Читать книгу: «Leberkäs-Porno», страница 3

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Max starrte sie an: »Weiter!«

»Ja, was, weiter? Er hat gemeint, er hätte mit dem Glasl und dem Brunner fast alles geregelt. Zwei Dinger ziehen sie noch durch. Irgendwas mit großen Grundstücken. Da wär aber fast alles in trockenen Tüchern. Das wollte der Otti noch machen, dann ist endgültig Schluss, hat er gesagt. Er nimmt sein Geld aus den Betrieben und steigt aus. Fehlen nur noch ein paar Formalitäten, wegen der letzten beiden Sachen. Dann, einen Tag vor den Unterschriften, da sind sie zu der besagten Hütte auf dem Samerberg gefahren, der Glasl und mein Otti. Den Rest kennst du ja.«

»Dann erzähl ihn mir noch einmal, Friedl.«

»Jawohl, Herr Kommissar. Also, sie fahren, der Glasl kommt da hinten am Hundsgraben, am Waldrand, ins Schleudern. Der Wagen fliegt von der Straße ab, knallt seitlich an einen Baum und – peng. Sie haben gesagt, dass der Otti nicht angeschnallt war. Da hab ich mich schon ein bissel schwergetan, das zu glauben. Weil der Otti ja immer so ein Sicherheitsfanatiker war. Aber der Glasl hat’s beschworen, der hat sich selber ein paar Rippen geprellt und ein Knie aufgeschlagen. Ziemlich schlimm. Der ist eine Zeit lang gehumpelt wie der Glöckner von Notre Dame. Ach so, und ein blaues Aug’ hat er auch gehabt. Der war natürlich angeschnallt. Auch bei der Polizei haben die mir später erzählt, Fremdeinwirkung ausgeschlossen, tragischer Unfall. Akte zu, Otti tot.«

Sie wischte sich ein paar Tränen aus den Augen und nahm den Max bei den Händen: »Jetzt haben wir nur noch uns beide, Bub.«

Auer streichelte ihre Hände: »Ich pass schon auf dich auf, Friedl. Was war denn mit dem Geschäftsabschluss? Mit Ottis Ausstieg?«

»Das haben der Glasl und der Brunner geregelt. Ich hab alles unterschrieben, was mir der Brunner hingelegt hat. Zu Misstrauen war kein Grund, denn ich hab im Endeffekt mehr Geld und Immobilien rausbekommen, als ich dachte.«

Ihre tränenumflorten Augen wurden schmal: »Was fragst du auf einmal so blöd? Meinst du, da war irgendwas nicht ganz koscher?«

»Ich hol mir noch schnell ein Bier aus der Küche. Willst du noch einen kleinen Cognac, Friedl?«

»Wer lange fragt, der gibt nicht gerne. Und ja keinen kleinen, Bub, einen vernünftigen. Für meinen alten Kreislauf. Auf kleine Schlucke reagiert der gar nicht mehr. Der braucht jetzt einen Schub.«

Auer kam mit dem Bier und dem Hennessy zurück an den Tisch, und Friedl kratzte sich an der Schläfe: »Nein, ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass da was Linkes gelaufen ist. Schau mal, der Brunner, der verdankt dem Otti ja die Sissi, und der …«

Max hob die Hand: »Langsam, Friedl, langsam. Was heißt das genau, dass der Brunner dem Otti die Sissi verdankt? Erklär mir das mal so, dass ich es verstehe, ja? Und warum weiß ich so wenig über den Unfall und das ganze Zeug?«

»Ich brauch noch eine Zigarette.« Sie zündete sich eine an, blies den Rauch aus und wedelte wieder in der Luft herum: »Du warst ja nur ganz kurz da, bei der Urnenfeier. Nicht einmal zum Leichenschmaus bist du geblieben. Und ich wollte schon gerne mit dir reden, aber es ging halt nicht, weil der Herr Polizist in Eile war. Zurück nach München musste er, der Kommissar, während es der alten Tante beinahe das Herz zerrissen hätte vor lauter Gram. So, und jetzt bedrängst du mich? Findest du das schön? Kommt jetzt eine Moralpredigt, von wegen schmutziges Geld und so? Pecunia non olet, mein Lieber. Das haben schon die alten Griechen gesagt, gell?«

Der Max, bass erstaunt über diesen Temperamentsausbruch, winkte ab: »Hör mit den Griechen auf. Was haben die von ihren schlauen Sprüchen? Die sind mittlerweile pleite. Du nicht. Also, wie ist das mit der Sissi gelaufen?«

