furcht zu lesen.

– »Ich weiß nicht,« antwortete sie, »es steht so viel Volk vor der Thüre des Nachbars Staers, aber ich kann nicht recht sehen, was es giebt. Der Feldschütz ist dabei mit bloßem Säbel.«

– »Gott!« schrie Lukas aufspringend, »was mag das bedeuten? Clara! Clara!«

Er wollte zum Hause hinaus, aber sein Vater lief ihm nach und sagte mit befehlender Stimme:

– »Lukas, du bleibst hier. Was auch dort geschieht, es geht uns nichts an.«

– So sprang denn der Jüngling an’s Fenster und das Gesicht gegen die Scheiben gelehnt, suchte er herauszubringen, was sich unter dem Haufen Leute vor dem steinernen Hofe zutragen könne. Der Säbel des Feldschützen, der über die Köpfe hervorblinkte, ließ ihn das Aergste fürchten.

– »Himmel! sollte Jan Staers ein Verbrechen begangen haben?« jammerte er wie verzweifelnd. »Wird er vielleicht in's Gefängniß geführt? Das fehlte noch!«

– »Sei unbesorgt,« sprach der Vater, »ich stelle mir wohl vor, was es ist. Die Gerichtsdiener sind aus der Stadt angekommen, seinen Hausrath in Beschlag zu nehmen, und der Feldschütz hält das Volk von der Thüre zurück. – Seht, wie er eben die Leute aus einander treibt, weil sie sich zu weit vorgedrängt haben.«

– Diese Sprengung des neugierigen Haufens gestattete ihnen endlich, von ihrem Fenster aus besser zu erkennen, um was es sich handle.

Ein gellender Schrei fuhr aus Lukas Brust. »Gott!« rief er, »dort sitzt Clara gegen die Mauer neben der Thüre auf einem Strohsack; sie hält die Hände vor die Augen und weint. Auf die Straße hat man sie gesetzt, und rund herum lacht und spottet das Volk über ihre Erniedrigung, über ihr jammervolles Unglück! Vater, Vater, laßt mich hingehen. Um Gottes Willen, laßt mich gehen!«

Der Greis schloß die Thüre ab und steckte den Schlüssel in die Tasche.

– »Aber Vater,« rief Lukas fast außer sich, »wie könnt ihr so gefühllos und grausam sein? Clara, die arme Clara sitzt dort in der freien Luft ohne Obdach, weiß nicht, wohin sie sich wende, vergießt Thränen und muß, das unschuldige – Lamm, das Hohngelächter über sich ergehen lassen und sitzen bleiben, zum Gespötte des ganzen Dorfes! Habt ihr denn kein Herz mehr, Vater?«

– »Es ist unglücklich, aber . . . «

– »Aber, aber; Vater,« schrie Lukas mit den Fingern in die Haare greifend, »ihr wißt nicht, was ihr thut . . . lasset gleichgültig die Frau eures Sohnes entehren!«

– »Deine Frau?«

– »Ja, sie muß meine Frau werden, und sollte ich vor Verdruß über den Aerger, den ich euch dadurch verursache, mein Leben aufzehren; meine Frau muß sie werden, sage ich!«

Und über den entschiedenen Ton dieser Worte selbst erschrocken ging er weinend zu seinem Vater, faßte ihn liebkosend bei der Hand, lehnte den Kopf an seine Brust und flehte:

– »Ach, verzeiht mir’s, daß ich also zu sprechen gewagt . . . aber ich habe am Ende doch Recht. Sie leidet, sie ist unglücklich. Ach, laßt mich gehen, daß ich sie befreie von der fürchterlichen Schmach!«

– »Sie holen und hierher bringen? . . . «

Der Greis schüttelte den Kopf, indem er bedenklich murmelte:

– »Und ihr Vater? ihr Vater?«

Frau Torfs hatte noch keine Zeit gefunden, um ein Wort vorzubringen; so sehr ihr die schmerzvollen Klagen ihres Sohnes tief in’s Herz schnitten, so hatte sie ihre Betrübniß bis jetzt bezwungen und schweigsam zugehört.

Nun aber brach sie plötzlich in Thränen aus und rief schluchzend: »Sieh, Torfs, du treibst es zu weit; es ist nicht mehr auszustehen. Du bringst unsern Lukas noch in den Brunnen . . . sammt dem unglücklichen Schaf, das dort unter Gottes blauem Himmel vor aller Welt Thränen vergießt. Wie kannst du doch so kalt dabei bleiben, als hättest du eine Seele von Stein. Ja, du hast mehr Verstand als wir, ich weiß es, aber es ist doch noch besser, barmherzig zu sein – was auch daraus folgen mag. Wir sind ja Christen, Torfs. Muß ich dich daran erinnern?«

– »Ach, Vater, folgt doch der lieben Mutter, laßt mich die Clara holen!«

Der Greis schien von den dringenden Vorstellungen seiner Frau überwunden.

