Читать книгу: «Nathan der Weise: Ein Dramatisches Gedicht, in fünf Aufzügen», страница 3

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Dritter Auftritt

Sittah. Saladin.

 
Sittah. Eilt
Er doch, als ob er mir nur gern entkäme!
Was heißt das?—Hat er wirklich sich in ihm
Betrogen, oder—möcht' er uns nur gern
Betrügen?
 
 
Saladin. Wie? das fragst du mich? Ich weiß
Ja kaum, von wem die Rede war; und höre
Von euerm Juden, euerm Nathan heut
Zum erstenmal.
 
 
Sittah. Ist's möglich? daß ein Mann
Dir so verborgen blieb, von dem es heißt,
Er habe Salomons und Davids Gräber
Erforscht, und wisse deren Siegel durch
Ein mächtiges geheimes Wort zu lösen?
Aus ihnen bring' er dann von Zeit zu Zeit
Die unermeßlichen Reichtümer an
Den Tag, die keinen mindern Quell verrieten.
 
 
Saladin.
Hat seinen Reichtum dieser Mann aus Gräbern,
So waren's sicherlich nicht Salomons,
Nicht Davids Gräber. Narren lagen da
Begraben!
 
 
Sittah. Oder Bösewichter!—Auch
Ist seines Reichtums Quelle weit ergiebiger,
Weit unerschöpflicher, als so ein Grab
Voll Mammon.
 
 
Saladin. Denn er handelt; wie ich hörte.
 
 
Sittah.
Sein Saumtier treibt auf allen Straßen, zieht
Durch alle Wüsten; seine Schiffe liegen
In allen Häfen. Das hat mir wohl eh'
Al-Hafi selbst gesagt; und voll Entzücken
Hinzugefügt, wie groß, wie edel dieser
Sein Freund anwende, was so klug und emsig
Er zu erwerben für zu klein nicht achte.
Hinzugefügt, wie frei von Vorurteilen
Sein Geist; sein Herz wie offen jeder Tugend,
Wie eingestimmt mit jeder Schönheit sei.
 
 
Saladin.
Und itzt sprach Hafi doch so ungewiß,
So kalt von ihm.
 
 
Sittah. Kalt nun wohl nicht; verlegen.
Als halt' er's für gefährlich, ihn zu loben,
Und woll' ihn unverdient doch auch nicht tadeln.—
Wie? oder wär' es wirklich so, daß selbst
Der Beste seines Volkes seinem Volke
Nicht ganz entfliehen kann? daß wirklich sich
Al-Hafi seines Freunds von dieser Seite
Zu schämen hätte?—Sei dem, wie ihm wolle!—
Der Jude sei mehr oder weniger
Als Jud', ist er nur reich: genug für uns!
 
 
Saladin.
Du willst ihm aber doch das Seine mit
Gewalt nicht nehmen, Schwester?
 
 
Sittah. Ja, was heißt
Bei dir Gewalt? Mit Feu'r und Schwert? Nein, nein,
Was braucht es mit den Schwachen für Gewalt,
Als ihre Schwäche?—Komm vor itzt nur mit
In meinen Haram, eine Sängerin
Zu hören, die ich gestern erst gekauft.
Es reift indes bei mir vielleicht ein Anschlag,
Den ich auf diesen Nathan habe.—Komm!
 

Vierter Auftritt

(Szene: vor dem Hause des Nathan, wo es an die Palmen stößt.)

Recha und Nathan kommen heraus. Zu ihnen Daja.

 
Recha.
Ihr habt Euch sehr verweilt, mein Vater. Er
Wird kaum noch mehr zu treffen sein.
 
 
Nathan. Nun, nun;
Wenn hier, hier untern Palmen schon nicht mehr:
Doch anderwärts.—Sei itzt nur ruhig.—Sieh!
Kömmt dort nicht Daja auf uns zu?
 
 
Recha. Sie wird
Ihn ganz gewiß verloren haben.
 
 
Nathan. Auch
Wohl nicht.
 
 
Recha. Sie würde sonst geschwinder kommen.
 
 
Nathan.
Sie hat uns wohl noch nicht gesehn…
 
 
Recha. Nun sieht
Sie uns.
 
 
Nathan. Und doppelt ihre Schritte. Sieh!
Sei doch nur ruhig! ruhig!
 