Friedl trank mit beleidigtem Gesichtsausdruck einen großen Schluck und sagte: »Ja mei, wir haben uns halt eines Abends überlegt, der Otti und ich, dass der Brunner eigentlich eine ganz arme Sau ist. Nicht pekunär, verstehst? Vermutlich hat es am Hormonstau gelegen, auf jeden Fall ist er geschäftlich in letzter Zeit ein bissel arg verkniffen gewesen, hat der Otti gemeint. Und er hat gesagt, dass er gelesen hat, dass ältere Männer schnell einmal den Prostatakrebs oder so was Ähnliches kriegen können, wenn die ganzen alten Leitungen da unten nicht regelmäßig freigespült werden. Also ist der Otti zum Glasl, alias Chili, und hat gemeint, wir binden dem Brunner jetzt etwas Frauenfleisch um, dann wird er auch wieder lockerer im Geschäft.«

»Warum, was war denn vorgefallen, was heißt denn ›verkniffen‹?«

»Ach, Bub, das Übliche. Der Brunner hatte mittlerweile alles, was er wollte: Haus, Boot am Chiemsee, Chalet in Kitzbühel und das Dings da am Gardasee. Alles, bloß keine Frau. Otti hat gesagt, dass sich der Brunner sogar zu solchen Internetsachen angemeldet hat. Weißt schon, da bezahlst du einen Haufen Geld, und die Frau, die du dann kennenlernen willst, die wurde dummerweise kurz vorher abverkauft, also hast du einen Kerl auf dem Bildschirm. Das mit den Frauen war aber nicht das Hauptproblem. Nein, der Brunner wollte generell nicht mehr so richtig, weil ihm seine Beteiligung zu gering war. Er ist plötzlich geldgierig geworden. Doppelten Anteil, das hat er gesagt. Doppelt, oder ich lass das mit euch sein. Und das passte dem Otti und dem Glasl überhaupt nicht. Die haben doch noch ein oder zwei Dinger in der Röhre gehabt, die hätten sie schon gerne durchziehen wollen, weil da ja schon relativ viel Geld dafür geflossen ist. Und wenn der Brunner plötzlich so viel mehr Geld sehen will, dann rechnet sich das nicht mehr.«

»Was für Dinger?«

»Ach geh, jetzt fragst du einer alten, unwissenden Frau ein Loch in den Bauch. Immobiliendinger halt. Das eine, das ist ein Ärztehaus, mitten in der Stadt. 14 Praxen und eine Radiologie mit CT, ambulantes OP-Zentrum und alles, was man sich so vorstellen kann. Allein da hätten die drei in Jahresfrist ein paar Millionen rausgeholt. Ein jeder von denen, wohlgemerkt. Na ja, und dann noch das Studentenwohnheim. Da geht das Grundstück ein klitzekleines Fusselchen in so ein blödes Naturschutzgebiet rein. Ein paar Meter hier, ein paar Meter da. Was soll das, frag ich dich, Bub? Da im Wald leben ein paar quergehörnte Kreuzschnäbler oder wie die heißen. Und so eine Fledermausart, die ist so selten, dass sich die paar, die da rumflattern, selber nicht einmal persönlich kennen. Das Problem könnte der Brunner aber gut über seine Beziehungen regeln. Jetzt nicht das mit den Fledermäusen, sondern das mit dem Grundstück. Du kaufst es billig ein, weil ja eh nie gebaut werden darf. Dann kommen ein paar Sachverständige vom Verein der anonymen Waldvögel, und die schlagen einen Umzug vor.«

»Verstehe! Einen Umzug.«

»Nein, tust du nicht. Manchmal muss man die lieben Tierchen zu ihrem Glück zwingen, hat der Otti gesagt. Vielleicht fühlen die sich auf dem Samerberg oder auf der Kampenwand viel wohler, wer weiß? Auf der Herreninsel, mitten im Chiemsee, da haben sie sogar ein Fledermaus-Museum, ja, was denkst du. Und, da staunst du auch, auf der Insel ist das größte Fledermausaufkommen Deutschlands. Vielleicht sind die ja auch alle umgesiedelt worden, wer weiß das schon? Also, um auf die Vorhaben zurückzukommen: Der Brunner sollte im Stadtrat das mit dem Grundstück und den Fledermäusen mithilfe der Gutachten klären, und dann hätte seine Bank auch die Finanzierung übernommen. Und das Grundstück für das Ärztehaus wollten sie dem Kerl abjagen, der es hat, aber nicht bebauen kann, weil er keine Flocken hat, verstehst? Unterm Strich hätten sie alle profitiert. Alle. Die Baupläne sind schon gezeichnet, ein paar Leute haben nette Geschenke bekommen, so was halt, nicht wahr?«

