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Читать книгу: «Der Minnesänger», страница 3

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Kurz darauf kehrte der Graf in den Saal zurück, seine Tochter an der Hand führend.

Sie war von ausnehmender Schönheit. Der offene Blick ihrer dunkelblauen Augen und das Lächeln der Unschuld auf ihren seinen Lippen umgaben sie noch mit dem süßen Hauch der Kindheit, während ihr schlanker Wuchs und ihre stattliche Haltung verriethen, daß sie die Rosen wenigstens siebzehn Male hatte blühen sehn.

»Editha,« sagte ihr Vater, »hier siehst Du einen Sänger, der uns Alle so mächtig bewegt, so tief gerührt hat, daß wir die ganze Welt darüber vergaßen. Schade, daß Du nicht dabei warst, als er sang von dem blinkenden schäumenden Traubenblut.

»Aus der Ferne habe ich es angehört, mein Vater,« antwortete sie »ach, und auch ich fühlte mich bewegt, die Klänge die tönen noch nach in meinem Herzen.«

Vielleicht war es der genossene Wein, der den Jüngling die Bitterkeit seines Schicksals für einen Augenblick vergessen ließ. Einigermaßen verwirrt und doch mit ritterlichem Anstand erwiderte er:

»Ich danke Gott, der meine Schritte zu dieser Burg gelenkt hat, wo Herzen schlagen, edel durch Geburt nicht allein sondern edler noch durch Liebe zur Kunst und echtes Gefühl. Welcher Lohn, o schöne Jungfrau, kann einem armen Sänger theurer sein, als ein Lob aus; Eurem Munde . . . «

Die Worte erstarben ihm ans den Lippen, er fürchtete durch sein Benehmen sich verrathen zu haben, daß er kein gewöhnlicher Minnesänger sei.

Hatte nun sein Gesang der Jungfrau das Herz bewegt, so machte wiederum ihre sanfte liebliche Stimme auf ihn einen noch tieferen Eindruck.

»Wird unser geehrter Gast nun auch mir zu Gefallen noch ein Lied singen?« fragte Editha und sah den Jüngling mit so freundlichem Lächeln an, daß er davor erzitterte.

»Die Jungfrau hat nur zu befehlen; einen Wunsch von ihr zu befriedigen gilt mir als das höchste Glück.«

»Nein, einen Befehl erhaltet Ihr nicht von mir, eine Bitte richte ich an Euch.«

Mit diesen Worten wandte sie sich ab, trat zu ihrem Vater an den Tisch und und sagte, sich niedersetzend, leise:

»Vater, wird der Minnesänger nicht einige Tage in Felsenburg bleiben?«

»Ich beabsichtige, ihn bis nach der großen Jagd hier zu behalten, wir bekommen dann zahlreichen Besuch.«

»Er weiß sich gut zu benehmen und auszudrücken nicht wahr, Vater? Solche Künstler sind rar auf der Felsenburg.«

»Gewiß, und ich bin erstaunt, diesen hier zusehn. Er ist unglücklich und hat Kummer, sagt er; nach seinem Liede mochte ich glauben, daß er aus seinem Vaterlande verbannt sei warum? . . . Doch horch, da erklingt das Vorspiel.«.

Wilfried begann nun ein Lied zu singen, dass ihm so recht aus dem Herzen kam, denn vieles darin bezog sich auf die schöne Jungfrau, deren Lächeln ihn so bewegt hatte und auch jetzt noch mit Bewunderung erfüllte.

Editha wandte kein Auge von dein schönen Sänger ab; in tiefes Sinnen verloren hörte sie ihm zu und wurde aus ihren süßen Träumen erst geweckt, als die Freunde ihres Vaters sie umringten und sie mit Schmeicheleien, den Sänger mit Lob überschütteten; der Wein und dass Lied hatten die alten Herren höflich gemacht.

Arglos und mit kindlichem Vergnügen nahm Editha die Huldigungen in Empfang, sie war von Herzen froh und glücklich und hörte nicht auf, den wunderbaren Künstler zu rühmen.

Inzwischen hatten die Diener einen Tisch für ihn bereitet, und da er großen Hunger verspürte ließ er sich daran nieder, bevor noch die Speisen aufgetragen waren.

»Vater,« sagte Editha, »darf ich nicht die Pflichten der Gastlichkeit dem werthen Sänger leisten? Nur Diener umgeben ihn . . . «

»Warum nicht gar schöne, Jungfrau,« rief einer der alten Ritter, »einem Minnesänger! Ihr vergeßt, das er nicht von edler Herkunft ist.«

»Freilich, Herr Gerulf,« versetzte sie, »doch hat Gott selbst ihn geadelt, als er ihm solche Stimme und Begabung verlieh?«

»Geadelt wohl nicht, Editha,« verbesserte ihr Vater, »doch erhebt die Kunst ihn über die gewöhnliche Menge. Geh darum, mein Kind, und erweise ihm die Ehre, deren Du ihn für würdig hältst.«

Editha näherte sich dem Sänger, sie legte ihm die Speisen vor und kredenzte ihm den Wein, ihn zu fleißigem Zulangen ermuthigend.

