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Wikinger, Schlösser und ein altes Fischerdorf


Foto: Ingo Wandmacher

Entlang der Schlei

Route (37 km):

• Wikinger-Museum Busdorf

• Schleswig

• Winning

• Winningmay

• Füsing

• Brodersby

• Missunde

• Fähre

• Weseby

• Fleckeby

• Louisenlund

• Borgwedel

• Stexwig

• Fahrdorf

• Busdorf

„Wer arm war und seine Kinder nicht ernähren konnte, warf sie ins Meer“, schrieb einst ein maurischer Kaufmann aus Cordoba über die „Barbaren“ von der Schlei. Vor etwa 1000 Jahren war Haithabu an der Schlei eine bedeutende Handelsstadt im Ostseeraum und galt als Weltstadt. Hier liefen die wichtigsten Fernhandelswege zusammen. Ihre Bewohner, die Wikinger, wurden bewundert und gefürchtet und faszinieren uns bis heute. Der Überlieferung nach waren sie groß gewachsene, mutige und trinkfeste Seeleute, die sich mit ihren Ruderschiffen bis nach Amerika wagten.

Mein Mann Detlef und ich starten unsere Radtour auf dem Parkplatz des Wikinger-Museums Haithabu in Busdorf. Wer vor oder nach der Tour Lust und Zeit hat, sollte sich das 26 Hektar große Gelände und den riesigen Schutzwall, das Danewerk, unbedingt ansehen. Anhand von vielen Originalfunden wurden in Haithabu bei Busdorf, am südlichen Ufer der Schlei, in den letzten Jahren sieben Wikinger-Häuser nachgebaut. In den Häusern kann man Wikinger-Handwerkern wie einem Perlenmacher, einem Bogenschnitzer oder dem Bäcker zusehen und teilweise sogar selbst mitarbeiten: Geschichte zum Anfassen an einem historischen und lebendigen Ort.

Heute geht’s los Richtung Schleswig, auf einem Fahrradweg neben der Straße direkt an der Schlei entlang. Schon nach kurzer Zeit taucht links das weiße Schloss Gottorf auf. Auch hier lohnt ein Abstecher, der Barockgarten und der berühmte „Gottorfer Globus“ aus dem 17. Jahrhundert sind wirklich sehr sehenswert. Der Globus ist deshalb so besonders, weil man in ihn hineingehen kann. Die Kugel hat einen Durchmesser von drei Metern. Zwölf Personen können darin sitzen und den gemalten, figürlich ausgeschmückten Sternenhimmel bewundern. Wir beschließen, ein anderes Mal wiederzukommen, um den Globus und das Schloss in aller Ruhe anzuschauen, denn dafür sollte man sich gut einen halben Tag Zeit nehmen.

Heute zieht’s uns weiter. Es geht immer am Wasser entlang durch Schleswig. Wer mag, kann am Yachthafen bei frischen Waffeln und Kaffee beim Bootstreff Wolf oder im Café im Speicher direkt daneben eine erste Pause machen. Wenn Sie am Yachthafen vorbei sind, sehen Sie links den Schleswiger Dom und biegen dann scharf rechts in die wunderhübsche kleine Fischersiedlung Holm. Zwischen den kleinen malerischen Häuschen fühlt man sich wie in eine andere Zeit versetzt. Die historischen Häuser umschließen kreisförmig einen Friedhof, der wie ein Marktplatz den Mittelpunkt des Dorfes bildet. Der Holm ist berühmt für seine Totengilde, die „Holmer Beliebung“. Diese wurde 1650 nach dem Dreißigjährigen Krieg gegründet, um sich in schweren Zeiten gegenseitig zu helfen. Die Mitglieder der Gilde konnten auf dem eigenen Friedhof kostenfrei begraben werden – nicht unerheblich in Zeiten von Krieg und Pest. Noch heute wird der Friedhof von der „Holmer Beliebung“ genutzt und es werden dort ausschließlich Mitglieder beigesetzt. Jedes Jahr am zweiten Sonntag nach Pfingsten findet auf dem Holm die Beliebungsfeier statt. Die Beliebungsbrüder ziehen dann festlich bekleidet mit Zylinder durch den Holm.

