Читать книгу: «Mein Haus, mein Hof, mein Rudel», страница 2

Шрифт:

In den nächsten Tagen machen wir Wanderungen vom Haus aus sowie Ausflüge zu den berühmten Orten Siena, Montepulciano und Assisi und in schöne unbekannte Städtchen. Diese Gegend hier ist bergiger als das sanfte Hügelland der klassischen Toskana. Vom Haus aus kommen wir über einen Trampelpfad, der ziemlich steil ansteigt, auf eine Schotterpiste, die sich auf halber Höhe ganz um das Tal zieht. An jeder Biegung ein neuer Ausblick! Hin und wieder überqueren wir eine kleine Schlucht mit Wasserlauf, der durch eine große Röhre unter der Piste durch geführt wird. Ein paar Sprünge abwärts über Felsbrocken und Paula kann trinken – jedenfalls jetzt noch. Denn im Sommer gibt es hier kein Wasser mehr. Wir stoßen auf die eine oder andere Ruine und schwärmen davon, sie zu kaufen und wieder aufzubauen. »Diese Aussicht und die Zufahrt ist auch passabel. Das wär᾿s doch!« In der Mittagszeit ist es bei strahlendem Sonnenschein schon sehr warm, und wir sehen, dass Paula ein Stück läuft, sich im Schatten eines Baumes oder Strauches niederlässt, dann wieder aufsteht und zum nächsten Schatten eilt, immerfort. Wir haben nicht damit gerechnet, dass ihr diese Aprilsonne schon so stark zu schaffen macht. Nun, dann machen wir jetzt eine kleine Siesta. Zunächst Wasser und einen Hundekeks für Paula, für uns Vesperbrote und Mineralwasser – alles im Schatten mit Ausblick in die Landschaft.

Um uns herum surrt und summt es, Bienen, Hummeln, Schmetterlinge; die Macchia mit Ginster, Thymian, Salbei und Zistrose lockt sie alle an. Ich wünsche mir, hier einmal die Klatschmohnblüte sehen zu können. Wir ruhen uns aus und Paula schläft fest. Ihre Augäpfel bewegen sich unter ihren Lidern. Welche Traumbilder mag sie wohl sehen? Jagt sie ein Kaninchen? Stellt sie gerade einen Einbrecher? Oder träumt sie nur von den Hummeln, Bienen und Schmetterlingen, die uns umgeben? Man kann es nicht wissen. Und so träumen wir gemeinsam vor uns hin, jeder auf seine Art, in seiner Weise, um Kraft für den Rückweg zu sammeln. Dieser ist weniger anstrengend als der Hinweg, denn es geht stetig und leicht bergab. Paula nimmt nur noch ab und zu einen Schattenplatz ein. Plötzlich sehen wir hinter einer Kurve eine große Schlange auf dem Weg. »Paula!!« Zwei Rufe erschallen wie aus einem Mund. Sie bleibt sofort stehen. Es ist eine Aspisviper, ca. 80 cm lang, erkennbar am dunkelbraun-schwarzen Schläfenband am äußeren Auge, das erfahren wir später von unserem Nachbarn. Sie ist tagaktiv und giftig, und jetzt im April/Mai ist Paarungszeit. Gemeinsam, aus sicherer Entfernung, beobachten wir die Schlange, die sich nach einer Weile in das Steingeröll zurückzieht. Mit einer gewissen Erleichterung haben wir bald den Abstieg zum Haus über den Trampelpfad erreicht. Paula läuft vorweg und wartet unten in dem kleinen Bachlauf auf uns, in dem sie vorsichtig zwischen den Steinen im kühlen Nass auf und ab geht und Wasser schlürft.

