Читайте только на ЛитРес

Книгу нельзя скачать файлом, но можно читать в нашем приложении или онлайн на сайте.

Читать книгу: «Der Geizhals», страница 6

Шрифт:

»Was beginnt Ihr, Cäcilia!« frug Bart niedergeschlagen. »Wollt Ihr denn nicht zu uns kommen?«

»Ich gehe nach der Stadt,« war die Antwort; »ich habe eine Base, welche dort als Näherin arbeitet; bei dieser hoffe ich mein Auskommen finden zu können.«

»Das nenne ich einen schönen Plan!« entgegnete Bart. »Ihr vergeßt, daß ich nun, wo Ihr wieder um mich seid, wo ich Euere lieben Augen immer sehen, Euere süße Stimme immer hören kann, mit neuem Muthe zu arbeiten im Stande bin, Ihr vergeßt, daß ich gern alle Finger darangäbe, um Euch die geringste Mühe und Arbeit zu ersparen. Nein, Ihr müßt durchaus zu uns kommen!«

»Ums Himmels willen, Bart, fordert das von mir nicht: es darf nicht sein.«

Und als ihr der Jüngling mit düsterer Verwunderung in die Augen sah, sprach fiel nochmals:

»Ihr könnt es mir glauben, lieber Bart, es darf nicht sein!«

Da schien eine Umwandlung im Gemüthe des armen Jungen vor sich zu gehen; der Kopf senkte sich wieder über die Brust, und er bemerkte mit erzwungener Gelassenheit:

»Die Freude hat mein krankes Herz wohl ganz behört – daran hatte ich nicht gedacht. Ja freilich, Cäcilia, ich bin armer Bauern Kind; Ihr ein reiches Fräulein . . . Es bleibt mir nichts übrig als zu sterben.«

Die tiefe Wehmuth dieser Klage schnitt Cäcilien durch das Herz, so daß sie ihre jungfräuliche Schüchternheit überwand, des Jünglings Hand drückte und ihn zu trösten suchte:

»Bart, mein lieber Freund, Ihr seid in Irrthum: die Sache verhält sich ganz anders. Mein Onkel hat mich enterbt; er macht ein Testament, welches dem Thys sein sämmtliches Vermögen hinterläßt; mir fällt kein Pfennig zu.«

Der junge Bauer sah zweifelnd zum Mädchen auf, während ein Lächeln um seine Lippen spielte.

»Ja, ja,« wiederholte diese, »ich bin jetzt arm, so arm wie Ihr selbst.«

»So arm wie ich?« rief der Jüngling, vor Freude außer sich, »so arm wie meine Mutter, wie meine Schwester! Lieber Gott, welch’ unverhofftes Glück! Die bösen Leute mögen ihren Mammon bewahren; uns bleibt der beste Reichthum, Cäcilia: ein Schatz von Freundschaft, Zuneigung und Liebe! Kommt schnell mit mir!«

Er nahm seine Geliebte wieder bei der Hand und wollte sie mit sich ziehen; diese aber entgegnete ganz traurig:

»Nein, Bart, es darf doch nicht sein!«

»Warum denn? Sagt mir nur warum?«

Da färbten sich Cäcilia"s Wangen, und sie blickte verschämt nieder:

»Hat Euch denn die Wittwe des Maurers gestern Nachmittag nichts mitgetheilt?«

»So sprach sie die Wahrheit!« fiel Bart ein. »Ich wagte es nicht der guten Kunde zu trauen!«

»Was wird man von uns sagen, Bart? Ihr seht nun auch ein, daß es nicht sein darf.«

»So wollt Ihr, Cäcilia, wirklich in die Stadt ziehen und uns hier allein lassen? Gott weiß, ob Ihr Euch nicht neue Schmerzen bereitet und auch von dort verstoßen werdet! Aus Rücksicht für das eitle Gerede der Welt könntet Ihr Euch entschließen, mich in den Tod zu schicken und so meiner armen Mutter die Stütze ihrer alten Tage zu entziehen?«

Er wartete auf eine Antwort; doch Cäcilia blickte unverwandt zu Boden.

Da flehte der junge Mann mit noch eindringlicherer Stimme:

»Liebe Cäcilia, Ihr werdet mit meiner Mutter schlafen und beständig um sie sein; ich werde Euch die ehrfürchtigste Liebe zollen, als wärt Ihr mein Schutzengel. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend werde ich mit frischer Lust arbeiten – nichts soll uns zu unserm Glücke abgehen. Dann blüht und lebt Ihr wieder auf: der Segen des Himmels ruht wieder auf unterm Hause wie zuvor! Oh! kommt doch zu uns, seid eine Schwester für meine Schwester, eine Tochter für meine Mutter!«

Und mit gefalteten Händen bat er um eine Antwort.