– »Einen Augenblick nur,« murmelte er, »laßt mich nachdenken . . . Dann holte er den Schlüssel aus der Tasche und öffnete die Thüre.

– »Du machst einen dummen Streich,« sagte er, »aber gehe nur immer in Gottes Namen und bringe das Mädchen her!«

Lukas und seine Mutter liefen eilig davon und näherten sich dem Haufen Neugieriger vor dem steinernen Hofe. Der Jüngling drängte sich gewaltsam durch die Menge, schob in nicht sehr sanfter Weise einen Lacher zurück, faßte Clara bei der Hand, und indem er sie aufforderte, sich aufzurichten, sagte er:

– »Komm, komm, die Mutter ist da, dich zu holen; hier darfst du nicht bleiben. Ich werde dafür sorgen, daß dein – Hausrath zu uns gebracht werde. Tröste dich, liebe Clara, Lukas wird dich doch nicht verlassen.«

Schon hatte Mutter Torfs die andere Hand des weinenden Mädchens gefaßt und zog sie tröstend über die Straße nach ihrer Wohnung.

Lukas blieb zurück und machte noch heftige Ausfälle gegen diejenigen, auf deren Gesicht er eine spöttische Miene bemerkt hatte.

– »Wie?« rief er, »ihr könnt böse und grausam genug sein, um euch an fremdem Elend zu ergötzen? Ihr seht die arme Clara – die Güte und Freundlichkeit selber – in Thränen zerfließen und steht lachend daneben! Pfui, ich schäme mich, daß ihr Menschen seid!

– »Nun, nun, Lukas, macht euch kein bös Blut, Junge!« sprach ein vierschrötiger Bauer. »Wir lachen nicht über Clara’s Unglück, das fällt uns gar nicht ein . . . Aber daß wir uns darüber grämen sollten, daß der hochmüthige Söffel seinen gerechten Lohn kriegt, könnt ihr doch billiger Weise nicht verlangen. Jan Staers, der die Nase immer so hoch trug, ist am Ende doch in die Schlinge gerathen. Und es geschieht ihm recht; er hat es lange her verdient. So kommt doch endlich das wüste Ungeziefer aus dem Dorfe.«

– »Sonderbar!« bemerkte ein Anderer, »ich bin ihm diesen Morgen im Hohlweg begegnet, er hatte einen Gurt voller Fünffrankenstücken um den Leib und sagte, daß er seinen Pacht zu bezahlen nach der Stadt ginge.«

– »Seinen Pacht zu bezahlen?« lachte ein Dritter, »ja wenn nicht so viele Wirthshäuser am Wege ständen. Ich wette, er sitzt im »Bunten Ochsen,« so voll gesoffen, daß er von Gott und seinen Geboten keine Sylbe mehr weiß.«

– »Schweigt, Freunde, schweigt,« bat Lukas mit peinlicher Ungeduld. »Wer von euch will mir behilflich sein. Ich möchte gern das Bettzeug da und die Kleider in unsre Scheune tragen.«

Drei oder vier junge Burschen waren augenblicklich zur Hand und willfahrten seinem Begehren.

* * *

Als Mutter Bethe mit Clara in ihre Wohnung trat, fand sie ihren Mann nicht mehr, sie dachte, er sei in den Hof gegangen und kümmerte sich nicht weiter um seine Abwesenheit.

Das weinende Mädchen zur Bank führend, sagte sie:

– »Clara, liebes Kind, es ist recht traurig, aber ihr müßt nicht verzweifeln. Wir werden euch schon wieder aufhelfen.«

»Ach, für mich selber ist es mir nicht bange,« erwiederte die Jungfrau, »ich kann arbeiten und mir mein nöthiges Auskommen verdienen, aber mein armer Vater, was wird der anfangen, wo wird er eine Schlafstätte finden? Kein Obdach mehr; auf die Straße geworfen wie ein Landstreicher! Besser wäre es gewesen, Mutter Bethe, wir wären beide gestorben.«

»Kind, Kind, was habt ihr für schwarze Gedanken,« sagte die Frau im Tone der Rüge.