 
Recha. Wolltet Ihr
Wohl eine Tochter, die hier ruhig wäre?
Sich unbekümmert ließe, wessen Wohltat
Ihr Leben sei? Ihr Leben,—das ihr nur
So lieb, weil sie es Euch zuerst verdanket.
 
 
Nathan.
Ich möchte dich nicht anders, als du bist:
Auch wenn ich wüßte, daß in deiner Seele
Ganz etwas anders noch sich rege.
 
 
Recha. Was,
Mein Vater?
 
 
Nathan. Fragst du mich? so schüchtern mich?
Was auch in deinem Innern vorgeht, ist
Natur und Unschuld. Laß es keine Sorge
Dir machen. Mir, mir macht es keine. Nur
Versprich mir: wenn dein Herz vernehmlicher
Sich einst erklärt, mir seiner Wünsche keinen
Zu bergen.
 
 
Recha. Schon die Möglichkeit, mein Herz
Euch lieber zu verhüllen, macht mich zittern.
 
 
Nathan.
Nichts mehr hiervon! Das ein für allemal
Ist abgetan.—Da ist ja Daja.—Nun?
 
 
Daja.
Noch wandelt er hier untern Palmen; und
Wird gleich um jene Mauer kommen.—Seht,
Da kömmt er!
 
 
Recha. Ah! und scheinet unentschlossen,
Wohin? ob weiter? ob hinab? ob rechts?
Ob links?
 
 
Daja. Nein, nein; er macht den Weg ums Kloster
Gewiß noch öfter; und dann muß er hier
Vorbei.—Was gilt's?
 
 
Recha. Recht! recht!—Hast du ihn schon
Gesprochen? Und wie ist er heut?
 
 
Daja. Wie immer.
 
 
Nathan.
So macht nur, daß er Euch hier nicht gewahr
Wird. Tretet mehr zurück. Geht lieber ganz
Hinein.
 
 
Recha. Nur einen Blick noch!—Ah! die Hecke,
Die mir ihn stiehlt.
 
 
Daja. Kommt! kommt! Der Vater hat
Ganz recht. Ihr lauft Gefahr, wenn er Euch sieht,
Daß auf der Stell' er umkehrt.
 
 
Recha. Ah! die Hecke!
 
 
Nathan.
Und kömmt er plötzlich dort aus ihr hervor:
So kann er anders nicht, er muß Euch sehn.
Drum geht doch nur!
 
 
Daja. Kommt! kommt! Ich weiß ein Fenster,
Aus dem wir sie bemerken können.
 
 
Recha. Ja?
 

(Beide hinein.)

Fünfter Auftritt

Nathan und bald darauf der Tempelherr.

 
Nathan.
Fast scheu ich mich des Sonderlings. Fast macht
Mich seine rauhe Tugend stutzen. Daß
Ein Mensch doch einen Menschen so verlegen
Soll machen können!—Ha! er kömmt.—Bei Gott!
Ein Jüngling wie ein Mann. Ich mag ihn wohl
Den guten, trotz'gen Blick! den prallen Gang!
Die Schale kann nur bitter sein: der Kern
Ist's sicher nicht.—Wo sah ich doch dergleichen?—
Verzeihet, edler Franke…
 
 
Tempelherr. Was?
 
 
Nathan. Erlaubt…
 
 
Tempelherr.
Was, Jude? was?
 
 
Nathan. Daß ich mich untersteh,
Euch anzureden.
 
 
Tempelherr. Kann ich's wehren? Doch
Nur kurz.
 
 
Nathan. Verzieht, und eilet nicht so stolz,
Nicht so verächtlich einem Mann vorüber,
Den Ihr auf ewig Euch verbunden habt.
 
 
Tempelherr.
Wie das?—Ah, fast errat ich's. Nicht? Ihr seid…
 
 
Nathan.
Ich heiße Nathan; bin des Mädchens Vater,
Das Eure Großmut aus dem Feu'r gerettet;
Und komme…
 
 
Tempelherr. Wenn zu danken:—spart's! Ich hab
Um diese Kleinigkeit des Dankes schon
Zu viel erdulden müssen.—Vollends Ihr,
Ihr seid mir gar nichts schuldig. Wußt' ich denn,
Daß dieses Mädchen Eure Tochter war?
Es ist der Tempelherren Pflicht, dem ersten
Dem besten beizuspringen, dessen Not
Sie sehn. Mein Leben war mir ohnedem
In diesem Augenblicke lästig. Gern,
Sehr gern ergriff ich die Gelegenheit,
Es für ein andres Leben in die Schanze
Zu schlagen: für ein andres—wenn's auch nur
Das Leben einer Jüdin wäre.
 