Cäcilia wankte in ihrem Entschlusse.

»Oh, Cäcilia, sprecht doch: erinnert Euch, daß über uns im Himmel der liebe Gott waltet, der in alle Falten unserer Herzen sieht und weiß, ob sie einen bösen Gedanken bergen!«

Ein eigenthümliches Lächeln erhellte das Gesicht des Mädchens; sie athmete tief auf und schien sich zu einem gewichtigen Entschlusse zu fassen.

»Wohlan?« frug Bart und bebte in freudiger Erwartung.

»Wohlan, es sei!« war die ersehnte Entscheidung. »Euere Mutter werde auch meine Mutter! Ihr neues Kind wird mit ihr leben!«

Da flog ein geller Schrei, der beinahe einem Schmerzenstone glich, aus der Brust des überglücklichen Bart; dann deckte er sich die Augen mit den Händen zu und durch eine Finger glitten die unaufhaltsamen Thränen über seine Backen.

Das Mädchen begriff nicht den Grund dieser so heftigen Gemüthsbewegung und suchte ihm Trost einzureden.

»Ach« seufzte dieser und lachte und weinte fieberhaft durcheinander, »die übermäßige Freude wird auch zur Pein; sie wirkt drückend und betäubend auf Herz und Kopf . . . doch jetzt ist es vorbei. Kommt, liebste Freundin!«

Sie schlugen einen andern Weg ein. Bart war völlig umgewandelt. Er hielt den Kopf aufrecht und blickte stolz um sich; seine Wangen waren leise geröthet; seine Augen funkelten; Arme und Beine bewegten sich ungestüm, als hätten sie, zum ersten Mal nach langer Zeit, ihre Fesseln abgeschüttelt. Dazu überströmte ein volles Herz von Freudebezeigungen.


»Lieber Gott! wie prächtig ist doch das Leben! Seht, Cäcilia, ich bebaue das Feld oder spalte die Reife im Hof: Ihr beschäftigt Euch, wie zuvor, damit, Kleider zu verfertigen; Wanna verpflegt die Kuh; die Mutter leistet Euch Gesellschaft und bereitet das Essen. Alle theilweisen Gewinne legen wir zusammen und bilden so einen Spartopf. Dann kaufen wir noch eine Kuh und nehmen mehr Land in Pacht. Und wer weiß, mit der Zeit können wir eine Magd halten. Mit Gottes Hilfe wird das Kapellenhoefken so prächtig gedeihen, daß Ihr an den alten, finsteren Klosterhof gar nicht mehr denkt.«

»Ihr werdet beredt, Bart!« sprach Cäcilia. »Ihr eröffnet meinen Augen ein wahrhaftiges Paradies!«

»Es soll auch zum Paradiese werden!« fuhr Bart munter fort. »In dem Garten pflanze ich die schönsten Blumen und lenke kleine Wege durch die Beete; dann baue ich hübsche Käfige und hänge sie überall hin – von allen Seiten soll uns der frohe Gesang entgegenschallen; dann lerne ich neue Lieder, und erzähle drollige Geschichten und hüpfe und springe – und danke unserm Herrgott, Tag aus, Tag ein, daß er uns unter demselben Dache vereint. Cäcilia, steht uns da nicht ein prächtiges Leben in Aussicht – doch, dort am Brunnen sehe ich die Mutter mit Wanna!«

Bei diesen letzten Worten verließ er Cäcilia und rannte pfeilschnell nach Hause. Doch trotz seiner Ungeduld rief er: »Mutter, Wanna!« mit so starker Stimme, daß sie über Wiesen und Felder schallte.

Die Mutter kehrte sich um und sah voll Verwunderung, wie er in vollem Laufe auf sie zu kam. Seine sonderbaren Geberden und unverständlichen Rufe bewirkten, daß auch Wanna mit offenem Munde von Bart nach ihrer Mutter blickte, um die Erklärung des Räthsels zu erhalten.

Doch blieb der Frau nicht die Zeit, ihr Staunen in Worte zu übersetzen; denn schon kam ihr Sohn, keuchend und jauchzend, in den Hof gestürmt und rief, noch ehe er recht zu Athem gekommen war: »Mutter, liebe Mutter, und Ihr, liebe Wanna, wißt, daß ich ganz genesen bin! Ihr dürft wieder lachen und fingen und lustig sein: Cäcilia ist da. Gleich kommt sie; man hat sie weggejagt: sie ist jetzt so arm wie wir, der Onkel hat sie enterbt; sie wird mit uns wohnen und Euere zweite Tochter sein! Seht, da ist sie schon! – die Gute lächelt Euch entgegen. Von jetzt an wollen wir nie mehr weinen; auch ich fühle mich so munter und kräftig.