Wenn wir mit unserer Hündin in einem kleineren, wenig touristischen Städtchen durch die Straßen gehen, wird uns sehr viel Aufmerksamkeit zuteil. Weniger dadurch, dass Paula ziemlich ausdauernd an der Leine zerrt, weil sie durch die vielen fremden Eindrücke und Gerüche sehr aufgeregt ist und das Kommando »Fuß« in ein Ohr hinein geht und zum anderen hinaus, sondern allein durch ihr Aussehen. Ob in Castellione di Lago am Traminischen See, ob in Arrezzo oder Cortona – die Szenen ähneln sich. Wir parken, nachdem wir über viele Serpentinen in die Höhe gefahren sind, an der Stadtmauer von Cortona. Die Dächer des Städtchens werden, wie es scheint, himmelhoch vom Glockenturm der Santa Margherita überragt. Ein grandioser Ausblick in die Tiefebene bietet sich uns. Schweift der Blick zum Horizont, erscheint dort das sanfte Hügelland der Toskana. Um die Piazza zu erreichen, gehen wir durch ein Stadttor, dann eine der kleinen mit Sandstein gepflasterten Gassen entlang, die alle dorthin führen. Der große Uhrturm des Rathauses beherrscht den Platz, der über flache Stufen zugänglich ist. Die kleinen Gassen haben noch ihren mittelalterlichen Charakter bewahrt. Es gibt eine Gasse für Handwerker, denen man heute durch die offenen, halbrunden Tore bei der Arbeit zuschauen kann, eine andere für die Kaufmannsläden, die in üppiger Pracht ihre Waren vor den Türen im Freien zur Schau stellen, eine weitere für die Figaros und Parfümerien … Zusätzlich ist fast täglich Markt. Auch Obst und Gemüse wird angeboten: wunderbare Orangen, die natürlich nicht der EU-Norm genügen, aber ungewachst sind und noch mit grünem Laub versehen, so süß und saftig, dass wir ganz klebrige Finger beim Schälen bekommen. Dann sind da Löwenzahn, Rucola und andere Blätter, die für Salat geeignet sind, deren Namen ich aber nicht kenne. Hier sitzen die Produzenten aus der Umgebung mit ihren Kisten, die in den kleinen, dreirädrigen Piaggio-Rollern transportiert werden. Zwischendurch ist auch ein Korb mit lebenden Hühnern oder Kaninchen zu sehen. Die Käse- und Fleischstände haben ein bekanntes Aussehen, wahrscheinlich wegen der Kühlung. Wir probieren unterschiedliche toskanische Crostinis und einen frischen Ricotta. Da es kleine Happen sind, darf Paula von den würzigen Crostinis auch etwas naschen. Aber viel Ruhe haben wir nicht! Immer sind wir umringt von einer Traube Italiener, sie lächeln uns an und zeigen auf Paula: »Che bello cane, che bello cane, welch schöner Hund!« Paula steht oder sitzt dann ganz aufmerksam neben uns, macht sich noch ein Stückchen größer, neigt den Kopf und bewegt die Ohren, als verstehe sie alles. Ganz stolz sieht sie aus. Sie strahlt! »Paula, du verstehst ja Italienisch.« Ein Lefzenlächeln.

Die Sprache der Herzen ist überall die gleiche.

DIE ERSTE LÄUFIGKEIT

Auf der Rückfahrt unserer Italienreise bahnt sich etwas an. Um den Urlaub ausklingen zu lassen, bleiben wir noch drei Tage in Ligurien in Küstennähe. Ein junges Paar aus Mailand, beide aus sozialen Berufen, hatte sich entschlossen, einen alten Hof mit Olivenbaumbestand und Olivenmühle zu kaufen und ihn in eine Azienda agricultura (einen landwirtschaftlichen Gastronomiebetrieb) umzubauen. Sie vermieten vier Zimmer und bieten die Übernachtung an mit Frühstück und einem Drei-Gänge-Menü am Abend, für das die eigenen Produkte sowie Produkte aus der Region verarbeitet werden. Ihr Vorhaben ist ihnen sehr gut gelungen, und wir verleben angenehme Tage dort. Bei den Mahlzeiten bringen wir Paula ins Auto, da der einem Wintergarten ähnliche Speiseraum sehr klein ist und unsere große Kleine gar nicht unter die zierlichen Bistrotische passt. In fremden Zimmern wollen wir sie nicht lassen, denn sie würde fortwährend gegen die Klinke der Tür springen, um diese zu öffnen. Allein sein geht nur zu Hause oder im Auto! Die anderen Gäste sind italienische Paare, deutlich jünger als wir und sehr schick. Wir vermuten, dass sie aus Mailand kommen. Ein anschließendes Gespräch bestätigt uns unsere Vermutung. Ja, sie sind Wochenendgäste, genießen eine kleine Erholung auf dem Lande. Bei einem Spaziergang kommt es zu einer heiteren Begebenheit, als wir rufen: »Paula, hierher, hier … Paula!« Denn statt unserer Hündin kommt eine elegante Italienerin, die uns fragend anschaut. Wir sind irritiert, lächeln einander an. »Paula!« Endlich reißt sie sich vom Schnüffeln los und kommt angestürmt. Die Augen der Italienerin blitzen auf. »Mi chiamo Paola, ich heiße Paula«, erklärt sie und reicht uns die Hand. Einem Schwall italienischer Wörter, deren Inhalt wir nur erahnen können, glauben wir zu entnehmen, dass sie sich gerufen fühlte und erstaunt war, als dann niemand da war, den sie kannte. Stattdessen stieß sie auf ein deutsches Ehepaar mit seinem Hund. Nun denn, ob Paula oder Paola: Italiener würden ihren Tieren keine Menschennamen geben. Paola streichelt Paula, dann geht jeder seines Wegs.

