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Читать книгу: «Unter Palmen und Buchen. Dritter Band.», страница 6

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»Und sein Kind?« rief da Alexandrine, die bis jetzt mit ängstlich erregten Zügen den Worten des Gatten gelauscht hatte – »oh, wie hart, wie grausam Ihr Männer seid! Und das arme Wesen, das ihm ihre Liebe gegeben, ihm ihr ganzes Leben geweiht hat, gilt Euch nichts weiter, als daß man ihr Schmerz und Sehnsucht mit Geld – mit einem »Wohlstand« abkaufen könne?«

»Und weißt Du einen anderen Ausweg, Alexandrine?«

»Wäre es denn nicht möglich die Frau zu uns herauf zu ziehen?« rief bittend die Gräfin, »sollte Eduard so tief gegriffen haben, seine Gattin aus dem rohsten, unformbarsten Material zu wählen?«

Eduard schwieg und sah seufzend vor sich nieder.

»Also wirklich,« stöhnte die Schwester, »aber so beschreib' uns Deine Frau,« rief sie plötzlich, von einer neuen Hoffnung belebt – »Du hast uns noch kein Wort über sie gesagt – beschreib' sie, wie sie ist – wie Du sie lieben lerntest – wie sie Dein Herz gewann. Sie mag von niederem Stande sein,« fuhr sie lebendig fort, »und doch hat man Beispiele, daß sich gerade Frauen in selbst ungewohnte Verhältnisse leicht und ungeahnt rasch hinein fanden. – Sie hat doch ein hübsches, freundliches Gesicht?«

»Lieb und gut,« sagte Eduard bewegt, »ihre Züge sind nicht grob oder bäuerisch, eher fein, ja fast edel – ihre Hände, trotz der harten Arbeit, die sie gethan, weiß und zart. Sie hat blondes Haar und treue blaue Augen und ist schlank und hoch von Wuchs.«

»Wo stammt sie her?«

»Ihr Geburtsort ist Landau. Aber täusche Dich nicht, Alexandrine,« setzte er hinzu, »aus einem Kinde läßt sich ein ander Wesen formen, nicht aus einer erwachsenen Frau. Sie kennt Nichts von der Welt, als daß sie zur Arbeit von Jugend auf bestimmt war; sie hat Schreiben und Lesen gelernt, und ein klein wenig Rechnen: dies, mit ihrem Katechismus, bildete ihre einzige Erziehung. Sie singt wie eine Lerche, aber lachte laut auf, als ich ihr die ersten Noten zeigte und ihr erklären wollte, daß das Töne wären. – Auch in anderer Weise hab' ich es versucht – es that mir im Herzen weh, sie so in Unwissenheit hinleben zu sehen; ich verschaffte mir Bücher und wollte sie zum Lesen bringen – aber umsonst. Ja, kleine fade Geschichten und Schnurren las sie wohl einmal und lachte herzlich darüber, aber sie bekam es rasch wieder satt, warf das Buch fort, sagte das sei Faullenzen, und sprang singend an ihre Arbeit.«

Alexandrine hatte ihm schweigend zugehört, und während er sprach, haftete ihr Auge ernst und wehmüthig an seinen Zügen.

»Und nun?« sagte sie, während sich ein tiefer Seufzer ihrer Brust entrang – »was hast Du selbst beschlossen, denn Dir vor Allen gebührt die Entscheidung für Deinen künftigen Lebensweg.«

»Ich weiß es selber nicht,« stöhnte Eduard – »ich fühle, daß Rudolph Recht hat, und doch zieht mich mein Herz dorthin zurück, wo ich nie wieder glücklich werden kann. Wollte Gott, ich wäre todt.«

»Das ist der Ausruf feiger Verzweiflung,« sagte der Graf kalt, »schäme Dich, Eduard, in Deine Seele hinein. Erst im Unglück beweist sich der Mannesmuth, im Sturm der tüchtige Seemann, und wer da zaghaft das Ruder aus den Händen läßt, verdient nichts Besseres, als daß er eben zu Grunde geht.«

»Aber was soll ich thun?«

»Sei ein Mann.«

»Und mein Kind?«

»Vom achten Jahre an gehört es dem Vater. Sie wird es Dir auch nicht vorenthalten, wenn ihr des Kindes Wohl am Herzen liegt. Ist es Knabe oder Mädchen?«

»Ein lieber, herziger Knabe, der der Mutter sprechend ähnlich sieht.«

»Und von dem soll sie sich trennen?« sagte Alexandrine bewegt.

»Noch lange nicht, mein Herz,« erwiederte ihr Gatte – »noch viele Jahre soll sie es bei sich behalten, bis sie selber anfängt, sich um seine Erziehung zu sorgen. Dann erst übernimmt der Vater dieselbe, und enthebt sie dadurch einer Last und Verantwortlichkeit.«

»Einer Last,« wiederholte die Frau wehmüthig – »oh wie wenig versteht Ihr Männer doch das Herz einer Mutter. – Einer Last – als ob uns ein Kind eine Last sein könnte. Aber Eines bedenke wohl, Eduard – was Du auch thust, handle nie, daß es Dir zu einem Vorwurf für Dein späteres Leben wird.«

»Aber Alexandrine,« rief ihr Gatte.