 
Ach und Weh bleibt nun begraben
Weil wir immer Kirmeß haben!«
 

Die arme Frau sah ihren Sohn mit unaussprechlicher Freude an. Zuerst hatte sie gefürchtet, er wäre wahnsinnig geworden; aber der Ton seiner Stimme beruhigte sie wieder, und jetzt verschwand jeder Zweifel, indem Cäcilia selbst mit eiligen Schritten in den Hof trat.

Eine gleichzeitige Bewegung öffnete die Arme der gerührten Mutter und des glücklichen Mädchens – die neue Tochter lag in den Armen der alten Frau und empfing von ihr einen Kuß, der wie ein Funke aus dem heiligen Brandopfer der Liebe aufstieg.

Bart sah dieser ergreifenden Szene zitternd zu und konnte sich neuer Thränen nicht erwehren. Er warf noch einen Blick zum Himmel, sank aber, von seinen Gefühlen überwältigt, am Brunnen zusammen.

Wanna tanzte, klopfte jubelnd in die Hände und rief:

»Oh Gott! wie herrlich hat sich Alles gefügt!«

Bald erwachte Bart aus seiner Betäubung. Er schien etwas zu fürchten, näherte sich seiner Mutter und schob sie, mit Cäcilia und Wanna, in die Thür des Wohnhauses.

Sie folgten dem Gebote des jungen Mannes.

Bart wollte die Thür hinter sich schließen; doch da sah er, daß Kaet, die Bettlerin, mit ihrem Kinde herbeieilte. Er streckte den Kopf zur Thür hinaus und machte ihr allerlei Zeichen der Ungeduld, um ihren Gang noch zu beschleunigen. Sobald sie im Hof war, rief er ihr zu:

»Schnell ins Haus, Kaet! Ihr werdet was froh sein. Cäcilia ist darinnen!«

Dann verschloß er die Thür hinter sich.

VII

Seitdem Cäcilia auf dem Kapellenhoefken wohnte, war die niedere Hütte wirklich zum Paradiese geworden, wie Bart im ersten Freudentaumel es sich ausgemalt hatte.

Glück und Friede herrschten hier. Bart arbeitete unermüdlich den ganzen Tag und sang dazu feine lustigsten Lieder; seine frische Jugendkraft war zurückgekehrt; ein beständiges Lächeln schwebte auf seinem von Gesundheit blühenden Gesichte; er hatte an alle Welt nur freundliche Worte und Mienen zu verheilen; er bot, in einem Worte, das vollendete Bild des Vergnügens dar.

Am meisten trug dazu die Ueberzeugung bei, daß Cäcilia den Aufenthalt auf dem Kapellenhoefken nicht bereute. Zwar verfiel sie noch zuweilen in ein stilles Sinnen, wenn sie an ihren alten Onkel und an die Leiden dachte, die das Geheimniß des Klosterhofes ihm vielleicht vorbehielt; allein diese schmerzliche Betrachtung konnte das Glück nicht aufwägen, das für sie aus der zärtlichen Zuneigung Barts und seiner Mutter entsprang, und die Lebensfreude, welche sie rings umgab, nicht trüben. Auch von ihren Wangen verschwand allmälig der bleiche Ton, den ihr der Kummer aufgedrückt, und obgleich sie im Ganzen still und zurückgezogen blieb, stimmte sie oft in das heitere Lächeln, das aus einem zufriedenen Herzen rührt.

Sie fertigte Kleider für die Frauen im Dorf; und da sie in diesem Fach eine ziemliche Geschicklichkeit hatte, verdiente sie durch ihre Arbeit ein erkleckliches Geld. Dieser Erfolg erfreute sie ungemein und nährte bei ihr und Bart die Hoffnung, der kleinen Wirthschaft bald eine größere Ausdehnung geben zu können. In der Regel fielen wöchentlich einige Stüber in den Spartopf; ging er einmal leer aus, so glitt zuweilen eine silberne Münze mit hinein – also mehrte er sich; und wenn Bart sich in das Zimmer der Mutter schlich und an der Büchse rüttelte, welche die Ersparnisse der Liebe und Arbeit bewahrte, so antwortete ihm ein heller, viel verheißender Ton.

Der Jüngling hatte. Alles in’s Werk gesetzt, um die Wohnung seiner Mutter auszuschmücken und sie der Geliebten recht angenehm und heiter zu machen; er wandte dazu Alles auf, was in seinem Bereiche lag. In dem kleinen Garten hinter dem Hofe hatte er Beete und kleine Wege angelegt und sie mit spanischem Grase eingefaßt. An einem Ende, gegen die Buchenhecke, baute er einen Pavillon und umschattete ihn mit Geißblatt und Jelängerjelieber; darin zimmerte er zwei Bänke, die einander gegenüber standen – die eine für Cäcilia und seine Mutter, die zweite für sich und seine Schwester. Dort vereinigten sie sich Alle des Sonntags nach der Vesper zum heitern Gesange oder traulichen Gesprächen, worin sie ihr friedliches Leben und Gottes Milde priesen.