Am Tag der Abreise ist Paula völlig aufgekratzt. Sie schleicht auch gar nicht um das Auto herum, was sie bei Aufbruchstimmung sonst immer macht. Sie will noch hierhin und dorthin und strahlt eine große Unruhe aus. Da sie ihre Antibiotika-Spritzen, die sie wegen eines Zeckenbefalls bekommen muss, gut verträgt, schließen wir einen Zusammenhang mit den Zeckenbissen aus. »Ob sie schon läufig wird?« Diese Frage drängt sich auf, denn sie wird bald neun Monate alt. Man gut, dass wir am nächsten Tag wieder zu Hause sind.

Kurze Zeit später ist es dann tatsächlich so weit. Die ersten Blutspuren tauchen auf und eine völlig ausgewechselte Paula, unruhig und fahrig, hält uns beschäftigt. Sie will immer aus dem Haus, am Dorfrand bleibt sie stehen, will keinen Schritt weitergehen, nur die Umgebung taxieren, ob nicht ein Rüde in Sicht ist. Diese verfolgen uns im gleichmäßigen Abstand auf den Spaziergängen, bei denen Paula an der Leine bleibt, sich aber immer nach hinten umschaut und kaum vorwärtsgeht. Einer der Rüden ist besonders hartnäckig. Er läuft mit durch den Wald und wieder zurück. Vielleicht sein bisher längster Spaziergang? Wir fahren mit dem Auto zu anderen Feldwegen, weiter entfernt von unserem Dorf. So haben wir mehr Ruhe, denn Paulas Zustand hat sich dort noch nicht »herumgesprochen«. Aber sie bleibt an der Leine. Doch nun geht die Komödie zu Hause weiter: Die Rüden springen über unseren Gartenzaun und stehen vor der Terrassentür. Selbst einen Methusalem aus unserem Dorf, der sich sonst nur noch mühsam durch die Straßen schleppt, treffen wir plötzlich auf unserer Terrasse an. Die Lust versetzt Berge, in diesem Fall Zäune. Paulas Blutung dauert länger an, als ich erwartet habe. Danach kommt die Zeit möglicher Empfängnis – alles nicht so genau einzuordnen, die Zeiten können sich überschneiden. Wir passen weiterhin gut auf unsere Kleine auf. Als kein Rüde mehr zu sehen ist, wissen wir, dass die anstrengende Zeit vorbei ist. Paula darf wieder allein in den Garten, und wir nehmen unsere alten Gewohnheiten wieder auf. Am Dorfrand lasse ich sie von der Leine. »Paula, jetzt darfst du wieder frei toben.« Ihre Augen blitzen auf.

Darauf habe ich doch schon so lange gewartet.

Anmerkung: Auf Anraten unserer Tierärztin, die Paula während der Welpenzeit betreut hat, haben wir beschlossen, dass Paula nach der ersten Läufigkeit kastriert werden soll. So geschieht es auch. Paula hat weder Gewichtsprobleme bekommen, noch war eine Wesensveränderung spürbar.

SCHWIMMEN LERNEN

Frau Messner, eine Nachbarin, ruft an. Ob wir Lust hätten, mit zum Hundesee zu kommen? Wie ich erfahre, ist der Hundesee ein Kiesteich östlich von unserem Dorf, gut eine halbe Stunde Autofahrt entfernt.

Frau Messner hat zwei Hunde, Andi und Berti, beide Golden Retriever mit Stammbaum, die schulbuchmäßig aufgezogen werden, denn meine Nachbarin möchte eine Hundezucht aufbauen. Berti ist genau wie Paula acht Monate alt.