Wir fahren am Sankt-Johannis-Kloster vorbei, dann links und gleich wieder rechts Richtung Klensby und Brodersby. Rechts sehen Sie noch Reste von Kasernen. Hier „Auf der Freiheit“, wie das Gelände heißt, soll in den nächsten Jahren ein ganz neuer Stadtteil entstehen. Der Weg führt entlang der früheren Bahntrasse Schleswig-Süderbrarup und ist heute ein gut zu befahrener fester Sandweg durch den Wald mit gelegentlichen schönen Ausblicken auf die Schlei. Fast 100 Jahre, von 1880 bis 1972, fuhren hier Züge. Herrlich ist das Bahnhäuschen Winning. Wir machen eine kurze Foto- und Trinkpause. Neben den FahrradHinweisschildern fällt uns das Zeichen der Jakobspilger auf, die gelbe Muschel auf blauem Grund.

Fotos: Ingo Wandmacher

Starke Wikinger


Schloss Gottorf

Da mein Mann und ich selbst schon auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela gepilgert sind, interessieren wir uns natürlich sofort dafür. Führt hier ein Jakobsweg entlang? Leider treffen wir an diesem Tag keinen Pilger, sodass ich zu Hause gleich recherchiere. Tatsächlich – die Via Jutlandica, der „jütländische Weg“, ist der nördlichste aller Wege unter den deutschen Jakobswegen. Von Norden kommend führt ein Weg bis nach Schleswig. Ab Schleswig gibt es zwei Alternativen: entweder über Kiel nach Lübeck, einem im Mittelalter wichtigen Sammelpunkt für die Pilger, oder über Rendsburg nach Glückstadt und von dort über die Elbe weiter nach Stade. Im Vorwort eines Pilgerführers finde ich den Hinweis, dass sich im Mittelalter Jakobspilger im Verlauf ihrer Reise zu Gruppen zusammenschlossen, sodass sich die Pilgerströme immer weiter verdichteten. In Nordspanien und Frankreich kann man deshalb von einem „Jakobsweg“ sprechen. In Deutschland ist die Bezeichnung „Wege der Jakobspilger“ angemessener, schließlich waren und sind die Pilger hier noch einzeln und auf ganz verschiedenen Routen unterwegs. Ein Netz dieser Wege durchzieht ganz Europa. Ein Gedanke der heutigen Pilger lautet: „Der Pilgerweg beginnt vor der eigenen Haustür.“ Spätestens seit dem erfolgreichen Buch von Hape Kerkeling ist das Pilgern bei uns ja wieder „in“, und jedes Jahr machen sich unzählige Menschen aus den unterschiedlichsten Motiven auf den Weg. Mein Mann und ich haben unsere Pilgerreise nach Santiago de Compostela als eine ganz besondere Reise erlebt, voller Erlebnisse und Erfahrungen, mit Freude, Schmerz und Erschöpfung gleichermaßen. Jeder Schritt will gegangen sein und jeder geht seinen ganz eigenen Weg. (PS: Von Schleswig bis Santiago sind es über 2500 Kilometer.)

Zurück zu unserer heutigen Fahrradtour, die wir übrigens bei verhangenem Himmel und drohendem Regen starteten und bei schönstem Abendsonnenschein beenden. Bei so einer Tagestour per Rad gilt das Gleiche wie beim Pilgern, kommt mir in den Sinn: Man muss sich einfach aufmachen und alles so nehmen, wie es kommt. Am besagten Bahnhäuschen Winning verlassen wir also die alte Bahntrasse und biegen nach rechts Richtung Brodersby in den Blankenburger Weg. Wenn Sie die Hauptstraße erreichen, biegen Sie links ein. Der Fahrradweg verläuft neben der Straße. Nach ungefähr 500 Metern biegen wir schon wieder von der Straße ab und fahren nach rechts Richtung Winning. Diesen kleinen Schlenker sollten Sie unbedingt machen, denn der Weg führt durch eine wunderschöne Lindenallee. Wie durch einen grünen Tunnel fährt man direkt zum Gut Winning. Der Hof ist heute kein landwirtschaftlicher Betrieb mehr, sondern wird als Wohnhaus privat genutzt.


Foto: Heike Götz

Unter Linden zum Gut Winning

In den Ställen sind die Pferde des Reit- und Fahrvereins Winning und von Freizeitreitern untergebracht. Links vom Gut geht es über eine kleine Holzbrücke und dann direkt an der Schlei entlang. Nach wenigen Hundert Metern kommt ein einladender Rastplatz mit Holzbänken und einer Badestelle. Über Winningmay geht es nach Füsing und dort wieder auf dem Fahrradweg neben der Straße bis Brodersby. An der Kreuzung, an der es rechts nach Missunde zur Fähre geht, gibt es einen Bäcker und auf der anderen Seite einen „Markttreff“, wo man sich bei Bedarf noch Reiseproviant kaufen kann. Wir entscheiden uns für Kuchen, den wir auf einem Bootssteg an der Missunder Fähre genüsslich verspeisen. Wer lieber einkehren will: An beiden Ufern der Schlei gibt es Fährhäuser mit Restaurants. Da die Missunder Fähre an der schmalsten Stelle der Schlei ist, dauert die Fährfahrt nur ein paar Augenblicke und kostet pro Person einen Euro.