 
Nathan. Groß!
Groß und abscheulich!—Doch die Wendung läßt
Sich denken. Die bescheidne Größe flüchtet
Sich hinter das Abscheuliche, um der
Bewundrung auszuweichen.—Aber wenn
Sie so das Opfer der Bewunderung
Verschmäht: was für ein Opfer denn verschmäht
Sie minder?—Ritter, wenn Ihr hier nicht fremd
Und nicht gefangen wäret, würd' ich Euch
So dreist nicht fragen. Sagt, befehlt: womit
Kann man Euch dienen?
 
 
Tempelherr. Ihr? Mit nichts.
 
 
Nathan. Ich bin
Ein reicher Mann.
 
 
Tempelherr. Der reichre Jude war
Mir nie der beßre Jude.
 
 
Nathan. Dürft Ihr denn
Darum nicht nützen, was demungeachtet
Er Beßres hat? nicht seinen Reichtum nützen?
 
 
Tempelherr.
Nun gut, das will ich auch nicht ganz verreden;
Um meines Mantels willen nicht. Sobald
Der ganz und gar verschlissen; weder Stich
Noch Fetze länger halten will: komm ich
Und borge mir bei Euch zu einem neuen,
Tuch oder Geld.—Seht nicht mit eins so finster!
Noch seid Ihr sicher; noch ist's nicht so weit
Mit ihm. Ihr seht; er ist so ziemlich noch
Im Stande. Nur der eine Zipfel da
Hat einen garstigen Fleck; er ist versengt.
Und das bekam er, als ich Eure Tochter
Durchs Feuer trug.
 
 
Nathan (der nach dem Zipfel greift und ihn betrachtet).
Es ist doch sonderbar,
Daß so ein böser Fleck, daß so ein Brandmal
Dem Mann ein beßres Zeugnis redet, als
Sein eigner Mund. Ich möcht' ihn küssen gleich—
Den Flecken!—Ah, verzeiht!—Ich tat es ungern.
 
 
Tempelherr.
Was?
 
 
Nathan. Eine Träne fiel darauf.
 
 
Tempelherr. Tut nichts!
Er hat der Tropfen mehr.—(Bald aber fängt
Mich dieser Jud' an zu verwirren.)
 
 
Nathan. Wärt
Ihr wohl so gut, und schicktet Euern Mantel
Auch einmal meinem Mädchen?
 
 
Tempelherr. Was damit?
 
 
Nathan.
Auch ihren Mund an diesen Fleck zu drücken.
Denn Eure Kniee selber zu umfassen,
Wünscht sie nun wohl vergebens.
 
 
Tempelherr. Aber, Jude—
Ihr heißet Nathan?—Aber, Nathan—Ihr
Setzt Eure Worte sehr—sehr gut—sehr spitz—
Ich bin betreten—Allerdings—ich hätte…
 
 
Nathan.
Stellt und verstellt Euch, wie Ihr wollt. Ich find
Auch hier Euch aus. Ihr wart zu gut, zu bieder,
Um höflicher zu sein.—Das Mädchen, ganz
Gefühl; der weibliche Gesandte, ganz
Dienstfertigkeit; der Vater weit entfernt—
Ihr trugt für ihren guten Namen Sorge;
Floht ihre Prüfung; floht, um nicht zu siegen.
Auch dafür dank ich Euch—
 
 
Tempelherr. Ich muß gestehn,
Ihr wißt, wie Tempelherren denken sollten.
 
 
Nathan.
Nur Tempelherren? sollten bloß? und bloß
Weil es die Ordensregeln so gebieten?
Ich weiß, wie gute Menschen denken; weiß,
Daß alle Länder gute Menschen tragen.
 
 
Tempelherr.
Mit Unterschied, doch hoffentlich?
 
 
Nathan. Jawohl;
An Farb', an Kleidung, an Gestalt verschieden.
 
 
Tempelherr.
Auch hier bald mehr, bald weniger, als dort.
 
