Читать книгу: «Sinfonie der Herzen», страница 2

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„Jenny, gut, dass du kommst“, begrüßt Oma Anni ihre Stiefenkelin im Vorgarten. Sie schaukelt den Kinderwagen kräftig hin und her. „Natalie bekommt scheinbar Zähnchen und ist heute sehr unleidlich.“

„Einen Moment noch, ich ziehe mich nur schnell um. Dann habe ich Zeit für sie.“ Jenny stellt ihr Fahrrad ab und geht ins Haus.

Oma Anni schiebt den Kinderwagen in den Garten und sagt zu ihrem Mann: „Toll, dass wir diesen schönen Herbsttag auf der Terrasse genießen können. Komm, Wolfgang, halt du mal das Baby. Ich werde Jenny etwas zu essen machen. Sicher hat sie wie immer vor lauter Tierliebe sich selbst vergessen.“

„Na, komm zu deinem Opa“, sagt er zu der Kleinen und setzt sie sich auf den Schoß. „Bei Opa Wolfgang ist es doch am gemütlichsten.“

„Aber nur, weil dein Bauch so weich ist“, lacht Oma Anni. „Du solltest wirklich etwas für deine Fitness tun. Und pass auf, dass du nicht wieder einschläfst und sie von dir runter rollt. Auf dem breiten Sofa im Wohnzimmer ist das kein Problem, jedoch hier würde sie auf die Fliesen klatschen.“

„Übertreib doch nicht immer so.“ Er winkt ab. „Ich bin noch nicht hilfebedürftig. Manchmal denke ich, du gönnst mir die Kuscheleinheiten mit meiner süßen Enkelin nicht. Ich gehe ganz vorsichtig mit ihr um und behalte die möglichen Gefahren im Blick.“

„Ach Quatsch. Ich gönne dir alles, das müsstest du wissen.“

„Ja, ja, Oma Anni ist eine Glucke, meine liebe Natalie. Ich werde aufpassen, dass sie dir später etwas Freiheit gönnt. Jetzt machen wir zwei ein kleines Nickerchen.“

Natalie quengelt noch etwas herum, bis sie eine bequeme Liegeposition gefunden hat und atmet tief ein. Opa Wolfgang streichelt ihr sanft über den Kopf und schaut sich um. `Es ist so toll, dass es mit dem Kauf dieses Zweifamilienhaus mit tollem Garten geklappt hat´, denkt er. `Hier können wir friedlich unseren Lebensabend genießen. In unmittelbarer Nähe zu unserem Sohn und seiner neuen Familie.“

„Pssst“, macht er zu Jenny, als diese auf die Terrasse gestürmt kommt.

Die setzt sich neben ihn. „Super, machst du das.“

„Lass das Oma Anni nicht hören“, flüstert er. „Sonst entreißt sie mir die Kleine. Sie will ja hier die Super-Oma-Heldin und Oberglucke sein.“

Jenny grinst. „Mir knapst sie auch immer mehr Babykuschelzeit ab, wenn ich Natalie ins Bett bringe. Gestern sagte sie, dass doch ein Lied reichen würde. Ich würde Natalie sonst von ihrem erholsamen Schlaf abhalten. Ha! Nun habe ich einfach festgelegt, dass ich etwas eher nach Hause komme, sie bade und füttere. Sie soll schließlich merken, dass ich für sie da bin. Oma hängt schon den ganzen Tag mit ihr ab.“

„Was höre ich da?“ Oma Anni stellt vor Jenny einen Teller und ein Glas auf den Tisch.

„Hmmm, danke, danke, danke. Hmmm, Spaghetti Bolognese. Ein Traum. Woher weißt du, dass ich hungrig bin?“

„Jenny, wann bist du mal satt nach Hause gekommen?“

„Ja, das waren noch Zeiten, als Janek bei uns wohnte. Die Abstecher mit ihm zu McDonald vermisse ich und ihn auch. Es tut mir leid, dass ihr euren Enkel nicht mehr täglich hier habt.“

„Wir vermissen ihn auch. Aber ihm geht es gut bei seiner Mutter und das ist die Hauptsache“, meint Oma Anni.

