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Dem Italiener G. Fonzi (1768–1840) gelang 1808 die Entwicklung einer Methode zur Herstellung von Einzelzähnen mit eingebrannten Platinstiften (sog. Crampons). Damit war der entscheidende Schritt zum neuzeitlichen Zahnersatz getan, denn nunmehr konnte man Basis und Zähne getrennt herstellen. Die industrielle Produktion von Mineralzähnen begann 1825 in Amerika durch S. W. Stockton (1800–1872), ab 1844 auch durch die noch heute bestehende Firma S. S. White Corporation. Obwohl nun verschiedene Varianten von Industriezähnen zur Verfügung standen, wie die Röhrenzähne des Engländers C. Ash (1815–1892), die einen zentralen Kanal zur Verankerung eines Stifts hatten, oder die sogenannten Blockzähne („continuous gums“) von J. Allen (1810–1892), drei zusammengefasste Frontzähne mit angrenzendem Zahnfleisch, wurden noch bis weit über die Jahrhundertmitte hinaus weiterhin menschliche Zähne und Zahnbein von Tieren für Zahnersatz verwendet.

Ohne die Entwicklung der Bohrmaschine zum Aufbohren von Kavitäten und zum Beschleifen von Zähnen wären die technischen Möglichkeiten für Zahnersatz und zum Füllen von Zähnen jedoch wenig erfolgreich geblieben (Schuh 1937). Zwar ist die Verwendung von Fiedel- oder Drillbohrern schon aus der jüngeren Steinzeit bekannt, wo bereits Zähne mit Feuersteinbohrern trepaniert wurden (vgl. Alt 1989, Bennike 1985, White et al. 1997), im Bereich der Zahnmedizin dauerte es jedoch nach bescheidenen Vorläufern bis 1871, bevor mit der Tretbohrmaschine von J. B. Morrison (1829–1917) das erste voll funktionstüchtige Gerät zur Verfügung stand. Ebenso wichtig wie der Gebrauch der Bohrmaschine waren neue Abformmaterialien für den Fortschritt in der Prothetik. Auf diesem Gebiet zählen die Entwicklung eines Verfahrens mit hydrokolloidalen Agar-Stoffen durch A. Poller (1927), die Benutzung von elastischen Gelatinemassen seit 1938 und ab 1940 die Verwendung des Naturprodukts Alginat als Abformmaterial zu den wesentlichen Neuerungen.

War die Zahnersatzkunst über Jahrtausende allein durch den Wunsch von Patienten nach Ästhetik bestimmt, so wurde im 19. und 20. Jahrhundert der Wiederherstellung der Funktion eine immer größere Bedeutung zugemessen, was durch die Tendenz zu einer funktionellen Betrachtung des stomatognathen Systems zum Ausdruck kommt. Davon beeinflusst, und bedingt durch technische Innovationen, kam es und kommt es in den einzelnen prothetischen Teilgebieten wie Kronen-Brücken-Ersatz, kombiniert festsitzend-herausnehmbarer Zahnersatz und Totalprothetik zu entscheidenden Fortentwicklungen. Mit der Adhäsivprothetik und dem implantatgestützten Zahnersatz wurden wichtige Ergänzungen zum bestehenden Behandlungsspektrum geschaffen. In jüngster Zeit hat sich mit der CAD/CAM-Technologie (computer-aided design and computer-aided manufactoring), die computergesteuerte maschinelle Herstellung von Zahnersatz, die prothetische Versorgung von Patienten mit Zahnkronen, Inlays, Onlays und Veneers weiter vereinfacht (Schweiger und Kieschnick 2017). Die Darstellung dieser Entwicklungen ist den jeweiligen Spezialkapiteln dieses Buches vorbehalten. Die essentiellen Fortschritte der Zahnprothetik im 20. und 21. Jahrhundert bedeuten jedoch nicht, dass die ästhetischen Aspekte der Zahnersatzkunde in den Hintergrund getreten sind. Das Gegenteil ist der Fall. Es steht außer Zweifel, dass die Ästhetik heute alle Teilbereiche der Zahnmedizin einschließt und die therapeutischen Leistungen der Zahnmedizin entscheidend beeinflusst.

