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c) Durchsetzbarkeit und Fälligkeit des Gegenanspruchs

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Das Zurückbehaltungsrecht erfüllt bei nicht gleichartigen Ansprüchen eine ähnliche Funktion wie die Aufrechnung. Das Zurückbehaltungsrecht bietet bei ihnen einen einfachen und kostengünstigen Weg, die eigene Forderung durchzusetzen. Dementsprechend muss der Gegenanspruch, auf den das Zurückbehaltungsrecht gestützt wird, auch fällig sein. Noch nicht fällige Gegenansprüche begründen grundsätzlich kein Zurückbehaltungsrecht.[20] Wenn in dem Beispiel von oben[21] die Gewährleistungsansprüche der Deutschen Bahn AG fällig sind, nicht aber die Zahlungsansprüche der Siemens AG (weil beispielsweise vertraglich ein späterer Fälligkeitszeitpunkt vereinbart ist), kann die Siemens AG aus diesen (verhaltenen) Zahlungsansprüchen auch kein Zurückbehaltungsrecht herleiten. Eine kurze Kontrollüberlegung erhellt den Sinn dieser Voraussetzung: Die Siemens AG würde ja auch mit dem Versuch scheitern, die verhaltenen Ansprüche schon jetzt, bevor sie fällig sind, eigenständig gerichtlich durchzusetzen.

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Es genügt allerdings, dass der Gegenanspruch mit der Erfüllung der eigenen Leistung fällig wird.[22] So liegt es beispielsweise bei § 1223 Abs. 1: Der Pfandgläubiger muss dem Verpfänder das Pfand erst nach dem Erlöschen des Pfandrechts zurückgeben. Der Anspruch des Verpfänders auf Rückgabe des Pfandes wird also beispielsweise fällig, wenn der Verpfänder die Forderung erfüllt, zu deren Sicherung das Pfand diente. Denn dann erlischt das Pfandrecht gem. § 1252. Wenn der Pfandgläubiger den Verpfänder nun wegen dieser Forderung in Anspruch nimmt, kann der Verpfänder gem. § 273 Abs. 1 die Leistung wegen seines Rückgabeanspruchs verweigern, obwohl der Rückgabeanspruch erst mit Befriedigung der Forderung fällig wird.[23]

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Auch sonstige Einreden stehen – so wie § 390 für die Aufrechnung anordnet – der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts entgegen. Der Anspruch muss also, wie man auch sagt, „vollwirksam“, also durchsetzbar sein. Eine wichtige Ausnahme vom Grundsatz der Durchsetzbarkeit bildet § 215: Wenn der Gegenanspruch noch nicht verjährt war, bevor der Anspruch des Gläubigers entstanden war, kann der Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht auch auf den mittlerweile verjährten Anspruch stützen. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Schuldner sich auch schon vor Verjährungseintritt auf § 273 berufen hat. § 215 bewirkt also, dass bei Ansprüchen, die sich zu irgendeinem Zeitpunkt wirksam gegenüberstanden, die Verjährung das Zurückbehaltungsrecht nicht hindert. Dies erklärt sich aus dem Zweck der Verjährung: Die Verjährung soll vor allem der Rechtssicherheit der Parteien dienen, nach einer gewissen Zeit nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Standen sich Ansprüche aber einmal wirksam gegenüber – bestand also zu diesem Zeitpunkt jeweils die Möglichkeit der Parteien aufzurechnen – so werden diese Ansprüche in ihrem Schicksal verknüpft und die Verjährung soll nicht einer Partei zu Hilfe kommen; diese Verknüpfung der Ansprüche überwiegt das Interesse des Schuldners an der Sicherheit, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Dem Gläubiger wird hierdurch die Aufrechnungsmöglichkeit erhalten, sodass ihn eine drohende Verjährung nicht unter Druck setzt.[24]

In Fall 31 ist zwar der Gegenanspruch des V gem. § 195 verjährt und somit eigentlich gem. § 214 Abs. 1 nicht mehr durchsetzbar. Doch greift hier § 215, sodass V dem K den verjährten Anspruch im Rahmen des § 273 Abs. 1 entgegenhalten kann.

d) Kein Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts

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Nicht in allen Situationen wird das Zurückbehaltungsrecht den Parteiinteressen oder den besonderen Umständen spezifischer Schuldverhältnisse und Situationen gerecht. Das Zurückbehaltungsrecht besteht daher nur, wenn es nicht vertraglich oder gesetzlich ausgeschlossen ist.

