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Hardy Crueger

Der Untergang - Die 13te Okergeschichte

Katastrophenthriller

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Frühjahr 2013

2. Mai 1945

crueger ebooks

Impressum neobooks

Wenn Legenden wahr werden

Berge zerbrechen

Und Seen sich in Täler ergießen

Wenn der Himmel schwarz wird

Und Zyklopen die Wälder zerschlagen

Wenn die Erde erbebt

Und Ozeane das Land fressen

Dann glauben die Menschen

dass die Welt

untergeht

„Zufrieden packte Kriminaloberkommissar Carsten Sanders seine Sachen zusammen, verließ das Hotel und ging zum Auto rüber. Er öffnete gerade den Kofferraum, als ihn ein ungewöhnliches Geräusch im Rücken innehalten ließ. Ein Rauschen und Brausen, das immer lauter und lauter wurde, als stehe er nicht mehr im Oberharz, sondern mit dem Rücken zur tosenden Brandung eines Ozeans. Dann, nach einem Atemzug der absoluten Ruhe, brach ein solch furchtbarer Donner über ihn herein, als würde eine wahrhaft infernalische Welle auf den Strand krachen. Mit hochgerissenen Armen wirbelte Sanders panisch herum. Aber da war kein Ozean und kein Tsunami. Da plätscherte nur friedlich und fröhlich vor sich hin glucksend die Oker in ihrem steinigen Bett.“ *

Die Frau warf sich hin und her. Das blonde Haar war schweißnass verklebt. Ihre Beine strampelten, als würde sie laufen, rennen, flüchten. Die Bettdecke rutschte zu Boden. Abwechselnd stöhnte sie auf und schnappte nach Luft. Der Förderkorb schwankte hin und her, aber er fuhr nicht nach oben. Das Wasser stieg, und bald würde es ihre Füße umspülen. Voller Panik schlug sie auf die Knöpfe des Bedienfeldes ein. Aber der Förderkorb bewegte sich nicht. Sie schlug zu, und schlug zu und schrie, und schrie ... und erwachte endlich mit rasendem Herzen.

Doktor Susanne – Susan – Doyle, Expertin für Strahlenschutz und Reaktorsicherheit, lebte seit knapp zwei Jahren wieder in Deutschland. Sie wohnte mit ihrem vierjährigen Sohn Steven in Wolfenbüttel und arbeitete für das Bundesamt, das das Endlager im Salzstock unter der Asse überwachte. Und seit knapp zwei Jahren litt sie unter einem Albtraum: Wassereinbruch im Schacht.

Susan schüttelte den Kopf, um die düsteren Gedanken los zu werden. Sie stieg aus dem Bett, warf sich den Morgenmantel über, band das schulterlange Haar zusammen und betrat die von der Morgensonne durchflutete Küche. Als Kaffee und Kakao fertig waren, ging sie in das Kinderzimmer und weckte Steven.

„Ahoi, little seaman“, sagte sie und strich dem Jungen über die Wange. „Reise, Reise. Der Kapitän ist schon an Bord, das Schiff legt bald ab.“

Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Kaum hatte Steven die Augen auf, sprang er auch schon aus dem Bett und hopste im Zimmer herum. „Ahoi! Ahoi! Ahoi!“, rief er. „Ahoi! Ahoi!“ Seine Mutter musste ihm beim Anziehen helfen, so aufgeregt war er über den Ausflug, den er heute mit der Kindergartengruppe unternehmen würde.

Am Küchentisch sagte er es zu der Kakaotasse, zum Brötchen, zum Käse, zum Joghurt und zum Apfel: „Ahoi!“

„Du freust dich sehr auf die Schiffstour, nicht wahr?“

Der Junge nickte mit glänzenden Augen und strahlte über den Rand des Bechers hinweg seine Mutter an. Kakao kleckerte ihm auf den Pullover und perlte zu Boden. Aber es war nicht schlimm. Wenn Susan ihren Sohn so glücklich sah, wenn seine strahlenden Augen ihr schweres Herz ein wenig erleichterten, dann verzieh sie ihm alles. Denn seit dem Tod seines Vaters waren diese Augenblicke sehr selten geworden.