»So, und da kommt jetzt die Sissi ins Spiel?«

»Genau. Der Otti hat gemeint, die Sissi, die könnte den Brunner wieder auf Linie bringen. Der Glasl Chili hat gemeckert, weil er ein bissel in die Sissi verliebt ist. Aber der Otti sagt, Papperlapapp, das darfst du nicht persönlich nehmen. Geschäft ist Geschäft. Ein zweites Stück Apfelkuchen mag ich jetzt auch nicht mehr. Das passt nicht zu dem Cognac. Du warst doch grade am Kühlschrank. Ist da noch ein verträumtes Stückerl von der Kirschtorte drin?«

»Was?« Max, der mit seinen Gedanken ganz woanders war, schaute auf. »Du willst doch ein wenig abnehmen, hast du mir gestern gesagt, oder?«

»Ach was, so was macht man über einen gewissen Zeitraum, und nicht so panisch schnell. Außerdem wird Hüftspeck im Frühjahr zu Frühlingsrollen, im Herbst zu Hüftgold und so weiter. Ein ewiger Kreislauf. Wo waren wir stehengeblieben?«

»Bei der Kirschtorte. Die ist alle. Ist die Sissi auf den Brunner angesprungen?«

Die Friedl schnaufte und verdrehte die Augen: »Ja was glaubst, Bub. Die hat den so toll gefunden wie einen Pickel mitten am Hintern. Aber sie hat natürlich einen gesunden Sinn für das Geschäftliche, da kannst du nicht meckern. Also: Blitzhochzeit, neuer Porsche Cayenne für die Braut, und alle sind glücklich. Sissi trifft sich ab und zu mit dem Glasl, und ab und zu fährt sie ein paar Tage weg und lässt es richtig krachen. Der Brunner meint, sie wäre auf Wellness, Ayurveda, stille Tage im Kloster und solches Zeug. Deshalb hat sie ihm verboten, sie anzurufen, wenn sie weg ist. Meinst du, der Glasl hat sie versteckt?«

»Glaub ich nicht.« Max stand auf.

»Wo willst du hin?«

»Bin bald wieder da. Und dann bring ich dir einen sizilianischen Zitronenkuchen vom Bergmeister mit, ja?«

Friedl kam um den Tisch herum, drückte dem Auer einen Schmatz auf die Backe und gurrte: »Bist doch mein lieber Bub, du.«

Daddy Cool

Jetzt denkst du, ja mein Gott, schnallt der Auer Max denn gar nichts? Der muss doch mitkriegen, dass ihm alle nur einen Bären aufbinden, oder? Die Tante, der Brunner, und erst recht der Chili. Aber täusch dich nicht im Auer. Manchmal fällt bei dem der Groschen in Ein-Cent-Stücken, weil er immer alles speichert. Dann analysiert er es, und dann legt er los. Wie der Columbo in seinem alten Regenmantel.

Am Brückenberg staute sich der Feierabendverkehr aus der Stadt raus. Max fuhr die Seitenfenster des alten Benz hoch, das Schiebedach zu und schaltete die Umluft-Klimatik ein. Nach drei Rotphasen bog er in die Klepperstraße ein und wäre beinahe einem neuen BMW X5 hinten drauf, weil die Frau am Steuer plötzlich abbremste, den Schminkspiegel runterklappte und anfing, sich den Lidstrich nachzuziehen. Max zeigte ihr im Vorbeifahren einen Vogel und sie ihm dafür den sehr gepflegten Mittelfinger.

Vor dem »Wild Wild West« standen vier oder fünf Autos, und Max stellte sich neben einen dunkelroten Camaro mit überbreiten Reifen auf Chromfelgen.

Die Chilischote über dem Eingang sah im hellen Tageslicht verwelkt aus, und die Zellentür war verkratzt und rotfleckig. Max hämmerte an das Metall, kurz darauf öffnete der riesige Finne im pflaumenfarbigen Polyester. Diesmal trug er ein leuchtend gelbes Hemd unter dem Anzug.