Zugleich suchte sie durch freundliche Worte ihm so viel als möglich die Zeit zu verkürzen, um ihm sowohl wie den Dienern zu zeigen, daß die Bewohner von Felsenburg die Kunst in dem schönen Sänger ehrten.

Wilfried vermochte beinah nicht, die vorher so begehrte Nahrung zu sich zu nehmen, in Selbstvergessenheit lauschte er der lieblichen Stimme, die ihm wie Musik in den Ohren so klang, er wagte kaum die Augen aufzuschlagen.«

Das Mahl, welches nur aus einigen auserlesenen Speisen und bestand, war beinah beendet, als die Jungfrau fragte:

»Meister, mein Vater will Euch bitten, einige Tage bei uns zu verweilen; Ihr werdet doch zustimmen, nicht wahr?«

»O, mit tausend Freuden!« versetzte Wilfried.

»Aber,« fragte sie weiter, »wollt Ihr mir nicht auch Euren Namen sagen? Wir werden auf Felsenburg noch lange von dem Künstler sprechen und von den schönen Liedern, mit denen er uns das Herz erfreute; da ist es doch nicht mehr als billig, daß wir auch wissen, wie er heißt.«

Meinen Namen wollt Ihr wissen,« murmelte der Jüngling, »meinen Namen?«

»Ja, wie heißt Ihr?«

»Ach, fragt lieber nicht danach.«

»Was ist dass nun für ein sonderbarer Einfall,« scherzte Editha. »Ihr wollt unbekannt bleiben! um dem wohlverdienten Lobe zu entgehen? Sei es drum; aber ich, will Euch kennen, und mir werdet Ihr doch keine abschlägige Antwort geben?«

»Ich heiße . . . ich heiße Wilfried,« antwortete er mit einem tiefen Seufzer und wie erschreckt bei dem Klange des Wortes.

»Wilfried!« rief sie erfreut, »o das ist ein schöner Name! ich hatte einen Bruder, der auch Wilfried hieß, aber ach er ist im Dienste des Kaisers ruhmvoll gefallen. Der Herr habe ihn selig . . . Doch nun weiter, Meister, wie heißt Ihr weiter?«

»Weiter?« wiederholte er ängstlich.

»Ja; wo seid Ihr geboren? Wie ist der Name Eures Vaters?«

»Seid barmherzig bat Wilfried, »fragt nicht weiter. Ich bin ein Unglücklicher auf dem ein schweres Geheimniß lastet. Wie ich heiße, woher ich komme, darf ich Euch nicht sagen, darum laßt mich schweigen und ich werde Euch dankbar dafür sein, wie für eine große Wohlthat.«

»So sei es denn, ich ehre Euer Geheimniß,« sagte Editha verwundert und etwas unzufrieden. »Darf ich jetzt meinem Vater melden, daß der Meister Wilfried uns noch einige Proben seiner Kunst geben wird?«

Der Minnesänger verbeugte sich, und saß dann noch lange an der Tafel, den Kopf auf die Brust gesenkt und in tiefes Sinnen verloren. Bereute er, seinen Taufnamen genannt zu haben oder schreckte ihn der Gedanke, daß die unwiderstehliche Liebenswürdigkeit der Jungfrau ihm noch weitere Aufschlüsse entlocken könne?

Ritter Adalbert von Mirewald weckte ihn aus seinen Betrachtungen.

»Holla, guter Freund!« rief er in seiner derben Weise, »es ist noch nicht Zeit tu schlafen, Ihr mußt uns noch etwas von wunderbaren Abenteuern und ritterlichen Thaten erzählen. Kennt Ihr die Geschichte von Gudrun?«

»Ja, Herr,« versetzte Wilfried, »ich kenne die rührende Sage von Gudrun und noch viele andere.«

»Wohlan, so erzählt uns einige davon, und damit das Sprechen Euch nicht zu sehr ermüde, rücken wir Alle um den Tisch; auch soll man Euch einen Sessel geben.«

Die Diener vollzogen den Befehl und der Minnesänger ließ sich nieder, einige Schritte von den edeln Gästen entfernt, dem Schloßherrn und seiner Tochter gerade gegenüber.