In dem Garten prangten allerlei Blumen, sowohl diejenigen, die auf den Haiden und in den Gesträuchen der Kampine zu treffen sind, als auch fremde Blumen aus den verschiedensten Gegenden – letztere hatte Bart von Franz, dem Knechte des Schloßgärtners, bekommen.

Am Hause selbst hing eine Reihe von Käfigen, aus denen ein fortwährender Wettgesang schallte; Tauben, so zahm, daß sie aus Cäcilia’s Hand fraßen, nisteten unter dem Dache und stolzierten oft mit aufgeblasenen Federn durch die schlängelnden Pfade. In den Ecken des Gärtchens standen auf langen Stöcken Mühlen, die sich drehten, und Jäger, die mit gefälltem Gewehr die Richtung anwiesen, aus der der Wind blies; aus Liebe zu Cäcilia hatte Bart Mühlen und Figuren, so gut er konnte, gedrechselt.

Wanna hatte ihren Theil an der allgemeinen Wonne und freute sich wie ein Kind über das Glück der Andern.

Die alte Mutter wurde von Allen geliebt und geherzt; jedem ihrer Blicke strahlte aus den Augen ihrer Kinder ein so inniges Glück entgegen, daß sie gewiß nicht gewünscht hätte, ihr Loos gegen dasjenige der gnädigen Frau auf dem Schlosse umzutauschen.

So fehlte nichts, um das Kapellenhoefken zu einem wahren Paradiese zu machen.

*                   *
*

Anders sah es in dem düstern Klosterhofe aus. Seit Cäcilia’s Scheiden war das alte Haus noch stiller und einsamer geworden, und stand da eine wahre Todtengruft zwischen dem frischen Laubwerk – ein von Gott selbst verwünschtes Gebäude!

Die Bauern, die auf den nahen Feldern arbeiteten, bemerkten, daß die Thür zuweilen Tage lang verschlossen blieb. Das geheimnißvolle Haus mit seinen morschen Mauern und zerschlagenen Fensterscheiben flößte ihnen einen wirklichen Schrecken ein, und nur die Muthigsten wagten es, im Dunkel ihren Weg den mißliebigen Mauern entlang zu nehmen.

Zwei Sonntage hinter einander war Onkel Jan nicht in die Kirche gekommen. Thys hatte einem Jeden, der sich nach ihm erkundigte, erzählt, der Alte läge, mit der Gicht behaftet, im Bette.

Obgleich man wußte, daß der Onkel Jan vor Zeiten an diesem Uebel gelitten hatte, nahm man diese Erklärung nicht überall als die Wahrheit an. Doch man kümmerte sich im Allgemeinen nicht viel um den schnöden Geizhals: Cäcilia allein hatte, bei der Nachricht von des Onkels Krankheit, heftig geweint.

*                   *
*

Es war gegen die Mitte der Woche, an einem frühen Morgen.

Thys saß am Heerde, in dem ein leidliches Feuer brannte. Er hielt mit der Zange ein Stück Fleisch über die Kohlen, um es zu braten, und tauchte es zuweilen in einen Teller voll geschmolzener Butter. An der Seite des Heerdes stand in der heißen Asche ein steinerner Topf, der dampfte.

Als das Fleisch gebraten war, setzte es Thys auf den Tisch und verschlang es mit einem gierigen Lächeln. Dann brachte er Teller und Brod in den Speisekasten zurück, wischte sich den Mund ab und setzte sich wieder vor’s Feuer.

Mit der Zange hob er etwas Gemüse aus dem kochenden Topfe, ließ es dann wieder zurückfallen und sprach zu sich selbst:

»Das Essen des Alten sieht fürwahr recht lecker aus! Davon meint er wieder zu Kräften zu kommen. Als ob sich der Magen wie ein Einfaltspinsel betrügen ließe! Welcher Esel mag nur das Kochbuch geschrieben haben, in dem er seine Küche studiert. Ja, die Cichorie und Brunnenkresse wird ihm viel junges Fleisch an die alten Beine zaubern. Ich muß ihm noch die Kresse suchen, um die Leute aufmerksam zu machen. Ich habe auch etliche Hand voll Löffelkraut hinein gethan. Das ist gut gegen den Skorbut. Der Geiz verläßt ihn selbst auf dem Sterbebette nicht. Nun, im Grunde ist mir wenig daran gelegen. Will er es versuchen, ob er leben kann ohne zu essen, so mag es ihm glücken. Zuerst hatte ich gedacht, daß er es nicht so lange aushalten würde – aber er ist so zäh wie eine Katze.«