Als wir Paula gerade bei uns aufgenommen hatten, kam Frau Messner sofort zu uns mit ihrem Berti, damit die Kleinen miteinander spielen konnten. Sie kugelten sich, lagen unter- und übereinander, tapsten umeinander herum, fielen hin, gnibbelten sich in Schnauze und Ohren. Es bereitete so viel Freude, ihnen zuzuschauen. Frau Messner empfahl mir auch ein anderes Futter als das, welches Paulas Züchter benutzte. Trocken-Premiumfutter für Welpen wäre das beste, meinte sie. Ich befolgte ihren Rat, wusste ja selbst noch nicht alles von den Dingen, die ein Hund so braucht. Wir mussten beide lernen – ich auf meine Art und Paula auf ihre.

Ein Hupen auf der Straße! Ich schnappe das Handtuch und die Leine, Paula steht schon am Gartentor und bellt vor Freude. Im Geländewagen von Frau Messner sitzen die Hunde hinten, vorschriftsmäßig durch ein Gitter vom Fahrgastraum getrennt. Schnell steigen auch wir ins Auto, und schon folgen wir den anderen. Der Kiesteich – so stellt sich heraus – ist ein Paradies für die Vierbeiner und ihre Besitzer, ein Geheimtipp, da er von menschlichen Schwimmern höchstwahrscheinlich wegen der Hunde nicht aufgesucht wird. Das warme Frühsommerwetter hat viele Hundefreunde hergelockt, sodass die Parkmöglichkeiten schon knapp sind. Ein kleiner Fußmarsch, begleitet von unseren tobenden Tieren, schon sind wir am Strand. Ja, so kann man das Fleckchen nennen, eine kleine feinsandige Stelle, umsäumt von Ginster- und Weidenbüschen. Einige Hunde schwimmen auf geworfene Stöckchen zu, einige spielen miteinander, rennen hintereinander her. Sofort werden die drei Neuen gebührend begrüßt und beschnüffelt. Paula wird von einem schwarzen Riesenschnauzer in Beschlag genommen. Doch er will nicht spielen, er will sie besteigen. Paula setzt sich in den Sand. Er ist weiter zudringlich. Paula steht auf, will sich durch Bewegung befreien, doch er lässt sich nicht abschütteln. Sie setzt sich wieder in den Sand. Aber Paula hat keine Chance, denn der Schnauzer steigt immer wieder auf. Plötzlich hat Paulas Friedfertigkeit ein Ende, sie dreht sich um, bleckt die Zähne und verbellt ihn knurrend mit massiver Drohgebärde. So habe ich sie noch nie gesehen. Das soll meine sanftmütige, immer gut gelaunte Paula sein? Aber immerhin – die Geste zeigt Wirkung. Der Schnauzer nimmt Abstand und nach einem kurzen Moment des Zögerns trollt er sich. Ich umarme Paula. »Das hast du gut gemacht, mein tapferes Mädchen.« Sie wedelt und stupst mich an. Ihr Selbstbewusstsein ist wieder etwas größer geworden.

Ich ermutige sie ins Wasser zu gehen – vor Regenpfützen weicht sie ja immer aus, sie mag sich keine nassen Pfoten holen. Für mich eigentlich eine feine Sache, hat mich diese Eigenart doch schon vor manch zusätzlichem Schmutz im Haus bewahrt. Also bleibt sie auch hier erst mal vor dem Wasser stehen und beobachtet die anderen Hunde, wie sie sich schwimmend und planschend bewegen. Doch der Durst verführt zum Kosten. Paula tapst ins Wasser. Nun sind die Vorderpfoten schon mal nass. Mit Stöckchen-Werfen kann ich sie noch nicht überlisten. Daran zeigt sie erst in späteren Jahren Interesse. Ein nasser Hund kommt auf sie zu und schüttelt sich. Es ist Berti, der als Retriever Wasser über alles liebt. Spielend überzeugt er sie, es einmal mit der köstlichen Kühle zu versuchen und – Paula schwimmt! Sie paddelt mit den Vorderläufen, die Schnauze zur Hälfte im Wasser, ein kleines Stück hinaus, dann wieder zurück, kommt an Ufer, schüttelt das Fell aus, springt wieder hinein, wirkt zunehmend stolzer und begeisterter. Noch einmal, noch einmal … Als sie befindet, dass es genug ist, kommt sie zu mir, schüttelt sich und schenkt mir einige Tropfen vom Nass. Danach wälzt sie sich grunzend im Sand und schüttelt sich gleich erneut.