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2Einführende anatomisch-prothetische Grundlagen

2.1Terminologie, Zahnschemata und Zahnmerkmale

2.1.1Terminologie

Zum Zwecke genauer Richtungsangaben werden in der allgemeinen Anatomie bestimmte, aus dem Lateinischen abgeleitete Bezeichnungen verwendet. Dazu zählen unter anderem (Abb. 2-1 bis 2-3):


Abb. 2-1 Anatomische Richtungsbezeichnungen; Ansicht von frontal.


Abb. 2-2 Anatomische Richtungsbezeichnungen; Ansicht von rechtslateral.


Abb. 2-3 Anatomische Richtungsbezeichnungen; Ansicht von kranial.

medial: zur Mitte (medius) hin

lateral: zur Seite (latus) hin

ventral: zum Bauch (venter) hin

dorsal: zum Rücken (dorsum) hin

kranial: zum Kopf/Schädel (cranium) hin

kaudal: zum Steiß/Schwanz (cauda) hin

anterior: nach vorne hin

posterior: nach hinten hin

Vor allem in der Zahnmedizin sind darüber hinaus spezielle Termini verbreitet. So unterscheidet man an einem Einzelzahn (Abb. 2-4 und 2-5):


Abb. 2-4 Anatomische Bezeichnungen am Beispiel des Zahnes 21.


Abb. 2-5 Anatomische Bezeichnungen am Beispiel des Zahnes 36.

koronal: zur Zahnkrone (Corona dentis) hin (im Kronenbereich)

zervikal: zum Zahnhals (Cervix dentis) hin (im Kronen- und Wurzelbereich)

apikal: zur Wurzelspitze (Apex radicis dentis) hin (im Wurzelbereich)

okklusal: zur Kaufläche hin [Seitenzähne]

inzisal: zur Schneidekante hin [Frontzähne]

approximal: zum Nachbarzahn hin

mesial: zur Zahnbogenmitte hin

distal: von der Zahnbogenmitte weg

Die Zähne selbst befinden sich in der Mundhöhle (Cavum oris).

Außerhalb dieser intraoralen Region liegt der extraorale Bereich (Gesicht). In ihrer Gesamtheit bilden die Zähne in Ober- und Unterkiefer jeweils einen Zahnbogen. Der Zahnbogen des Oberkiefers ähnelt in seinem Verlauf einer halben Ellipse, der des Unterkiefers einer Parabel (Mühlreiter 1870; vgl. Abb. 2-73).

Durch die Zahnbögen (Zahnreihen) wird die Mundhöhle in einen zungenwärtigen oralen Abschnitt, der zur eigentlichen Mundhöhle (Cavum oris proprium) hin gerichtet ist, und einen vestibulären, d. h. im Mundvorhof (Vestibulum oris) befindlichen Bereich unterteilt (Abb. 2-6).


Abb. 2-6 Richtungsbezeichnungen in der Mundhöhle.

Anstelle der Bezeichnung „oral“ kann in beiden Kiefern auch der Begriff lingual verwendet werden. Im Oberkiefer wird die orale (linguale) Seite aber häufiger als palatinal (zum Gaumen hin) bezeichnet. Der vestibuläre Abschnitt der Mundhöhle kann nach der topographischen Lokalisation innerhalb des Kiefers weiter differenziert werden. Anterior, im Bereich der Frontzähne, liegt der labiale (zur Lippe hin gerichtete), posterior, im Bereich der Seitenzähne, der bukkale (zur Wange hin gerichtete) Teil.

Bei den Zähnen unterscheidet man das Milchgebiss von dem bleibenden Gebiss. Das Milchgebiss besteht aus 20 Zähnen. In jeder Kieferhälfte kommen fünf Zähne vor, nämlich zwei Schneidezähne (Inzisivi), ein Eckzahn (Caninus) und zwei Molaren. Das bleibende Gebiss weist mit den Weisheitszähnen 32 Zähne auf. Jeder Quadrant besitzt i. d. R. acht Zähne, nämlich zwei Schneidezähne, einen Eckzahn, zwei Prämolaren und drei (häufig auch nur zwei) Molaren. Schneide- und Eckzähne bilden zusammen die Frontzähne, Prämolaren und Molaren die Seitenzähne.