Max schaute zu dem Kerl auf: »Bist du noch größer geworden oder bin ich eingegangen?«

Der Kerl grunzte, was der Auer als einen Heiterkeitsanfall deutete, und trat zur Seite. Der Zwerg saß an demselben Tisch wie neulich. Er winkte, und als Max näher trat, sagte er: »Setz dich ein bisschen zu uns, der Chef hat Besuch. Eine Besprechung, dauert aber nicht mehr lange.«

»Wem gehört der rote Camaro da draußen?«

»Einem unserer zukünftigen Hauptdarsteller. Einem echten Filmstar.«

»Beim richtigen Film oder bei euren Rein-und-raus- Produktionen?«

Der Kleine hob einen Zeigefinger: »Der kommt vom Fernsehen. Der hat schon in zwei Tatorten die Leiche gespielt. Weil er tot gucken kann, ohne zu blinzeln. Der Chef will ihn unbedingt für eine Leberkäs-Produktion.«

»Als blinzelfreie Leiche?«

Der Kleine verdrehte die Augen: »Als dauergeilen Senner, der eine Gruppe hübscher Wanderinnen kunstvoll wegrammelt. Im Heu, auf der Alm und auf einer Bergwiese mit Blick auf die Kampenwand. Künstlerisch wertvoll, das ist das Zauberwort. Mit dem Streifen will der Chili im nächsten Jahr auf diese Festivals. Nizza, Cannes oder Venedig, vielleicht sogar Altötting. Dahin, wo die ganz großen Stars immer gehen.«

»Ah ja. Habt ihr schon einen Namen für euren Blockbuster?«

Der Kleine beugte sich über den Tisch: »Muss aber unter uns bleiben, ja? Der Chili sagt, das ist alles noch top secret. Kannst du schweigen?«

Auer fuhr sich mit Zeige- und Mittelfinger über den Mund und machte das »Reißverschluss-Zeichen«. »Sag an!«

»Brez’n-Gangbang, Part one.«

Jetzt hat der Auer natürlich einen Lacher unterdrücken müssen, aber als Polizist, und natürlich speziell als Ex-Polizist, da musst du das auch können. Er machte ein ernstes Gesicht: »Spielt ihr auch mit?«

»Mehr indirekt. Wir sind an den Scheinwerfern, schieben das Dolly-Dings, weißt schon, das ist so ein Schlitten auf Rädern, wo der Kameramann drauf sitzt und so weiter. Extrakohle gibt es nicht, hat der Chili gesagt, aber unsere Namen kommen im Abspann. So was merken sich die Leute, hat er gesagt. Da werdet ihr zu Stars in der Szene, meint er. Meinst du, das stimmt? Das mit den Stars? Ehrlich jetzt?«

Auer nickte: »Da hat er wohl recht. Aber ihr braucht dann natürlich gute Künstlernamen. Zufälligerweise kann ich euch da helfen, weil ich mich mit so was auskenne. Pass auf: Danny und Arnold, die Red-Light-Twins. Na, wie findest du das?«

Der Kleine schaute den Riesen an, der machte ein paar schnelle Handbewegungen und schaute fragend.

Der kleine Mann kratzte sich am Kopf: »Er meint, wer ist Danny und wer ist Arnold, und warum überhaupt?«

»Mann, weil du aussiehst wie Danny DeVito und er wie der Arnold Schwarzenegger. Jedenfalls, was Größe und Muskeln anbelangt. Nein, stimmt nicht, dein Kumpel hier ist ja fast zwei Meter groß. Aber lasst euch das mal auf der Zunge zergehen: Danny und Arnold. Klingt doch scharf, oder? Ab jetzt nenne ich euch so, damit ihr euch an eure Künstlernamen gewöhnt. Denn wenn euch auf so einem Festival plötzlich die Angelina Jolie, die Charlize Theron oder eine andere Sexbombe anspricht, dann müsst ihr auf eure Namen reagieren, kapische?«

»Brauchen wir dann nicht auch bunte Autogrammkarten?«

»Auf jeden Fall. Hey, kannst du mal fragen, wie lange die da drinnen noch machen?«

Danny grinste: »Klar, ich schau mal rein. Willst du was trinken? Ich hol uns was.«

»Yep, ein kleines Bier, dann stoßen wir gleich auf eure neuen Namen an.«

Danny rief dem Mädel hinter der Bar zu: »Bring mal drei Pilsos, Schöne. Und mit Liebe gezapft, wir haben nämlich was zum feiern!«

Er verschwand im hinteren Teil der düsteren Kneipe, und Auer hörte, wie er an eine Tür klopfte. Dann Gemurmel, und wenige Sekunden später war Danny wieder am Tisch: »Die sind so gut wie durch. Nur noch ein paar Minuten.«

Auer zeigte mit dem Daumen über die Schulter: »Wem gehören denn die anderen Schlitten vor der Tür?«

Danny sagte: »Na ja, der Star hat natürlich seinen Manager dabei, einen Stylisten und einen Kerl, der sich um alles kümmert, was er so braucht beim Dreh. Personal Assistant, so heißt der.« Und zu Arnold: »Holst du mal die Biere?«

Der Riese grummelte was Unverständliches, machte ein paar schnelle Handbewegungen und hievte seinen massigen Körper aus dem Stuhl. Dann humpelte er in Richtung der Bar.