Hier fahren wir jetzt immer hin!

DIE BULT

In Hannover gibt es ein anderes Hundeparadies: das Gelände der alten Pferderennbahn, die Bult. Es ist auch ein Paradies für die Begleiter der Hunde, daher kommen sie vielfach aus dem Umland, denn die Hunde können ungestört frei laufen, toben und spielen. Keiner ist da, der meckert und schimpft. Keiner, der sich aufregt. Keiner ist unbegründet ängstlich … Nur manchmal gibt es jemanden, der seine Hundephobie überwinden möchte, doch der kommt freiwillig. Auch viel später, als wir schon auf unserem Hof leben, besuchen wir, wenn wir in Hannover sind, die Bult, solange es Paulas Gesundheit zulässt. Und natürlich lernen wir das Gelände durch Frau Messmer mit Andi und Berti kennen.

Bevor dieses Spielparadies erreicht wird, verlässt man am Bismarckbahnhof die Hauptstraße und biegt in eine kleine Sackgasse ein, die zu Kleingärten führt. Dort kann man parken. Manchmal muss man aber auch schon an der Hauptstraße den Wagen stehen lassen, denn es ist kein freier Platz zu finden, besonders zur Zeit des Leinenzwangs. Schon beim Einbiegen in diese Sackgasse erhebt sich immer ein Geheul hinter mir im Auto. Die Vorfreude ist so groß! Haben wir dann einen Parkplatz gefunden, lasse ich Paula sofort, ohne sie anzuleinen, aus dem Wagen, denn aus allen Ecken tauchen Hunde mit ihren Chauffeuren auf! Hunde verstehen sich immer bedeutend besser ohne Leine. Auch Reiter auf ihren Pferden kreuzen hier die Wege. Diese sind so souverän, dass sie sofort ihr Pferd wenden und auf den Hund zugehen, falls dieser es gewagt hat, sich an des Pferdes Fersen zu heften. Auf dem Parkplatz lernen wir zunächst die Rückkehrer mit ihren Hunden kennen, dann folgen wir dem Weg durch ein kurzes Waldstück. Hier ist Aufpassen nötig: Radfahrer! Danach öffnet sich der Wald, und wir schauen auf das Gelände der Bult, ursprünglich eine kleine bewachsene Erhebung über dem Wasserspiegel eines Moores. Sie wirkt heute wie eine englische Parklandschaft, zur Hälfte umgeben von Wald, sanft hügelig mit so manchem Kaninchenbau. Sträucher, Baumgruppen und Solitäre, vereinzelt auch Sitzbänke sind hier zu finden, und das ganze Gelände ist mit kleinen und größeren Trampelpfaden durchzogen, die von durcheinander wuselnden Hunden in bunt gemischter Vielfalt in Besitz genommen sind. Sie ziehen mit ihren Besitzern ihre Bahnen rechts oder links herum, in kleinen oder großen Gruppen, zu zweit, zu dritt oder manchmal auch allein. So kommt es zu immer neuen Begegnungen und Begrüßungen. Von großer Anteilnahme bis zu völligem Desinteresse ist alles dabei. Die Hunde wissen sofort, ob ihnen ihr Gegenüber behagt, und mancher Besitzer wechselt nach der Begegnung seine Laufrichtung und sie gehen noch ein Stück gemeinsam, weil die Hunde Gefallen aneinander gefunden haben. Bei diesen Runden erlebe ich, dass Paula bestimmte Hunderassen wie West Highland Terrier (Westis) und Bobtails nicht mag – höchstwahrscheinlich begründet durch die Erfahrungen in unserem Dorf –, dass sie vor Doggen einen mächtigen Respekt hat, Hovawarts schon von Weitem erkennt und mit Münsterländern besonders gerne spielt. Einmal treffen wir auf ein älteres Ehepaar mit einem Golden Retriever, das sich ausführlich nach Paula erkundigt. Ja, sie hätten schon zweimal eine schwarzmarkene Hovawarthündin gehabt – tolle Hunde, aber anstrengend. So hätten sie sich jetzt im Alter für einen Retriever entschieden, der sei doch bedeutend leichter zu handhaben.