Foto: Ingo Wandmacher

Auf der Missunder Fähre

Am südlichen Ufer der Schlei angekommen, fahren wir auf der Straße ungefähr 500 Meter geradeaus Richtung Rieseby. Dann geht es nach rechts Richtung Weseby. Dort fragen wir am Imbiss „Naschikönig“ nach dem Weg Richtung Fleckeby. Die freundliche Besitzerin weist nach links in den Tannenweg und rät uns: „Immer das Wasser im rechten Auge behalten, dann kann nichts schiefgehen!“ Am Zeltlager fahren wir links vorbei. Es muss toll sein, hier als Jugendlicher zu zelten, denke ich etwas wehmütig und erinnere mich an frühere Zeltlagerferien …

Ein sehr hübscher Sandweg führt wieder direkt am Schleiufer entlang. Für schmale Reifen, wie mein Mann sie fährt, ist der Weg allerdings etwas beschwerlicher. Wir bleiben immer am Wasser, auch als der eigentliche Radweg über einen Parkplatz Richtung Straße führt. Der Uferweg ist einfach schöner, wenn auch nicht asphaltiert. Wir fahren durch ein Wäldchen, links kommt ein Klärwerk und kurz darauf führt rechts ein schmaler Weg nach Fleckeby. Dort trifft man auf eine T-Kreuzung und fährt rechts auf einer Betonstraße direkt zur privaten Internatsschule Louisenlund.

Rund 200 Schülerinnen und Schüler der 9. bis 13. Klasse machen hier ihr Abitur. Die Familie des Herzogs zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg hat die barocke Anlage mit dem Herrenhaus nach dem Krieg einer Stiftung übertragen. Die Schüler kommen aus ganz Deutschland und lernen und wohnen in dieser Eliteschule unter besten Bedingungen. Doch keine Scheu, man kann mit dem Rad ganz offiziell durch die weitläufige Anlage fahren und folgt den Wegweisern nach Borgwedel. Die Jugendherberge dort sieht deutlich bescheidener aus als die Internatsschule Louisenlund, liegt aber ebenfalls in bester Lage direkt an der Schlei.

In Borgwedel ist der Radweg direkt am Ufer zu Ende und es geht durchs Dorf ziemlich bergan – wer sichert sich das Bergtrikot? Der Fahrradweg neben der Straße führt uns nun über Stexwig und Fahrdorf zurück an unseren Ausgangspunkt, den Parkplatz des Haithabu-Museums in Busdorf.

Die 37 Kilometer dieser wunderschönen Rundtour führten oft direkt am Ufer der Schlei entlang, wir sind durch Alleen und kleine Wäldchen gefahren, sind an vielen Orten in die Geschichte eingetaucht, haben Güter und Schlösser gesehen, ein herrliches Picknick gemacht und sind mit der Fähre gefahren. Der Weg ist gut ausgeschildert, allerdings oft nicht asphaltiert, was bei Regen oder mit schmalen Reifen problematisch sein kann. Ich habe wieder einmal gemerkt, dass Schleswig-Holstein ganz schön hügelig sein kann und sehr abwechslungsreich.

INFOS

Besichtigungs-Tipps

Wikinger-Museum Haithabu Am Haddebyer Noor 3 24866 Busdorf www.haithabu.de

Schloss Gottorf Schlossinsel 1 24837 Schleswig

Einkehr-Tipps

An beiden Ufern der Missunder Fähre:

Missunder Fährhaus Missunder Fährstraße 33 24864 Brodersby www.faehrhaus-missunde.de

Café und Restaurant Missunde An der Fähre 1 24354 Kosel

Heike-Tipps

Schleswiger Fischersiedlung Holm

Bahnhäuschen Winning

Allee zum Gut Winning



Zum Westerhever Sand, dem schönsten Leuchtturm Deutschlands


Foto: Heike Götz

Unterwegs auf Eiderstedt

Route (44 km):

• Sankt Peter-Ording

• Norderdeich

• Leuchtturm Westerhever Sand

• Deich

• Osterhever

• Heverkoog

• Großmedehop

• Tating

• Tholendorf

• Brösumsiel

• Norderdeich

• Sankt Peter-Ording

Es ist wirklich verrückt, aber an der Nordsee kommt der Wind immer von vorn. Immer! Jedenfalls gefühlt. Meine Freundin Nina und ich strampeln an diesem Tag gegen den Wind an, was das Zeug hält. Aber es macht Spaß und ist einfach herrlich hier an der rauen Nordseeküste.