»Was hat er gesagt?« Auer schaute dem Mann nach, der offensichtlich den linken Fuß nachzog.

»Er muss noch schnell ein paar Brownies ausliefern, aber das liegt auf seiner Strecke.«

Auer zog die Brauen hoch: »Hat er noch einen Nebenjob?«

Danny grinste: »Nein, das heißt, er geht aufs Klo, verstehst du?«

»Wow, so was von witzig. Echt gut. Sag mal, kann Arnold reden? Verstehen tut er dich offensichtlich. Aber das, was er dann vor sich hin grummelt und knurrt, also, da hab ich keine Peilung, was er damit meinen könnte.«

Der kleine Mann beugte sich über den Tisch: »Pass auf, der Mann ist Finne. Die reden eh nicht gerne viel, weil das Land so dünn besiedelt ist. Außerdem ist er stumm. Oder so was Ähnliches. Er kann dich hören, versteht unsere Sprache ganz gut, aber mitteilen muss er sich über seine Hände. Ich hab mir die Pfotensprache im Lauf der Jahre draufgeschafft, und wir beide kommen ganz gut damit klar.«

»Stumm, was? Und er humpelt. Hatte er einen Unfall?«

Danny schaute sich um, aber Arnold war immer noch auf dem Klo.

»Er will nicht, dass man drüber redet. Aber dir kann ich es sagen. Bleibt aber unter uns, ja? Indianerehrenwort?«

Auer nickte mit ernster Miene und hob zwei Finger.

»Also, diese Finnen auf dem Lande, die haben ja alle so was wie eine Sauna im Hof. Der Arnold war aber als Jugendlicher mal in Amerika, und da hat er diese indianischen Schwitzhütten gesehen. Er hat da auch eine von diesen Squaws in einem Reservat kennengelernt. White Buffalo Woman, die war fast genauso groß und schwer wie er, hat er mir mal erzählt. Schwere Knochen, aber Liebe auf den ersten Blick. Und die hat ihm so ein Inipi gebaut.«

»Was ist ein Inipi? Eine Sauna?«

»Nein, das ist eine Kuppel aus Weiden- oder Haselnussästen, halbrund, mit Fellen drüber. Vielleicht 1,50 Meter hoch und zwei bis drei Meter im Durchmesser. In der Mitte von dem Ding wird ein Loch in den Boden für die heißen Steine gegraben. Die Steine werden erst in einem Feuer vor der Hütte erhitzt, bis sie glühen. Dann bringt man sie in das Loch drinnen. Da kommen dann Kräuter drüber und etwas Wasser oder so.«

Auer schloss geduldig die Augen und der Kleine sagte: »Jetzt warte, das gehört alles zur Story. Also, mein Kumpel baut sich so was in Finnland, er wohnt ja alleine irgendwo in den Pampas, umgeben von Wäldern und so. Eines Tages macht er im Morgengrauen ein Feuerchen und geht in das Schwitzzelt, weil er die Steine rausholen will. Die sind immer noch ein bissel warm. Das hat sich auch der Braunbär gedacht, der in der kuscheligen Hütte übernachtet hat.«

»Ein echter Bär?«

»Und was für einer. Ein Weibchen, genau genommen. Die sind noch viel fieser als die Männchen. Genau wie bei uns. Also, der Mann, der ab jetzt Arnold heißt, stolpert schreiend rückwärts aus der Hütte. Der Bär nimmt das Geschrei persönlich und denkt, hey, der flirtet mit mir, und brüllt seinerseits los. Arnold fällt hin, der Bär kommt angeschossen und schwupps, beißt sie ihm das linke Bein am Knie durch. Arnold zieht sein Finnenmesser und sticht dem blöden Bären in die Schnauze. Der fegt ihm noch eine und haut mit dem Bein in der Schnauze ab. Von dem Schock ist Arnold sprachlos geworden, im wahrsten Sinne des Wortes. Stell dir vor, du schaust deinem Bein hinterher. So was gibst du ja nur ungern aus der Hand, oder?«

»Und das Bein? Hat er das wiederbekommen?«

»Bedauerlicherweise nein. Er hat sich dann selber ein Holzbein geschnitzt, als er wieder einigermaßen fit war, und er kommt sehr gut damit klar. Das Holzbein hat ein Geheimnis, nämlich … Oh Scheiß, da kommt er. Sag bloß nix von dem, was ich dir erzählt hab, ja? Der killt uns beide.«

Und zu dem Riesen: »Na, alles gut abgelaufen? Stell mal die Biere in die Mitte und merk dir deinen neuen Namen. Wir werden berühmt, Alter. Ich spür das im Urin.«

Arnold brachte ein furchterregendes Grinsen zustande und fuchtelte mit den Händen.