– »Und gestern noch so fröhlich!« seufzte Clara nachdenklich. »Aus dem Himmel fallen, um in die Hölle zu stürzen; in die Schande, die Armuth, die Verzweiflung . . . Ach, und der Vater, was wird aus ihm werden?«

– »Allerdings,« bemerkte bedenklich die Mutter Torfs, »das ist das Allerschlimmste bei der Sache. Denn für euch werden wir schon ein Plätzchen finden, um euch vorläufig unterzubringen; aber für euren Vater – das ist ganz was anderes. Ich will ihn nicht in meinem Haus . . . und Torfs ginge lieber selber aus seiner Wohnung, als mit diesem – wie soll ich sagen? – mit diesem Wilden unter demselben Dache zu schlafen. Ihr müßt bedenken, Clara, daß euer Vater, wenn er getrunken hat, ein gefährlicher Mensch ist. Er würde hier mitten in der Nacht das Unterste zu oberst setzen, und lärmen und fluchen und wieder mit seinen Schimpfwörtern »Pfennigfuchser und Schalenbeißer,« um sich werfen! Dem Torfs fährts auch leicht in den Kragen und er würde es nicht lange dulden . . . und es könnte am Ende noch ein Unglück setzen. Nein, Jan Staers darf hier nicht über die Schwelle; das kann durchaus nicht sein.«

– »Ach, lieber Gott, das sehe ich recht wohl ein, Mutter Bethe,« klagte die Jungfrau, »aber, um Gottes willen, sagt es mir nicht; es bohrt mir durchs Herz, meinen Vater, von Jedermann verachtet zu wissen, die Leute über sein Unglück spotten, über unsere Schmach frohlocken hören zu müssen! Und dabei kein Ausweg, keine Hoffnung noch Linderung: es muß so dauern, bis daß bis daß es mit irgend etwas Entsetzlichem sein Ende – nimmt! Mutter Torfs sagt selber, ob es nicht besser gewesen, Gott hätte uns beide aus der Welt genommen?«

– »Der Trunk ist doch ein furchtbares Uebel,« bemerkte die Frau. »Und wenn man bedenkt, daß diese häßliche Gewohnheit des Branntweintrinkens sich in den Dörfern wie eine ansteckende Krankheit immer mehr fortpflanzt. In unserer Gemeinde ist es, so arg noch nicht; aber dort, nach den Kempen zu! dort laufen sie haufenweise herum, die Männer, die Frau und Kind unglücklich machen und allmälig den Bettelsack umhängen müssen! . . . «

– Sie wurde in diesen Betrachtungen durch die Ankunft des Lukas unterbrochen, der geradezu auf das weinende Mädchen zuging und ihr tröstend die Hand faßte mit den Worten:

– »Liebe Clara, weine doch nicht mehr; es wird noch besser ablaufen, als wir glauben. Ich habe die Kiste und die Kleider einstweilen in die Scheune gelegt und das Bettzeug in einer Ecke auf dem Stroh ausgebreitet. Dort mag euer Vater bis morgen ein Unterkommen finden. Dann wird die Mutter wohl ein Wörtchen beim Vater einlegen, um dich aus der Noth zu reißen . . . Und, das weißt du ja, was auch daraus werden möge, ich werde dich stets mit Freude bei uns sehen.«

– »Was sagst du da, Lukas?« fiel ihm die Mutter strenge in’s Wort. »Jan Staers soll in unserer Scheune schlafen? Ich glaube, es rappelt dir im Kopfe. Es brauchte ihm nur in den Sinn zu kommen, eine Pfeife zu rauchen; und mit dieser höllischen Erfindung der Phosphorhölzchen . . . wäre unser Haus und Erbtheil in einem Augenblicke ein Raub der Flammen. Sprich doch um Gotteswillen nichts dergleichen im Angesichte des Vaters!«

– »Wo ist denn der Vater?« fragte der Jüngling, indem er sich umsah.

– »Ich weiß es nicht; als ich mit Clara zurückkehrte, war er schon weg und ich habe ihn nicht wiedergesehen.«

– »Himmel! ist er etwa böse?«

– Möglich genug, Junge; du hast aber auch eine Sprache vor ihm hören lassen, die ein bisschen gar zu kühn war. Und du weißt, wie sehr der Vater darauf hält, daß man ihm mit Achtung begegne.«

– Liebe Mutter,« versetzte Lukas, »ich achte den Vater aus ganzer Seele; ich liebe und schätze ihn für seine Güte und seine Einsicht . . . Aber was kann ich dafür, wenn mir das Herz überläuft vor bitterem Leid?«

Er schwieg, denn eben trat der Vater in’s Haus.

Der Jüngling ging auf ihn zu und sagte mit bittender Stimme:

– »Lieber Vater, ihr seid doch nicht böse? Ihr müßt nachsichtig mit mir sein; ich wußte nicht recht, was ich sagte.«

– »Setze dich,« befahl der alte Torfs, »horcht alle ernstlich auf, was ich euch sagen will: und daß Niemand mir in die Rede falle.«

Lukas und seine Mutter gehorchten schweigend, und hielten, mit ängstlicher Spannung die Augen auf ihn geheftet, da sie es leicht an seiner Stimme merkten, daß er eine wichtige Mittheilung zu machen habe.

