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11. NORDLAND-REISE (1867-1868)1

Mitte Dezember 1867:

Anfang Dezember schnürte ich wieder mein Bündel und verabschiedete mich in der Hoffnung, in einigen Wochen wieder zurück zu sein. In Rostock fand ich einen Frachtdampfer, der mich zum schwedischen Hafen Salmis brachte. Salmis ist der Seehafen der Stadt Haparanda, das von den Schweden Län Norbotten genannt wird. Von hier aus sind es nur wenige Kilometer bis hinüber zur russischen Grenzstadt Tornea, die zum finnischen Gouvernement Uleaborg gehört und an der Mündung des Torne-Elf in den Bottnischen Meerbusen liegt. Hier erwischte ich glücklicherweise ein Rentiergespann, das mich hinauf nach Rovaniemi ins finnische Lappland brachte. Dort am nördlichen Polarkreis ist es um diese Jahreszeit nur zwei Stunden am Tag hell. Es herrscht ‚Kaamos‘, die Polarnacht, was auch gleichzeitig Ruhe, Stille und Friede bedeutet.

Hier traf ich auf dem Markt Vater Pent, das Oberhaupt einer Samenfamilie, die er wie ein Patriarch beherrschte. Er nahm mich mit und ich fand bei seiner sehr gastlichen Familie freundliche Aufnahme und war sofort in den Sippenverband mit eingeschlossen.

März 1868:

Es war der kälteste Winter, den ich je erlebte. Und ein Nordlicht, wie ich es in dieser Pracht und Herrlichkeit noch niemals beobachtet hatte. Ich nahm an einer Bärenjagd teil und es gelang mir, einige Geldbeutel wiederzufinden, die Vater Pent gestohlen worden waren, worauf dieser sein Amulett, seinen Talisman, in das Feuer warf. Zuvor sagte er zu mir: „Nie hat man hier solche Waffen gesehen, wie die deinigen sind. Ein jeder Dieb wird sich vor dir fürchten. Auch bist du in fernen, wilden Ländern gewesen, wo du gelernt hast, die Spur eines Flüchtlings zu lesen, wie wir es nicht vermögen. Du selbst hast uns erzählt von den bösen Indianern, denen ihr gefolgt seid über Berg und Tal, um ihnen die Felle wieder abzunehmen, die sie euch gestohlen hatten.“

Ich blieb noch einige Zeit bei der gastlichen Lappenfamilie, doch irgendwann musste ich wieder fort. In Salmis hatte ich noch zwei Tage zu warten, bis ein Schiff nach Stockholm ablegte. Von dort aus gelangte ich nach Rostock und im März 1868 war ich wieder zu Hause.

12. VIERTE NORDAMERIKA-REISE (1868-1869)

Donnerstag, 26. März 1868:

Als ich mich in Hamburg nach einer Überfahrt in die USA erkundigte, erfuhr ich, dass schon morgen ein Dampfschiff nach New Orleans abgehen werde, und erhielt glücklicherweise noch einen Platz.

Montag, 20. April 1868:

In New Orleans war ich zuletzt im Jahre 1866, als ich den Sohn des Bankiers Ohlert aus New York suchte und dort Old Death kennenlernte. Diesmal wollte ich, bevor ich mich in die ‚dark and bloody grounds‘ begab, den Mississippi hinauf, etwa bis Vicksburg, und von da aus nach Westen. Also fuhr ich mit einem Mississippi-Steamer hinauf bis Baton Rouge, wo ich auf das Dampfboot nach Natchez warten musste. Am Landeplatz saßen zwei Bettler. Ihre Gesichter kamen mir bekannt vor. Dem einen fehlten beide Augen. Der andere hielt mir seinen Hut hin. Als ich ein Silberstück hineinwarf, wusste ich, wen ich vor mir hatte: Es waren Grinder und Slack. Die Mörder der beiden Goldgräber-Brüder hatten nach dem Blizzard auf Fort Hillock doch nicht ihre Strafe gefunden, aber ihre jetzige Lage war jedenfalls noch schlimmer als der Tod.1