„Stimmt. Außerdem hat er dort ideale Trainingsmöglichkeiten. Hier gibt es weit und breit keine Schule mit Pferdesport-Profil. Er will Jockey werden, da ist das ideal. Und die Wochenenden mit ihm könnt ihr viel besser genießen, weil er dann anwesend ist, nicht wie bisher nach der Schule sofort in den Reitstall muss und abends müde ins Bett fällt. Ich wäre froh, wüsste ich schon, für welchen Beruf ich mich entscheiden soll.“

„Hast du schon eine Richtung?“, fragt Opa Wolfgang.

Jenny wiegt den Kopf hin und her. „Ich weiß eher, was ich nicht werden will.“

„Also gehst du nach dem Ausschlussprinzip vor. Na ja, das ist zumindest ein Anfang.“

„Unser Tierarzt Doktor Dilling hat mir eine Ausbildung angeboten und gesagt, dass er mich sogar der Leiterin des Tierparkes als Lehrling empfohlen hat.“

„Klasse“, wirft Oma Anni ein und strahlt über das ganze Gesicht. „Ich wusste es doch.“

„Hast du da deine Finger im Spiel?“, fragt Opa Wolfgang.

„Nein, nein. Das hat sie sich selbst erarbeitet. Ich wusste vom ersten Augenblick an, dass viel in dir steckt, Jenny.“

„Erinnere mich bloß nicht an unser Kennenlernen. Damals war ich so wütend.“

„Aber nicht auf uns.“

„Nein, auf Mama und unsere Familie. Die sollten sich von euch eine Scheibe abschneiden.“ Jenny schließt die Augen, um diese unschönen Gedanken wieder zu verbannen. „Ich war noch nie in meinem Leben so glücklich wie jetzt. Und das verdanke ich hauptsächlich euch.“

„Na, na, nun übertreibe nicht. Deine Mama liebt dich auch.“

„Vielleicht, aber sie kann es nicht zeigen. Man muss eben nehmen was man kriegen kann und damit zufrieden sein.“

„Solch weise Worte aus so einem jungen Mund“, sagt Oma Anni und seufzt. „Schau mal, jetzt ist Opa wirklich eingenickt.“

„Das täuscht“, antwortet er. „Ich traue mich nicht einzuschlafen. Nicht, dass das Baby mir entgleitet. Anni, hole doch bitte mal einen Strick. Dann binde ich sie fest und kann zur Ruhe kommen.“

„Nichts da, von wegen Strick“, wirft sie amüsiert ein. „Das könnte dir so passen, die Kleine an dich zu fesseln. Ich werde sie jetzt fürs Bett fertig machen.“ Sie schüttelt den Kopf und schaut auf einmal traurig vor sich hin. „Mal sehen, ob Jutta heute etwas eher aus der Agentur kommt. Ich muss mal mit Olli ein ernstes Wörtchen reden, damit er ihr nicht so viel Arbeit aufdrückt. Immerhin ist er nicht nur ihr Chef, sondern auch ein guter Freund. Die Kleine braucht doch ihre Mutter.“

„Wenn das so weitergeht“, wirft Opa Wolfgang ein, „sagt sie mal zu dir Mama.“

Jenny nickt. „Das glaube ich auch. Vielleicht kann Markus Mama überzeugen, wenigstens etwas Zeit mit Natalie zu verbringen. Ich rede mal mit ihm. Bei mir ist sie ja nach wie vor auf 180 wenn sie mich nur sieht.“

„Das verstehe ich nicht“, sagt Oma Anni. „Du bist doch so ein liebenswertes Mädchen.“

„Für Jutta jedoch etwas zu selbstbewusst“, lacht Opa Wolfgang.