Nach dem Frühstück brachte sie Steven in den Kindergarten. Sie küsste ihn auf die Stirn und sagte: „Bis gleich, mein Schatz.“ Denn während er mit den anderen Kindern und den Erzieherinnen auf der MS AquaMarin über den Okerstausee fahren würde, ging sie endlich mal wieder Tauchen. Nils, ein Arbeitskollege, der seit ein paar Monaten meinte, sich um sie kümmern zu müssen, hatte sie eingeladen, kurz nachdem er von ihrer Leidenschaft für das Tauchen erfahren hatte.

Sie hatten sich einen Tag Urlaub genommen und waren an der Stelle verabredet, an der auch die Kinder an Bord des Schiffes gehen würden. Direkt an der Staumauer, neben dem Café Okerterrasse würde Nils mit dem Equipment warten, für das er hatte sorgen wollen. Die knapp fünfzig Kilometer bis zum Treffpunkt an der Okertalsperre im Harz fuhr sie gemütlich und brauchte keine Stunde dafür.

Als sie auf den Parkplatz einbog, sah sie schon von weitem den grünen Transporter mit der schwarzen Silhouette eines Tauchers darauf. Nils stand neben der geöffneten Schiebetür des Wagens. Aber er war nicht alleine. Ein zweiter Mann stand neben ihm. Groß, kräftig, dunkelhaarig. Er lächelte sie an, als sie aus ihrem Auto stieg.

„Guten Morgen, Susan“, sagte Nils und zeigte auf den Mann neben ihm. „Das ist Hektor von Tellheim. Er ist Polizeitaucher und Tauchlehrer – und geschieden. Ohne sich selbst als Zugabe wollte er uns die Ausrüstung nicht ausleihen. Ich hoffe, du hast nichts dagegen?“

„Hallo Susan“, sagte von Tellheim und streckte eine gepflegte, feingliedrige Hand aus. „Ich darf doch Susan sagen?“ Mit einem bübischen Lächeln strahlte er sie an.

Susan ergriff seine Hand. Warm, trocken, zart, aber auch fest und solide. Sie schaute ihm in die dunklen Augen und in ihrem Bauch schlüpfte ein kleiner, grauer Schmetterling aus einer steinharten, lang verschlossenen Puppe, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte.

„Dürfen Sie. Guten Morgen“, sagte sie. „Hektor ... das ist aber ein ungewöhnlicher Name.“

„Leider bin ich nur Tauchlehrer und kein Held“, sagte er lachend und ließ eine Reihe perlweißer Zähne aufblitzen. „Hast du dein Logbuch mitgebracht? Nicht, dass ich dir nicht glaube, dass du tauchen kannst. Aber es kann viel passieren. Unter Wasser schwebt man immer in Lebensgefahr.“

„Natürlich.“ Susan nickte, kramte in ihrer Tasche und gab dem Tauchlehrer das Logbuch, in dem all ihre Tauchgänge verzeichnet waren.

Hektor blätterte es kurz durch, murmelte: „Aha ... Hawaii, Kuba, Malediven, schön, schön. Wracks und Höhlen hast du auch betaucht ...“, verweilte dann aber beim letzten Eintrag. „Dein letzter Tauchgang ist über zwei Jahre her. Glaubst du ...“

„Natürlich“, unterbrach Susan ihn barsch und zog die Augenbrauen zusammen. „Ich habe nicht vergessen, wie das geht.“

„Aber warum diese lange Pause? Tauchen macht so viel Spaß. Wenn ich mal eine Woche nicht tauchen kann, werde ich unruhig“, sagte er und gab ihr das Logbuch zurück.

„Mein Mann ist gestorben. Wir waren immer zusammen unten. Heute ist es das erste Mal ohne ihn ...“ Energisch schob sie das Buch in ihre Tasche zurück.

„Oh, das tut mir leid“, sagte er ernst und senkte den Blick.

Nils klatschte in die Hände. „Na kommt, Kinder. Das wird ein schöner Tauchgang. Ich habe das im Urin. Und seht euch an, wie hoch der Wasserstand ist. Ich würde mal sagen – die Wanne ist voll.“ Er zeigte auf den glänzenden Wasserspiegel, der bis zu den Kiefern reichte. Der Bewuchs begann erst oberhalb der Wasserlinie, die den höchsten Stand der Talsperre anzeigte. An der vorgewölbten, von Spaziergängern belebten Staumauer reichte das Wasser bis fast an die Überlaufschächte heran.