Da blickte er in’s Freuer und überlieferte sich seinen Gedanken; nach und nach wurde sein Gesicht ganz ernst, und er murmelte vor sich:

»Ja, wirklich zäh wie eine Katze! Weiß Gott, wie lang sein Lämpchen noch glimmen wird. Ich bin meiner Sache noch nicht sicher, vielleicht habe ich auf das Fell des Bären spekuliert, ehe das Thier in der Falle ist. Diesen Morgen sagte mir der Pachter Klaes, daß der Bürgermeister und Pfarrer sich nach dem Befinden des Alten erkundigt hätte. Und das abscheuliche Weib, das die Leute gegen mich aufhetzt! Der Hexe habe ich es zu danken, daß das ganze Dorf mich haßt. Als ich heute, auf zwanzig Schritte vom Hause, die Cichorie ausstechen wollte, schnitt sie mir schon wieder hinter der Hecke ihre Fratzen. Die verdammte Bettlerin bringt mich noch in’s Unglück! Wenn nun Bürgermeister und Pastor herkommen wollten, um den Alten zu besehen. Daß mich ein Testament zum Universalerben einsetzt, ist allgemein bekannt: was werden sie dem Alten nur vorhalten. Der Pfarrer absonderlich könnte ihm allerlei Dinge vorschwatzen wollen!«

Dieser Gedanke brachte ihn zum Zittern. Doch, nachdem er eine Weile die Stirne auf seine Hand gestützt hatte, fuhr er fort:

»Um jeden Preis muß ich verhüten, daß Jemand mit ihm spreche. Schon beginnt er über das, was er gethan hat, unangenehm zu grübeln und hat auch ohne Unterlaß Cäcilia’s Namen im Munde. Mit geringer Mühe ließe sich der alte Narr zu einem neuen Entschlusse treiben. Was fange ich an? Die Leute müssen zum Schweigen gebracht werden – aber wie? Daß ich so mutterseelenallein mit dem Alten bin, flößt das meiste Mißtrauen ein. Wäre Cäcilia noch hier, so gäbe man sich nicht so viel mit dem Knicker ab – doch dazu bin ich nicht dumm genug, um die Katze mit dem Fleische in denselben Kasten zu schließen! Um aber den Pfarrer und den Bürgermeister und die ganze Sippschaft zufrieden zu stellen, habe ich doch nur das Eine Mittel, daß ich Jemanden in’s Haus nehme, der scheinbar die Botschaften besorgt – nur dürfte er den Onkel Jan nie zu sehen kriegen! Von zwei Gefahren will ich die geringste wählen – aber wen kann ich hernehmen?«

Er besann sich einen Augenblick und schüttelte mißmuthig den Kopf; dann verzog sich sein Gesicht zu einem Lächeln:

»Da hab’ ich eine prächtige Idee, wenn sie nur auszuführen ist! Es wird wohl etwas viel kosten – denn sein Versprechen muß man halten, heißt es – obendrein hat es keine Gefahr! Nun, ich will mich nicht zu rasch entschließen, sondern vorher Alles reiflich überlegen. – Das Löffelkraut für den Alten ist jetzt wohl mürbe gekocht. – Wenn ich das Ding recht betrachte, so ist mir ein kluger Feind lieber, als ein dummer Freund; vielleicht geht die Bettlerin in die Schlinge. – Es ist aber jetzt Zeit, daß der Onkel Jan sein Essen bekommt!«

Damit nahm er den Topf vom Feuer, ging durch eine Seitenthür und verfolgte einen langen, finstern Gang, der ihn zu einer Treppe führte. Nachdem er diese hinaufgestiegen und durch einen zweiten Gang gekommen war, hielt er endlich an Onkel Jans gewöhnlicher Schlafkammer an.

Da lag der unglückliche Greis in einem Bett, dessen schmutziges Aussehen selbst einen Bettler zurückgeschreckt haben würde. Die Krankheit hatte ihm beinahe alles Fleisch aufgezehrt; eine eingefallenen Wangen waren fast durchsichtig geworden; seine Augen waren eingesunken und leuchteten, wie verglast, aus ihren Höhlen; der Entsetzen erregende Ton eines Gesichtes war nicht so sehr eine Blässe, als die Abwesenheit aller Inkarnation, wogegen die bläulichen Lippen des Alten hochgefärbt abstachen.