Er begann nun zu erzählen, wie Gudrun, die schöne dänische Königstochter und Braut Herzogs Herwigs von Seeland, durch Hartmuth, den Sohn des Normannenkönigs gefangen genommen und weggeführt wird. In treuer Hingebung an ihren Verlobten weigert sie sich standhaft, Hartmuths Gemahlin zu werden und muß dafür Jahre lang wie eine Dienstmagd die niedrigste Arbeit verrichten. Ihre Standhaftigkeit und treue Liebe wird endlich belohnt; ihre Brüder besiegen die Normannen, erlösen Gudrun aus der Sclaverei, und führen sie triumphierend in die Arme Herwigs zurück.

Wilfried trug die Sage theils in gebundener, theils in ungebundener Rede, immer aber anmuthig und mit so tiefem richtigem Gefühl vor, daß die Anwesenden nicht müde wurden, ihm zuzuhören. Ganz besonders war Editha gerührt, Thränen des Mitleids traten in ihre schönen Augen.

»Jetzt etwas Lustiges, Heiteres, etwas zum Lachen!« rief Adalbert von Mirewald.

Da erzählte denn Wilfried von Karl dein großen Kaiser und Elbegast dem Räuber, der seinen Fürsten veranlaßt, mit ihm auf Diebstahl auszugehn, – vom Bären Wisselau, der Alles über den Haufen wirft und verschlingt, was ihm in den Weg kommt, – endlich vom tapferen Ritter Roland, der im Kampfe gegen die Heiden so jammervollen Tod fand.

Es war in die Auge fallend, daß der Sänger wie er auch bestrebt sein mochte, nicht im Stande war, etwas wirklich Belustigendes vorzutragen; in Allein, was er sang oder erzählte, herrschte ein trüber Ton, ein Ton stiller Trauer, den die Ritter auf das Unglück zurückführten, von dem sein erstes Lied bereits Kunde gegeben.

Von der langen Reise ermattet und des Erzählens müde gab Wilfried den Wunsch in erkennen, früh schlafen zu gehn und neue Kräfte zu sammeln. Der Burgherr fand das begreiflich und wollte eben einem Diener den Befehl geben Wilfried zu dem für ihn bestimmten Gemache in begleiten, als Editha, die ungern Ende des schönen Abends nahen sah, mit bittendem Blick auf ihn zutrat.

»Da Meister Wilfried dass Bedürfniß zu ruhen fühlt, so verleihe Gott ihm einen sanften Schlaf,« sagte sie, »nur hörte ich so gern noch ein Gedicht, einen Spruch von ihm, um auch darin seine Kunst zu bewundern, wie wir ihn bisher als Sänger und Erzähler kennen gelernt haben.«

»Weil Ihr es wünscht, edle Jungfrau, soll es geschehn,« sagte Wilfried und sich sanft auf der Harfe begleitend recitirte er die nachfolgende

Parabel
 
Es ging ein Mann im Syrerland,
Führt ein Kameel am Halfterband,
Das Thier mit grimmigen Gebärden,
Urplötzlich anfing scheu zu werden,
Und that so ganz entsetzlich schnaufen,
Der Führer vor ihm mußt entlaufen.
Er lief und einen Brunnen sah
Von ungefähr am Wege da.
Das Thier hört er im Rücken schnauben,
Das mußt ihm die Besinnung rauben.
Er in den Schacht des Brunnens kroch,
Er stürzte nicht, er schwebte noch.
Gewachten war ein Brombeerstrauch
Aus des geborstnen Brunnens Bauch;
Daran der Mann sich fest that klammern
Und seinen Zustand drauf bejammern.
Er blickte in die Höh’ und sah
Dort das Kamelhaupt furchtbar nah,
Das ihn wollt oben fassen wieder.
Dann blickt er in den Brunnen nieder
Da sah am Grund er einen Drachen
Aufgähnen mit entsperrtem Rachen,
Der drunten ihn verschlingen wollte,
Wenn er hinunterfallen sollte.
So schwebend in der beiden Mitte
Da sah der Arme noch das Dritte:
Wo in die Mauerspalte ging
Des Sträuchleins Wurzel dran er hing,
Da sah er still ein Mäusepaar,
Schwarz eine, weiß die andre war.
Er sah die schwarze mit der weißen
Abwechselnd an der Wurzel beißen.
Sie nagten, zausten, gruben, wühlten,
Die Erd’ ab von der Wurzel spülten;
Und wie sie rieselnd nieder rann,
Der Drach im Grund aufblickte dann,
Zu sehn, wie bald mit seiner Bürde
Der Strauch entwurzelt fallen würde.
Der Mann, in Angst und Furcht und Noth,
Umstellt, umlagert und umdroht,
Im Stand des jammerhaften Schwebens,
Sah sich nach Rettung um vergebens.
Und da er also um sich blickte,
Sah er ein Zweiglein, welches nickte
Vom Brombeerstrauch mit reifen Beeren,
Da konnt’ er doch der Lust nicht wehren,
Er sah nicht des Kameels Wuth
Und nicht den Drachen in der Fluth
Und nicht des Mäuse Tückespiel,
Als ihm die Beer in’s Auge fiel.
Er ließ dass Thier von oben rauschen,
Und unter sich den Drachen lauschen
Und neben sich die Mäuse nagen.
Griff nach den Beerlein mit Behagen;
Sie däuchten ihm zu essen gut,
Aß Beer’ aus Beeren wohlgemuth,
Und durch die Süßigkeit im Essen
War seine Furcht vergessen
Du fragst: Wer ist der thöricht’ Mann,
Der so die Furcht vergessen kann?
So wiss’, o Freund, der Mann bist Du;
Vernimm die Deutung auch dazu:
Es ist der Drach im Brunnengrund
Des Todes aufgesperrter Schlund;
Und das Kameel, das oben droht,
Es ist des Lebens Angst und Noth.
Du bist’, der zwischen Tod und Leben
Am grünen Strauch der Welt muss schweben;
Die Beiden, so die Wurzel nagen,
Dich sammt den Zweigen, die Dich tragen,
Zu liefern in des Todes Macht,
Die Mäuse beißen Tag und Nacht.
Es nagt die schwarze wohl verborgen
Vom Abend heimlich bis zum Morgen;
Es nagt vom Morgen bis zum Abend
Die weiße, wurzeluntergrabend.
Und zwischen diesem Graus und Wust
Lockt Dich die Beere Sinneslust,
Daß Du Kameel die Lebensnoth,
Du im Grund den Drachen Tod,
Dass Du die Mäuse Tag und Nacht
Vergissest und auf nichts hast Acht,
Auf dass Du recht viel Beerlein haschest,
Aus Grabes Brunnenritzen naschest.«
 