2.1.2Zahnschemata

Im Laufe der Geschichte wurden in der Zoologie, Anthropologie und Zahnmedizin diverse Zahnschemata vorgestellt. Sie alle hatten bzw. haben das Ziel, bestimmte Zähne eindeutig zu kennzeichnen. Große Verbreitung in der Zahnmedizin fanden vor allem die Einteilungen nach Zsigmondy (1861) und Palmer (1870), nach Haderup (1887) sowie das amerikanische und das internationale Zahnschema der Fédération Dentaire Internationale (FDI) aus dem Jahre 1970 (FDI 1971).

Die Zahnschemata nach Zsigmondy und Palmer, nach Haderup und nach der FDI weisen folgende Gemeinsamkeiten auf:

 Das Gebiss wird mittels eines Achsenkreuzes in vier Quadranten (Kieferhälften) eingeteilt.

 Wenn man vor dem Patienten steht, entsprechen die auf der rechten Seite der Zahnschemata befindlichen Quadranten (I, IV) der linken Seite des Behandlers.


Quadranteneinteilung der bleibenden Zähne

 Die Milchzähne werden gesondert gekennzeichnet.

2.1.2.1Zahnschema nach Zsigmondy und Palmer

Charakteristisch für dieses Zahnschema ist, dass die Quadranten durch Platzierung eines Winkelzeichens gekennzeichnet und die Zähne von mesial nach distal gezählt werden. Das bleibende Gebiss wird mit arabischen Ziffern, das Milchgebiss mit römischen Ziffern angegeben. Beispiel:

Bleibender linker oberer Eckzahn:

Rechter unterer zweiter Milchmolar:

2.1.2.2Zahnschema nach Haderup

Die Quadrantenkennzeichnung erfolgt durch Gebrauch von Plus- (Oberkiefer) und Minuszeichen (Unterkiefer). Auch hier verläuft die Zahnkennzeichnung von mesial nach distal. Milchzähne werden zusätzlich mit einer „Null“(0) vor der Zahl des jeweiligen Zahns gekennzeichnet.

Bleibendes Gebiss:


Milchgebiss:


Beispiel:

Bleibender linker oberer Eckzahn: +3,

Rechter unterer zweiter Milchmolar: 05–

2.1.2.3Amerikanisches Zahnschema (Universalzahnschema nach Parreidt)

Die Nummerierung im Universalzahnschema beginnt mit dem oberen rechten Weisheitszahn. Die bleibenden Zähne werden fortlaufend im Uhrzeigersinn mit arabischen Zahlen, die Milchzähne mit großen lateinischen Buchstaben gekennzeichnet. In Nordamerika ist dieses Zahnschema heute noch stark verbreitet.

Bleibendes Gebiss:


Milchgebiss:


Beispiel:

Bleibender linker oberer Eckzahn: 11,

Rechter unterer zweiter Milchmolar: T

2.1.2.4Internationales Zahnschema der FDI

Das Internationale Zahnschema ist ein zweiziffriges Schema. Es ist heute international am weitesten verbreitet. In einigen Ländern, darunter den USA, hat es allerdings leider immer noch keine weite Verbreitung gefunden (Türp und Alt 1995). Die Quadranten werden im bleibenden Gebiss mit 1 bis 4, im Milchgebiss mit 5 bis 8 bezeichnet. Die Zahnkennzeichnung erfolgt in jedem Quadranten von mesial nach distal, beginnend mit dem mittleren Schneidezahn und endend mit dem dritten Molaren.

Die bleibenden Zähne werden demnach wie folgt gekennzeichnet:


Kennzeichnung der Milchzähne nach dem FDI-System:


Beispiel:

Bleibender linker oberer Eckzahn: 23,

Rechter unterer zweiter Milchmolar: 85

Im deutschsprachigen Raum ist im klinischen Sprachgebrauch neben der Bezeichnung der Zähne nach dem FDI-Zahnschema auch eine informelle Benennung verbreitet, indem beispielsweise vom „linken oberen Dreier“ oder vom „rechten unteren Milch-Fünfer“ gesprochen wird.

2.1.3Zahnmerkmale

An jedem Zahn lassen sich topographisch-anatomisch verschiedene Abschnitte voneinander unterscheiden. Im Bereich der Schmelz-Zement-Grenze (Zahnhals, Cervix dentis) geht die von Zahnschmelz überzogene Zahnkrone (Corona dentis) in die zementbedeckte Zahnwurzel (Radix dentis) über, die an der Wurzelspitze (Apex radicis dentis) endet.