Unser Ziel ist heute der Westerhever Leuchtturm, der schönste aller Leuchttürme bei uns im Norden. Die NDR-Zuschauer haben ihn eindeutig auf Platz 1 gewählt – und ich finde, sie haben recht! In seinem klassisch rot-weißen Ringeldesign steht er da, harmonisch umrahmt von den beiden Leuchtturmwärterhäuschen. Ganz frei, durch kein Haus, kein hohes Hotel oder Sonstiges verbaut, trotzt er dort draußen im Wattenmeer seit über 100 Jahren Wind und Wetter und zeigt den Seefahrern den Weg. Genau genommen ist das heutzutage, wo alle Schiffe mit modernen Navigationssystemen ausgestattet sind, gar nicht mehr nötig. Aber eine Küste ohne Leuchttürme? Undenkbar! Das wäre wie Köln ohne Dom, Hamburg ohne Hafen oder Kuchen ohne Sahne. Wir Norddeutsche lieben unsere Leuchttürme – und ganz besonders den schönen in Westerhever!

Wir starten in Sankt Peter-Ording. Auf dem Parkplatz „Hungerhamm“ in der Nähe des Campingplatzes Biehl direkt hinter dem Deich können wir für 3,50 Euro pro Tag bequem unser Auto lassen. Es sieht zwar nach Regen aus, aber davon lassen wir uns nicht abschrecken. Hier an der Küste weht ja immer ein ordentlicher Wind, und deshalb ändert sich auch das Wetter schnell. Vorsichtshalber ziehen wir unsere Regensachen an und ich zeige Nina stolz meinen Südwester, den ich von der DGZRS (Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger) in Ostfriesland geschenkt bekommen habe. Vielleicht brauche ich den heute noch. Und tatsächlich: Schon nach wenigen Minuten erwischt uns ein ordentlicher Schauer. Aber wir sind ja nicht aus Zucker und wir sind auch nicht die Einzigen, die sich bei diesem Wetter auf den Radweg hinter dem Deich gewagt haben. Wir strampeln auf dem Norderdeich Richtung Westerhever. Immer am Deich entlang, zunächst hinter dem Deich, dann davor. Das empfehle ich Ihnen unbedingt: Fahren Sie, so weit es möglich ist, auf der Seeseite des Deiches. Das ist einfach zu schön, wenn auch nicht so geschützt! Und schon bald sehen wir ihn von Weitem, „unseren“ Leuchtturm. Obwohl es noch zwölf Kilometer sind und der Wind uns, gepaart mit wiederkehrenden Schauern, ganz schön ins Gesicht bläst, genießen wir die Fahrt. Diese Frische hier oben, der Deich mit seinen Schafen, die Luft und die Weite – es tut richtig gut.

Gleichzeitig mit uns kommt eine Schulklasse aus dem Ruhrgebiet am Leuchtturm Westerhever Sand an. Die Kinder haben eine Führung mit Turmbesteigung gebucht. Spontan kann man ihn leider nicht besichtigen, sondern muss sich für eine Führung vorher anmelden. Für mich ist dieser Wunsch bei den Dreharbeiten zu einer Landpartie schon einmal in Erfüllung gegangen. Damals führte uns einer der ehemaligen Leuchtturmwärter durch den berühmten Leuchtturm, ein ganz besonderes Erlebnis. Wir hatten das Glück, einen traumhaften Sonnenuntergang wie aus dem Bilderbuch zu erleben und dazu auch noch den äußerst sympthischen Heinrich Geertsen, der authentisch von seiner Zeit als Leuchtturmwärter erzählen konnte! Mit seiner Familie hat er früher eines der beiden Häuschen bewohnt und abwechselnd mit einem Kollegen, der im anderen Häuschen wohnte, dafür gesorgt, dass das Feuer im Turm niemals ausging. Natürlich war es auch damals schon elektrisches Licht und kein Feuer, aber wir alle haben uns vorgestellt, wie romantisch so ein Leben gewesen sein muss. Ganz so idyllisch wie in unserer verklärten Vorstellung war es sicher nicht, trotzdem sagte auch der ehemalige Leuchtturmwärter Geertsen, es sei eine der schönsten Zeiten seines Lebens gewesen. Mit Frau und zwei Kindern hier draußen, zwei Schweinen und Hühnern im Stall für die Selbstversorgung, bei Sturmflut abgeschnitten von der Welt. Da musste man sich schon mit der Familie und auch mit dem Kollegen verstehen! 1979 verließ der letzte Leuchtturmwärter seinen stürmischen Arbeitsplatz draußen im Wattenmeer. Seitdem wird das Blinkfeuer, das von See etwa 50 Kilometer weit zu sehen ist, automatisch gesendet. Schade irgendwie. Aber schön, dass es erstens den Leuchtturm noch gibt und zweitens die beiden Häuschen als Naturschutzstation und Seminarhaus genutzt werden. Und im Leuchtturm kann man sogar heiraten – wie romantisch!