Auch dieses, mit richtigem Verständniß und wohlklingender Stimme vorgetragene Gedicht fand allgemeinen Beifall. Die Ritter, welche am andern Morgen in der Frühe schon abreisen wollten, schüttelten Wilfried zum Abschied die Hand und luden ihn ein, sie auf ihren Burgen zu besuchen. Editha sah dem Sänger mit dankbaren Blicken nach, als er dem Diener folgte, der ihn, eine brennende Fackel in der Hand, seinem Zimmer zuführte.

III

Der erste Morgenschimmer begann den Osten zu färben, als Wilfried aus seinem Schlummer geweckt wurde, und zwar durch Pferdegetrappel, das vom inneren Hofraum heraufschallte.

Er erinnerte sich, daß die alten Ritter schon vor Tagesanbruch abreisen wollten. Sein Gastherr, Günther von Felsenburg, war wohl noch nicht aufgestanden.

Da es so zu sagen noch Nacht war und der Jüngling sich sehr ermüdet fühlte, legte er den Kopf in die Kissen zurück und versuchte wieder einzuschlafen, doch wie sehr er sich bemühen mochte, er konnte kein Auge mehr schließen, das Bewußtsein des Zustandes in dem er sich befand und die Gedanken, welche ihn am vergangenen Abend bewegt hatten, standen mit zu großer Lebhaftigkeit vor seinem Geiste.

Er erhob sich und legte seine Kleider an, dann sank er nachdenkend auf einen Stuhl am Kopfende seines Bettes nieder.

Was hatte ihn die ganze Nacht hindurch im Traume beschäftigt?

Nur eine undeutliche, schwache Erinnerung war ihm davon geblieben, Eins nur wußte er ganz genau, dass Edithas liebliches Gesichtchen ihm fortwährend zugelächelt hatte.

Warum bewegte ihn dieses Lächeln so tief, schon bei der bloßen Erinnerung an seine Träume? Liebte er sie? Aber er hatte sie ja nur während weniger Stunden gesehn!

In ihrer kindlichen Einfalt und Offenheit hatte sie dem Sänger gewissermaßen dass Wohlwollen erzeigt, daß sie seiner Kunst widmete, sie konnte unmöglich Neigung zu einem Menschen fühlen, den sie unedler Geburt wähnen mußte . . .

Doch wohin verirrten steh seine Gedanken? Was ging das Alles ihn an? War für ihn, der unerkannt und rastlos umherschweifen, jedes Band der Freundschaft fliehen mußte, nicht jegliches Gefühl der Liebe ausgeschlossen.