– »Du glaubst, ich sei auf dich erbittert, Lukas?« sprach der Vater. »Ganz und gar nicht, Mitleid habe ich mit deinem Kummer, und mein lebhaftester Wunsch ist, dich glücklich zu sehen. Während du mit deiner Mutter fort warst, um Clara zu holen, habe ich mir, was zu thun sei, reiflich überlegt. Höre nun, was ich bei mir dachte. Wir alle lieben Clara und es schmerzt uns tief, daß sie so unschuldig leiden muß. Wäre sie allein, da wäre die Sache schnell abgemacht; sie würde keine einzige Thräne mehr zu vergießen haben. Aber wir haben kein Recht dazu, die Tochter von ihrem Vater zu scheiden. Wo sie ist, da wird er ebenfalls sein wollen, und in mein Haus darf Jan Staers auf keinen Fall kommen. So habe ich mir denn etwas Anderes ausgedacht. Geld wird’s freilich kosten, aber Gott wird es mir einstens vergelten. Dort hinten am Bach steht ein kleines Handwerkerhäuschen, das unserem Schöffen3 Putkop gehört. Ich habe es auf drei Monate gemiethet; tragt das Bettzeug dahin, Clara kann darin wohnen mit ihrem Vater . . . «

Lukas machte eine Bewegung, als wollte er sprechen, auch Clara streckte die Hände zum Danke aus, aber ein Zeichen des Greises hielt ihre Worte zurück.

– »Ich will einen letzten Versuch machen,« fuhr er fort. »Es ist möglich, daß Jan Staers durch sein Unglück auf bessere Gedanken kommen wird. Clara, ihr könnt ihm sagen, daß ich morgen vor Mittag ihn zu sprechen kommen werde; bittet ihn unterdessen recht dringend, daß er seinen Hochmuth fahren lasse und die Sachen in ihrem wahren Lichte betrachte. Wenn er meinen Vorschlag annehmen will und die Bedingungen erfüllt, die ich ihm machen werde, dann, Kinder, ist noch nichts verloren und Alles, wovon wir gestern geträumt haben, kann noch Wirklichkeit werden. Ich habe die Hoffnung, daß es gelingen wird. – Jetzt bin ich fertig.«

Lukas und Clara sprangen zu gleicher Zeit auf den alten Mann zu und benetzten seine Hände mit Freudenthränen.

»Vater,« rief Lukas, »ein Engel kann nicht liebreicher und großherziger sein als ihr Tausend Dank, guter Vater; nie werde ich es euch in diesem Leben vergelten können.«

– »Bleibe auf dem Pfade der Tugend,« erwiederte gerührt der alte Torfs,« und wenn ich einst alt und gebrochen bin, dann erinnere dich dessen, was ich für dich gethan habe. Und ihr, Clara, wenn Gott es so schicken sollte, daß ihr unsere Tochter werdet, liebet eure neue Mutter bis ans Ende ihrer Tage.«

Das Mädchen flog der Mutter Bethe um den Hals und rief aus:

– »Ja, sollte ich euch nie mehr wiedersehen, nimmermehr werde ich eure Güte vergessen und stets eurer in meinen Gebeten gedenken, daß Gott euch segnen möge und mit langem, langem Leben beschenke.«

– Sich seiner drückenden Gemüthsbewegung erwehrend, sprach der alte Torfs:

– »Kommt, laßt uns keine Zeit verlieren. Bethe, nimm jetzt Eimer und Besen zur Hand und gehe mit Clara ins Häuschen, daß es sauber hergerichtet werde. Nachher tragt ihr, was zum Hauswesen nöthig ist, dahin. Beim steinernen Hofe wird der Feldschütz verweilen, um dem zurückkehrenden Jan Staers seine neue Wohnung anzuweisen. Du, Lukas, fährst das Bettzeug auf dem Schubkarren vors Haus; da hast du den Schlüssel. Was mich betrifft, so muß ich mit dem Schöffen Putkop noch was abmachen. Eilt euch Alle ein wenig, denn der Abend wird gleich da sein.«

Während jedes sich daran machte, die erhaltenen Befehle auszuführen, schritt Pächter Torfs zur Thüre hinaus.

3.Die Leitung der Gemeindeangelegenheiten ist in Belgien einem Bürgermeister und je nach der Einwohnerzahl zwei, drei oder vier Schöffen anvertraut. Sie führen das aus, was der Gemeinderath beschlossen. (Anmerk. d. Uebers.)
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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
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Public Domain

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