Jenny zuckt mit den Schultern. „Das ist nicht mein Problem. Ich bringe jetzt die kleine Lady ins Bett. Nichts da, Oma Anni.“ Sie wirft sich regelrecht zwischen Oma und das Baby. „Dein Protest prallt bei mir ab, dazu bin ich zu selbstbewusst.“

Opa Wolfgang schaut beide verschmitzt an. „Ich mag dich, Jenny. Du bist genau richtig für diese Welt.“

„Genießt ihr beide eure Zweisamkeit. Ich komme schon klar.“ Als Oma Anni etwas erwidern will, fügt sie hinzu: „Ja, ja, wenn ich vor ungeahnten Schwierigkeiten bei der Babypflege stehe, wende ich mich natürlich wie immer vertrauensvoll an dich, liebe Oma Anni. Tschüssi.“ Sie gibt Oma und Opa ein Küsschen auf die Wange und macht sich mit ihrer kleinen Schwester auf den Weg nach nebenan in ihr Zuhause.

„Was machen wir beide nun?“, fragt Opa Wolfgang.

„Unsere Zweisamkeit genießen“, sagt Oma Anni.

„Das wird wohl nichts“, sagt Markus, der seinen Kopf durch die Verandatür steckt. „Hallo, ich störe auch nicht lange. Wollte nur Natalie abholen.“ Er schaut sich suchend um. „Wo ist sie?“

„Da kommst du etwas zu spät. Jenny ist gerade mit ihr los.“

„Okay, dann gehe ich auch gleich rüber und schaue mal, ob ich ihr helfen kann.“

„Jutta kommt wohl wieder nicht?“, fragt Opa Wolfgang.

Markus streicht sich resigniert durchs Haar. „Nein, leider nicht.“

„Dann musst du mal mit Olli reden, dass das so nicht geht“, sagt Oma Anni. „Nicht, dass uns die Betreuung der Kleinen zu viel ist. Im Gegenteil. Aber sie braucht doch ihre Mama. Du hast Elternzeit genommen und bist trotzdem ständig in der Agentur.“

„Ich weiß. Die wichtigsten Aufträge müssen nun mal von mir persönlich erledigt werden. Glaubt mir, ich beschränke mich nur auf das Wesentliche. An mir und Olli liegt es jedoch nicht, dass Jutta so viel arbeitet. Auch er sagt immerzu, sie soll nach Hause gehen, die Aufträge würden nicht wegrennen. Sie blockt ab. Ich verstehe es nicht.“ Er zuckt mit den Schultern. „Macht es euch gemütlich und genießt die Ruhe. Ich schaue mal nach den Mädels.“

„Komm doch nachher rüber, wir können ein Feuer anzünden und ein Gläschen Wein trinken. Das wäre so schön.“

„Super Idee. Es wird sicher erst nach 20 Uhr, aber den lauen Herbstabend sollten wir wirklich genießen.“

3

Olli hat sich einen Termin in der Anwaltskanzlei geben lassen. Zu Markus hat er gesagt, dass er einen neuen Geschäftskunden an Land ziehen will. Es ist nicht ganz gelogen, denn sicher braucht Kolja für seine neue Kanzlei Visitenkarten, Briefpapier oder sogar Werbeanzeigen, was sie alles in der Agentur gestalten könnten. Markus hatte zwar angemerkt, dass sie eigentlich keine weiteren Aufträge mehr bräuchten, hat ihn aber ohne Diskussionen gehen lassen.

Der Brief aus den USA hat Olli ganz schön aus der Bahn geworfen. Er versucht intensiv, sich vor niemandem etwas anmerken zu lassen. Damit Christine diesen beim Aufräumen nicht findet, hält er ihn versteckt. Lange hatte er sich Gedanken gemacht, wo sie niemals, auch nicht zufällig, hinschauen würde ohne ihn vorher zu fragen und ist zu dem Ergebnis gekommen, ihn einfach in seiner Brieftasche zu deponieren. Dementsprechend zerknittert ist das Schreiben unterdessen.

Kolja kommt ihm entgegen, begrüßt ihn herzlich und bietet ihm eine Tasse Kaffee an. Olli nimmt dankend an.