Ein Lächeln trat auf seine Lippen, er spottete der eignen Aufregung wie einer Kinderthorheit. Im nächsten Augenblick aber zitterte er vor Angst. Ohne es zu wissen und zu wollen hatte er sich in die Erinnerung an Edithas Schönheit und Lieblichkeit vertieft, ihre Stimme hatte so bezaubernd in seinen Ohren geklungen, ihr klarer Blick, ihr Lächeln ihn das Herz bewegt . . . Schrecklicher Zweifel! War dass vielleicht auch eine Wirkung des Fluches? Hatte die Macht des Verhängnisses ihn nach Felsenburg geführt, um ihm hier eine Falle zu stellen? Wahrscheinlich täuschte er sich in dieser Vorstellung, aber die Gefahr war gar zu groß, zu drohend.

Was sollte er nun beginnen? Hier galt kein Zögern er mußte Felsenburg verlassen, mußte schleunigst abreisen. Wohl schmerzte es ihn tief, von seinen edlen großmüthigen Wirthen diesen warmen Verehrern der Kunst, die ihn voll Gastlichkeit aufgenommen hatten, so bald schon Lebewohl sagen zu sollen, um sein elendes, trostloses Leben wieder aufzunehmen, doch ließ sich einmal nichts daran ändern, das Schicksal beherrschte ihn und wie ein demüthiger Sclave mußte er sich ihm unterwerfen.

Er stand auf und wanderte seufzend im Zimmer hin und her.

Die Sonne war inzwischen am Horizonte erschienen, doch hörte man, außer einigem Hundegebell, noch kein Geräusch, sicher lag die Schloßherrschaft noch in tiefem Schlafe.

Wilfried öffnete die Thür seines Gemaches und trat in einen langen Gang, der zu einer breiten Steintreppe führte, vermittelst welcher man zu einer, von niedrigen Mauern eingefaßten Terasse gelangte und einen großen Theil der Landschaft übersah.

Gewiß kam Graf Günther mit seiner schönen Tochter oft hierher, um unter blauem Himmel frische Luft zu schöpfen, zwei schwere, aus Eichenholz geschnitzte Stühle schienen sie dort zu erwarten.

Auf einen derselben ließ Wilfried sich nieder und blickte träumend in die majestätisch schöne Natur hinaus, die sich vor da ich seinen Augen entfaltete.

Zu den Füßen der Burg, in einer Tiefe von mehr als hundert Fuß, rauschte ein breiter Bergstrom durch sein felsiges Bette und brauste zornig gegen die Steinmassen auf, die seinem Laufe sich in den Weg stellten.

Der Burg gerade gegenüber stieg eine nackte, steile Bergwand düster und fast drohend empor. Weiter nach links zeigten sich sanft ansteigende üppig bewachsene Hügel, deren Spitze das dunkle Grün mächtiger Eichen krönte.

Mehr als eine Stunde hielt Wilfried das Auge auf die Landschaft gerichtet, ohne eigentlich ihre malerische Schönheit zu beachten.

In seinem Innern wogte ein heftiger Kampf; zehnmal hatte er schon ausgerufen: »ich muß fort!,« dann aber schwankte er wieder unentschlossen hin und her und überlegte, ob es nicht eine unbegründete Furcht sei, die ihn von dannen trieb. Das Lächeln der lieblichen Editha trat ihm vor die Seele und wie von einer unsichtbaren Gewalt überwunden murmelte er:

»Einige Tage werde ich doch wenigstens auf Felsenburg bleiben dürfen. Es ist so gut hier, und draußen erwartet mich nur Leid und Elend.«

Gleich darauf verzog dann wieder ein bittres Lachen seinen Mund, er schlug sich gegen die Brust und rief:

»Thor, was soll das feige Zaudern! Wie Du auch nach einer Entschuldigung suchen magst, Du fühlst doch, daß eine große Gefahr Dich hier bedroht. Thu’ Deine Pflicht! Die Mittagssonne darf Dich nicht mehr auf Felsenburg finden!«

Dieser Entschluß preßte ihm einen neuen Seufzer aus und durch den Kampf gegen das eigne Herz erschöpft ließ er rathlos den Kopf auf die Brust sinken, bis er beim ersten Laut einer sanften Stimme plötzlich aufsprang.

Ueberrascht und verlegen murmelte er einige Worte des Grußes und blieb mit niedergeschlagenen Augen wie angewurzelt stehn.

»Hat unser wackerer Sänger gut geschlafen?« fragte Editha mit dem ihr eignen Liebreiz. »Fast möchte ich es bezweifeln, da ich ihn so früh schon hier finde.«

»Gott und Eurer milden Gastlichkeit sei Dank, edle Jungfrau,« antwortete Wilfried, »ich habe einer sanften Ruhe genossen. Ich will nun Eurem Herrn Vater meinen Morgengruß bringen und dann . . . «

»Nein, Meister Wilfried, das geht nicht,« unterbrach sie ihn mit einer leichten Handbewegung, »mein Vater ist wohl schon aufgestanden, hat aber sein Zimmer noch nicht verlassen.

