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3.Militärseelsorge

Entgegen dem Wortlaut „Heer“ in Art. 141 WRV gewährt diese Vorschrift die Zulassung und die Vornahme religiöser Handlungen in der gesamten Bundeswehr18 und stellt damit eine Konkretisierung der Religionsausübung der Soldaten in der Bundeswehr dar.19 Die Einzelheiten sind in dem zwischen der EKD und der Bundesrepublik Deutschland 1957 abgeschlossenen Militärseelsorgevertrag und den entsprechenden Kirchengesetzen der EKD (RS 194) und der ELKB (RS 196) geregelt.20 Danach ist die Militärseelsorge ein Teil der den Gliedkirchen obliegenden Seelsorge (§ 1 MilSeelsG, Art. 2 Abs. 1 MilSeelsVertr). Für den organisatorischen Aufbau sorgt der Staat. Er trägt auch die Kosten (Art. 2 Abs. 2 MilSeelsVertr).

Im Zuge der Vereinigung der deutschen evangelischen Kirchen ist die Militärseelsorge in der bisherigen Form verstärkt in Frage gestellt worden. Besonders die beamtenrechtliche Stellung der Militärgeistlichen21, das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr als dem Bundesminister für Verteidigung unmittelbar nachgeordnete Behörde und die Erteilung des Lebenskundlichen Unterrichts durch die Militärpfarrer wurden problematisiert. Für eine Übergangszeit bis 2003 wurde deshalb vereinbart, die evangelische Militärseelsorge in den neuen Gliedkirchen der EKD abweichend von der im Großen und Ganzen bewährten Regelung des Militärseelsorgevertrages auszuüben und die Seelsorge in der Bundeswehr durch Militärgeistliche im Status von Kirchenbeamten der EKD durchführen zu lassen. Da auf Dauer eine unterschiedliche Handhabung jedoch als nicht möglich erschien, wurde zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und der EKD im Rahmen der „Protokollnotiz zur Auslegung des Militärseelsorgevertrages“ vom 13. Juni 2002 folgende Verständigung erreicht: Der Militärseelsorgevertrag gilt nunmehr bundesweit; es besteht aber die Möglichkeit, die Militärgeistlichen im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu ihrer jeweiligen Landeskirche zu belassen oder (nur) im Angestelltenverhältnis zu beschäftigen.22

Besondere Seelsorgedienste mit ähnlicher Organisationsstruktur gibt es auch beim Bundesgrenzschutz und bei der Polizei. Sie sind in Einzelvereinbarungen geregelt.23

4.Theologische Fakultäten

Da nach dem GG dem Bund keine Zuständigkeit auf dem Gebiet des Hochschulwesens zukommt, ist im GG selbst – anders als noch in Art. 149 Abs. 3 WRV – keine Garantie der Theologischen Fakultäten enthalten. Dagegen sind sie in Länderverfassungen (Art. 150 Abs. 2 BV) und Kirchenverträgen institutionell garantiert (Art. 3 § 1 Bayer. Konkordat, Art. 2 Abs. 1 Staatskirchenvertrag).

Als Teil der staatlichen Universitäten sind die Theologischen Fakultäten staatliche Einrichtungen, die der Staat im Rahmen seiner umfassenden Kulturverantwortung und seines Auftrages zum Schutz und zur Pflege der Wissenschaften unterhält. Gleichzeitig erfüllen sie auch kirchliche Aufgaben, nämlich die wissenschaftliche Ausbildung des Nachwuchses der Pfarrerschaft. Dies begründet die kirchlichen Mitwirkungsrechte bei der Ernennung der Professoren und Dozenten,24 aber auch gewisse Beanstandungsrechte hinsichtlich Lehre und Lebenswandel, wie sie in den Konkordaten ausdrücklich enthalten sind,25 aber auch den evangelischen Kirchen zukommen, obwohl eine diesbezügliche Bestimmung in den evangelischen Kirchenverträgen regelmäßig nicht enthalten ist.26 Die Professoren und Dozenten sind somit staatliche Beamte, unterliegen der staatlichen Dienstaufsicht, werden vom Staat ernannt, üben aber wegen der bestehenden kirchlichen Mitwirkungsrechte ein konfessionell gebundenes Staatsamt aus. Dies hat zur Folge, dass bei Beanstandungen – oder auch Kirchenaustritten bzw. Konfessionswechsel – der Betreffende aus der Fakultät ausscheidet, ohne jedoch seinen Beamtenstatus zu verlieren, und in der Regel einer anderen Fakultät angegliedert wird.27 Ferner hat der Staat für entsprechenden Ersatz zu sorgen, bei katholischen Theologischen Fakultäten aufgrund entsprechender Konkordatsbestimmungen (z. B. Bayer. Konkordat Art. 3 § 3), bei evangelischen Theologischen Fakultäten mangels vertraglicher Bestimmungen jedoch nur dann, wenn sonst der ordnungsgemäße Lehrbetrieb und die Forschung, namentlich in den Kernfächern, nicht mehr gewährleistet wären.28