„Bevor ich in die USA reise, musst du mich bitte mal aufklären, worauf ich alles achten muss.“

„Hast du mit Christine unterdessen gesprochen?“

„Nein, das kann ich nicht. Das muss ich allein klären. Mein Kopf platzt bald. So viele Gedanken kreisen. Meinst du wirklich, dass das kein Fake ist und ich weggelockt werden soll … warum auch immer? Ich dachte, die alte Geschichte mit meinem ehemaligen Geschäftspartner wäre abgehakt und ich kann mit Christine und den Kindern eine glückliche Familie führen. Nun das.“

„Für ein Fake ist das Notarschreiben zu echt. Ich habe recherchiert und telefoniert. Der Texaner erwartet dich wirklich. Meinst du, Christine versteht das nicht?! Sie macht auf mich einen sehr vernünftigen, liebevollen Eindruck.“

„Der täuscht dich nicht. Christine und die Kinder sind das Allerbeste, was mir je passieren konnte.“

„Was sagst du ihr, warum du nach Amerika fliegst?“

Olli nimmt einen großen Schluck Kaffee, den Koljas Sekretärin reingebracht und vor ihm abgestellt hatte. Er nuschelt: „Dienschdreise.“

„Na, ob sie das glaubt? Ich halte mich an die Schweigepflicht.“

„Super, danke.“

„Für die Adoptionen, habe ich alle Anträge fertig. Sowie ihr verheiratet seid, wird das aktenkundig. Ihr seid schon ein bemerkenswerter Haufen.“

„Ja, so sehe ich das auch. Wenn alles in geregelten Bahnen und der Haufen sortiert ist, habe ich mein Ziel erreicht und werde mein Leben nur noch genießen. Du hältst uns doch in Zukunft weiterhin jeden Ärger vom Hals, oder?“

„Na klar, dafür werde ich bezahlt, davon lebe ich.“

„Wie kann man sich nur in Problemen anderer Leute wälzen und sich auch noch wohlfühlen?“ Olli schüttelt ungläubig den Kopf.

„Ich finde es spannend, bisher habe ich nur freundliche sowie dankbare Klienten um mich rum und vor allem … noch keinen Prozess verloren.“

„Gut, das lässt mich hoffen. Nun muss ich aber los ...“

4

„Christine, was haltet ihr davon, wenn wir alle einen Abend bei uns im Waldhaus verbringen?“, fragt Lydia am Telefon. „So wie früher oder besser einen Nachmittag wegen der Kinder.“

„Klasse Idee. Obwohl, ob ich die Kinder von ihren Hobbys losreißen kann, weiß ich noch nicht. Wenn wir nicht darauf bestehen würden, gemeinsam 18 Uhr zu Abend zu essen und es Gesetz wäre, dass alle am Tisch sitzen, würden wir sie kaum mal zu Gesicht bekommen.“

„Das klingt doch gut. Somit sind sicher alle zufrieden. Stell dir vor, sie würden wie viele Kinder heute, nur vor dem Fernseher sitzen, Videospiele spielen … Chips essen, Cola trinken. Puh, das ist doch keine Kindheit. Bei euch ist Freiheit angesagt und Lebenslust. Was wollt ihr mehr?“

„Ja, es ist toll, da gebe ich dir recht. Ich sage aber immer, von allem ein gesundes Mittelmaß. Daniel spielt meiner Meinung nach zu viel Fußball. Dabei verletzt er sich natürlich. In meinem Eisfach liegen mehr Kühlakkus als Pizzen.“

Lydia lacht auf. „Ach, Tiefkühlkost ist auf Dauer sowieso nicht gesund.“

„Richard sitzt nur noch am Klavier. Er ist blass und ruhig wie eh und je. Dabei hat er die Natur und Tiere auf dem Hof direkt vor Augen. Auch in der Kita ist er viel allein, hat keine Freunde, malt nur oder schaukelt. Bertram suchen wir abends und finden ihn im Stall … glücklich, zufrieden und müde, jedoch sieht er aus wie ein kleines Moorschweinchen. Er muss vor dem Essen schon baden, sonst würde uns der Appetit vergehen. Und Tilly ist ein engagierter Babysitter. Ich versuche, sie alle mitzubringen. Aber beschwert euch bitte nicht, wenn die Kleinen für Unruhe sorgen. Waldidyll für euch war gestern. Wo wir einfallen mit unserer Rasselbande entsteht Lärm und Chaos.“

„Ach komm, so schlimm wird es nicht. Alex ist ein prima Babysitter.“

Lydia hört am anderen Ende der Leitung Papier rascheln.