»Was meint er?«

»Was Unhöfliches. Hat mit einem Körperteil zu tun, wo selten die Sonne hinscheint. Ich will das jetzt nicht so wörtlich übersetzen.«

Auer nahm sein Glas hoch, aber bevor er trinken konnte, kamen vier Männer aus dem Büro und schlenderten lachend an ihrem Tisch vorbei. Sie nickten ihnen zu, einer der Kerle, ein ziemlich dunkelhäutiger, großer und schlanker Bursche, grüßte lächelnd zurück. Der neben ihm sagte gerade: »Das ist kein Name, das ist eine Diagnose. Du kannst dich in dem Streifen nicht ›Sepp the Longhammer‹ nennen. Frankie Bigdick find ich auch irgendwie blöd. Lass uns da noch mal drüber reden, alles andere ist okay. Aber wie willst du einen Gamsbart-Hut auf deinen Afro kriegen?«

Longhammer-Bigdick meinte: »Die Matte muss eh ab. Das passt schon. Mehr Sorgen macht mir das Jodeln. In meiner Zeit als Tatort-Leiche hat man so was nicht von mir verlangt.«

»Du bildest dich halt künstlerisch fort, so ist das im Showbusiness!« Der schmale Kerl hinter dem Schwarzen gackerte wie ein Huhn.

Aus dem Büro kam Chilis Stimme: »Max, kommst’ rein?«

Auer trank von seinem Bier, nickte seinen neuen Freunden in ihren Plastikanzügen zu und stand auf: »Und immer schön üben: Du bist Arnold und du bist Danny, klar? Das müsst ihr im Schlaf aufsagen können.«

Die beiden nickten unisono mit den Köpfen und prosteten ihm zu.

Chilis Büro war von Zigarettenrauch vernebelt. Auer ging um den Schreibtisch rum und öffnete das Fenster. »Wow, Aussicht auf drei Müllcontainer und zwei Reihen Wellblechgaragen.«

»Man tut, was man kann. Setz dich, was gibt es?«

»Waren das eben deine neuen Filmpartner?«

Chili grinste, lehnte sich in seinem Chefsessel zurück und legte die Beine auf den alten Schreibtisch. »Der große, dunkle Kerl ist ein echter Steher. Bis jetzt hat er das privat und aus Spaß an der Bumserei gemacht, aber mit dem kann man richtig Geld verdienen. Und er selber auch. Ein echtes Naturtalent, der Kerl. Und die anderen drei? Spinner, die glauben, ab jetzt könnten sie sich aufführen wie Harvey Weinstein oder Kevin Spacey. Die werden schon noch merken, was bei uns abläuft.«

Auer wischte ein paar Ascheflocken vom Stuhl, bevor er sich setzte: »Der spielt aber keinen Bergförster, oder?«

»Der? Nein, der ist im neuen Film der Milchalm-Sepp. Er kriegt einen Trachtenhut mit einem Riesengamsbart auf die Rübe und wird in eine kurze Lederhose mit bestickten Trägern gesteckt. Und dann geht’s ab. Den Muschibesen unter der Nase muss er sich natürlich abrasieren. Da kennen meine Mädels keinen Spaß. So was macht die seidene Unterwäsche kaputt.«

Auer nahm das Glas, das ihm der Chili über den Schreibtisch schob, und vernahm dessen Prahlerei: »Schottischer Whiskey, 100 Jahre alt. So was kriegst du sonst nur im echten Hollywood. Probier mal.«

Max roch an dem Glas und nahm einen kleinen Schluck. »Super. Hier, dein Filmstar, der ist für einen Senner aber ziemlich dunkelhäutig, würde ich mal sagen. Kauft dir deine Kundschaft so was ab?«

Chili schaute zur Decke: »Na ja, er ist halt ein bissel maximal pigmentiert. Aber vielleicht hat er eine seltene Hautkrankheit und wird deswegen immer dunkler. So wie der Michael Jackson. Der hat ja auch so was gehabt, oder?«