»Nehmt wieder Platz, ich will mich neben Euch setzen und Euch erzählen, was ich geträumt habe. Sollte mein Traum sich verwirklichen, so wurde ich dem Himmel meinen Vater und Euch, Meister Wilfried, mein ganzes Leben dafür danken.«

»Ich höre Euch zu, schöne Jungfrau,« stammelte Wilfried, kaum wissend was er sagte, »selbst die Träume einer so edlen, lieblichen Maid müssen anziehender sein wie das kunstreichste Lied.«

»Nun, nun, Meister Wilfried,« scherzte sie, »die Schmeicheleien habt Ihr wohl an fürstlichen Höfen gelernt.«

»Schön ist mein Traum gewiß, aber nur für mich ganz allein. Gebt Acht: mich träumte, daß mein Vater Euch bäte, lange hier zu bleiben und daß Ihr zustimmtet, mein Vater wünschte daß Ihr mich singen, und meinen Gesang auf der Harfe begleiten lehrtet. Und das thatet Ihr; Eure herrlichsten Lieder wiederholtet Ihr mir mit unermüdlichem Eifer, mit unbeschreiblicher Geduld, ich saß an Eurer Seite und hörte Euch andächtig zu, dabei war ich so gelehrig, daß ich bald meine Stimme mit der Euren vermischen konnte, wir sangen das vereint, und so schön daß meinem Vater die Thränen in die Augen traten. Und endlich . . . ach . . . «

»Nun endlich?« fragte Wilfried erschreckt.

»Endlich gingt Ihr fort, zu meinem großen Kummer; viel hätte ich darum gegeben, den Unterricht eines so ausgezeichneten Lehrers monatelang genießen zu können, doch wolltet Ihr nicht dauernd bei uns bleiben und verließet Felsenburg.«

»Mein Vater belohnte Euch reichlich, auch schenkte er Euch prächtige Kleider, Ihr waret wohl zufrieden, aber ich weinte in meinem Traum wie ein Kind, als ich Euch hinter jenem Felsen dort für immer meinen Augen entschwinden sah . . . Was jagt Ihr zu diesem Traume, Meister?«

Wilfried hing noch an ihren Lippen, als sie längst zu sprechen aufgehört; er lauschte den Worten ihres Mundes, nicht allein um deren Bedeutung, sondern mehr noch ihres Klanges willen, der ihn bezauberte wie ein unwiderstehlich süßes Saitenspiel.

»Und wird mein Traum zur Wahrheit werden?« fragte endlich Editha.

»Es ist unmöglich, ganz unmöglich,« versetzte er seufzend.

»Wie, verstehe ich?« rief sie enttäuscht, »Ihr solltet weigern, mir Etwas von Eurer Kunst zu lehren?«

»Das wäre nicht allein eine große Ehre, sondern eine eben so große Freude für mich, doch ach, ich muß weiter ziehn.

»Weiter ziehn? O Himmel!«

»Und zwar noch heute.«

»Während Ihr gestern zu bleiben verspracht?«

»Freilich; der gastliche Empfang, der mir zu Theil ward, Eure und Eures Herrn Vaters Freundlichkeit und Güte rissen mich zu einer Pflichtvergessenheit hin. ich bin der Sclave eines traurigen Verhängnisses, das mich zwingt Euch noch Lebewohl zu sagen, ich muß gehorchen, sei es auch mit blutendem Herzen.«

»So sollten meine schönen Träume nur Hirngespinnste bleiben!« klagte Editha.

»Ja, edle Jungfrau, und Ihr mögt mir glauben, daß es mir schwer wird, Euch Etwas abzuschlagen, das mir selbst das höchste Glück gewähren würde, wenn es nicht eben unmöglich wäre.«

»Und da muß ich Ärmste schon so früh Euch aufsuchen, um solch’ bitt’re Täuschung zu begegnen!« rief Editha. »Wenn Ihr denn durchaus abreisen wollt, so kann ich Euch nicht halten, doch bleibt mir noch eine Hoffnung.«

»Laßt sie fahren, denn sie ist vergeblich,« sagte Wilfried.

»Wir wollen doch sehn, Meister. ich bin nur ein schwaches Mägdelein und weiß die Sache vielleicht nicht richtig anzugreifen, aller mein Vater wird Euch schon überzeugen, daß Ihr Euer Versprechen nicht brechen dürft, er wird mehr Einfluß auf Euch haben.«

Mehr als Ihr?«

»Ganz gewiß, Meister Wilfried, beliebt jetzt nur, mir zu folgen, mein Vater wird uns zum Frühstück erwarten, seht, da kommt schon Rigold, unser Diener, mich zu rufen.«

Wilfried stieg mit ihr die Treppe hinauf; im Saal fanden sie den Ritter wirklich ihrer wartend.