Christine durchforstet ihren Terminkalender. „Mhm, wenn es euch nicht zu schnell geht, dann gleich am Samstag. Ab kommender Woche beginnen wir schon mit den Adventsvorbereitungen auf dem Hof und in der Scheune. Außerdem muss Olli kurzfristig eine mehrtägige Dienstreise antreten. Er wäre ja schon gern dabei, denke ich.“

„Hat er dir immer noch nicht erzählt, was es mit dem Brief aus den USA auf sich hat?“

„Ich bin etwas sauer auf ihn. Die Begründung klingt irgendwie … wie an den Haaren herbeigezogen. Ich soll ihm vertrauen, sagt er ständig.“

„Dann tu das, denn er liebt dich über alles und würde dir nie weh tun.“

Christine seufzt. „Deine Worte in Gottes Ohr.“

„Dann bereite ich für Samstag eine tolle Party vor und freue mich schon mal sehr und Alex auch, ich soll euch herzlich grüßen. Und dann gebe ich noch Jutta Bescheid.“

„Okay, wir grüßen alle zurück, freuen uns auch und sieh´ zu, dass du Jutta überzeugen kannst. Ich würde gern mal wieder mit ihr reden. Letztens am Telefon hatte ich das Gefühl, dass sie mich abwimmelt.“

„Das macht sie mit allen so. Ich gebe mein Bestes.“

„Ich weiß.“

„Mach´s gut, ich freue mich und kann es kaum erwarten.“

5

Am Samstag früh fragt Jenny bei ihren Stiefgroßeltern nach, ob jemand Lust hätte, ein Stück mit dem Baby spazieren zu fahren.

Opa Wolfgang schnappt sich den Hund und los geht es.

Sie plaudern ausgelassen. Jenny erzählt Neuigkeiten aus dem Tierheim, die Opa Wolfgang so gern hört, die ihn im Nachhinein allerdings meistens schockieren.

„Weißt du, Opa Wolfgang, ich habe Doktor Dilling gefragt, wie er damit umgeht, wenn Tierhalter … sagen wir mal … unabsichtlich ihre Tiere falsch behandeln? Ich will ja nicht jedem Menschen Absicht unterstellen. Es gibt so viele Bücher, in denen man nachlesen kann. Zu den meisten Problemen gibt es Foren im Internet … ich verstehe es nicht. Er meinte, dass er schon lange nicht mehr darüber nachdenkt. Wenn ihm ein Tier vorgestellt wird, schaut er es sich an, überlegt, wie er helfen kann und spricht dies mit dem jeweiligen Halter ab. Jeder muss dann selbst entscheiden, wie weit die Behandlung gehen soll. Manchmal sind es finanzielle Belastungen, die sie nicht übernehmen können. Dann behandelt er sie gratis, nur um zu helfen. Öfter müssen schwerkranke Tiere unnütz leiden, weil Herrchen und Frauchen nicht loslassen und sich trennen können. Viele haben ja nur ein Haustier und Angst vor der Einsamkeit. Für ein neues Tier sind sie wegen ihrer Trauer noch nicht bereit. Notfalls äußert Doktor Dilling seine Bedenken, wenn es wirklich sehr schlimm ist. Er setzt sich sehr für seine Patienten ein. Am Mittwoch kam eine Familie mit einem Schäferhund, der wegen Atemnot vorgestellt wurde. Gut, er lebt am Tag im Zwinger, weil er das Grundstück nachts bewachen soll. Er hat also nicht so engen Kontakt zu seinem Halter. An seinem Hals leuchtete ein Tennisball großer Tumor, der nicht zu übersehen war. Das Halsband schnürte bereits ein. Doktor Dilling blieb ruhig, wies auf das Geschwür hin. Worauf die Leute schockiert waren und meinten, dass das erst in den letzten Tagen entstanden sein muss, sonst hätten sie es bemerkt und wären eher gekommen. Mit solchen Ausflüchten müssen wir leben. Oft kommen Hunde, weil sie Gift geschluckt haben, egal ob es am Wegesrand lag, oder über den Zaun geworfen wurde. Es ist schlimm, denn die Tiere leiden sehr. Viele ziehen sich zurück, sodass der Halter es erst spät bemerkt, meistens zu spät. Dann kann der Doktor sie nur noch erlösen. Die Täter bleiben unerkannt und kommen ohne Strafe davon.“