Donnerstag, 28. Mai 1868:2

Ich hatte zuletzt mit Winnetou und einer Schar seiner Apatschen in der Sierra Blanca gejagt. Wir wollten dann zu den Navajos hinüber. Es kam aber nicht dazu, denn auf Wunsch Winnetous begleitete ich einen kalifornischen Geldtransport nach Fort Scott. Von Fort Scott solle ich nordwärts zu der westlich vom Missouri gelegenen Gravel-Prärie reiten, wo er wieder mit mir zusammentreffen werde, denn er wolle seinen alten, berühmten Freund Old Firehand besuchen, der sich jetzt in jener Gegend aufhalte. Ich ritt erst über den Kansas und dann über den Nebraska, durch das Gebiet der Sioux. Meiner Berechnung nach musste ich mich jetzt in der Nähe einer Ölniederlassung befinden, die New Venango hieß und in einer jener Schluchten lag, die gewöhnlich von einem Flüsschen durchzogen sind. Schon gab ich es auf, dieses Ziel heute noch zu erreichen, da bemerkte ich seitwärts zwei Reiter, die gerade auf mich zuhielten. Einer der beiden war noch ein Knabe von vielleicht dreizehn Jahren. Er hieß Harry und er erzählte mir, dass er von seinem Bruder komme, der in Omaha wohnte, und sein Begleiter, der Forster hieß, sei nicht nur der Vater seiner Schwägerin, sondern auch der Besitzer der Ölquelle in New Venango. Harry glaubte nicht, dass Winnetou, den er übrigens sehr gut zu kennen schien, mir mein Pferd geschenkt hatte. Nachdem ich im Store eingekauft und auch meinen Munitionsvorrat ergänzt hatte, war es dunkel geworden. Ich erlauschte unabsichtlich ein Gespräch zwischen Forster und Harry, der dem Jungen erklärte, dass er Öl in die Landschaft ablaufen lasse, um es knapper und damit teurer zu machen. Welch ein sträflicher Leichtsinn, denn in diesem Augenblick dröhnte ein Donnerschlag, als sei die Erde mitten unter uns auseinander geborsten. Ich sah da, wo der Bohrturm in Betrieb gewesen war, einen glühenden Feuerstrahl senkrecht in die Höhe steigen. Ich kannte diese furchtbare Erscheinung, denn ich hatte sie im Kanawhatal in ihrer ganzen Schrecklichkeit gesehen.3 Mich weiter um niemand kümmernd, riss ich Harry in meine Arme und saß im nächsten Augenblick mit ihm im Sattel. Und in rasendem Lauf trug uns Hatatitla stromabwärts durch das immer rascher vorwärtsschreitende Feuermeer. Dass wir diesem Inferno über den Fluss entrinnen konnten, grenzte schon an ein Wunder. Als Harry, der bewusstlos geworden war, wieder zu sich kam, nannte er mich einen Feigling, weil ich die anderen aus dem Tal nicht auch noch gerettet hätte. Er riss sich von mir los und in meiner Hand blieb ein Ring zurück. Ich sah ihn nicht mehr und konnte ihm deshalb auch nicht folgen. Ich beschloss, die Nacht hierzubleiben und den Anbruch des Morgens zu erwarten.

Freitag, 29. Mai 1868:

Das Tageslicht milderte den blendenden Schein der Flammen. Außer einem kleinen Häuschen oberhalb des Tales war alles verschwunden. Vor diesem Häuschen standen einige Menschen, bei denen ich Harry gewahrte. Als ich zu ihnen wollte, trat man mir mit Waffen entgegen, bezeichnete mich als Mordbrenner und schoss auf mich, doch ohne zu treffen. Deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als diese Gegend zu verlassen.

Samstag, 30. Mai 1868:

Am nächsten Tag erreichte ich eine Mulde in der Gravel-Prärie, wo ich mich mit Winnetou treffen wollte.

Samstag, 6. Juni 1868:

Ich musste aber eine ganze Woche auf ihn warten. Es tummelten sich da mehrere Trupps von Sioux in der Gegend herum. Als Winnetou kam und ich ihm die Anwesenheit der Roten meldete, war er einverstanden, sogleich weiterzureiten. Ich freute mich sehr darauf, den berühmten Old Firehand endlich kennenzulernen. Der Weg zu ihm war nicht ungefährlich.

Sonntag, 7. Juni 1868:

Das merkten wir schon am nächsten Tag, als wir auf die Fährte von Indianern trafen. Wir vermuteten, dass der Haupttrupp hier in der Nähe lagerte, weshalb ich die Gegend nach den Indianern absuchen wollte, während Winnetou bei den Pferden blieb. Ich kam bald zu deren Lager, wo sich ungefähr hundert Mann befanden, sämtlich mit den Kriegsfarben bemalt. Mir gelang es, zwei Häuptlinge, von denen einer Parranoh vom Stamme der Poncas war, bei ihrem Gespräch zu belauschen, und ich erfuhr, dass sie Fort Niobrara überfallen wollten. Ich hatte genug gehört und zog mich geräuschlos zurück. Doch da warf sich ein riesiger schwarzer Schatten auf mich. Himmel, hatte der Kerl Kraft. Wir rangen stillschweigend miteinander, doch ich konnte mich noch so anstrengen, dieser Mensch schien unbezwingbar. Dabei verlor ich mein Messer und in einer Kampfpause zog ich mich etwas von ihm weg. Als ich mich wieder auf meinen Gegner stürzen wollte, war er verschwunden. Da ich vorher gerade noch seinen Bart berührt hatte, wusste ich, dass es kein Indianer, sondern ein Weißer war. Mein Bowiemesser war fort, mein Gegner hatte es wohl auf der Suche nach seinem eigenen gefunden und an sich genommen. Mit Winnetou ritt ich dann eine große Strecke weit, bis wir unser Nachtlager aufschlugen. Jetzt erzählte ich ihm, was ich erlebt hatte, und war ganz überrascht, als er sagte, dass er mit Parranoh, dem weißen Häuptling der Poncas, noch eine Abrechnung habe. Da er nicht mehr darüber erzählte, fragte ich auch nicht, denn wenn es an der Zeit war, würde er sein Schweigen schon brechen.

Montag, 8. Juni 1868:

Am nächsten Morgen ritten wir zum Fort Niobrara, um die Besatzung vor dem Überfall durch die Poncas zu warnen. Winnetou und ich waren schon einmal vor Jahren hier in diesem Fort gewesen,4 das ich jetzt allein aufsuchte. Der Fortkommandant war ein anderer als damals vor über drei Jahren. Er hatte Besuch, den ich sofort erkannte, obwohl ich ihn noch niemals in meinem Leben gesehen hatte: Es war Old Firehand und er hatte, zu meiner Überraschung, neben seinem eigenen auch mein Bowiemesser in seinem Gürtel stecken. Jetzt brauchte ich mich freilich nicht mehr zu wundern, dass es mir nicht gelungen war, den Mann zu überwältigen, der gestern im Dunkel der Nacht mit mir gekämpft hatte. Ich berichtete dem Kommandanten vom geplanten Überfall der Poncas, doch war er schon von Old Firehand darüber informiert worden. Nachdem ich sagte, dass auch Winnetou in der Gegend sei, hatte der Kommandant keine Bedenken mehr, mit seinen dreißig Mann Besatzung das Fort gegen hundert Indianer zu verteidigen. Und Old Firehand erriet nun, dass ich Old Shatterhand war, war jedoch ganz erstaunt, zu erfahren, dass ich zudem derjenige war, mit dem er gestern Abend gerungen hatte. Nachdem auch Winnetou herbeigeholt worden war, wurde Lagebesprechung gehalten. Obwohl die Indianer ihre Angriffe meist gegen Morgengrauen vornehmen, stand die ganze Besatzung schon von Mitternacht an hinter den Palisaden bereit.

Dienstag, 9. Juni 1868:

Die Morgendämmerung brach endlich mit einem leichten Nebel an. Kurz darauf griffen die Poncas an, wurden jedoch mit einer Feuersalve empfangen. Nach der zweiten Salve brausten zehn Kavalleristen hinaus, die die Roten in die Flucht schlugen. Doch Parranoh zwang sie zur Umkehr, und da Winnetou, Old Firehand und ich ebenfalls auf den Kampfplatz gestürmt waren, wurden wir in Zweikämpfe verwickelt. Jetzt erblickte ich Parranoh im Haufen der Indianer und bemühte mich, an ihn zu kommen. Mir ausweichend, kam er in die Nähe des Apatschen, der sich auf ihn stürzen wollte, doch Old Firehand drängte Winnetou ab und schrie, dass ‚Tim Finnetey‘ ihm gehöre. Vor Schrecken starr stand Parranoh, als er seinen eigentlichen Namen rufen hörte, doch dann stürmte er wie von der Sehne geschnellt davon. Bevor Winnetou und Old Firehand ihm folgen konnten, war ich ihm schon auf den Fersen und bei einem Zusammenprall fuhr ihm mein Messer bis an den Griff in den Leib. Ich nahm kein Zeichen des Lebens mehr an ihm wahr. Da war auch schon Winnetou heran, der ganz gegen seine Gewohnheit Parranoh mit drei Schnitten die Kopfhaut vom Schädel löste. Wie grimmig musste der sonst so menschenfreundliche Apatsche diesen Tim Finnetey hassen, dass er ihm die Kopfhaut nahm. Dann eilten wir zurück und konnten gerade noch den verwundeten Old Firehand aus einer misslichen Lage befreien. Der Kampf war vorüber, und die Besatzung beschäftigte sich bereits damit, die Toten zusammenzutragen und die Verwundeten ins Fort zu schleppen. Später kamen auch noch die Reiter zurück, die die fliehenden Indianer verfolgt hatten.