»Guten Morgen,« rief er freundlich dem Gaste entgegen, der grüßend auf ihn zuschritt, »habt Ihr in meiner Burg eine ruhige Nacht genossen? Nun, das freut mich. Unsere übrigen Gäste haben uns heute schon vor Tagesanbruch verlassen, wir sind allein und können nun um so ungestörter uns an der Kunst erfreun.

Laß den Sänger an unserer Tafel Platz nehmen, Editha, so lange er bei uns weilt, soll er als ein Glied der Familie behandelt werden.«

Die Jungfrau schob einen Sessel herzu und kredenzte dem Sänger den Frühtrunk, sagte aber dann in betrübtem Ton:

»Wir geben uns trügerischer Hoffnung bin, Vater, Meister Wilfried will uns heute noch verlassen.«

»Wie, was bedeutet denn das?« rief der Schloßherr mit ungläubigem Lächeln, »sagtest Du mir nicht gestern Abend, Editha, daß er versprochen hätte, einige Tage bei uns zu verweilen?«

»Ja, Vater, aber nun hat er sich anders besonnen und will heute fort.«

»Ist das Euer Ernst, Meister?« fragte der Ritter ungehalten.

»Allerdings, Herr, wie sehr es mich auch betrübt, Euer gütiges Anerbieten ablehnen zu müssen. Doch stehe ich unter dem Einfluß einer zwingenden Macht, und wenn diese gebeut, muß ich mich beugen und gehorsamen wie ein Sclave.«

»Frühstücken wir«, sagte Graf Günther, »die unwillkommene Nachricht könnte uns sonst die Eßlust rauben. Gleich wollen wir noch ein Wörtchen darüber reden, Meister, wenn Ihr aber fortzukommen glaubt, so täuscht Ihr Euch, es sei denn, daß ihr vollwichtigere Gründe anzuführen wißt, als dunkle Andeutungen.«

Als das Frühstück beendet war, nahm der Ritter wieder das Wort.

»Seit gestern Abend habe ich unaufhörlich an Euch gedacht, Meister« sagte er »wie das kommt, weiß ich selbst nicht, doch Ihr flöst mir eine ungewöhnliche Theilnahme ein und ich würde mich freuen, wenn ich Etwas für Euch thun könnte. Verzeiht daher die Freiheit die ich mir nehme, sie ist ein Beweis meiner Zuneigung.

Ihr scheint kein gewöhnlicher Minnesänger zu sein; Eure gebildete Sprache, Eure Haltung, ein unbestimmtes Etwas in Eurer ganzen Erscheinung läßt mich glauben, daß Ihr in einer Burg geboren seid. Ist mein Vermuthen begründet?«

Wilfried, der diese Frage vorhergesehen, hatte Zeit gehabt, sich darauf zu rüsten.

Euer Vermuthen ist unbegründet, edler Herr,« antwortete er scheinbar ruhig und einfach, »mein Vater ist zwar ein freier Mann, doch gewinnt er durch Handel sein Brod.

Ich hatte während meiner Kindheit gute Lehrer die mich unterwiesen, und bildete mich später während längeren Aufenthalts in Burgen und selbst am Fürstenhöfen weiter aus.«

Ein tiefer Seufzer entwand sich Wilfrieds Brust bei der Anstrengung die es ihn kostete, so die Wahrheit zu verletzen.

»Gut denn, Meister, ich glaube Euch,« versetzte der Ritter, »doch habt nun die Güte mir zu erklären, was dann die Worte aus Eurem ersten Lied bedeuten: »als Verbannter schweife ich rastlos umher, ich habe nicht Heim, nicht Vaterland mehr?« Ihr antwortet nicht? Ach ich Verstehe, Ihr seid ein Ausgetriebener, man hat Euch, sei es mit Recht oder Unrecht, des Landes verwiesen. Gleich gestern Abend habe ich gesehn, daß Euch ein Unglück, ein Kummer drückt; theilt mir dessen Ursache mit, ich bin nicht ohne Einfluß und habe mächtige Freunde weit und breit, selbst am Hofe des Kaisers, vielleicht gelingt es mir, Eure Angelegenheit in Ordnung zu bringen.«

»Ich danke Euch, Herr für Euren großmüthigen Schutz,« versetzte Wilfried, »doch irrt Ihr, ich bin kein Verbannter.«

Kein Verbannter? Wer seid Ihr denn? Daß Ihr um einer üblen That willen fliehen mußtet weigert sich mein Herz zu glauben.«

»Und es hat Recht, Euer Herz,« rief Wilfried bewegt, »nie, soviel ich weiß, habe ich Jemandem ein Leid oder Unrecht zugefügt.«

»Aber warum meidet Ihr denn Eure Heimath? Warum schweift Ihr wie ein Verbannter umher? Warum dürfen wir die wir so gern Eure Freunde, Eure Beschützer sein möchten, nicht wissen, woher Ihr kommt und wie Ihr heißt? Zweifelt Ihr denn an der Aufrichtigkeit unserer Gesinnung, daß Ihr uns jegliches Vertrauen versagt?«

Wilfried befand sich in einer peinlichen Lage. Wohl war er fest entschlossen, sein Geheimniß zu bewahren, doch verfehlte der traurige bittende Blick, den Editha auf ihn richtete, seine Wirkung nicht.