5.Kommunale Friedhöfe

Kommunale Friedhöfe zählen zu den „sonstigen öffentlichen Anstalten“ im Sinne von Art. 141 WRV, zu denen die Religionsgemeinschaften zu religiösen Handlungen zuzulassen sind. Sie sind „gemeinsame Angelegenheiten“, weil sie einerseits Anstalten der Kommunen sind, zudem das gesamte Leichenwesen eine staatliche (gesundheitspolizeiliche) Angelegenheit ist, andererseits aber Bestattungen auch zu den herkömmlichen religiösen Aufgaben der Kirchen und Religionsgemeinschaften gehören. Kirchliche Friedhöfe zählen dagegen zu den eigenen Angelegenheiten der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Sie sind dabei allerdings im Rahmen des Schrankenvorbehalts in Art. 137 Abs. 3 WRV an staatliche Regelungen und Genehmigungen, z. B. gesundheitspolizeilicher, planerischer oder anderer Art gebunden.

Ist der kirchliche Friedhof der einzige am Ort, hat er also Monopolcharakter, besteht ein allgemeiner Benutzungsanspruch. Wegen des allgemeinen Bestattungszwangs auf Friedhöfen (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 12 BestG – RS 413) ist daher auf diesen Friedhöfen auch die Beisetzung Andersgläubiger unter den für sie üblichen Formen und ohne räumliche Absonderung zu gestatten (Art. 8 Abs. 4; vgl. bereits Art. 149 Abs. 2 BV).

Monopolfriedhöfe unterliegen auch sonst stärkeren Beschränkungen, z.B. bei der Möglichkeit, die Grabmalgestaltung vorzuschreiben, wobei aber sowohl bei Bestattungs- und Totengedenkfeiern als auch bei der Gestaltung der Grabstätten das religiöse Empfinden der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft nicht verletzt werden darf (BestG Art. 8 Abs. 4 Satz 1).29

6.Religionsunterricht30

Fallbeispiel 5:

Pfarrer Neuhäuser erteilt ausgesprochen widerwillig Religionsunterricht. Bei einem Gespräch mit Dekanin Frisch aus Anlass zahlreicher Beschwerden über den Unterrichtsstil von Pfarrer Neuhäuser erklärt dieser, dass er künftig überhaupt keinen Religionsunterricht mehr halten werde. Die Regelung, wonach Pfarrer zur Erteilung von Religionsunterricht verpflichtet seien (§ 27 Abs. 4 PfDG.EKD i. V. m. § 12 PfDAG ELKB), sei ohnehin verfassungsrechtlich unhaltbar; aus dem Grundgesetz ergebe sich eindeutig, dass niemand gegen seinen Willen verpflichtet werden dürfe, Religionsunterricht zu erteilen. Ist seine Einschätzung richtig?