Mittwoch, 10. Juni 1868:

Am nächsten Tag wurden die roten Indsmen begraben. Vorher hatte man noch die nähere und weitere Umgebung abgesucht und dabei eine überraschende Entdeckung gemacht: Der Platz, wo ich Parranoh zur Strecke gebracht hatte, war leer. Der vereitelte Überfall war durch Eilboten sofort nach Fort Randall gemeldet worden.

Dienstag, 16. Juni 1868:

Nach sechs Tagen traf von dort eine Verstärkung von zwanzig Mann ein. Sie brachten den Befehl ihres Colonels mit, die Gefangenen nach Fort Randall zu schicken, wo sie abgeurteilt werden sollten. Auch jetzt erfuhr ich nichts über die Beziehung von Winnetou und Old Firehand zu Parranoh.

Mittwoch, 24. Juni 1868:

Die Genesung Old Firehands war schneller fortgeschritten, als wir erwartet hatten, und so waren wir nach verhältnismäßig kurzer Zeit aufgebrochen, um durch das Land der kriegerischen Dakotas bis an den Mankizita vorzudringen, an dessen Ufer Old Firehand seine ‚Festung‘ hatte. Als wir am heutigen Abend am Lagerfeuer saßen, bemerkte Old Firehand den Ring an meinem Finger, den Harry mir nach dem Ölbrand in New Venango unfreiwillig zurückgelassen hatte. Ich musste ihm dieses Abenteuer erzählen und er fieberte direkt mit. Er kannte Harry, kannte Emery Forster, der wahrscheinlich bei dem Ölbrand ums Leben gekommen war, und er kannte Harrys Bruder in Omaha. Aber er sagte mir nicht, dass er selbst Harrys Vater war, wie ich aus seiner ganzen Aufregung annehmen musste.

Donnerstag, 25. Juni 1868:

Am nächsten Morgen schlugen wir die Richtung zur Festung ein. Winnetou und Old Firehand schienen enger miteinander verbunden zu sein, als ich bisher annehmen konnte. Doch Winnetou hatte mit mir nie darüber gesprochen. Ich erfuhr jetzt nur, dass Winnetou und Old Firehand vor Jahren dieselbe Frau geliebt hatten, die sich jedoch für den Weißen entschieden hatte und deren beider Sohn Harry war. Mit der hereinbrechenden Dämmerung kamen wir in die Nähe der ‚Festung‘. Hier traf ich zu meiner Überraschung auf meinen alten Lehrmeister Sam Hawkens, der zusammen mit Dick Stone und Will Parker zur Mannschaft Old Firehands gehörte. Durch den engen Zugang des ‚Wassertors‘ gelangte man in Old Firehands ‚Festung‘. Das Felsental schien von oben herab unbezwingbar zu sein. Nachdem ich mich umgesehen hatte, steuerte ich auf eine etwas höher liegende Hütte zu, wo ich unverhofft auf Harry traf, der mich fast feindlich empfing. Abends am Lagerfeuer betrachtete er mich jedoch mit anderen Blicken, wie es mir schien. Später sprach er sich mit mir aus, entschuldigte sich für sein Verhalten in New Venango und wies mir seine eigene Felshöhle als Wohnung an.

Freitag, 26. Juni 1868:

Am Morgen ging ich mit Harry und Sam Hawkens zum Bee Fork, um die aufgestellten Fallen zu prüfen. Durch das Verhalten der Biber wurden wir auf zwei Ponca-Indianer aufmerksam gemacht, die durch die Gegend schlichen. Es schienen Kundschafter auf dem Kriegspfad zu sein. Was wollten diese hier? Waren sie uns wegen ihrer Niederlage bei Fort Niobrara auf den Fersen? Sam Hawkens musste Old Firehand sofort warnen, während Harry und ich uns nach der Hauptschar der Roten umschauen wollten, damit wir deren Stärke genau kennenlernen und unsere Maßnahmen danach richten konnten. Wir mussten wohl eine Stunde lang gehen, bis wir eine andere Spur entdeckten, die in Richtung ‚Festung‘ ging. Als wir dann Brandgeruch wahrnahmen, schlich ich mich allein weiter, um die Poncas zu zählen, doch ich erlebte eine böse Überraschung: In ihrer Mitte saß der weiße Häuptling Parranoh oder Tim Finnetey und von seinem Kopf hing die prächtige Skalplocke herab, während Winnetou sie ihm doch genommen und nicht eine Minute lang aus seinem Gürtel gebracht hatte. War der Schurke denn leibhaftig von den Toten auferstanden? Um nicht entdeckt zu werden, kehrte ich zu Harry zurück und wir verfolgten die zuletzt entdeckte Spur, stießen dabei auf Sam Hawkens, der die beiden Indianer beobachtet hatte. Dann kehrten wir ins Lager zurück. Zusätzlich zur Wache, die die nötigen Vorbereitungen zur Verteidigung treffen musste, verließ ich mit dem Kleeblatt, Old Firehand und Winnetou die ‚Festung‘, um das Lager der Poncas aufzusuchen. Wir waren nicht weit davon entfernt, als wir auf Parranoh und einige seiner Krieger stießen, mit denen es einen heftigen, lautlosen Kampf gab. Ich hatte Parranoh unter mir und konnte ihn unschädlich machen, während die anderen Gegner ebenfalls niedergemacht wurden. Winnetou riet uns, sofort in die ‚Festung‘ zurückzukehren, da wahrscheinlich die anderen Poncas dort einfallen würden. Den bewusstlosen Parranoh aber nahmen wir mit ins Lager. Die Vorbereitungen gegen den zu erwartenden Überfall nahmen den Nachmittag und den Abend voll in Anspruch.