„Das ist traurig.“

„Hmmm. Eine kleine Bulldogge wurde als Notfall eingeliefert. Sie war heiß und zu Besuch bei einer Familie mit unkastriertem Riesenschnauzer. Sie wurde von ihm gedeckt, weil Frauchen davon ausgegangen war, dass das Höschen, das sie trug, genug Verhütungsschutz wäre. Das ist eben die Blödheit der Menschen und die Tiere müssen leiden. Die kleine Hündin musste innerlich mit mehreren Stichen genäht werden und hat nun Panik, wenn sie schwarze Hunde bloß von Weitem sieht.“

„Oh Jenny. Wie gehst du mit den unschönen Dingen um? Das muss dich doch belasten.“

„Ich mache es wie Doktor Dilling. Klappt unterdessen ganz gut.“

Auf dem Vorplatz des Friedhofes angekommen, bleibt Jenny plötzlich stehen und tippt Opa Wolfgang an. Nun wird er auch auf Juttas Mutter aufmerksam. Jenny sieht, dass ihre Oma, die eben ihr Fahrrad vom Schloss befreit, sie mit zusammengekniffenen Augen beobachtet.

Opa Wolfgang winkt und grüßt höflich. „Guten Morgen, Frau Schubert. Schön, dass wir Sie treffen.“

Sie dreht sich jedoch weg und ignoriert ihn. Das lässt er nicht auf sich sitzen. Jenny greift nach seinem Ärmel und will ihn zurückhalten. „Lass, es hat doch sowieso keinen Sinn.“

„Das werden wir sehen.“ Er greift zum Kinderwagen und schiebt diesen mit Jenny im Schlepptau zum Friedhofseingang.

„Bleiben Sie mir vom Leib“, zischt Jennys Oma.

„Siehst du, sie will nicht.“ Jenny will schleunigst verschwinden.

Opa Wolfgang stellt sich in den Weg, sodass das Fahrrad nicht vorbeigeschoben werden kann.

„Halt, Frau Schubert“, ruft er. „Sie haben noch nicht einmal ihre kleine Enkelin begutachtet. Wenn sie es nicht freiwillig tun, dann muss ich sie eben zu ihrem Glück zwingen.“

„Ha!!! Ich lasse mich zu nichts zwingen. Gehen Sie mir aus dem Weg.“

„Nur ein Blick. Ich verspreche Ihnen, dass Ihr Herz erweicht wird.“

Jenny schaut ihn skeptisch an und lacht leise höhnisch auf.

„Bringen Sie der Brut meiner Tochter erst mal Manieren bei, danach können Sie mich noch mal ansprechen. Und nun gehen Sie mir aus dem Weg, sonst …“

„Was sonst …?“, fragt Jenny wütend. „Willst du die Polizei rufen? Die werden entsetzt sein über eine Oma ohne Herz. Die ihren Enkelinnen nicht die kleinste Chance gibt.“

„Was geht dich das an?“, zischt die verbitterte Frau.

„Ich bin deine Enkelin, falls du das vergessen hast. Und das Baby hier“, sie zeigt in den Wagen, „das süße Baby auch“.

Jenny ist in ihrer Wut immer lauter geworden. Nun zupft Opa Wolfgang sie am Ärmel und sagt: „Jenny hat recht. Die Kleine ist neun Monate alt und Sie haben sie noch nicht einmal gesehen.“

„Wir verschwinden erst, wenn du dir die Kleine angesehen hast!“, sagt Jenny, die nun auch darauf beharrt, ihre Oma zu ihrem Glück zu zwingen.