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Den Vertragsparteien steht es grundsätzlich im Rahmen ihrer Privatautonomie frei, das Zurückbehaltungsrecht gänzlich auszuschließen oder zu modifizieren. So liegt es immer dann, wenn eine der Parteien nach den vertraglichen Vereinbarungen vorleistungspflichtig ist. In AGB sind solche Vereinbarungen allerdings nur eingeschränkt möglich: Gem. § 309 Nr 2 lit. b kann der AGB-Verwender ein Zurückbehaltungsrecht seines Vertragspartners nicht wirksam ausschließen oder einschränken, soweit das Zurückbehaltungsrecht auf demselben Vertragsverhältnis beruht. Dabei liegt eine Einschränkung des Zurückbehaltungsrechts schon darin, dass seine Ausübung von der Anerkennung von Mängeln durch den Verwender abhängig gemacht wird. § 309 Nr 2 lit. b ist allerdings enger als § 273: Die Norm erfasst nur Vereinbarungen, bei denen sich Ansprüche aus demselben Vertragsverhältnis ergeben. Sie steht Vereinbarungen nicht entgegen, die sich auf Ansprüche aus unterschiedlichen Vertragsverhältnissen (oder Lebenssachverhalten) beziehen.

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Zurückbehaltungsrechte können auch gesetzlich ausgeschlossen sein. Ein Beispiel bietet § 570: Der Mieter von Wohnraum soll sich gegen den Herausgabeanspruch des Vermieters nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht stützen dürfen. Dahinter steht der Gedanke, dass die Zurückbehaltung meist unverhältnismäßig wäre, weil die Gegenansprüche des Mieters meist geringere Beträge haben. Die Norm soll auch verhindern, dass der Mieter ein Zurückbehaltungsrecht missbräuchlich geltend macht, um den Vermieter zu Zahlungen zu nötigen, die gar keine Rechtsgrundlage haben.[25] Ein weiteres Beispiel findet sich in § 175: Der Bevollmächtigte hat kein Zurückbehaltungsrecht gegen den Anspruch des Vollmachtgebers auf Rückgabe der Vollmacht nach deren Erlöschen. Das dient dem Schutz des Vollmachtgebers, der sich aus der Rechtsscheinwirkung der Vollmacht ergibt: Denn die Geschäfte des Vertreters werden ihm weiter zugerechnet, bis ihm die Vollmachtsurkunde zurückgegeben wird (vgl § 172 Abs. 2).

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Das Zurückbehaltungsrecht ist nach § 273 Abs. 1 auch ausgeschlossen, wenn sich „aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt“. Das verweist nicht nur auf vertragliche Ausschlüsse des Zurückbehaltungsrechts. Vielmehr kann sich auch aus Eigenheiten spezifischer Schuldverhältnisse ergeben, dass ein Zurückbehaltungsrecht unangemessen wäre. Beispielsweise lässt sich ein Zurückbehaltungsrecht oft nicht gegenüber Hilfsansprüchen (wie etwa Auskunfts- oder Rechenschaftsansprüchen) geltend machen.[26] Gleiches gilt, wenn die Hauptansprüche der Sicherung[27] des Gläubigers dienen. Ein einfaches Beispiel bietet die Konstellation, dass ein Zurückbehaltungsrecht auf einen Anspruch zur Herausgabe verderblicher Waren gestützt wird. Das Zurückbehalten und Verfallen dieser Waren würde eine unverhältnismäßige Härte für den Gläubiger darstellen. Daher besteht in solchen Fällen kein Zurückbehaltungsrecht.

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Das Zurückbehaltungsrecht kann auch ausgeschlossen sein, wenn es im Ergebnis auf eine unzulässige Aufrechnung hinauslaufen und dem Schutzzweck eines Aufrechnungsverbots zuwiderlaufen würde.[28] So ergibt sich aus § 393 nach dieser Wertung auch, dass ein Zurückbehaltungsrecht nicht gegen einen Anspruch eingesetzt werden kann, der sich auf die Herausgabe eines deliktisch erlangten Gegenstands bezieht.[29] Andernfalls ließe sich § 273 instrumentalisieren, um Privatrache auszuüben: Schuldet beispielsweise S dem G 1.000 Euro, zahlt aber nicht, könnte G auf den Gedanken kommen, einen wertvollen Gegenstand des S zu stehlen (etwa seinen goldenen Ring). Er könnte dann, wenn nicht schon die Konnexität fehlt, mit Hilfe von § 273 verhindern, dass S seinen Anspruch auf Herausgabe des Rings durchsetzen kann. Wenn es um gleichartige Ansprüche – und damit um die Aufrechnung – geht, verhindert § 393 ebendies. Der Gedanke dieser Norm passt aber auch auf § 273. Dogmatisch lässt sich der Ausschluss der Aufrechnung in solchen Situationen am besten über eine Analogie zu § 393 begründen: Eine planwidrige Regelungslücke lässt sich bejahen; zumindest müsste man den Wortlaut „aus dem Schuldverhältnis etwas Anderes ergibt“ arg strapazieren, um die Lösung schon bei diesen Worten zu verorten. Die Interessenlage ist vergleichbar, denn die von § 393 besorgte Situation liegt ebenso vor wie im unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm.