 
Nathan.
Mit diesem Unterschied ist's nicht weit her.
Der große Mann braucht überall viel Boden;
Und mehrere, zu nah gepflanzt, zerschlagen
Sich nur die Äste. Mittelgut, wie wir,
Find't sich hingegen überall in Menge.
Nur muß der eine nicht den andern mäkeln.
Nur muß der Knorr den Knuppen hübsch vertragen.
Nur muß ein Gipfelchen sich nicht vermessen,
Daß es allein der Erde nicht entschossen.
 
 
Tempelherr.
Sehr wohl gesagt!—Doch kennt Ihr auch das Volk,
Das diese Menschenmäkelei zuerst
Getrieben? Wißt Ihr, Nathan, welches Volk
Zuerst das auserwählte Volk sich nannte?
Wie? wenn ich dieses Volk nun, zwar nicht haßte,
Doch wegen seines Stolzes zu verachten,
Mich nicht entbrechen könnte? Seines Stolzes;
Den es auf Christ und Muselmann vererbte,
Nur sein Gott sei der rechte Gott!—Ihr stutzt,
Daß ich, ein Christ, ein Tempelherr, so rede?
Wenn hat, und wo die fromme Raserei,
Den bessern Gott zu haben, diesen bessern
Der ganzen Welt als besten auf zudringen,
In ihrer schwärzesten Gestalt sich mehr
Gezeigt, als hier, als itzt? Wem hier, wem itzt
Die Schuppen nicht vom Auge fallen… Doch
Sei blind, wer will!—Vergeßt, was ich gesagt;
Und laßt mich! (Will gehen.)
 
 
Nathan. Ha! Ihr wißt nicht, wie viel fester
Ich nun mich an Euch drängen werde.—Kommt,
Wir müssen, müssen Freunde sein!—Verachtet
Mein Volk so sehr Ihr wollt. Wir haben beide
Uns unser Volk nicht auserlesen. Sind
Wir unser Volk? Was heißt denn Volk?
Sind Christ und Jude eher Christ und Jude,
Als Mensch? Ah! wenn ich einen mehr in Euch
Gefunden hätte, dem es gnügt, ein Mensch
Zu heißen!
 
 
Tempelherr. Ja, bei Gott, das habt Ihr, Nathan!
Das habt Ihr!—Eure Hand!—Ich schäme mich,
Euch einen Augenblick verkannt zu haben.
 
 
Nathan.
Und ich bin stolz darauf. Nur das Gemeine
Verkennt man selten.
 
 
Tempelherr. Und das Seltene
Vergißt man schwerlich.—Nathan, ja;
Wir müssen, müssen Freunde werden.
 
 
Nathan. Sind
Es schon.—Wie wird sich meine Recha freuen!—
Und ah! welch eine heitre Ferne schließt
Sich meinen Blicken auf!—Kennt sie nur erst.
 
 
Tempelherr.
Ich brenne vor Verlangen.—Wer stürzt dort
Aus Euerm Hause? Ist's nicht ihre Daja?
 
 
Nathan.
Jawohl. So ängstlich?
 
 
Tempelherr. Unsrer Recha ist
Doch nichts begegnet?
 

Sechster Auftritt

Die Vorigen und Daja eilig.

 
Daja. Nathan! Nathan!
 
 
Nathan. Nun?
 
 
Daja.
Verzeihet, edler Ritter, daß ich Euch
Muß unterbrechen.
 
 
Nathan. Nun, was ist's?
 
 
Tempelherr. Was ist's?
 
 
Daja.
Der Sultan hat geschickt. Der Sultan will
Euch sprechen. Gott, der Sultan!
 
 
Nathan. Mich? der Sultan?
Er wird begierig sein, zu sehen, was
Ich Neues mitgebracht. Sag nur, es sei
Noch wenig oder gar nichts ausgepackt.
 
 
Daja.
Nein, nein; er will nichts sehen; will Euch sprechen,
Euch in Person, und bald; sobald Ihr könnt.—
 
 
Nathan.
Ich werde kommen.—Geh nur wieder, geh!
 
 
Daja.
Nehmt ja nicht übel auf, gestrenger Ritter—
Gott, wir sind so bekümmert, was der Sultan
Doch will.
 
 
Nathan. Das wird sich zeigen. Geh nur, geh!
 

Siebenter Auftritt

Nathan und der Tempelherr.

 
Tempelherr.
So kennt Ihr ihn noch nicht?—ich meine, von
Person.
 