Fallbeispiel 6:

a) Auf einem Schulelternabend fordert die Mehrheit der versammelten Eltern die Schulleitung auf, Religionsunterricht künftig als überkonfessionelle Lehrveranstaltung durchzuführen. Ein nach Konfessionen getrennter Religionsunterricht sei im Zeitalter der Ökumene nicht mehr verständlich.

b) Außerdem müsse eine Lösung für die vielen Muslime in der Schule gefunden werden, da sie genauso wie ihre christlichen Mitschüler und -schülerinnen ein Recht auf schulische Unterweisung in den Grundsätzen ihrer Religionsgemeinschaft hätten.

c) Von einigen Eltern wird die Auffassung vertreten, dass es ohnehin das Beste sei, wenn anstelle des herkömmlichen Religionsunterrichtes auch in Bayern nach dem Vorbild des Bundeslandes Brandenburg das Lehrfach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde“ (LER) eingeführt werde.

Fallbeispiel 7:

a)Die Gemeindepfarrerin Bianca Bernhard erteilt an einer Mittelschule Religionsunterricht. In der 6. Klasse befinden sich drei muslimische Kinder, für die ein eigener islamischer Religionsunterricht nicht eingerichtet ist. Können diese Kinder am evangelischen Religionsunterricht teilnehmen?

b)Angenommen, diese Kinder nehmen nicht am evangelischen Religionsunterricht teil, kann der Rektor sie dem Unterricht der Frau Bernhard zuweisen, damit diese Kinder während dieser Zeit wenigstens unter Aufsicht sind? Spielt es dabei eine Rolle, ob diese Kinder den Unterricht stören oder friedlich in den hinteren Reihen schlafen?

c)Welche Rechtsstellung hat Pfarrerin Bernhard im Hinblick auf die übrigen Lehrer der Schule? Ist sie Mitglied der Lehrerkonferenz? Kann sie sich weigern, an Sitzungen der Lehrerkonferenz teilzunehmen, an denen keine besonderen, den Religionsunterricht betreffenden Fragen behandelt werden? Hätte die Schulbehörde bei ständigem unentschuldigtem Fernbleiben irgendwelche disziplinarischen Rechte gegenüber Frau Bernhard?

a)Religionsunterricht im verfassungsrechtlichen Zusammenhang

Die Zuordnung des Religionsunterrichts zu den gemeinsamen Angelegenheiten ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 3 GG. Zum einen unterliegt der Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach staatlichem Aufsichtsrecht, zum anderen wird er in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Er ist also einerseits eingebettet in das öffentliche Schulsystem und die staatliche Schulaufsicht, für die inhaltliche Ausrichtung sind dagegen die Grundsätze der jeweiligen Religionsgemeinschaften bestimmend. Staat und Kirche haben also je eigene Zuständigkeiten, die streng voneinander geschieden sind.31 Erst im Zusammenwirken beider – unter Achtung der jeweiligen Zuständigkeiten – kommt dann diese verfassungsrechtliche Garantie zum Tragen.

Der Religionsunterricht ist Ausfluss und Konkretion von Art. 4 GG, indem – im Sinn der dort gewährleisteten positiven Religionsfreiheit – Glaube und Weltanschauung als Werte aus dem staatlichen Unterrichtssystem nicht ausgeblendet werden und der Anspruch auf religiöse Erziehung auch in diesem Bereich anerkannt wird. Andererseits wird der negativen Religionsfreiheit dadurch Rechnung getragen, dass Schüler sich von diesem Unterricht abmelden können (Art. 7 Abs. 2 GG, Art. 137 Abs. 1 BV i. V. m. Art. 46 Abs. 4 BayEUG – RS 125) und keine Lehrkraft gezwungen werden kann, Religionsunterricht zu erteilen (Art. 7 Abs. 3 S. 3 GG, Art. 137 Abs. 3 BV, Art. 46 Abs. 2 S. 2 BayEUG). Gleichzeitig steht der Religionsunterricht damit in einem Funktionszusammenhang mit dem Erziehungsauftrag öffentlicher Schulen, zu deren Bildungszielen auch eine Vermittlung gewisser religiöser Werte gehört (Art. 131 Abs. 2 BV), dem Erziehungsrecht der Eltern (Art. 6 Abs. 2 GG, Art. 126 Abs. 1 BV), das auch die religiöse Erziehung umfasst (§ 1 RKEG – RS 240) und dabei nicht auf den privaten Bereich beschränkt ist, und der Religionsfreiheit der einzelnen Schüler bzw. Schülerinnen oder deren Eltern wie auch der betreffenden Religionsgemeinschaften (vgl. auch Art. 127 BV).