Foto: Heike Götz

Weite und Watt


Foto: Ingo Wandmacher

Westerhever Sand

Wir radeln weiter. Zunächst zurück zum Deich und dann in einer großen Deichkurve nach Nordosten. Was ist das?? Rückenwind! Herrlich, toll, sensationell! Wir brausen los, und zu allem Überfluss kommt jetzt auch noch die Sonne hinter den Wolken hervor. Jacken und Hosen trocknen während der Fahrt. Jetzt kann uns nichts mehr bremsen – nur die Schafgatter, die wir alle paar Hundert Meter öffnen und hinter uns wieder schließen müssen. Die Deichschafe können sich innerhalb ihrer weiträumig abgezäunten Reviere frei auf dem Deich bewegen. Die Türen sollen nur verhindern, dass die Schafe ihren Bereich verlassen. Ich finde es toll, dass wir Touristen überhaupt vor dem Deich fahren oder laufen dürfen. Deshalb sollte jeder bitte darauf achten, die Gattertüren wieder ordentlich zu verschließen, um den Bauern unnötige Arbeit zu ersparen. Die vielen Schafe auf den Nordseedeichen verbringen den ganzen Sommer draußen auf den Salzwiesen und fressen das aromatische Gras. Das Fleisch der Salzwiesenlämmer (Schafe, die knapp ein Jahr alt sind) gilt als besondere Delikatesse. Fest, geschmackvoll, fast wildartig. Nebenbei treten die Schafe ständig die Grasnarbe fest und sind deshalb ganz wichtig für den Erhalt des Deiches und damit für den Küstenschutz. Die Wolle der Schafe spielt heute wirtschaftlich gesehen kaum noch eine Rolle.

Der Bauer kann froh sein, wenn er vom Erlös der Wolle den Scherer bezahlen kann. Einige Bauern halten die Schafe, um aus ihrer Milch leckeren Schafskäse zu machen. So zum Beispiel die junge, engagierte Familie Volquardsen in Tetenbüll. Ihr friesischer Schafskäse ist eine Delikatesse. Für die heutige Radtour liegt Tetenbüll leider etwas zu weit weg, deshalb mein Tipp: Wenn Sie mit dem Auto auf dem Rückweg sind, fahren Sie doch mal auf dem Hof vorbei. Es lohnt sich. Familie Vollquardsen bietet übrigens auch Führungen auf ihrem Hof und in der Käserei an.


Eiderstedter Haubarg


Fotos: Ingo Wandmacher

Strand soweit das Auge reicht: Sankt Peter-Ording

Unsere heutige Rast machen wir spontan im Melkhus auf Hof Lammerswarft. Ein Holzschild weist uns den Weg zu dem sympathischen Hof gleich hinter dem Deich. Die sogenannten „Melkhüser“ sind ein überaus erfolgreiches Projekt der niedersächsischen Landfrauen, das inzwischen in ganz Norddeutschland Verbreitung gefunden hat. Höfe mit Milchviehwirtschaft verkaufen in einem „Melkhäuschen“ (das kann ein Bungalow, ein Teil der Scheune oder des Stalls sein) ihre eigenen Produkte, also Joghurt, Milchshakes, Buttermilch oder auch Milchreis. Manche bieten auch Kaffee, Kuchen oder eine warme Suppe an. Eben genau das Richtige für Radfahrer. Das Ganze ist kein Restaurant oder Café, sondern ein Selbstbedienungstresen mit ein paar rustikalen Sitzgelegenheiten. So kann die Bäuerin das Melkhus neben ihrer eigentlichen Arbeit betreiben, ohne ständig präsent sein zu müssen. Die Besucher nehmen sich selbst ihre Waren aus dem Tresen und legen das Geld in ein Körbchen. Bei meinen vielen Gesprächen mit Betreiberinnen von Melkhäusern habe ich immer wieder gehört, dass diese Kasse des Vertrauens funktioniert, da die allermeisten Gäste ehrlich und einfach froh sind über das leckere Angebot frischer Produkte direkt vom Hof. Auch wir genießen den selbst gemachten Milchreis sehr und sitzen gemütlich auf Holzschemeln in der Sonne.