»Der Michael Jackson ist pechschwarz geboren und dann zum Weißen mutiert.«

Chili schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Sag ich doch. Wie der Michael Jackson. Nur umgekehrt. Das ist ja das Fiese an so einer Krankheit. Der eine wird weiß, der andere schwarz. Fürchterlich, nicht wahr? Aber der Mann hat ein Gehänge, für so was brauchst du in manchen Ländern einen Waffenschein. Und genau das zählt in meinem Business. Außerdem: Was weiß ein ländlich lebender Inder in Peschawar oder ein Durchschnitts-Chinese in Shiang-Lo von solchen Dingen wie übermäßiger Hautpigmentierung? Und genau das ist ja meine Hauptkundschaft. Die gehobene ländliche Mittelklasse in den aufstrebenden Tigerstaaten. Geht alles in den Export, die komplette Produktion. Übrigens, wie findest du meine beiden Bodyguards? Ihr versteht euch ja schon ziemlich gut.«

Auer nippte an dem Whiskey. »Der Große, ist der wirklich ein Finne?«

Chili lachte: »Und wie. Der heißt auch so. Sehr finnisch, meine ich. Lars Tragel, Mutti Fierileinen oder so. Ich kann mir das nicht merken.«

»Was steht in seinen Papieren?«

»Papiere? Machst du Witze? In diesem Job braucht man keinen Stammbaum. Ich hab für hier drinnen keine Rassehunde angestellt, sondern zwei Muskelpakete. Du solltest die mal sehen, wenn’s hier abgeht. Freitagnacht, wenn die Prolos kommen. Die glauben, die können die Mädels mit nach draußen nehmen und abvögeln.«

»Aber der Kleine? Ich meine, Muskelpakete, hey?«

»Der ist okay. Hinterhältig und kampfstark. Und funktioniert wie eine kaputte Uhr: Zweimal in 24 Stunden liegt er genau richtig. Und das reicht mir hier in meinem Laden. Warum fragst du das alles? So langsam werde ich misstrauisch.« Chili fuhr sich mit der Linken über seinen goldblonden Pferdeschwanz und schaute Auer mit zusammengekniffenen Augen an.

Tja, warum fragt er so viel, das denkst du jetzt auch, oder? Pass auf, ich sag es dir: Weil der Max Auer einer ist, der die Leute gerne ein wenig einlullt. Wie der Columbo im Fernsehen, aber das ist dir bis jetzt auch schon aufgegangen, oder?

»Chili, jetzt entspann dich mal. Bei mir bist du in besten Händen, mach dir deswegen mal keine Sorgen. Oder doch. Mach dir Sorgen, das schadet nie. Grund dazu hast du auch. Es ist nämlich so: Die Geschichte hat keine Logik. Ich meine, du wirst mit deinem eigenen Porno erpresst, damit du dem Brunner nicht hilfst, seine Frau zu suchen. Fakt ist: Du hast selber was mit ihr am Laufen. So viel hab ich selber auch schon rausgekriegt.«

Max beugte sich vor, legte beide Hände flach auf den Schreibtisch und klopfte dann mit den Knöcheln auf die Holzplatte. Bei jedem Wort ein Klopfer: »Jemand zu Hause? Hallo? Erde an Chili, hörst du mich? Ich bin’s, der Auer Max. Ehemals Zierde der Münchener Sitte, Dezernat 4, SOKO 12.«

»Was?«

»Genau. Punkt 1: Ihr beide seid ein Pärchen oder so. Die Sissi und du. Ich glaube sogar, wenn die ihre Tage hatte, an denen sie aus dem Nest geflogen ist, um sich zu amüsieren, da war sie bei dir. Der alte Brunner hat sich bei dir am Telefon ausgeheult und dich angebettelt, sie zu suchen. Du hast dich immer wieder erweichen lassen. Super. Und die Sissi gegen ein saftiges Bakschisch zu Daddy gebracht. Hast ihr sogar noch ein Alibi geliefert, indem du dem Alten erzählt hast, du hättest sie in Garmisch oder Kitzbühel oder sonst wo mit ihren Freundinnen erwischt. Und das, während dein Pimmel noch gar nicht trocken war und die Sissi in deiner Kiste noch einen Joint zum Abregen gezogen hat. Wenn das der Brunner erfährt, kannst du die letzten beiden Geschäfte, die ihr beiden noch durchziehen wollt, voll vergessen. Dem Brunner trau ich auch zu, dass er deinen Laden dichtmacht. Die nötigen Verbindungen dazu hat er.«

Chili nahm die Stiefel vom Schreibtisch und kramte mürrisch in einer Schublade rechts unten: »Kannst du das beweisen?«