 
Nathan. Den Saladin? Noch nicht. Ich habe
Ihn nicht vermieden, nicht gesucht zu kennen.
Der allgemeine Ruf sprach viel zu gut
Von ihm, daß ich nicht lieber glauben wollte,
Als sehn. Doch nun,—wenn anders dem so ist,
Hat er durch Sparung Eures Lebens…
 
 
Tempelherr. Ja; Dem allerdings ist so. Das Leben, das ich leb, ist sein Geschenk.
 
 
Nathan. Durch das er mir
Ein doppelt, dreifach Leben schenkte. Dies
Hat alles zwischen uns verändert; hat
Mit eins ein Seil mir umgeworfen, das
Mich seinem Dienst auf ewig fesselt. Kaum,
Und kaum, kann ich es nun erwarten, was
Er mir zuerst befehlen wird. Ich bin
Bereit zu allem; bin bereit ihm zu
Gestehn, daß ich es Euertwegen bin.
 
 
Tempelherr.
Noch hab ich selber ihm nicht danken können:
Sooft ich auch ihm in den Weg getreten.
Der Eindruck, den ich auf ihn machte, kam
So schnell, als schnell er wiederum verschwunden.
Wer weiß, ob er sich meiner gar erinnert.
Und dennoch muß er, einmal wenigstens,
Sich meiner noch erinnern, um mein Schicksal
Ganz zu entscheiden. Nicht genug, daß ich
Auf sein Geheiß noch bin, mit seinem Willen
Noch leb: ich muß nun auch von ihm erwarten,
Nach wessen Willen ich zu leben habe.
 
 
Nathan.
Nicht anders; um so mehr will ich nicht säumen.—
Es fällt vielleicht ein Wort, das mir, auf Euch
Zu kommen, Anlaß gibt.—Erlaubt, verzeiht—
Ich eile—Wenn, wenn aber sehn wir Euch
Bei uns?
 
 
Tempelherr. Sobald ich darf.
 
 
Nathan. Sobald Ihr wollt.
 
 
Tempelherr.
Noch heut.
 
 
Nathan. Und Euer Name?—muß ich bitten.
 
 
Tempelherr.
Mein Name war—ist Curd von Stauffen.—Curd!
 
 
Nathan.
Von Stauffen?—Stauffen?—Stauffen?
 
 
Tempelherr. Warum fällt
Euch das so auf?
 
 
Nathan. Von Stauffen?—Des Geschlechts
Sind wohl noch mehrere…
 
 
Tempelherr. O ja! hier waren,
Hier faulen des Geschlechts schon mehrere.
Mein Oheim selbst,—mein Vater will ich sagen,
Doch warum schärft sich Euer Blick auf mich
Je mehr und mehr?
 
 
Nathan. O nichts! o nichts! Wie kann
Ich Euch zu sehn ermüden?
 
 
Tempelherr. Drum verlaß
Ich Euch zuerst. Der Blick des Forschers fand
Nicht selten mehr, als er zu finden wünschte.
Ich fürcht ihn, Nathan. Laßt die Zeit allmählich,
Und nicht die Neugier, unsre Kundschaft machen.
 
 
(Er geht.)
 
 
Nathan (der ihm mit Erstaunen nachsieht).
"Der Forscher fand nicht selten mehr, als er
Zu finden wünschte."—Ist es doch, als ob
In meiner Seel' er lese!—Wahrlich ja;
Das könnt' auch mir begegnen.—Nicht allein
Wolfs Wuchs, Wolfs Gang: auch seine Stimme. So,
Vollkommen so, warf Wolf sogar den Kopf;
Trug Wolf sogar das Schwert im Arm'; strich Wolf
Sogar die Augenbraunen mit der Hand,
Gleichsam das Feuer seines Blicks zu bergen.
Wie solche tiefgeprägte Bilder doch
Zu Zeiten in uns schlafen können, bis
Ein Wort, ein Laut sie weckt.—Von Stauffen!—
Ganz redet, ganz recht; Filnek und Stauffen.—
Ich will das bald genauer wissen; bald.
Nur erst zum Saladin.—Doch wie? lauscht dort
Nicht Daja?—Nun so komm nur näher, Daja.
 

Achter Auftritt

Daja. Nathan.

 
Nathan.
Was gilt's? nun drückt's euch beiden schon das Herz,
Noch ganz was anders zu erfahren, als
Was Saladin mir will.
 