»Vielleicht begehe ich eine große Unvorsichtigkeit,« sagte er, »doch Eurer Güte, gnädiger Herr, kann ich nicht widerstehn. Gleichwohl darf ich Euch nicht Alles sagen.«

»So wisset denn, daß ein entsetzliches Verhängnis mich beherrscht, nehmt an, wenn Ihr wollt, daß es ein Gelübde, ein Fluch, eine Beschwörung sei, aber so viel ist gewiß: ich bin verpflichtet, fünf Jahre lang unerkannt zu bleiben.«

Entdeckte Jemand meinen Namen und Geburtsort, so müßte ich sterben, eines schrecklichen Todes sterben.«

»O der arme Sänger!« rief Editha, »und doch hat er Keinem ein Leides gethan!«

»Keinem, edle Jungfrau.«

Der Ritter schüttelte nachdenklich den Kopf, redete aber kein Wort.

»Seht Ihr nun ein, Herr,« fuhr Wilfried fort, »das daß ich trotz Eures gütigen Anerbietens ein Geheimniß verschweigen muß, davon mein Leben hängt? Daß ich mich gezwungen sehe, sogleich fort zu gehn, wie gern ich auch Eure Einladung annehmen möchte?«

»Ja Meister, ich sehe wenigstens den Grund ein, der Euch antreibt uns zu verlassen, und bedaure lebhaft, daß ihr darauf besteht.

In fünf Tagen veranstalte ich hier eine große Jagd der Viele meiner Freunde beiwohnen werden. Abends findet dann auf Felsenburg ein großes Festmahl statt.

»Der Gedanke, meinen Gästen einen Künstler wie Ihr seid vorführen zu können, erfüllte mich mit Stolz und Freude, doch da es Euch unmöglich scheint, meinem Wunsche nachzukommen und Ihr beschlossen habt, abzureisen; so begleite Euch Gott.«

»Lieber Vater, sag dein Meister Wilfried noch nicht Lebewohl,« bat Editha, »warum sollte er nicht noch einige Tage bleiben? Wir wollen ihn nichts, gar nichts mehr fragen; wenn er überzeugt ist, daß wir sein Geheimniß ehren, so liegt ja doch keine Veranlassung vor, Felsenburg so bald den Rücken zu wenden.«

Freilich, mein Kind, aber was sollen wir machen, wenn er meinen Vorstellungen und Deinen Bitten widersteht?«

Editha faltete die Hände und sah den Jüngling an mit einem Blick, der ihm tief in die Seele drang.

»O Meister Wilfried,« bat sie, »seid gut und bleibt noch einige Tage, lehrt mich schöne Lieder und Gedichte, es wird mich so glücklich machen und ich werde Eurer so dankbar gedenken! . . . Ihr schüttelt den Kopf? Ihr seid unerbittlich? Ach, Niemand hat mir bisher etwas abgeschlagen, wenn ich darum bat, Ihr seid der Erste.«

Wilfried, durch diese Bitte wie bezaubert, war sichtlich schwankend geworden.

»Nun?« rief Editha, in deren Augen ein Hoffnungsstrahl glänzte.

»So werde ich bleiben,« sagte er besiegt.

»Gott sei Dank, er bleibt!« jubelte die Jungfrau.

Der Ritter ergriff des Jünglings Hand.

»Auch ich danke Euch,« sagte er freundlich, »und hoffe, »daß Ihr am Abend der Jagd meine Gäste durch Eure Kunst erheitern werdet.«

»Unter einer Bedingung, einer strengen, unverbrüchlichen Bedingung,« antwortete Wilfried »Niemand darf zu erfahren suchen, wer ich bin und woher ich komme. Bei dem ersten Wort, der leisesten Anspielung, die mich fürchten läßt daß mein Geheimniß gefährdet sei, werde ich abreisen, ohne selbst Lebewohl in sagen. Versprecht mir, daß Ihr diese Bedingung annehmt und erfüllen wollt, so bin ich mit Freuden Euer Gast bis nach der großen Jagd.«

»Es sei, wie Ihr begehrt,« versetzte der Ritter.

»Kein unvorsichtiges Wort soll uns entfallen,« fügte Editha bei.

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06 декабря 2019
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