Alles in dem Gemache trug den Stempel vollkommener Vernachlässigung und beengte mit traurigem Mißmuth das Herz des Beschauers. Die hohen überwölbten Wände, an denen seit dem Verfall des Klosters keine Menschenhand gerührt hatte, waren unter einer so dichten Lage von Staub und Schmutz bedeckt, daß sie jeder nähern Untersuchung entgingen. Gegen den Westen war die Wand feucht; das Wasser sickerte durch und lief durch den halb vermoderten Fußboden bis zu den Grundfesten des Gebäudes. Dieser ungesunde Kanal nährte an seinen Rändern allerlei Schimmelpflanzen, und Salpeter drängte sich in glitzernden Flocken zwischen den Fugen hervor.

Ein einziges hohes Fenster, an dem alle Scheiben zerbrochen waren, doch das dagegen mit einem dicken eisernen Gitter versehen war, ließ in das Zimmer ein so spärliches Licht ein, daß sich das Auge erst daran gewöhnen mußte, ehe es in dem Halbdunkel einen Gegenstand zu unterscheiden vermochte. Obschon draußen auf dem Felde die Sonnenstrahlen schon brannten, so herrschte hier eine feuchte Kälte, die den Athem beklemmte. An dem Bette standen ein Stuhl und ein Tisch; auf letzterem befand sich ein Krug mit Wasser und eine Kruste schwarzes Brod, welche noch die Spuren der Zähne wies, die zuletzt hineingebissen hatten. Beinahe hätte man denken können, daß hier ein Gefangener schmachtete, den ein grausames Urtheil dazu verdammt hatte, eines langsamen Hungertodes zu sterben.

Onkel Jan schien zu schlafen; doch mußte dem nicht ganz so sein; denn beim Eintreten des Thys schob er mit einer krampfhaften Bewegung etwas unter die Decke, das dabei klang wie an einander rasselnde Schlüssel.

Dem Thys war weder die Bewegung, noch das Geräusch entgangen: ein schlaues Lächeln erschien auf einem Gedichte, und er spitzte die Ohren, um sich des metallenen Klanges zu vergewissern. Dann ging er bis zum Bette, stellte den dampfenden Topf auf den Tisch und sprach mit rauher Stimme:

»Hier habt Ihr Euer Essen, Onkel Jan!«

Der Kranke wollte sich nach einer Seite kehren, doch nach einer peinlichen Bemühung fiel sein Körper wie Blei zurück.

»Mit mir ist es aus,« seufzte er. »Diese Nacht fühlte ich mich so elend, lieber Thys!«

»Ich will Euch beistehen,« bemerkte Thys und streckte ihm die Hände entgegen.

»Oh! nein, nein!« flehte der Alte, dem die angebotene Hilfe eine gewisse Angst einflößte.

Thys aber gab darauf nicht Acht, sondern umfaßte mit beiden Armen den Leib des Alten, hob ihn barsch auf und schob ihn, wie ein Stück Holz, gegen das Kissen.

»Ihr thut mir so weh!« jammerte der Alte.

»Ich thue Euch wehe?« frug Thys mit erheucheltem Mitleiden. »Was kann ich dafür, daß Ihr so empfindlich geworden seid? Ich mußte Euch wohl anpacken, da Ihr Euch allein nicht aufraffen konntet. Nun ist es doch vorbei, und Ihr könnt etwas Speise genießen; aber verbrennt Euch nicht die Zunge: es ist noch heiß.«

Zitternd griff der Alte zum Löffel und nahm sich einige Blätter aus dem Topfe, sprach jedoch dazu:

»Meint Ihr, Thys, daß die ewigen Kräuter mir zu etwas helfen? Ich fühle mich so erbärmlich schwach und elend!«

Thys ließ diese Klage unerwiedert und maß den Greis mit prüfenden Blicken. Trotz der Mühe, die er sich gab, um die Regungen seines Gemüths zu verhehlen, zeigte sich auf seinem Gesichte eine freudige Ueberraschung; die sichtlich zunehmende Schwäche des Alten machte ihm ein großes Vergnügen; die Erwartung, daß es mit ihm bald zu Ende gehen würde, entflammte seine Augen.

Onkel Jan hatte etliche Löffel von dem Gemüse zu sich genommen; dann schüttelte er mit dem Kopf, ließ den Löffel fallen und blickte Thys ernst an, als hätte er ihm etwas vorzuwerfen.

»Nun, was habt Ihr denn wieder?« frug dieser.