 
Daja. Verdenkt Ihr's ihr?
Ihr fingt soeben an, vertraulicher
Mit ihm zu sprechen: als des Sultans Botschaft
Uns von dem Fenster scheuchte.
 
 
Nathan. Nun, so sag
Ihr nur, daß sie ihn jeden Augenblick
Erwarten darf.
 
 
Daja. Gewiß? gewiß?
 
 
Nathan. Ich kann
Mich doch auf dich verlassen, Daja? Sei
Auf deiner Hut; ich bitte dich. Es soll
Dich nicht gereuen. Dein Gewissen selbst
Soll seine Rechnung dabei finden. Nur
Verdirb mir nichts in meinem Plane. Nur
Erzähl und frage mit Bescheidenheit,
Mit Rückhalt…
 
 
Daja. Daß Ihr doch noch erst so was
Erinnern könnt!—Ich geh; geht Ihr nur auch.
Denn seht! ich glaube gar, da kömmt vom Sultan
Ein zweiter Bot', Al-Hafi, Euer Derwisch. (Geht ab.)
 

Neunter Auftritt

Nathan. Al-Hafi.

 
Al-Hafi.
Ha! ha! zu Euch wollt' ich nun eben wieder.
 
 
Nathan.
Ist's denn so eilig? Was verlangt er denn
Von mir?
 
 
Al-Hafi. Wer?
 
 
Nathan. Saladin.—Ich komm, ich komme.
 
 
Al-Hafi.
Zu wem? Zum Saladin?
 
 
Nathan. Schickt Saladin
Dich nicht?
 
 
Al-Hafi. Mich? nein. Hat er denn schon geschickt?
 
 
Nathan.
Ja freilich hat er.
 
 
Al-Hafi. Nun, so ist es richtig.
 
 
Nathan.
Was? was ist richtig?
 
 
Al-Hafi. Daß… ich bin nicht schuld;
Gott weiß, ich bin nicht schuld.—Was hab ich nicht
Von Euch gesagt, gelogen, um es abzuwenden!
 
 
Nathan.
Was abzuwenden? Was ist richtig?
 
 
Al-Hafi. Daß
Nun Ihr sein Defterdar geworden. Ich
Bedaur' Euch. Doch mit ansehn will ich's nicht.
Ich geh von Stund an; geh. Ihr habt es schon
Gehört, wohin; und wißt den Weg.—Habt Ihr
Des Wegs was zu bestellen, sagt: ich bin
Zu Diensten. Freilich muß es mehr nicht sein,
Als was ein Nackter mit sich schleppen kann.
Ich geh, sagt bald.
 
 
Nathan. Besinn dich doch, Al-Hafi.
Besinn dich, daß ich noch von gar nichts weiß.
Was plauderst du denn da?
 
 
Al-Hafi. Ihr bringt sie doch
Gleich mit, die Beutel?
 
 
Nathan. Beutel?
 
 
Al-Hafi. Nun, das Geld,
Das Ihr dem Saladin vorschießen sollt.
 
 
Nathan.
Und weiter ist es nichts?
 
 
Al-Hafi. Ich sollt' es wohl
Mit ansehn, wie er Euch von Tag zu Tag
Aushöhlen wird bis auf die Zehen? Sollt'
Es wohl mit ansehn, daß Verschwendung aus
Der weisen Milde sonst nie leeren Scheuern
So lange borgt, und borgt, und borgt, bis auch
Die armen eingebornen Mäuschen drin
Verhungern?—Bildet Ihr vielleicht Euch ein,
Wer Euers Gelds bedürftig sei, der werde
Doch Euerm Rate wohl auch folgen?—Ja;
Er Rate folgen! Wenn hat Saladin
Sich raten lassen?—Denkt nur, Nathan, was
Mir eben itzt mit ihm begegnet.
 
 
Nathan. Nun?
 
 
Al-Hafi.
Da komm ich zu ihm, eben daß er Schach
Gespielt mit seiner Schwester. Sittah spielt
Nicht übel; und das Spiel, das Saladin
Verloren glaubte, schon gegeben hatte,
Das stand noch ganz so da. Ich seh Euch hin,
Und sehe, daß das Spiel noch lange nicht
Verloren.
 
 
Nathan. Ei! das war für dich ein Fund!
 
 
Al-Hafi.
Er durfte mit dem König an den Bauer
Nur rücken, auf ihr Schach.—Wenn ich's Euch gleich
Nur zeigen könnte!
 