Samstag, 27. Juni 1868:

Es war früh am anderen Tag. Unsere Kundschafter hatten noch einen zweiten Lagerplatz der Roten entdeckt und es waren mehr, als wir angenommen hatten, und so war unsere Lage heikel, denn wir zählten insgesamt nur vierundzwanzig Mann. Deshalb wurden Dick Stone und Will Parker losgeschickt, um Verstärkung von Fort Randall herbeizuholen.

Ich war auf den Felsen gestiegen, wo ich am vorgestrigen Abend Harry wiedergefunden hatte, der mir jetzt nachgekommen war. Er erzählte mir, dass sein Vater, Old Firehand, einst Oberförster in Deutschland gewesen und in den Strudel politischer Gärung geraten sei, weshalb er mit Frau und Sohn nach Amerika flüchtete. Seine Frau starb auf der Überfahrt. Er ging als Jäger in den Westen und ließ seinen Sohn im Osten bei einer Familie zurück. Da führte ihn ein Jagdzug hinauf an den Quicourt, mitten unter die Stämme der Assiniboins, und dort traf er zum ersten Mal mit Winnetou zusammen, der mit Intschu tschuna von Wyoming kam, um sich am oberen Mississippi den heiligen Ton für die Kalumets seines Stammes zu holen. Beide, Old Firehand und Winnetou, verliebten sich in Ribanna, die Tochter des Häuptlings der Assiniboins. Sie zog Old Firehand vor, obgleich er viel älter war. Trotzdem blieben Old Firehand und Winnetou Freunde. Als Winnetou zur Zeit des Frühlings zurückkehrte, fand er Ribanna als Mutter. Harry war erst einige Tage alt. Die Jahre vergingen und Harry wuchs heran. Da nahm ihn sein Vater mit in den Osten zum älteren Sohn. Als sie zurückkamen, hatte Tim Finnetey zusammen mit den Schwarzfuß-Indianern das Lager der Assiniboins, deren Krieger auf der Jagd waren, überfallen und alle Frauen und Kinder, darunter Ribanna mit ihrer kleinen Tochter, verschleppt. Winnetou, der gerade die Assiniboins besuchen wollte, folgte Old Firehand, Harry und den Kriegern auf der Suche nach den Räubern, die hier am Bee Fork gestellt wurden. Es kam zum Kampf, doch die Assiniboins unterlagen und wurden niedergemacht. Harry fand seine Mutter Ribanna und sein kleines Schwesterchen, von Tim Finnetey erschossen, tot auf dem Schlachtfeld. Nach Tagen kamen Winnetou und Old Firehand verwundet zu Harry zurück, der sich in der Nähe des Kampfplatzes versteckt hatte. Und seit dieser Zeit suchten sie Tim Finnetey, der jetzt als Parranoh weißer Häuptling der Poncas war. Während Harry und ich wieder hinunter in den Talkessel stiegen, gingen mir verschiedene Gedanken durch den Kopf: Harry war jetzt um die dreizehn Jahre alt. Er hatte Winnetou als den jüngsten Bewerber um Ribanna bezeichnet, er sei fast noch ein Knabe gewesen. Das müsste etwa um 1854 gewesen sein. Winnetou wäre damals gerade erst vierzehn Jahre alt gewesen, denn wie ich wusste, war er 1840 geboren. Wir hatten eigentlich nie Geheimnisse voreinander, doch seine große Liebe zu Ribanna verschloss er in seinem Herzen selbst vor mir, seinem Blutsbruder.