Hektor gab Susan aus dem Fundus einen Taucheranzug, der ihr eine Nummer zu klein war. Bald hatten sie den richtigen gefunden und Susan stand im Badeanzug an der offenen Tür des Transporters. Sie versuchte in den Anzug zu steigen, aber das Neopren war trocken und störrisch und sie musste sich bücken, um die Füßlinge in die richtige Stellung zu ziehen.

„Na, ditte nenn ick doch ma 'n echt klasse Arsch‚ wa, Hotte? Kick dir das ma an. Ick werd irre ...“

Susan schnellte hoch, drehte sich um und funkelte die beiden Männer wütend an. Ein dicker und ein dünner, beide in Wanderstiefeln, Goldwäscherpfannen am Gürtel und Klappspaten auf dem Rücken. Aber da hörten die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Den Dünnen umschlackerte blaue Ballonseide. Unter der schiefen Nase saß ein Schnauzbart und am Hinterkopf ein schütterer Pferdeschwanz. Der Dicke trug Bundeswehrklamotten und einen Strohhut auf dem Kopf. „Unverschämtheit“, zischte Susan und angelte nach einem Handtuch. Die beiden Männer standen nur drei, vier Meter von ihr entfernt und gafften sie an. Der Dünne leckte mit der Zunge in der Luft herum und der andere grinste frech mit der Hand im Schritt.

„Was soll denn das!“, rief Susan. „Müssen Sie mich so anstarren?“

„Na logo“, sagte der dicke Hotte. „Oder is das etwa verboten? Siggi, is das verboten?“

Ehe Siggi antworten konnte, ertönte eine tiefe, feste Stimme hinter ihm: „Hier schon! Verschwindet mal ganz schnell, ja? Oder soll ich euch Beine machen?“

Überrascht drehten sich die beiden um, so dass die Goldwäscherpfannen polternd gegeneinander schlugen. Hinter ihnen stand Hektor, mit hochgerecktem Kinn und übereinandergeschlagenen Armen auf den Zehen wippend. Er war cool, und er sah aus, als könne er ohne Erbarmen zuschlagen, wenn es nötig war.

„Mensch“, sagte Siggi und lächelte mit braunen, schiefen Zähnen. „War doch nur Spaß, wa. Reg dir wieder ab, man. Dit is deine Puppe – allet klar. Wir geh’n ja schon. Obwohl das sein kann, das wa uns janz schnell wiedasehen, Meister. Janz schnell.“ Die beiden stiefelten polternd davon, gingen über die Straße zur Okerterrasse, setzten sich und bestellten Bier.

„Was war das denn?“, fragte Nils, der im schwarzen Neoprenanzug hinter dem Bus hervorkam.

„Zwei Deppen auf dem Weg zur Hölle“, sagte Hektor. Dann trat er zu Susan und nahm ihre Hand. „Alles in Ordnung?“

Susan nickte nur, genoss einen kleinen Augenblick die Berührung und den zarten Flügelschlag des Schmetterlings, dann machte sie sich von dem Mann los und zog das Neopren hoch, bis es sie so eng umschloss wie eine zweite Haut.

* * *

Leise vor sich hin summend schloss Jonas Tiefensee, der Kapitän der MS AquaMarin, die Tür zur Kommandobrücke auf. Er nahm die weiße Kapitänsmütze vom Haken und setzte sie sich mit beiden Händen in einer sakral anmutenden Geste auf den Kopf. In den letzten Wochen war er nicht ein einziges Mal so gut gelaunt zur Arbeit gekommen. Seit dieser Sache mit dem kleinen Mädchen, das über Bord gefallen und ertrunken war*, hatte er sein Schiff mit ähnlichen Gefühlen betreten wie ein Zugführer, der machtlos einem Selbstmörder hatte behilflich sein müssen, seine Lokomotive. Aber damit war nun Schluss. Endgültig. Die Ziehung der Lottozahlen am vergangenen Wochenende hatte die Wende gebracht. Er hatte tatsächlich gewonnen!

Jetzt konnte er sich endlich seinen sehnlichsten Wunsch erfüllen: Raus aufs offene Meer. Wo der Blick bis zum Horizont reicht. Wo ein salziger Wind weht. Der Schiffsbug die Wellen zerteilt und Gischt über das Schiff geht ... Er würde dem 220 Hektar aufgestauten Schmelz- und Regenwasser der Okertalsperre keine Träne nachweinen. Überall stieß der Blick des Seemannes auf Bäume, Felsen und Schieferschutt. Das Wasser so glatt und langweilig wie ein Ententeich.