b)Rechtsgrundlagen

Wichtigste Rechtsgrundlagen für den Religionsunterricht sind einmal die verfassungsrechtlichen Bestimmungen in Art. 7 Abs. 3 GG und Art. 136 Abs. 2 BV. Vertragsrechtlich ist Art. 10 des Kirchenvertrags (RS 110) grundlegend. Wiederholt und teilweise näher konkretisiert wird die verfassungsrechtliche Garantie des Religionsunterrichts in Art. 46 BayEUG – also im Rang eines Gesetzes –, sowie – im Verordnungsrang – in den einzelnen Schulordnungen für die betreffenden Schularten.32

Aus dem kirchlichen Recht ist insbesondere die RUVertV (RS 151) einschlägig. Sie regelt im Rahmen der kirchlichen Zuständigkeit die Verteilung des Religionsunterrichts auf die einzelnen kirchlichen Lehrkräfte. Im Hinblick auf die Gemeindepfarrer, zu deren ordentlichen Dienstaufgaben der Erteilung des Religionsunterrichts gehört (§ 27 PfDG.EKD i. V. m. § 12 PfDAG ELKB – RS 500/2), enthält sie nähere Bestimmungen über den Umfang dieser sie treffenden Verpflichtung (Regelstundenmaß mit Minderungs- und Anrechnungsmöglichkeiten, Sammelkontingent).

c)Art der Garantie

Durch die Bestimmungen in Art. 7 Abs. 7 Abs. 3 GG und Art. 136 Abs. 2 BV ist der Religionsunterricht einerseits verfassungsrechtlich als Einrichtung garantiert (institutionelle Garantie). Zugleich gewährt er den Schülern und Schülerinnen, deren Eltern und auch den Religionsgemeinschaften ein Grundrecht auf Erteilung von Religionsunterricht in dem von Art. 7 Abs. 3 GG vorgesehenen Rahmen.33

Eine Einschränkung hierzu enthält jedoch Art. 141 GG. Danach findet Art. 7 Abs. 3 S. 1 keine Anwendung in einem Bundesland, in dem am 1.1.1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand. Diese sog. „Bremer Klausel“ hat Bedeutung für die Bundesländer Bremen und Berlin, da in ihnen zum genannten Zeitpunkt andere landesrechtliche Regelungen bestanden, nämlich in Bremen ein „bekenntnismäßig nicht gebundener Unterricht in Biblischer Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage“ und Berlin ein Religionsunterricht, der nicht als staatlicher, sondern als kirchlicher Unterricht erteilt wurde, zwar in den Räumen der Schule, aber auf freiwilliger Grundlage. In beiden Bundesländern sind diese Rechtsgrundlagen auch heute noch maßgebend.34

Die Bremer Klausel in Art. 141 GG hat auch im Zuge der deutschen Vereinigung eine Rolle gespielt. In den damaligen Ländern der DDR bestand zum 1. Januar 1949 zum Teil eine ähnliche Regelung wie im Bundesland Berlin. Insoweit glaubte man, auch dort einen Anwendungsfall von Art. 141 GG annehmen zu können. Da aber die Länder der ehemaligen DDR durch die 1952 erfolgte Neustrukturierung (Einteilung in Bezirke) untergegangen und erst 1990 neu konstituiert worden sind, wird man zutreffend davon ausgehen müssen, dass die Ausnahmeregelung des Art. 141 GG für diese neuen Bundesländer nicht gilt.35