Jeder Zahn weist bestimmte Merkmale auf, die es erlauben, gleiche Zähne der rechten und linken Seite voneinander zu unterscheiden. Es sind dies das Krümmungs-, das Winkel- und das Wurzelmerkmal (Mühlreiter 1870).

2.1.3.1Krümmungsmerkmal (Abb. 2-7)

Die Beurteilung des Krümmungsmerkmals erfolgt von inzisal bzw. okklusal. Aus dieser Sicht ist der Wölbungsgipfel der Vestibulärfläche nach mesial verschoben, d. h., der Zahn ist im mesialen Bereich massiger.

Abb. 2-7 Krümmungsmerkmal am Beispiel des Zahnes 11.

2.1.3.2Winkelmerkmal (Abb. 2-8a)

Das Winkelmerkmal wird von vestibulär beurteilt. Bei Beurteilung des Winkels, der zwischen der Schneidekante und den Seitenflächen der Zahnkrone entsteht, erkennt man, dass dieser mesial spitzer als distal ausfällt. Das Winkelmerkmal ist bei den Oberkiefer-Schneidezähnen am ausgeprägtesten vorhanden.

Abb. 2-8 a–c Winkel-, Wurzel- und Zahnhalsmerkmal am Beispiel des Zahnes 11.

2.1.3.3Wurzelmerkmal (Abb. 2-8b)

Das Wurzelmerkmal wird bei Betrachtung des Zahns von vestibulär beurteilt. Man erkennt, dass die Zahnwurzeln nach distal gekrümmt sind. Außer bei den mittleren unteren Schneidezähnen kommt dieses Merkmal in der Regel bei allen Zähnen vor. In einzelnen Fällen kann es jedoch schwach ausgeprägt oder gar nicht wahrnehmbar sein.

2.1.3.4Weitere Unterscheidungshilfen

Zahnhalsmerkmal. Das Zahnhalsmerkmal (Abb. 2-8c) wird von vestibulär beurteilt. Hierbei ist der apikalste Punkt des labialen Zahnhalses nach distal verschoben. Dieses Merkmal tritt bei den Frontzähnen auf und ist bei oberen mittleren Schneidezähnen besonders ausgeprägt.

Furchenmerkmal. Im Wurzelbereich weisen untere Frontzähne distal oftmals eine Eindellung auf. Durch diese Konkavität lassen sich die in der Regel sehr symmetrisch gebauten unteren Schneidezähne gut der jeweiligen Seite zuordnen.

2.2Phylogenese der Zähne

Die heutigen Zähne des Menschen sind das Ergebnis einer langen stammesgeschichtlichen (phylogenetischen) Entwicklung, die bei den Fischen begann und sich über Amphibien und Reptilien zu den Säugetieren fortsetzte. Vorläufer der „echten“ Zähne waren sog. „unechte“ Zähne. Diese zeigen zwar noch nicht den typischen Aufbau echter Zähne, nehmen aber zahntypische Aufgaben wahr. Unechte Zähne können z. B. epitheliale Hornbildungen („Hornzähne“) sein, wie sie etwa im und um den Saugmund von Zyklostomen (= Rundmäuler) (z. B. Neunauge Petromyzon marinus), am Lippenrand von Amphibienlarven oder in Mundhöhle, Schlund und Speiseröhre der Lederschildkröte vorkommen. Auch Knochenzacken, wie beispielsweise bei Plakodermen (Panzerfischen), können die zahntypischen Funktionen erfüllen.

Im Gegensatz zu „unechten“ Zähnen bestehen „echte“ Zähne neben einer Zahnpulpa aus Zahnhartsubstanzen (Dentin, Schmelz, Zement). Mindestens Dentin muss vorhanden sein, weshalb „echte“ Zähne nach Waldeyer auch als „Dentinzähne“ bezeichnet werden (Peyer 1963). Dentinzähne traten in der Stammesgeschichte erstmals vor rund 300 Millionen Jahren bei den Fischen auf.