 
Nathan. O ich traue dir!
 
 
Al-Hafi.
Denn so bekam der Roche Feld: und sie
War hin.—Das alles will ich ihm nun weisen
Und ruf ihn.—Denkt!…
 
 
Nathan. Er ist nicht deiner Meinung?
 
 
Al-Hafi.
Er hört mich gar nicht an, und wirft verächtlich
Das ganze Spiel in Klumpen.
 
 
Nathan. Ist das möglich?
 
 
Al-Hafi.
Und sagt: er wolle matt nun einmal sein;
Er wolle! Heißt das spielen?
 
 
Nathan. Schwerlich wohl;
Heißt mit dem Spielen spielen.
 
 
Al-Hafi. Gleichwohl galt
Es keine taube Nuß.
 
 
Nathan. Geld hin, Geld her!
Das ist das wenigste. Allein dich gar
Nicht anzuhören! über einen Punkt
Von solcher Wichtigkeit dich nicht einmal
Zu hören! deinen Adlerblick nicht zu
Bewundern! das, das schreit um Rache; nicht?
 
 
Al-Hafi.
Ach was! Ich sage Euch das nur, damit
Ihr sehen könnt, was für ein Kopf er ist.
Kurz, ich, ich halt's mit ihm nicht länger aus.
Da lauf ich nun bei allen schmutz'gen Mohren
Herum, und frage, wer ihm borgen will.
Ich, der ich nie für mich gebettelt habe,
Soll nun für andre borgen. Borgen ist
Viel besser nicht als betteln: so wie leihen,
Auf Wucher leihen, nicht viel besser ist,
Als stehlen. Unter meinen Ghebern, an
Dem Ganges, brauch ich beides nicht, und brauche
Das Werkzeug beider nicht zu sein. Am Ganges,
Am Ganges nur gibt's Menschen. Hier seid Ihr
Der einzige, der noch so würdig wäre,
Daß er am Ganges lebte.—Wollt Ihr mit?—
Laßt ihm mit eins den Plunder ganz im Stiche,
Um den es ihm zu tun. Er bringt Euch nach
Und nach doch drum. So wär' die Plackerei
Auf einmal aus. Ich schaff Euch einen Delk.
Kommt! kommt!
 
 
Nathan. Ich dächte zwar, das blieb' uns ja
Noch immer übrig. Doch, Al-Hafi, will
Ich's überlegen. Warte…
 
 
Al-Hafi. Überlegen?
Nein, so was überlegt sich nicht.
 
 
Nathan. Nur bis
Ich von dem Sultan wiederkomme; bis
Ich Abschied erst…
 
 
Al-Hafi. Wer überlegt, der sucht
Bewegungsgründe, nicht zu dürfen. Wer
Sich Knall und Fall, ihm selbst zu leben, nicht,
Entschließen kann, der lebet andrer Sklav'
Auf immer.—Wie Ihr wollt!—Lebt wohl! wie's Euch
Wohl dünkt.—Mein Weg liegt dort; und Eurer da.
 
 
Nathan.
Al-Hafi! Du wirst selbst doch erst das Deine
Berichtigen?
 
 
Al-Hafi. Ach Possen! Der Bestand
Von meiner Kass' ist nicht des Zählens wert;
Und meine Rechnung bürgt—Ihr oder Sittah.
Lebt wohl! (Ab.)
 
 
Nathan (ihm nachsehend).
Die bürg ich!—Wilder, guter, edler—
Wie nenn ich ihn?—Der wahre Bettler ist
Doch einzig und allein der wahre König!
(Von einer andern Seite ab.)
 

Dritter Aufzug

Erster Auftritt

(Szene: in Nathans Hause.)

Recha und Daja.

 
Recha.
Wie, Daja, drückte sich mein Vater aus?
"Ich dürf' ihn jeden Augenblick erwarten?"
Das klingt—nicht wahr?—als ob er noch so bald
Erscheinen werde.—Wieviel Augenblicke
Sind aber schon vorbei!—Ah nun: wer denkt
An die verflossenen?—Ich will allein
In jedem nächsten Augenblicke leben.
Er wird doch einmal kommen, der ihn bringt.
 
 
Daja.
O der verwünschten Botschaft von dem Sultan!
Denn Nathan hätte sicher ohne sie
Ihn gleich mit hergebracht.
 