Die neuen Länder sind deshalb auch – mit Ausnahme von Brandenburg – der grundgesetzlichen Verpflichtung zur Einrichtung von Religionsunterricht nachgekommen. Demgegenüber ist im Land Brandenburg anstelle des Religionsunterrichts das neue Unterrichtsfach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde“ (LER) eingeführt worden. Das deshalb gegen das Brandenburgische Schulgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht geführte Verfahren ist durch einen Vergleich beendet worden: der LER-Unterricht ist zwar weiterhin das Regelunterrichtsfach, es besteht jedoch eine Befreiungsmöglichkeit zugunsten des Religionsunterrichts; in diesem Sinne ist durch eine Änderung des Schulgesetzes sichergestellt worden, dass niemand, der am Religionsunterricht teilnehmen und diesen an Stelle von LER besuchen möchte, gegen seinen Willen am LER-Unterricht teilnehmen muss.36

d)Inhalt der Garantie – staatliche und kirchliche Zuständigkeiten

Wie bei den anderen Sachbereichen der gemeinsamen Angelegenheiten müssen Staat und Kirche auch beim Religionsunterricht unter Wahrung ihrer jeweiligen Zuständigkeit (vgl. bereits oben a) notwendigerweise zusammenwirken. So gehört der gesamte schulorganisatorische Bereich in die Regelungszuständigkeit des Staates, die inhaltliche Gestaltung dagegen in diejenige der Kirche. Im Einzelnen bedeutet dies:

Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach (Pflichtfach, vgl. auch Art. 46 Abs. 1 BayEUG). Dabei berührt die Möglichkeit der Abmeldung (s. u.) nicht diesen Charakter als Pflichtfach, macht den Religionsunterricht also nicht zu einem Wahlfach oder Wahlpflichtfach.37 Der Religionsunterricht ist staatliches Unterrichtsfach, nicht kirchlicher Unterricht.38 Die Erteilung des Religionsunterrichts ist also eine staatliche Aufgabe und Angelegenheit. Er unterliegt staatlichem Schulrecht und staatlicher Schulaufsicht.

Träger des Religionsunterrichts ist somit der Staat. Dieser hat für seine Einrichtung zu sorgen. Ihm obliegt die Bereitstellung der Lehrkräfte.39 Er hat ferner für die Kosten des Religionsunterrichts (sachliche40 und personelle41) aufzukommen. Ordentliches Lehrfach bedeutet weiter:

–Obligatorisches Lehrfach: Die Einrichtung des Religionsunterrichts steht also nicht im Belieben des Staates. Der Staat muss gewährleisten, dass der Religionsunterricht ein Unterrichtsfach mit derselben Stellung und Behandlung wie andere ordentliche Lehrfächer ist.

Ausnahmen bestehen nur bei zu geringer Schülerzahl, wenn dadurch ein geordneter Unterrichtsbetrieb nicht möglich ist. Die bayerischen Schulordnungen sehen eine Mindestteilnehmerzahl von 5 Schülern bzw. Schülerinnen vor.42 Um diese Zahl zu erreichen, kann der Religionsunterricht auch jahrgangsübergreifend oder für mehrere benachbarte Schulen zusammen eingerichtet werden. Ein Absinken der Schülerzahl während des Schuljahres unter dieses Quorum, z. B. durch Abmeldungen, entbindet nicht von der Verpflichtung der Einrichtung und Erteilung des Religionsunterrichtes.43

–Prinzipielle Gleichstellung mit anderen ordentlichen Lehrfächern. Daraus folgt: Der Religionsunterricht ist eine selbstständige Lehrveranstaltung. Er ist mit einer angemessenen Stundenzahl zu berücksichtigen (dies wird einvernehmlich von Staat und Kirche je nach Klassenstufe festgelegt, vgl. Art. 10 Abs. 1 S. 3 Kirchenvertrag – RS 110) und kann nicht grundsätzlich nur den jeweils ersten und letzten Stunden (Eckstunden) zugewiesen werden.44

–Benotungspflicht, und zwar die Pflicht zur leistungsgerechten Benotung im Rahmen der üblichen Notenstufen. Benotet werden nicht Glaubensüberzeugungen, sondern das in diesem Unterrichtsfach vermittelte Wissen.45 Ob die Religionsnote versetzungserheblich ist, entscheidet sich nach jeweiligem Landesrecht, wobei hier nach Schularten differenziert werden kann.