Der Alte antwortete mit Ekel:

»Das Essen ist doch zu schlecht! Der Mund brennt mir wie Feuer, und der Magen zieht sich zum Krampf zusammen!«

»Es fehlt nur noch, daß Ihr Euch für vergiftet haltet. Die Brunnenkresse brennt immer so; Ihr verdaut sie nicht leicht!«

Der Alte entblößte seinen Arm und flehte:

»Seht hierher, Thys, und seid barmherzig. Bin ich nicht ein wahres Skelett?«

»Seid doch vernünftig und deckt Eueren Arm wieder zu. Als ob Jemand ein wärmeres Mitgefühl für Euch haben könnte, als gerade ich? Aber die Krankheit raubt Euch alle Besinnung. Ihr bildet Euch zuletzt ein, daß Ihr im Sterben liegt?«

»Bin ich denn nicht sehr krank?«

»Krank, das gebe ich zu; aber lange nicht so sehr, als Ihr wähnt. Ihr seid im Gegentheil noch recht kräftig, Onkel Jan. Die magern Leute leben bekanntlich am längsten; wenn Euch nichts Aergeres dazu stößt, so hat es Nichts auf sich!«

»Ich wollte, Ihr hättet Recht, Thys!«

Auf diese verzweifelte Aeußerung folgte eine kleine Pause.

»Oh, mich hungert so gewaltig!« wimmerte der Alte.

»Nun, so eßt!« entgegnete Thys und schob ihm die Kruste Schwarzbrod in die Hand.

Der Alte nagte an der trockenen Kost und bemerkte dazu:

»Thys, ich möchte etwas Anderes essen; das Brod schmeckt wie Sand.«

»Was wollt Ihr essen? Es stehen im Buch noch andere Kräuter, die wir versuchen können.«

»Nein, ich möchte Fleisch und Fleischbrühe haben. Das würde mir schmecken! Bei dem Gedanken allein läuft mir das Wasser in den Mund.«

Thys wurde ganz mißmuthig, bezwang aber seine böse Laune und sprach:

»Wie könnt Ihr nur an Fleisch und Fleischbrühe denken? Das würde hinreichen, um das Uebel ärger zu machen und Euch augenblicklich den Tod zu bringen. Seit so vielen Jahren habt Ihr Euch das Fleischessen abgewöhnt!«

»Gebt mir doch Fleisch, ich bitte Euch darum, lieber Thys!«

»Nun, Ihr seid Euer eigener Herr! Kommt nur mit dem Gelde heraus, und wenn es Euch in’s Grab befördert, so müßt Ihr mir bezeugen, daß ich Eure unvorsichtige Gierigkeit bekämpfte!«

»Geld und wieder Geld,« murrte der Alte. »Das bleibt doch stets Euer erstes und letztes Wort!«

Er steckte die Hände unter die Decke und schien sich damit abzugeben, Geldstücke zu zählen und zu betasten. Endlich langte er etwas für Thys hervor und sprach:

»Dafür dürft Ihr mir Fleisch holen!«

»Wirklich,« spottete Thys, indem er das Geldstück besah; »ein Stüber! Ihr wollt für einen Stüber Fleisch haben? Nun, das wird ein prächtiges Stück sein! Für so wenig Geld ist kein Fleisch zu bekommen. Wenn Ihr nicht zwanzig Cents daran wenden wollt, kann ich Euch nichts holen . . . «

»Zwanzig Cents, lieber Himmel! Ein Bißchen Fleisch sollte zwanzig Cents kosten?« murmelte der Greis ganz verdrießlich. »Nun, die Ausgabe erneut sich nicht. Da habt Ihr noch fünfzehn Cents und bringt mir den Rest zurück. Sucht doch etwas abzuhandeln. Beine geben auch eine gute Suppe und kosten weniger.«

»Schon gut,« war die ungeduldige Antwort, »wenn etwas übrig bleibt, sollt Ihr es bekommen!«

Er stand dann auf und wollte schon zum Zimmer hinaus, als der Alte sich wieder an ihn richtete:

»Thys, ich vergaß, Euch noch um etwas zu fragen!«

»Dann macht aber schnell,« fiel dieser unwillig ein.

»Geht doch nicht so rauh mit mir um!« flehte der Alte. »Seht, Thys, diese Nacht war mir recht bange, daß ich bald sterben müßte, und die Angst trieb mir schon den Schweiß an die Stirne. Wißt Ihr warum? Wie, wenn ich ohne Beichte aus diesem Leben geschieden wäre!«

»Was ist das für ein neuer Unsinn?« rief Thys, ohne seine eigene Angst ganz verbergen zu können.

»Thys, lieber Thys,« flehte der Kranke, »wäre es nicht zuträglich, daß der Pfarrer sich hierher bemühte, um mich mit dem Himmel zu versöhnen? Gott ruft uns zuweilen so unerwartet ab!«

Er bekam keine Antwort von Thys, der mit gekreuzten Armen vor dem Alten stehen blieb.