Endlich würde er sich ein hochseetaugliches Segelboot kaufen können. Schluss mit der Ausflugsschipperei! Er war 48 Jahre alt. Er hatte nicht mehr daran geglaubt, dass sich sein Traum in diesem Leben noch erfüllen würde. Vielleicht würde er sogar endlich eine nette Frau kennenlernen, auf Tonga, Tahiti oder Bali. Im stillen Ozean könnten sie ein Kind zeugen und dann ab in die Karibik.

Er steckte den Schlüssel in das Zündschloss, griff zum Hörer des Schiffstelefons und erkundigte sich bei Elke, Kassiererin, Kellnerin und 1. Offizier in einer Person, nach der Reservierungsliste des heutigen Vormittags. Eine Kindergartengruppe aus Wolfenbüttel, eine Berufsschulklasse aus Halberstadt und eine Busladung Rentner aus Braunschweig waren für die erste Rundfahrt angemeldet. Mit etwas über einhundert Personen an Bord war das Schiff nicht mal zur Hälfte belegt. Aber das konnte ihm ab jetzt auch vollkommen egal sein. Alles war ihm egal, weil er bald nicht mehr hier im Harz sein würde.

„Auf ... der ... Reeperbahn, nachts um halb eins … dideldideldi ...“, sang Tiefensee bestens gelaunt und überprüfte die Instrumente. Nur die Kinder würden ihm fehlen. Er freute sich immer, sie aufgeregt hin und her springen zu sehen, wenn der abgeflachte Bug der AquaMarin gegen das Geröll am Ufer stieß und Elke die im Schiffsschnabel eingelassene Gangway hinunterließ. Da gab es kein Halten mehr. Sie stürmten an Bord wie die Teufel, kreischten herum und schrien Wörter aus ihren Piratenbüchern: Ahoi! Entern! Segelsetzen!

Die Braunschweiger Rentner hier am Hauptanleger kamen ruhiger an Bord, schlurften schwatzend runter in den Salon. Suchten ihre reservierten Plätze auf und begannen sofort mit dem Studium der Speisekarte.

Elke klappte die Gangway hoch und machte die Leinen los. Jonas Tiefensee schaltete den Elektromotor ein und steuerte das Schiff langsam von seinem Liegeplatz an der Weißwasserbrücke auf den See hinaus. Erst am Anleger der Hauptstaumauer würde er die Kinder und die Berufsschulklasse aufnehmen. Das Kielwasser der AquaMarin kräuselte sich nur wenig, als die 173 PS des Elektromotors das Schiff durch das Wasser schoben.

* * *

Susan, Nils und Hektor hatten mit einem Handwagen die Tauchausrüstung vom Parkplatz runter an das Seeufer geschafft. Sauerstoffflaschen, Taucherflossen, Stirnlampen und Atemmasken türmten sich darauf, als sie mit dem Gefährt den Schotterweg hinunterrumpelten. Nach ein paar Metern versank der Weg, dort, wo ein dicker Balken in der Wasserlinie lag.

Sie legten ein paar Steine unter die Räder des Wagens und fingen an, die Sachen auszuladen, als oben auf dem Parkplatz zwei Busse hielten. Der eine war voller Kindergarten-Kinder, der andere brachte die Berufsschüler an die Talsperre.

Hotte und Siggi saßen auf der Terrasse des Cafés, glotzten die Schülerinnen an, die sich vor der Schifffahrt mit Chips, Eis und Cola eindeckten. Als die beiden Goldsucher das Bier ausgetrunken hatten, nahmen sie ihre Sachen, verließen die Terrasse und machten sich auf den Weg hinab in das steinige Okertal unterhalb der Staumauer. Da unten wollten sie ihr Glück versuchen.

Die Kinder stürmten den Schotterweg hinunter. Steven hatte seine Mutter schon von weitem entdeckt und ihr zugerufen. Alle Kinder umringten die Taucher, stellten unendlich viele Fragen und befingerten das Tauchequipment. Erst als jemand sagte: „Das Schiff kommt!“, ließen einige von den Tauchersachen ab und wendeten sich dem Wasser zu.

Weit draußen im Tal zwischen den Bergen wirkte die AquaMarin klein. Sie kam langsam näher und beschrieb einen Bogen vor der riesigen Staumauer, ehe sie auf den Schotterweg zufuhr.

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