–Religionskräfte haben Sitz und Stimme in der Lehrerkonferenz und in der Klassenkonferenz, und zwar auch dann, wenn der Religionsunterricht nicht durch staatliche, sondern durch kirchliche Lehrkräfte erteilt wird.46

Die Erteilung des Religionsunterrichts „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaft“ bedeutet:

–Der Religionsunterricht ist bekenntnisbezogen, es handelt sich also um einen konfessionell gebundenen Unterricht. Ein allgemeiner Religions- oder Konfessionskundeunterricht wäre damit nicht vereinbar47, wohl aber religionspädagogische Konzepte, die den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung tragen und für vergleichende Hinweise auf andere Konfessionsinhalte offen bleiben, so lange dadurch nicht die „besondere Prägung als konfessionell gebundene Veranstaltung“ verloren geht (BVerfGE a. a. O.).48

–Für den Inhalt des Religionsunterrichts ist die betreffende Religionsgemeinschaft verantwortlich. Daraus folgt, dass die Lehrkräfte, die Religionsunterricht erteilen, der Bevollmächtigung ihrer Religionsgemeinschaft bedürfen (katholisch: missio cononica, evangelisch: vocatio; vgl. Art. 19 Satz 3 KVerf, Art. 136 Abs. 4 BV, Art. 6 Abs. 1 Kirchenvertrag, Art. 46 Abs. 2 S. 1 BayEUG).49 Daraus folgt weiter das Erfordernis der Zustimmung der Religionsgemeinschaft zum verwendeten Unterrichtsmaterial (Genehmigung der Lehrbücher) und die einvernehmliche Festlegung von Lehrplänen und Lernzielen50).

Zur Überprüfung, ob der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit ihren Grundsätzen erteilt wird, haben die Religionsgemeinschaften das Recht der Einsichtnahme in den Unterricht, der Visitation (Art. 12 Kirchenvertrag, Art. 112 BayEUG). Bei Beanstandungen sind allerdings die verschiedenen Zuständigkeiten zu beachten: Soweit es sich um Lehrkräfte handelt, die nicht im kirchlichen Dienstverhältnis stehen, besteht kein (dienstrechtliches) Weisungsrecht seitens der Religionsgemeinschaften. Deren Beauftragte können sich mit den einzelnen Lehrkräften nur gesprächsweise ins Benehmen setzen, aber keine Weisungen erteilen. Beanstandungen mit der Bitte um Abstellung können nur an die Schulaufsichtsbehörden herangetragen werden (Art. 112 Abs. 2 BayEUG). Bei beharrlicher Weigerung der einzelnen Lehrkraft bliebe seitens der betreffenden Religionsgemeinschaft als letztes Mittel nur der Widerruf der Bevollmächtigung. Bei eigenen Lehrkräften besteht dagegen ein direktes, aus dem Dienstverhältnis folgendes Weisungsrecht der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Umgekehrt hat der Schulleiter gegenüber kirchlichen Lehrkräften nur im Rahmen seiner Zuständigkeit, also den äußeren Unterrichtsablauf und die Schulorganisation betreffend, ein Weisungs- und Beanstandungsrecht (Einhaltung der Disziplin im Unterricht, rechtzeitiges Anzeigen bei Fernbleiben, Teilnahme an Lehrer- und Klassenkonferenzen sowie Teilhabe an schulischen Aufgaben außerhalb der eigentlichen Unterrichtsverpflichtung wie Pausenaufsicht oder Wandertage, soweit dies mit den anderweitigen Verpflichtungen vereinbar ist). Zu irgendwelchen disziplinarischen Maßnahmen gegenüber kirchlichen Lehrkräften ist der Schulleiter dagegen nicht befugt.

–Zu der allein in der Zuständigkeit der einzelnen Religionsgemeinschaften liegenden inneren Gestaltung des Religionsunterrichts gehört auch die Bestimmung über den Teilnehmerkreis, insbesondere die Zulassung von Schülern bzw. Schülerinnen fremder Konfession bzw. von Konfessionslosen. Diese Entscheidung liegt allein bei der für den Unterricht verantwortlichen Religionsgemeinschaft.51

3 159,09 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
23 декабря 2023
Объем:
1139 стр. 49 иллюстраций
ISBN:
9783532600627
Издатель:
Правообладатель:
Автор
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