»Und dann möchte ich auch die Cäcilia einmal sehen, ehe ich das Zeitliche verlasse. Sie hat sich an mir vergangen und ist schuldig; und doch denke ich stets an sie – und möchte ihr gerne verzeihen, ehe ich vor des Ewigen Thron erscheine!«

»Ihr entwickelt Euch immer schöner,« spottete Thys; »nun beginne ich wahrlich zu glauben, daß Ihr, wenn auch nicht körperlich, doch geistig krank seid. Cäcilia lacht Euch aus, sie lebt bei ihrem ausgelassenen Freier und beide verspotten Euch weidlich. Ich habe sie gefragt, ob sie Euch nicht besuchen wollte, erhielt aber zur Antwort, daß Ihr die große Reise in die andere Welt wohl unternehmen könntet, ohne sie zu sehen.«

Der Alte ließ den Kopf über die Brust sinken und wischte sich zwei Thränen aus den Augen.

»Ja,« fuhr Thys fort, »laßt Pfarrer und Doktor kommen; öffnet Euere Thür allen Denen, die sich hereindrängen wollen – doch macht Euch darauf gefaßt, daß sie um die Wette in Eueren Beutel fahren. Mit Stübern sind diese Leute nicht abzuspeisen; jeder Besuch, jedes Wort wird Euch Gulden kosten!«

»Dann wollen wir lieber noch etwas warten,« seufzte der Alte und sank verzweifelt und schmerzlich in sein Bett zurück.

»Auf baldiges Wiedersehen,« sagte Thys. »Haltet Euch nur tapfer: Euere Krankheit hat wirklich nicht viel zu bedeuten.«

Mit diesen Worten verließ er das Zimmer und begab sich nach unten. Dort blieb er eine Weile am Kamine sinnend stehen:

»Da wäre die Bombe geplatzt! Heut will er den Pfarrer, und Cäcilia, und Fleischspeisen haben; morgen braucht er den Doktor, und übermorgen den Notar. Doch sachte! Er kann sich um sie heiser schreien, es soll ihm nichts fruchten. Der Alte ist in meiner Gewalt, und es wird ihn Niemand hören. Aber wie, wenn man von außen zu ihm dringen will; wenn der Pfarrer selbst den Wunsch äußert, ihn zu sehen? Da bleibt mir ein einziges Mittel; ich muß mich mit Kaet, der Bettlerin, verständigen. Doch heißt es dabei umsichtig zu Werke gehen! Ohne Beichte will ich ihn nicht sterben lassen; das will ich nicht auf dem Gewissen haben – und dann könnte es mich nach seinem Tode verdächtigen – doch habe ich genug Zeit vor mir, um daran zu denken. Ah, der Alte will Fleisch essen! und gesund werden! und vielleicht ein Testament verändern! Heute haben wir Donnerstag, da finde ich kein Fleisch; morgen, Freitag, und übermorgen, Samstag ist das Fleisch verboten – und nachher braucht er es vielleicht nicht mehr. Jetzt will ich mich nach der Bettlerin umsehen, ob mit ihr etwas auszurichten ist. Geht es nicht nach meinem Sinne, so versuche ich etwas Anderes. Es ist mir vor dem Weib ein bisschen bange; aber mit wenigem Geld und vielen Versprechen wird sie wohl zu gewinnen sein. So wären zwei Hindernisse aus dem Wege geräumt: ihre Feindschaft und das Gerede der Leute. Und ist sie mir treu, so finde ich in ihr eine Schildwache, die das Haus während meiner Abwesenheit hütet. Wir wollen sehen, wer von uns beiden am schlimmsten ist!«

Dann verließ er den Klosterhof und sperrte die Thür von außen ab.

»Wenn der Onkel Jan während meines Ausgangs verscheiden wollte, so wäre Alles abgethan. Aber dazu ist der Alte zu dumm. Doch wer weiß? Möglich ist Alles!«

So verfolgte er seinen Weg gegen das Dorf.

Plötzlich merkte er, daß Cäcilia ihm aus der Ferne entgegenkam; zuerst war ihm die zu erwartende Begegnung unangenehm, doch faßte er sich bald.

Das Mädchen wurde ihn erst gewahr, als sie ihm ganz nahe gekommen war. Dann stellte sie sich vor ihn mit flehender Miene und sagte:

»Ich bin recht froh, Thys, daß ich Euch einmal zu sehen bekomme. Seid so gut und gesteht mir die lautere Wahrheit: wie steht es mit dem Onkel?«

Der aufrichtige, freundliche Ton der Frage stellte Thys in Hinsicht des Vorhabens Cäcilia’s sicher: auch antwortete er gutgelaunt:

»Es geht ihm leidlich gut, Cäcilia. Er hat die Gicht; das ist die Krankheit der reichen Leute. Daran ist noch Niemand gestorben, und auch er wird bald wieder gesund sein, obgleich er jetzt noch das Zimmer hütet.«

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
142 стр. 5 иллюстраций
Правообладатель:
Public Domain

С этой книгой читают