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Auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242) kann der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts entgegenstehen.[30] Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Schuldner wegen einer unverhältnismäßig geringen Forderung die gesamte Leistung zurückbehalten will. Dafür kommt es auf die Einzelfallumstände an.[31] Treuwidrig ist es aber – von besonderen Ausnahmefällen abgesehen – nicht, wenn der Käufer eine Sache wegen geringfügiger Mängel „zurückweist“: § 273 gibt ihm grundsätzlich das Recht, die Sache auch bei geringfügigen Mängeln zurückzuweisen – also seiner Abnahmepflicht aus § 433 Abs. 2 den Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 2 auf sachmangelfreie Lieferung entgegenzuhalten.[32]

4. Abwendung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung (§ 273 Abs. 3)

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Das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 betrifft wechselseitige Ansprüche, also solche, die weniger eng verbunden sind als Ansprüche die im Gegenseitigkeitsverhältnis zueinanderstehen. Das berücksichtigt das Gesetz unter anderem in § 273 Abs. 3: Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Beim Zurückbehaltungsrecht nach § 320 gilt das dagegen nicht (vgl § 320 Abs. 1 S. 3). Wie Sicherheit zu leisten ist, regeln die §§ 232 ff. So kann der Gläubiger beispielsweise Geld oder Wertpapiere hinterlegen (vgl § 232 Abs. 1). Generell ist auch die Stellung eines tauglichen Bürgen eine denkbare Form der Sicherheitsleistung (§ 232 Abs. 2). Diese – eher unsichere – Form der Sicherheitsleistung ist für die Abwendung des Zurückbehaltungsrechts aber in § 273 Abs. 3 S. 2 ausgeschlossen.

5. Lösung Fall 30

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A könnte gegen B einen Anspruch auf Herausgabe des Balls aus § 985 haben.

I. A ist Eigentümer des Balls. B ist Besitzer ohne Recht zum Besitz, sodass der Anspruch auf Herausgabe des Balls aus § 985 zunächst entstanden ist.

II. Dieser Anspruch ist auch nicht erloschen.

III. Der Durchsetzbarkeit des Anspruchs könnte ein Zurückbehaltungsrecht des B aus § 273 entgegenstehen. Dies hätte zur Folge, dass A Herausgabe des Balls nur Zug um Zug gegen Erfüllung seiner eigenen Verbindlichkeit verlangen kann. Ansprüche im Gegenseitigkeitsverhältnis liegen nicht vor. Daher ist nicht § 320, sondern § 273 anwendbar.

1. Zunächst müssen gegenseitige Forderungen bestehen. A hat gegen B einen Anspruch aus § 985 auf Herausgabe des Balls. B hat gegen A einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 auf Schadensersatz – also Ersatz der für die Reparatur der Autoscheibe notwendigen Kosten. Somit bestehen gegenseitige Forderungen.

2. Die gegenseitigen Ansprüche müssen in Konnexität zueinanderstehen, also auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen. Dafür ist ein natürlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Ansprüchen ausreichend. Die Ansprüche des A und des B beruhen auf demselben Lebensvorgang und stehen auch im wirtschaftlichen Zusammenhang zueinander.

3. Beide Ansprüche sind fällig und durchsetzbar.

4. Das Zurückbehaltungsrecht ist aber gem. § 393 analog ausgeschlossen[33]. B hat den Ball deliktisch erlangt. Er ist auch aus § 823 Abs. 1 iVm § 249 Abs. 1 zur Herausgabe verpflichtet. In der Konfiszierung des Balls und der Weigerung, ihn herauszugeben, liegt eine vollständige Sachentziehung, die eine Eigentumsverletzung begründet. B verließ die Grenzen erlaubter Selbsthilfe und handelte auch vorsätzlich. Damit steht B kein Zurückhaltungsrecht aus § 273 zu.

Ergebnis: A hat somit einen Anspruch aus § 985 auf Herausgabe des Balls.