Jetzt musst du wissen, dass der Auer Max als Knabe im Internat eine Zeit lang Messdiener war, genau wie der Erol Sander. Die haben sogar mal eine Messe zusammen gemacht, aber das ist eine andere Geschichte. Auf jeden Fall kann der Auer Max lügen, ohne auch nur drüber nachzudenken: »Was denn beweisen? Und warum? Dass der Brunner dich fertigmachen kann, wenn er will? Das weißt du doch selber am besten. Und die Sissi-und-Franz-Nummer: Einiges ja, da habe ich schon genug Fakten. Und wenn ich die Belege dazu zusammenzähle, dann krieg ich noch das eine oder andere bewiesen. So hab ich immer gearbeitet, und das funktioniert auch bei euch hier in der Provinz. Besonders hier, wenn du weißt, was ich meine.«

»Sissi und Franz finde ich pietätlos. So heißen die beiden Papageien im Rosenheimer Gartencenter. Und wenn du es schon so genau weißt: Ja, wir lieben uns.«

»Echt jetzt? Und das Business, die Rein-und-raus-Nummer auf dem Tisch mit ein paar anderen Kerlen? Das stört dich nicht? Oder wenigstens sie?«

Chili fuhr sich mit dem Finger der rechten Hand hinter den Hemdkragen: »Das ist rein geschäftlich. So was muss man vom Privaten trennen.« Er hob die Hand, als der Auer was sagen wollte. »Pass auf, ich bin natürlich eifersüchtig, wenn sie mit Kerlen im Restaurant flirtet oder so. Da kann’s gut sein, dass da mal so einer quer durch den Laden fliegt. Aber im Job, da sehen wir das beide anders. Business as usual. So was versteht einer wie du natürlich nicht. Da waren die Sissi und ich schon viel weiter. Profis eben.«

»Wow. Ich bin beeindruckt. Wo ist sie?«

»Ich weiß es nicht. Echt jetzt. Um das geht’s auch nicht mehr. Wenn der Brunner die Sissi-Pornos zu sehen kriegt, dann bin ich dran, das ist mir klar. Aber, und das sage ich dir mal ganz im Vertrauen, der Brunner, der hat Stress der anderen Art. Falls eine Lösegeldforderung für die Sissi auftaucht, dann kann’s gut sein, dass er nicht zahlen kann. Weil der alte Mann in der Klemme steckt. In einer von vielen Klemmen. Mehr kann ich dir nicht sagen.«

»Musst du auch nicht. Ich rede jetzt einfach mal weiter. Der Otti wollte raus aus dem Ganzen. Er hat euch einen guten Deal angeboten. Aber der Otti ist dummerweise verstorben. Und das ist ein anderes offenes Kapitel, über das du mal in einer lauen Nacht nachdenken solltest: Wenn ich irgendwie rauskriege, dass dem Unfall ein bisschen nachgeholfen wurde, dann kenne ich nur einen, den ich mir zur Brust nehme. Und dann helfen dir die beiden da draußen auch nicht mehr viel.«

Chili erstarrte in der Bewegung und glotzte über den Tisch: »Ja, spinnst jetzt ganz?«

»Nein, nein, überleg doch mal: Du warst angeschnallt, der Otti nicht. In der Konstellation fahre ich gerne jetzt gleich am Steuer deines Amischlittens mit dir, du unangeschnallt auf dem Beifahrersitz, in Richtung Samerberg. Und dort oben an einen Baum deiner Wahl.« Auer kniff ein Auge zu: »Na, dämmert bei dir da was?«

Der Blonde schüttelte den Kopf, dass sein langer Pferdeschwanz wie eine Fahne im Wind hin und her flatterte: »Das hängst du mir nicht an. Du nicht. Da gibt es polizeiliche Ermittlungen. Der Fall ist abgeschlossen. Und jetzt mal ganz hypothetisch: Warum sollte ich den Otti umlegen? Wir haben einen Haufen Geld zusammen verdient.«

»Erste Vergangenheit: ›haben‹. Da hast du es. Er wollte raus. Wie Al Pacino im ›Paten‹, aber das hat euch anderen beiden nicht gepasst.«

Chili wedelte mit den Händen: »Nein und noch mal nein, verflucht. Bau hier keine Potemkinschen Dörfer auf. Es war eher so: Kaum war der Otti im Hades, hat mir der Brunner eröffnet, dass wir weitermachen können, aber er dann den doppelten Anteil will, weil er ein bissel klamm ist. Den Brunner, den hätte man, wenn überhaupt, umlegen sollen. Nicht den Otti, wenn wir schon davon sprechen. Ohne den alten Sack hätten der Otti und ich die zwei Dinger auch problemlos durchziehen können. Gut, vielleicht nicht so einfach wie mit ihm, aber einen anderen Bänker tut man immer auf, wenn die Kohle stimmt. Noch was?«

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Дата выхода на Литрес:
25 мая 2021
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ISBN:
9783839260265
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