Im Lager hatte man einen Pfahl errichtet und Parranoh daran gebunden, um Gericht über ihn zu halten. Man beschloss, ihn dort hinzurichten, wo er Ribanna und ihr Töchterchen ermordet hatte: drunten am Bee Fork, außerhalb der ‚Festung‘. Dass man sich dabei wegen der Anwesenheit der Poncas in nutzlose Gefahr begab und dadurch auch unser Aufenthaltsort verraten wurde, ignorierte man vollkommen. Ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, dass uns dadurch Unheil entstehen müsse. Natürlich würde ich nicht an der Urteilsvollstreckung teilnehmen. Doch meine Sorge trieb mich hinterher, denn ich hatte Indianerspuren entdeckt, die den unsrigen folgten. An einem freien Platz, wo sicher das Urteil über Parranoh vollstreckt werden sollte, standen unsere Leute und rundum unter den Büschen lagen versteckt die Ponca-Krieger. Hier war keine Zeit mehr zu verlieren. Ich nahm den Henrystutzen an die Wange und drückte ab. Nach kurzer Verblüffung gellte der Kampfruf der Indianer fast hinter jedem Strauch hervor. Bevor Harry seine Pistole auf Parranoh abschießen konnte, wurde er von einem der Poncas daran gehindert, die sofort ihren Häuptling befreiten. Obwohl viele in das Kampfgeschehen verwickelt wurden, gelang den meisten die Flucht. Mit Harry und Sam Hawkens kam ich in der Nähe unseres Lagereingangs an, der von Indianern belagert wurde. Fast gleichzeitig mit uns trafen auch Old Firehand, Winnetou und zwei der Jäger hier ein. Wir rollten nun von hinten die Linie der Belagerer auf, von denen einigen noch die Flucht gelang. Endlich gelangten wir durch das Wassertor in das Innere des Talkessels und waren damit vorerst in Sicherheit. Da Old Firehand bestätigt hatte, dass über die steilen Felswände kein Indianer ins Lager gelangen konnte, musste also der schmale Schluchteingang besonders gut verteidigt werden, falls der Gegner einen Angriff wagen sollte.

Die Nacht lag still und ruhig über dem Tal, doch ich konnte nicht einschlafen. Ich suchte deshalb Hatatitla auf, der im dunklen Hintergrund des Kessels weidete. Durch sein Schnauben aufmerksam geworden, bemerkte ich mehrere Gestalten, die sich von dem dunklen Felsen lösten und herabstiegen. Weil ich kein Gewehr bei mir hatte, konnte ich den Vordermann nicht abschießen. Da fiel vorn am Wassertor ein Schuss, dem bald mehrere folgten. Ein Scheinangriff, um von der Felswand abzulenken. Mit meinem Revolver gab ich Schüsse auf die dunklen Gestalten ab, schwang mich auf meinen Hatatitla und ritt in die Mitte des Lagers. Uns blieben zur Rettung nur die Höhlen um den Talkessel als letzter Zufluchtsort. Doch daran wurden wir gehindert, denn die Indianer waren schneller die Felswand heruntergekommen und mir gefolgt, als ich angenommen hatte. Es war ein wilder, grauenvoller Kampf, wie ihn sich die Einbildungskraft kaum auszumalen vermag. Old Firehand, der wie ein Fels in der Brandung stand, wurde durch einen Schuss Parranohs getroffen und brach dann lautlos zusammen. Ich fühlte einen schmetternden Schlag auf den Kopf und verlor das Bewusstsein.

Sonntag, 28. Juni 1868:

Als ich erwachte, war es dunkel und still um mich. Ich lag in einer der Höhlen und war gefesselt. Gleich darauf bemerkte ich jemanden neben mir, es war Sam Hawkens. Von ihm erfuhr ich, dass außer ihm, Winnetou, Harry und mir alle ausgelöscht seien. Doch Sam besaß noch sein Messer, mit dem wir unsere Fesseln zerschnitten. Als ich den Fellvorhang beiseiteschob, sah ich nicht nur unsere Pferde vor dem Talausgang stehen, sondern auch Parranoh, der gerade die Anweisung gab, Winnetou und Harry an den Marterpfahl zu führen. Nun war Eile geboten. Mit weiten, aber leisen Sprüngen schnellten wir hinter den Indianern her, überwältigten diese und schnitten den beiden Gefangenen die Fesseln durch, bewaffneten uns notdürftig und eilten zu den Pferden. Harry zog ich hinter mir in den Sattel. Wütendes Geheul erfüllte die Luft, Schüsse krachten, Pfeile schwirrten um uns. Ich kann unmöglich sagen, wie ich durch den engen, gewundenen Pass ins Freie kam. Da fiel hinter uns ein Schuss. Als ich mich umblickte, sah ich Parranoh auf seinem Mustang dicht hinter mir. Nach einer kurzen, aber wilden Verfolgungsjagd schoss Winnetou Parranoh aus dem Sattel und im selben Augenblick spaltete der von mir geworfene Tomahawk den Schädel des weißen Häuptlings. Parranoh hatte alle meine Waffen umhängen, die ich jetzt wieder in Besitz nahm. Dann hatten uns die verfolgenden Poncas fast erreicht und wir ritten weiter. Plötzlich flog ein ansehnlicher Reitertrupp vom Waldsaum her zwischen uns und die Verfolger herein, schwenkte gegen die Roten um und stürmte ihnen im gestreckten Galopp entgegen. Es handelte sich um eine Abteilung Dragoner aus Fort Randall. Bei ihnen befanden sich auch Will Parker und Dick Stone. Dann ging es zur ‚Festung‘ zurück. An der Zugangsschlucht aber saß Sam Hawkens und schoss die ankommenden Poncas aus dem Sattel, sodass diese nicht mehr in die Festung eindringen konnten. Im Talkessel angekommen, eilten Harry und Winnetou zur Leiche Old Firehands. Doch zu aller Erstaunen war dieser gar nicht tot, er hatte bloß eine sehr schwere und mit großem Blutverlust verbundene Verwundung. Gegen Mittag stellten sich die Dragoner wieder ein. Sie hatten die Poncas zu Paaren getrieben und dabei keinen Mann eingebüßt.

Mittwoch, 1. Juli 1868:

Um die Pferde ausruhen zu lassen, blieb der Trupp drei Tage im Tal. Während dieser Zeit wurden die Toten beerdigt, dann lud man uns ein, Old Firehand, sobald er die Reise aushalten könne, in das Fort Randall zu bringen, wo er leidliche Pflege und vor allem sachgemäße ärztliche Behandlung finden werde. Wir sagten gern zu.

Donnerstag, 1. Oktober 1868:

Drei Monate später war Old Firehand zwar gerettet, aber immer noch sehr schwach, sodass wir ihn bisher nicht nach Fort Randall hatten schaffen können. Es war vorauszusehen, dass sich Old Firehand selbst nach seiner Genesung noch lange werde schonen müssen. Deshalb hatte er sich entschlossen, sobald er die Reise unternehmen könnte, nach Osten zu seinem älteren Sohn zu gehen und Harry mitzunehmen. Die Fellvorräte, die sich hier angesammelt hatten, konnten nicht für immer hier liegen, sondern mussten verkauft werden. Durch die Soldaten hatten wir erfahren, dass sich drüben am Cedar Creek ein Pedlar (Händler) aufhielt, der alles Mögliche aufkaufte und die Waren auch mit barem Geld bezahlte.

Samstag, 3. Oktober 1868:

Winnetou und ich machten uns deshalb auf den Weg und kamen schon am zweiten Tag an den Cedar Creek. Wo nun den Pedlar finden? Es gab in der Nähe ein Blockhaus, in dem ein weißer Ansiedler wohnte, bei dem wollten wir uns erkundigen. Erst als er tatsächlich wusste, wer wir waren, ließ er uns in seine Hütte, denn er befürchtete, von den Okananda-Sioux überfallen zu werden, die momentan in dieser Gegend ihr Unwesen trieben. Ein Gehilfe des Pedlars sollte heute Abend zurückkommen. An ihn könnten wir uns dann wegen des Verkaufs der Felle wenden. Als dieser eintraf, wurde ich das Gefühl nicht los, dass man ihm nicht ganz trauen könne, zumal er angeblich nicht wusste, wo sich Mr. Braddon, der Pedlar, momentan aufhielt. Da wir nicht in der Hütte schlafen wollten, legten Winnetou und ich uns hinaus zu unseren Pferden. Nachts wurden wir beide wach und sahen, dass einige Gestalten auf das Blockhaus zukrochen. Wir konnten uns eine schnappen. Es war der Häuptling der Okananda-Sioux selbst, für uns ein guter Fang. Durch Verhandlungen erreichten wir, dass die Indianer abzogen, ohne sich am Besitzer der Blockhütte zu vergreifen, der sich ohne ihre Erlaubnis hier niedergelassen hatte. Rollins, der Gehilfe des Pedlars, aber wollte ihnen nachgehen, um zu sehen, ob sie wirklich die Gegend verlassen würden.