Als ich das erste Mal allein mit Paula zur Bult fahre, kommt ein junger Münsterländer in Paulas Alter, zehn Monate, wie aus dem Nichts auf uns zugeschossen, und schon sind die beiden in ein übermütiges Spiel verwickelt, jagen sich gegenseitig, werfen einander auf den Rücken, gnibbeln sich in die Lefzen … Die beiden werden schnell unzertrennbar und der Kleine geht mit uns mit. Kein Besitzer ist weit und breit zu sehen. Das geht eine lange Weile so, dann kommt Herrchen auf dem Fahrrad daher. Er habe gerade seine Gartenlaube repariert, und da Felix schon unruhig wurde, seien sie kurz mal hergekommen, und kaum hätten sie das Gelände erreicht, sei Felix schon weg gewesen. Nun gehen wir gemeinsam die nächste Runde. Felix, der Glückliche, ist durch Paula noch beglückter. Er liebt sie und sie liebt ihn – es ist nicht zu übersehen. Die Zeit vergeht und die Heimfahrt steht bevor. Wir werden zum Parkplatz begleitet, denn Felix hätte sich nicht von Paula trennen lassen ohne Leine, die ihr Besitzer an diesem Tag in der Laube vergessen hatte. Er wäre zu uns ins Auto gestiegen, hätte sein Herrchen uns nicht gefunden. Wir sagen »Auf Wiedersehen« – unter Abschiedstränen, gäbe es sie bei Hunden – und setzen uns ins Auto, mit dem Versprechen, so lange mit der Abfahrt zu warten, bis ich sicher sei, dass Felix nicht mehr zu uns zurückkehrt. So verharren wir wieder eine lange Weile, währenddessen Paula schon mal Wasser trinkt, das ich mitgenommen habe, nachdem sie sich die Anstrengung des Spiels abgehechelt hat. Auf Felix treffen wir häufiger, wenn wir zur Bult fahren. Jetzt ist die Leine immer dabei. Und so heißt es in Zukunft oft: »Wollen wir schauen, ob Felix da ist?« Leuchtende Augen sind die Antwort und Paula flitzt zur Haustür.

Ja, Felix – mein Freund …


Paula und Nasho

NASHO, BICKU, QUIETSCHI

Neuerdings treibe ich mich nicht nur in den Tierhandlungen herum, um die verschiedenen Leckerlis zu kaufen, wobei ich lerne, dass die am strengsten riechenden zu Hause auf besonderes Wohlwollen stoßen, nein, man sieht mich auch in den Spielwarenabteilungen der Kaufhäuser, die mich in besonderes Verzücken versetzen. Ich schleppe Spielzeug mit nach Hause, bissfestes aus dem Tierladen, weiches aus dem Kaufhaus. So kaufe ich eine Figur aus Entenhausen, es ist wohl Donald im Matrosenanzug, der anfangs herrlich quiekt, wenn Paula ihn »bebeißt«. Doch seine Stimme versagt ziemlich bald, und danach verliert sie ihr Interesse. Aber er ist aus sehr stabilem Material, denn er lebt heute noch, nach über zwanzig Jahren. Dann ist da ein kleines Nashorn, Nasho genannt, grau, ca. 15 cm lang, außen mit Plüsch von sehr guter Qualität überzogen, das schon vom Welpen bekaut, besabbelt und hin- und hergetragen wurde. Nasho liegt immer irgendwo im Haus, sei es im Korb, sei es auf oder unter dem Sofa oder in anderen Winkeln. Nur einmal in fast fünfzehn Jahren hat Nasho die Waschmaschine kennengelernt, danach wurde es sträflich für einige Wochen vernachlässigt. Wird Nasho mit ins Freie genommen, muss es nie befürchten, dass die Hundeschnauze, nachdem sie eine passende Mulde erschnüffelt hat, Sand und Erde zusammenschiebt, um das dort platzierte Objekt – meistens ein Knochen, aber auch Donald oder andere Gummitiere – mit dem angehäuften Material zu bedecken. Nasho wird nie verbuddelt, sondern immer wieder ins Haus getragen. Spürt Paula, dass ein Spieltier aus Plüsch schonender behandelt werden muss?