Bei Fischzähnen handelt es sich um einfache spitze Fangzähne, die alle dieselbe Form aufweisen (Homodontie, Isodontie) und in sehr großer Zahl vorkommen. Ein Zahnwechsel findet unbegrenzt häufig statt (Polyphyodontie). Die Befestigung der Zähne erfolgt entweder über Bindegewebsfasern bzw. Bänder oder durch Verwachsung mit dem Kieferknochen (Keil 1966). Dies bedingt, dass die Zähne relativ leicht ausfallen, ein Umstand, der durch die vorhandene Polyphyodontie ausgeglichen wird. Am Beispiel des Hais (Klasse: Knorpelfische) lassen sich typische Charakteristika der Fischzähne besonders deutlich zeigen. Bei den heute lebenden Haien sind der gesamte Körper und die Mundschleimhaut mit Tausenden sog. Plakoidschuppen bedeckt. Diese tragen jeweils einen kleinen Zahn. Im Mundbereich, genauer gesagt auf den Kieferrändern, haben sich im Laufe der Stammesgeschichte die typischen größeren Gebisszähne differenziert. Diese auf einer knöchernen Basalplatte aufsitzenden Zähne bestehen aus einer kegelförmigen Dentinkrone, die mit einem schmelzartigen Überzug bedeckt ist und eine Bindegewebspapille mit Blutgefäßen, Nerven und Odontoblasten, die Zahnpulpa, einschließt. Es lassen sich Funktionszähne von Ersatzzähnen unterscheiden. Der Zahnwechsel beim Hai läuft unbeschränkt häufig ab und erfolgt von lingual nach vestibulär (sog. „Revolvergebiss“). Je nach Haiart wechseln jeweils nur einzelne Zähne oder ganze Zahnreihen im Block. Eine Resorption der knöchernen Basalplatte findet nicht statt. Aufgrund der Zahn- und Kieferform ist nur ein Schnappen bzw. Abbeißen sowie ein unzerteiltes Verschlucken der Beute möglich, d. h., ein Kauen und Zermahlen der Beute im Mund kann nicht erfolgen.

Die nächste Stufe der Evolution sind die Amphibien. Sofern diese bezahnt sind, weisen die Zähne noch typische Charakteristika von Fischzähnen auf: Sie sind homodont, kegelförmig (haplodont) und polyphyodont. Erstmals in der Phylogenese kommt echter Zahnschmelz vor, der dem Dentin in einer dünnen Schicht aufliegt, aber noch prismenlos ist.

Die in der Regel polyphyodonten und homodonten Reptilienzähne zeigen eine haplodonte oder eine dreihöckerige Form. Die Befestigung im Kiefer erfolgt, wie beim Leguan, in einer Knochenrinne (Pleurodontie) oder, wie beim Chamäleon, auf dem Kieferkamm (Akrodontie). Dabei sind die Zähne über sog. Befestigungsknochen mit dem Kiefer ankylosiert (Peyer 1963). Bei Krokodilen sind demgegenüber erstmals in der Stammesgeschichte die mit einer Zementschicht überdeckten Wurzeln über einen Zahnhalteapparat in einem knöchernen Zahnfach (Alveole) federnd-elastisch aufgehängt. Diese auch für den Menschen typische Verankerungsform bezeichnet man als Thekodontie.

Die heutigen Vögel sind im Gegensatz zu ihren fossilen Vorläufern (z. B. Archaeopteryx [im Jura]) nicht mehr bezahnt. Stattdessen besitzen sie einen Hornschnabel zur Aufnahme und einen Kaumagen (darin Sand, Kieselsteine) zur Zerkleinerung der Nahrung.

Die typischen Säugetierzähne sind unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass sie verschiedene Zahnformen aufweisen (Heterodontie, Heteromorphie). Als weiteres Charakteristikum kommen bei den Säugern im Gegensatz zu ihren phylogenetischen Vorläufern nur zwei Zahngenerationen vor (Diphyodontie). Da bei einigen Säugern, darunter auch beim Menschen, nicht alle bleibende Zähne Milchzahnvorläufer besitzen, kommt bei ihnen keine reine Diphyodontie vor. So entstehen beim Menschen die bleibenden Molaren odontogenetisch aus einer distalen Aussprossung der Milchzahnleiste, der Zuwachszahnleiste, und nicht, wie die anderen bleibenden Zähne, aus der Ersatzzahnleiste. Daher sind die Molaren der zweiten Dentition monophyodont (nur eine Zahngeneration vorhanden), weshalb das menschliche Gebiss im Gesamten auch als semiphyodont bezeichnet werden kann.

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772 стр. 355 иллюстраций
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9783868676143
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