 
Recha. Und wenn er nun
Gekommen, dieser Augenblick; wenn denn
Nun meiner Wünsche wärmster, innigster
Erfüllet ist: was dann?—was dann?
 
 
Daja. Was dann?
Dann hoff ich, daß auch meiner Wünsche wärmster
Soll in Erfüllung gehen.
 
 
Recha. Was wird dann
In meiner Brust an dessen Stelle treten,
Die schon verlernt, ohn' einen herrschenden
Wunsch aller Wünsche sich zu dehnen?—Nichts?
Ah, ich erschrecke!…
 
 
Daja. Mein, mein Wunsch wird dann
An des erfüllten Stelle treten; meiner.
Mein Wunsch, dich in Europa, dich in Händen
Zu wissen, welche deiner würdig sind.
 
 
Recha.
Du irrst.—Was diesen Wunsch zu deinem macht,
Das nämliche verhindert, daß er meiner
Je werden kann. Dich zieht dein Vaterland:
Und meines, meines sollte mich nicht halten?
Ein Bild der Deinen, das in deiner Seele
Noch nicht verloschen, sollte mehr vermögen,
Als die ich sehn, und greifen kann, und hören,
Die Meinen?
 
 
Daja. Sperre dich, soviel du willst!
Des Himmels Wege sind des Himmels Wege.
Und wenn es nun dein Retter selber wäre,
Durch den sein Gott, für den er kämpft, dich in
Das Land, dich zu dem Volke führen wollte,
Für welche du geboren wurdest?
 
 
Recha. Daja!
Was sprichst du da nun wieder, liebe Daja!
Du hast doch wahrlich deine sonderbaren
Begriffe! "Sein, sein Gott! für den er kämpft!"
Wem eignet Gott? was ist das für ein Gott,
Der einem Menschen eignet? der für sich
Muß kämpfen lassen?—Und wie weiß
Man denn, für welchen Erdkloß man geboren,
Wenn man's für den nicht ist, auf welchem man
Geboren?—Wenn mein Vater dich so hörte!—
Was tat er dir, mir immer nur mein Glück
So weit von ihm als möglich vorzuspiegeln?
Was tat er dir, den Samen der Vernunft,
Den er so rein in meine Seele streute,
Mit deines Landes Unkraut oder Blumen
So gern zu mischen?—Liebe, liebe Daja,
Er will nun deine bunten Blumen nicht
Auf meinem Boden!—Und ich muß dir sagen,
Ich selber fühle meinen Boden, wenn
Sie noch so schön ihn kleiden, so entkräftet,
So ausgezehrt durch deine Blume; fühle
In ihrem Dufte, sauersüßem Dufte,
Mich so betäubt, so schwindelnd!—Dein Gehirn
Ist dessen mehr gewohnt. Ich tadle drum
Die stärkern Nerven nicht, die ihn vertragen.
Nur schlägt er mir nicht zu; und schon dein Engel,
Wie wenig fehlte, daß er mich zur Närrin
Gemacht?—Noch schäm ich mich vor meinem Vater
Der Posse!
 
 
Daja. Posse!—Als ob der Verstand
Nur hier zu Hause wäre! Posse! Posse!
Wenn ich nur reden dürfte!
 
 
Recha. Darfst du nicht?
Wenn war ich nicht ganz Ohr, sooft es dir
Gefiel, von deinen Glaubenshelden mich
Zu unterhalten? Hab ich ihren Taten
Nicht stets Bewunderung; und ihren Leiden
Nicht immer Tränen gern gezollt? Ihr Glaube
Schien freilich mir das Heldenmäßigste
An ihnen nie. Doch so viel tröstender
War mir die Lehre, daß Ergebenheit
In Gott von unserm Wähnen über Gott
So ganz und gar nicht abhängt.—Liebe Daja,
Das hat mein Vater uns so oft gesagt;
Darüber hast du selbst mit ihm so oft
Dich einverstanden: warum untergräbst
Du denn allein, was du mit ihm zugleich
Gebauet?—Liebe Daja, das ist kein
Gespräch, womit wir unserm Freund' am besten
Entgegensehn. Für mich zwar, ja! Denn mir,
Mir liegt daran unendlich, ob auch er…
Horch, Daja!—Kommt es nicht an unsre Türe?
Wenn Er es wäre! horch!
 
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
27 июля 2019
Объем:
130 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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