Nach unserer Rast fahren wir weiter außen am Deich entlang, bis der asphaltierte Deichweg endet, dann fahren wir auf der Landseite des Deiches noch circa 50 Meter, und dort führt eine kleine Straße durchs grüne Land auf ein Haus zu. Wir treffen auf eine Landstraße und fahren auf dieser nach links. An der folgenden T-Kreuzung halten wir uns rechts Richtung Osterhever. Die Landschaft ist nun eine andere: Statt am Deich mit Blick auf Watt und Nordsee geht es nun durch das saftig grüne und flache Marschland. Auch das ist schön und sehr norddeutsch, wenn auch nicht mehr ganz so dramatisch wie vorn an der „Waterkant“. Eiderstedt besteht wie Nordstrand aus mehreren Kögen. Ein Koog ist eingedeichtes, also dem Meer abgerungenes Land. In den frühen Besiedlungszeiten, als es noch keine Deiche gab, wurden die Häuser wie auf den Halligen auf Warften gebaut. Die großen, für Eiderstedt typischen Bauernhäuser heißen Haubarge, was ins Hochdeutsche übersetzt „Heuberge“ bedeutet. Mensch und Vieh lebten hier unter einem Dach. Auch heute noch entdeckt man auf Eiderstedt, besonders in Osterhever, einige dieser schönen und mächtigen alten Haubarge. Man fährt auf der wenig befahrenen Straße. Wir biegen am Café „Naturköstliches“ rechts ab Richtung Westerhever und folgen nun immer den Radweghinweisen. Der Weg führt uns über den Heverkoogweg auf den Sankt-Johanniskoog-Ring, wo wir uns rechts halten. Wir folgen dem Radwegschild Richtung Medehop, biegen aber kurz vor Großmedehop rechts ab und kehren schließlich über Tating, Tholendorf, Knappenberg und Brösumsiel zum Norderdeich zurück. Dort geht es nun linksherum zu unserem Ausgangspunkt. Nach 44 Kilometern sind wir froh und stolz, als wir den Parkplatz erreichen.

Was für eine Tour! Der Leuchtturm Westerhever Sand, wie er offiziell heißt, ist ein absolutes Highlight. Und die Nordseelandschaft mit Ebbe und Flut, ihren Deichen, Schafen, Salzwiesen und dem weiten flachen Land sowieso. Der Nationalpark Wattenmeer, der sich vor der Küste erstreckt, ist auf der Welt einmalig und vom Menschen noch weitgehend unbeeinflusst. Damit das so bleibt, erklärten die Vereinten Nationen das Wattenmeer zwischen den Niederlanden, Deutschland und Dänemark im Jahr 2009 zum Weltnaturerbe der Menschheit. In der Nationalparkstation im Leuchtturm Westerhever Sand sowie im Multimar Wattforum in Tönning (unbedingt einen Besuch wert) oder auch bei der Schutzstation in der Dünentherme in Sankt Peter-Ording kann man sich unterhaltsam über den Nationalpark informieren und auch zu Wattwanderungen anmelden. Wer jetzt noch Zeit und Energie hat, lässt den Tag in Sankt Peter-Ording ausklingen, denn auch der breite Strand mit den berühmten Pfahlbauten ist ein einmaliges Erlebnis. Wir fahren für heute nach Hause, sind uns aber einig, dass es ein wunderschöner Tag war und wir sicher bald wiederkommen werden.

INFOS

Besichtigungs-Tipp

Leuchtturm Westerhever Sand www.westerhever-nordsee.de

Einkehr-Tipp

Melkhus auf Hof Lammerswarft Heerstraße 27 25881 Westerhever www.lammerswarft.de

Heike-Tipp

Schafskäserei Volquardsen Kirchdeich 8 25882 Tetenbüll www.friesische-schafskaeserei.de


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9783840464911
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