„Niemals!!! Bleibt mir endlich vom Hals mit der Brut meiner Tochter. Schlimm genug, dass ich die aufziehen musste. Nichts als Ärger hat die mir gemacht!!!“

„Weißt du eigentlich, wie sehr Mama darunter leidet, dass du so kalt und unnahbar bist?“

„Dann soll sie mal darüber nachdenken, warum.“

„Das macht sie ständig. Du bist zu keinem Gespräch bereit und gibst ihr keine Chance. Sie will nur ein normales Familienleben. Das ist mit dir nicht möglich.“

„Mit mir nicht??? Nein???!!! Wer wohnt denn bei euch? Der da und seine Frau“, sie zeigt mit zitternder Hand auf Opa Wolfgang. „Die heißgeliebten Ersatzgroßeltern, die nicht mal verwandt mit dir sind. Das sind Fremde, die mir vorgezogen werden. Ich hätte ein Recht darauf bei euch zu wohnen. Stattdessen lasst ihr mich allein in meinem Haus mit all der Arbeit und den Problemen. Das Dach stürzt mir bald über dem Kopf zusammen, aber das ist euch doch egal.“

Frau Schubert rammt ihr Fahrrad kräftig in den Kinderwagen, um sich gewaltsam den Weg freizumachen. Jenny stemmt sich dagegen.

„Erst mal muss ich dich berichtigen, denn Mama und ich, wir wohnen bei Markus und seinen Eltern in deren Haus. Und zum anderen, wir sind dir oft genug freundlich entgegengekommen.“

Opa Wolfgang nickt. „Das kann ich bestätigen, ich war meistens dabei.“

„Halten Sie sich doch raus, Sie unmögliche Person. Immerzu mischen Sie sich ein. Klingeln an meiner Tür und wollen mich belästigen.“

„Nun halten Sie aber mal die Luft an. Ich wollte Sie von der Geburt ihrer Enkelin in Kenntnis setzen. Ihnen somit freundlich einen Schritt entgegen gehen.“

„Ha!!! Wer´s glaubt? Lassen Sie mich jetzt durch, sonst rufe ich wirklich die Polizei. Sie nötigen mich hier zu Gesprächen und Blicken, die ich nicht will. Niemals! Haben Sie das verstanden?“ Nun bemerken sie, dass einige Passanten bereits stehen geblieben sind. Sie lacht höhnisch und ergänzt: „Zeugen stehen ja genug hier rum. Jenny, hast du nun erreicht was du wolltest, mich in der Öffentlichkeit bloß stellen und schlecht machen? Und Sie alle …“, wendet sie sich an die Menschen, „haben Sie nichts Besseres zu tun? Kümmern Sie sich doch um Ihre eigene Brut.“

Opa Wolfgang zieht Jenny sanft aus dem Weg. „Komm, hier ist Hopfen und Malz verloren. Es hat wirklich keinen Sinn. Lassen wir uns den schönen Spaziergang doch nicht von so einer unzufriedenen, unverbesserlichen Frau verderben.“ Er sieht, dass Jenny Tränen die Wangen runter laufen und reicht ihr ein Taschentuch. „Nun weine doch nicht. Du weißt doch wie sie ist. Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich es eben das allerletzte Mal versucht habe.“

Jenny seufzt. „Ich weiß, dass du es gut gemeint hast. Es tut mir nur leid um Natalie. Sie wird ihre Oma nie kennenlernen.“

„Willst du ihr so eine Oma etwa zumuten?“, fragt er entsetzt. „Oder glaubst du bei ihr noch ans Gute im Menschen?“

„Ich weiß auch nicht. Man soll doch die Hoffnung nie aufgeben. Zum Glück hat Natalie wenigstens euch … und ich auch“, ergänzt sie, als ihr auch die Verwandtschaft ihres Vaters in den Sinn kommt. „Warum sind manche Menschen so schlecht?“

Opa Wolfgang zuckt mit den Schultern. „Das weiß ich auch nicht. Solche Fragen kann dir Oma Anni bestens beantworten. Wir fragen sie nachher einfach mal. Lass uns nach Hause fahren und all das Schöne genießen, was wir haben.“

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9783742740410
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