Sonntag, 4. Oktober 1868:

Am Morgen ritten wir mit Rollins vom Blockhaus fort, um ihn zu Old Firehand zu führen, wo er sich die Felle ansehen wollte. Unterwegs trafen wir auf drei Fußgänger, die sich auf Stöcke stützten und angaben, von den Okananda-Sioux überfallen worden und jetzt nach Fort Randall unterwegs zu sein. Sie schlossen sich uns an. Und da mein Misstrauen gegen Rollins wieder aufgekommen war und Winnetou zudem die Meinung hegte, die drei angeblich von den Indianern Überfallenen schauspielerten nur, waren wir beide doppelt vorsichtig. Als es dunkel wurde und auch noch zu regnen anfing, lagerten wir nicht draußen auf der Prärie, sondern in einem nahe gelegenen Wäldchen. Winnetou schien plötzlich etwas zu bemerken, denn er setzte zu einem ‚Knieschuss‘ an, legte sein Gewehr dann aber wieder ab und wollte nun die Pferde inspizieren gehen. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis er zurückkam. Zu spät bemerkte ich, dass sich ein völlig Fremder Winnetous Saltillodecke übergehängt hatte. Er schlug mich mit dem Gewehrkolben besinnungslos.

Montag, 5. Oktober 1868:

Als ich wieder zu mir kam, graute bereits der Morgen. Ich war gefesselt. Da vernahm ich eine Stimme, die ich kannte: Es war die Stimme von Santer, dem Mörder von Intschu tschuna und Nscho-tschi, dem Vater und der Schwester Winnetous. Winnetou, den man krummgeschlossen hatte, und ich befanden uns in einer sehr misslichen Lage, denn von Santer hatten wir beide keine Gnade zu erwarten, zumal dieser ja wusste, dass Winnetou immer hinter ihm her sein würde, um seinen Vater und seine Schwester zu rächen. Uns konnte nur eine List helfen, wir mussten Santers Habgier nach Gold und Reichtum wecken, um ihm vielleicht dadurch zu entkommen. Santer war der Pedlar, den wir gesucht hatten, und die drei hilfsbedürftigen Fußgänger waren seine Gehilfen, während Rollins angeblich nicht zu ihm gehörte und gestern Abend entkommen war. Als wir beide dann allein zusammenlagen, sprachen wir heimlich über den Goldschatz, den Winnetou angeblich nur eine Tagesreise von hier versteckt hatte, denn wir ahnten, dass Santer unser Gespräch belauschen würde. Seine Gier nach Reichtum und Gold schien momentan größer zu sein als die, uns zu töten, denn wir würden ihm ja sowieso wieder in die Hände fallen. Dann wurden die drei Helfer von Santer losgeschickt, die Umgegend nach Rollins abzusuchen und ihn zu fangen. Und sie brachten ihn tatsächlich nach einiger Zeit herbei. Santer und Rollins spielten ihre Rollen so, als ob sie gute Bekannte seien, die sich nach langer Zeit wieder einmal sahen. Sie taten schließlich so, als ob Rollins es durch seine Fürsprache fertig brächte, dass wir später mit allem, was wir besaßen, freigelassen werden sollten. Santer ritt mit den anderen fort und Rollins sollte uns am Abend befreien, sodass wir in der Nacht Santer nicht mehr folgen konnten. Als uns Rollins dann die Fesseln abnahm, ritten wir mit ihm in der Dunkelheit in Richtung der ‚Festung‘.

Dienstag, 6. Oktober 1868:

Am Morgen wurde eine kurze Rast gemacht und gegen Mittag wieder. Dann schnappten wir uns Rollins und banden ihn an einen Baum. Später, nach der Überwältigung Santers, wollten wir ihn hier abholen. Wir ritten etwas seitwärts zurück, denn wir wollten nun Santer abfangen, der uns bestimmt auf unserer Spur folgte. Es war noch anderthalb Stunden Tag, und bis dahin musste er uns eingeholt haben. Als wir etwas später in der Ferne einen Reiter sahen, der in die Richtung ritt, aus der wir Santer erwarteten, ahnten wir nichts Gutes. Ich ritt zurück und stellte fest, dass jemand Rollins befreit hatte und dass dieser Jemand, der Fußspur nach, kein anderer als Sam Hawkens gewesen sein konnte. Ich jagte zu Winnetou zurück und wir ritten nun auf unserer alten Fährte so weit, bis wir auf eine Spur von vier Reitern trafen, die mit einem anderen Reiter zusammengetroffen waren und eine andere Richtung eingeschlagen hatten. In der hereinbrechenden Dunkelheit mussten wir die Verfolgung aufgeben und ritten stattdessen zur ‚Festung‘, wo wir ankamen, als der Mond aufging. Da sich der Zustand von Old Firehand etwas verschlechtert hatte, bat mich Winnetou, hierzubleiben und nicht mit ihm Santer zu jagen, denn ich würde hier jetzt notwendiger gebraucht.

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