Teil II Der Inhalt von Schuldverhältnissen › § 7 Die Verbindung von Leistungspflichten durch Zurückbehaltungsrechte › II. Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§§ 320, 322)

II. Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§§ 320, 322)

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Fall 32:

V und K schließen einen Kaufvertrag über zehn Flaschen Wein. Sie vereinbaren, dass V den Wein am darauffolgenden Tag liefern soll. Dies tut V auch, jedoch liefert er lediglich vier Flaschen und fordert K bei der Lieferung auf, ihm doch schon mal den Kaufpreis zu geben. K weigert sich. Zu Recht? Lösung Rn 382

Fall 33:

Vermieterin V möchte ihrer Mieterin M gem. § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr 3 kündigen, weil M zwei Monate in Folge lediglich 300 Euro statt der als Monatsmiete vereinbarten 400 Euro gezahlt hat. M trägt im Kündigungsprozess vor, dass V ihrerseits mehrere Mängel der Wohnung nicht beseitigt hat (wie etwa eine defekte Heizung).

1. Grundgedanke

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Manche schuldrechtlichen Pflichten, wie beispielsweise die Kaufpreiszahlungspflicht (§ 433 Abs. 2) und die Pflicht zur Übergabe und Übereignung der Sache (§ 433 Abs. 1 S. 1) stehen in einer besonders engen Verbindung zueinander: Die eine Leistung wird gerade als Gegenleistung für die andere erbracht („do ut des“[34]). Keine der Parteien soll solche Pflichten erfüllen müssen, ohne zugleich ihrerseits Erfüllung verlangen zu können. Derart eng verbundene Pflichten heißen auch gegenseitige oder synallagmatische Pflichten. Synallagma bedeutete im Griechischen eigentlich Tausch oder Handel. Mit Synallagma meint man heute den gegenseitigen Vertrag. Für synallagmatische Pflichten sehen die §§ 320 und 322 ein besonderes Zurückbehaltungsrecht vor, das das allgemeine Zurückbehaltungsrecht aus § 273 verdrängt.[35] Dieses Zurückbehaltungsrecht heißt schon in der amtlichen Überschrift des § 320 „Einrede des nicht erfüllten Vertrags“. Es bewirkt, dass bei synallagmatischen Pflichten die Leistung lediglich Zug um Zug gegen Erbringung der eigenen Gegenleistung verlangt werden kann (§ 322). Die Norm dient einerseits der Sicherung der Gegenforderung und teilt mit § 273 die Durchsetzungsfunktion. Andererseits hat sie eine wichtige Druckfunktion: Indem der Schuldner die Einrede des nicht erfüllten Vertrags geltend macht, kann er Druck auf den Gläubiger ausüben, seinerseits zu erfüllen.[36]

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Diese Funktionen zeigen sich in Fall 33: M ist aufgrund der Mängel nicht bereit, die volle Miete zu entrichten. Normaler Weise mindert sich der Mietzins gem. § 536 Abs. 1 S. 1, 2 bei Vorliegen eines Mangels automatisch um einen in Ansehung des Mangels angemessenen Betrag, ohne dass es dafür einer Erklärung der Mieterin bedarf. Die Ermittlung der korrekten Höhe ist oft schwierig, da weder die Mieterin, noch die Vermieterin benachteiligt werden soll. Damit M aber auch vor einer endgültigen, im Zweifel gerichtlichen Klärung der Summe nicht schutzlos dasteht, gewährt ihr der BGH neben der ipso iure-Minderung ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320.[37] Ihre Rechtsposition soll auf diesem Wege gesichert werden, zusätzlich wird V dazu angehalten, auf eine Beseitigung des Mangels hinzuwirken. Jüngst haben die Richterinnen jedoch zu Recht betont, dass auch § 320 nicht dazu führen darf, dass Mieter auf Dauer mietfrei wohnen können; daher ist das Recht zur Zurückbehaltung zeitlich und höhenmäßig begrenzt.[38]

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Die besonders enge Verbindung zeigt sich bei den drei zentralen Unterschieden, die §§ 320, 322 gegenüber § 273 aufweisen: Zunächst kann die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nicht durch Sicherheitsleistung abgewendet werden. Das ergibt sich daraus, dass § 273 Abs. 3 gem. § 320 Abs. 1 S. 3 keine Anwendung findet. Zweitens findet sich in § 320 Abs. 2 eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben für den Fall der Teilleistung. Und drittens werden der Schuldnerverzug und auch das Erfordernis einer „durchsetzbaren“ Leistungspflicht bei Anwendung von § 323 und § 281 schon dann verhindert, wenn lediglich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 320 vorliegen – also auch dann, wenn der Schuldner die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gar nicht geltend macht.[39] Tatbestandlich ist für § 320 das Gegenseitigkeitsverhältnis der jeweiligen Pflichten prägend. Dieses Erfordernis tritt funktionell an die Stelle der Konnexität, die § 273 verlangt.