Mit dem Spielzeug ziehen auch diverse Koseworte in unser Haus ein. »Mein Spatz, Spätzchen, Mauseschwanz, Augenstern, Dackel, Süße, Moppelpoppel …« Und zu den bekannten Namen kommen auch neue Wortschöpfungen: Gehen wir spazieren, lobe ich Paula, wenn sie nach einem Abstecher zurückkommt: »Da bist du ja!« Wenn ich mich verstecke und sie mich freudig findet: »Da bist du ja.« Immer mit besonderer Betonung. »Da bist du ja«, heißt es auch, wenn sie mit Wolfgang wieder nach Hause kommt. Daraus entwickelt sich über die Zeit ein »da bischu ja« und »da bicku ja«, endgültig dann »Bicku«, und Paula hört auf diesen neuen Namen. »Bicku komm«, »Bicku hier«, »mein Bicku, wie geht es dir?« Auch das Wort Spazierengehen wird allmählich ersetzt. »Wollen wir jetzt bickeln gehen?«, heißt es nun. Paula hüpft und wedelt. Es ist, als hätte es nie etwas anderes gegeben und wir halten diesem Namen die Treue.

An ihrem Spielzeug hängt Paula sehr. So wird auch Nasho nach fünf Jahren mit anderen Sachen in den großen Hundeumzugskarton gelegt, um in die neue Heimat ein Stück Beständigkeit hinüberzutragen. Ja, und das Lieblingsspielzeug geht natürlich immer mit auf Reisen, sowohl Nasho als auch Quietschi.

Quietschi ist ein gelber Igel aus äußerst robustem Kunststoff, mit einer äußerst robusten Stimme, die eben immer quietscht, bei jedem Biss, und das Quietschen nie aufgibt. Bestimmt Prädikat sehr gut bei Stiftung Warentest, sehr zum Leidwesen meines Mannes. Eines Tages verschwand Quietschi, als seien Zauberkräfte am Werk gewesen, und Paula fand ihn auch schnüffelnd nicht wieder. Bei Knochen oder Ähnlichem hatte sie ja schon immer den Verdacht, dass Diebe an ihnen interessiert sein könnten. So hatte sie, fast noch im Welpenalter, auf dem Sofa hinter einem Kissen ein Stück Ochsenziemer versteckt, weil sie wohl gesättigt war und Vorratswirtschaft betrieb. Beim Nachmittagstee setzten wir uns auf das Sofa, um Zeitung zu lesen. Paula beobachtete uns sehr misstrauisch und ging unruhig vor dem Sofa auf und ab. »Was hast du denn?« Mit einem großen Seufzer ließ sie sich auf den Boden fallen, uns weiter beobachtend. Da die Zeitung nicht viel Neues zu bieten hatte und andere Aufgaben auf uns warteten, verließen wir bald unseren Platz. Kaum hatten wir uns erhoben, schlich Paula zum Sofa, schaute, sich äußerst gleichgültig gebend, hinter das Kissen und nahm das Ochsenziemerstückchen möglichst unauffällig mit. So landete es im Garten, gut mit Erde bedeckt, um dann nach einiger Zeit wieder hervorgeholt zu werden, ziemlich aufgeweicht und labbrig, aber doch wohl noch schmackhaft. Und genauso taucht eines Tages auch Quietschi wieder auf. Paula schleppt ihn ausdauernd mit sich herum, wie Nasho. Es gibt aber eine klare Unterscheidung: Nasho ist mehr für drinnen, Quietschi mehr für draußen, was seine Stimme erträglicher werden lässt. Also ist es keine Frage: Auch Quietschi kommt später in den Umzugskarton.

Die neue Umgebung und die damit verbundene Aufregung, der große Garten, die anderen Tiere, das Älterwerden? War das der Grund? Jedenfalls hat Paula ihren Quietschi irgendwann vergraben und vergessen. Doch nach etlichen Jahren, als sie selbst schon im hohen Alter war, entdeckt sie ihn wieder, erdverkrustet. Sie juchzt vor Freude, wedelt, fiept, trägt ihn im Maul, stolziert weiter juchzend mit ihm zu uns herüber, lässt ihn fallen, hebt ihn wieder auf und … beißt zu. Er quietscht! Dann lässt sie ihn wieder fallen und schaut uns an.

Quietschi wie früher – ganz der Alte.


Zärtlicher Austausch

Бесплатный фрагмент закончился.

956,63 ₽
Жанры и теги
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
195 стр. 26 иллюстраций
ISBN:
9783946424086
Издатель:
Правообладатель:
Автор
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают

Новинка
Черновик
4,9
176