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Da § 320 mit dem Gegenseitigkeitsverhältnis eine stärkere Verbindung als § 273 erfordert, ist § 320 gegenüber § 273 lex specialis: Bei Ansprüchen im Gegenseitigkeitsverhältnis findet nur § 320 Anwendung, ein Rückgriff auf § 273 ist ausgeschlossen. Praktisch besteht freilich auch kein Bedürfnis dafür, dass beide Normen parallel zur Anwendung kämen. Nicht § 273, sondern § 320 gibt dem Mieter ein Recht, die Zahlung des Mietzinses zu verweigern, wenn der Vermieter die Mietsache nicht überlässt (Ansprüche im Gegenseitigkeitsverhältnis). § 273 ist dagegen einschlägig, wenn der Vermieter die Mietkaution nicht ordnungsgemäß anlegt. Denn die Pflicht zur ordnungsgemäßen Anlage der Mietkaution aus § 551 Abs. 3 steht zur Mietzinszahlungspflicht nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis, sodass § 320 nicht anwendbar ist.

2. Anwendungsbereich

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Die §§ 320-322 gelten nur für gegenseitige Verträge. Im Falle des Rücktritts gelten die Normen aber auch für die Rückgewähransprüche, wie sich aus § 348 ergibt. Erfasst sind auch kauf- oder werkvertragliche Nacherfüllungsansprüche.

3. Voraussetzungen

a) Gegenseitige Ansprüche im Synallagma

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Wie § 273 setzt auch § 320 voraus, dass wechselseitige Ansprüche bestehen. Dazu tritt die für § 320 entscheidende Voraussetzung: Die Ansprüche müssen im Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) stehen. Dazu genügt nicht etwa, dass überhaupt ein gegenseitiger Vertrag vorliegt, der Grundlage der wechselseitigen Pflichten ist. Vielmehr muss für die konkreten Ansprüche das synallagmatische Verhältnis geprüft werden. Denn nicht alle Ansprüche, deren Grundlage ein gegenseitiger Vertrag ist, stehen in der von § 320 vorausgesetzten engen Beziehung zueinander. Das trifft vielmehr grundsätzlich nur für die Hauptleistungspflichten zu.

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Nebenleistungspflichten und Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2) stehen dagegen nicht im synallagmatischen Austauschverhältnis. So begründet beispielsweise der Kaufvertrag auch die Abnahmepflicht des Käufers (§ 433 Abs. 2). Diese Pflicht des Käufers steht grundsätzlich aber nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Pflicht des Verkäufers aus § 433 Abs. 1 S. 1.[40] Aus besonderen Umständen des Einzelfalls kann sich aber anderes ergeben, wenn beispielsweise ein Räumungsverkauf vorliegt; denn dann hat der Verkäufer ein dem Käufer erkennbares und schutzwürdiges besonderes Interesse daran, die Kaufsache auch „loszuwerden“.[41] Die Kaufpreiszahlungspflicht aus § 433 Abs. 2 steht dagegen immer im Gegenseitigkeitsverhältnis zu § 433 Abs. 1 S. 1. Das Gleiche gilt für die Pflicht aus § 433 Abs. 1 S. 2: Der Käufer kann daher die Kaufpreiszahlung gem. § 320 Abs. 1 grundsätzlich so lange verweigern, bis der Verkäufer seiner Nacherfüllungspflicht nachgekommen ist.[42] Auch eine etwaige Pflicht des Verkäufers, die für den Betrieb einer Computeranlage nötigen Handbücher zu liefern, gehört zu den im Synallagma stehenden Pflichten des Verkäufers.[43]

b) Wirksamkeit und Fälligkeit des Anspruchs auf die Gegenleistung (beachte aber: § 215)

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Wie § 273 setzt § 320 voraus, dass der Gegenanspruch des Schuldners auch wirksam und fällig ist. Insofern kann auf die Ausführungen zu § 273 verwiesen werden. Allerdings kann der Schuldner die Einrede des nicht erfüllten Vertrags auch auf eine verjährte Gegenforderung stützen.[44] Dabei ist – anders als beim Zurückbehaltungsrecht, vgl § 215 – nicht erforderlich, dass Anspruch und Gegenanspruch einmal unverjährt gegenüberstanden. Das folgt aus der engen Verbindung synallagmatischer Ansprüche, die in Entstehung und Fortbestand miteinander eng und dauerhaft verbunden sind. Nicht die Verjährung, sondern erst der geschuldete Leistungserfolg trennt diese Verbindung.

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9783811453562
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