»Gott ist mein Zeuge,« sagte die Gräfin bewegt, »wie glücklich es mich machen würde, Eduard bei uns zu behalten, aber – ich möchte dieses Glück nicht mit der Ruhe seines Gewissens erkauft haben.«

»Und soll er sein Weib unglücklich machen,« rief ihr Gatte, »indem er sie in Kreise und Verhältnisse führt, in denen sie sich elend fühlen muß? Willst Du die Verantwortung tragen, wenn sie ihn selber anklagt, sie aus ihrer Sphäre gerissen zu haben? –«

»Oh mein Gott!« stöhnte die Frau.

»Ueberlaßt mir das Ganze,« sagte der Graf freundlich, »ein Dritter ist da immer weit besser im Stande ruhig und kaltblütig zu handeln, als die dabei Betheiligten. Was ist ihr Vater für ein Mann, Eduard?«

»Ein ehrlicher braver Handwerker,« erwiderte Benner, »bieder und derb, aber auch natürlich roh und rücksichtslos, doch mit viel praktischem Verstand, soweit es eben sein Geschäft und auch den Ackerbau betrifft. Er hat in seiner Jugend hart gearbeitet, um etwas vor sich zu bringen, und da er das erreicht, scheint sich sein Fleiß, anstatt das Gewonnene zu genießen, verdoppelt zu haben.«

»Er liebt das Geld?«

»Mein Himmel, es ist für alle diese Leute das höchste Ziel – nicht etwa des Geldes selber wegen, sondern weil sie Alles damit erreichen können. Der alte Peters ist nicht schlimmer und nicht besser, als die Uebrigen, aber so herzlich ich Dir für Deine treue Liebe danke, Rudolph, in dieser Sache mußt Du mir selber das Handeln überlassen.«

»Du willst selber schreiben?«

»Lass' mir Zeit – es darf nicht übereilt werden – ich kann mein Weib nicht so bitter kränken, mich nicht so rasch, so plötzlich von ihr trennen.«

»Und was willst Du sonst thun?«

»Ihr schreiben, daß ich noch nicht hier abkommen könne, daß vielleicht noch längere Zeit vergehen würde, ehe ich im Stande wäre, zu ihr zurückzukehren, ja daß es vielleicht die Umstände nöthig machten, noch Jahr und Tag hier auszuharren.«

»Das bleibt eine Galgenfrist, denn die Zeit verfliegt.«

»Lass' sie sich erst an die Trennung gewöhnen,« bat Eduard – »laß mich selber erst klar mit mir werden. Daß es ihnen indessen da drüben an nichts fehlt, soll meine Sorge sein.«

»Du bist noch unentschlossen?«

»Ja – Du weißt nicht, mit welcher Liebe Henriette an mir hängt. Was geschehen muß, mag die Zeit bringen, aber ich bin nicht im Stand ein Band freiwillig und so rasch zu lösen, das ich selber geknüpft und in dem ich mich einst glücklich fühlte.«

»Und hast Du wirklich noch eine Idee, wieder nach Australien zurückzukehren?« fragte Graf Galaz erstaunt.

»Ich weiß es nicht,« erwiderte unentschlossen der junge Mann – »jetzt nicht – nicht in nächster Zeit – ich bleibe bei Euch – ich könnte jetzt nicht einmal fort, wo mir so viel zu ordnen, einzurichten bleibt. Lass' mir Zeit, Rudolph, ich bitte Dich dringend darum.«

»Ich dränge Dich nicht,« sagte der Graf ruhig – »besser für alle Theile wäre es freilich, so rasch als möglich zu einem Verständniß zu kommen, denn Nichts ist peinlicher, als eine solche Ungewißheit, ein solches Schwanken. Aber ich bin auch damit einverstanden, daß Du Dich noch erst ein wenig mehr in unsere Verhältnisse einlebst. Was dann geschehen muß, geschieht doch. Uebrigens versteht es sich von selbst, daß wir der Welt gegenüber Nichts von der Sache erwähnen; wir wollen nicht muthwillig ihre Vorurtheile herausfordern.«

Achtes Capitel.
Der Besuch

Eduard von Benner hatte sich dadurch sein Loos erleichtert, daß er sich offen gegen seine Verwandten ausgesprochen; er brauchte jetzt kein Geheimniß vor ihnen zu verbergen, aber in der Sache selber war freilich noch immer Nichts damit geändert – gebessert worden. Nur Zeit hatte er gewonnen – Zeit um zu grübeln und zu brüten und unentschlossen zwischen dem zu schwanken, wohin ihn die Pflicht zog, und dem, wozu ihn die Verhältnisse, seine ganze gesellschaftliche Stellung in der Welt trieben.

Er vergaß aber dabei nicht sein Weib und Kind, und hielt wenigstens insofern Wort, daß er für ihr materielles Wohl sorgte. Er schickte Geld hinüber und entschuldigte sein Zögern. Er erhielt auch Antwort, obgleich er noch in keinem Brief seine Adresse hinübergesandt. Der gefällige Becher vermittelte das stets durch seine »Consularverbindungen«. Der Brief kam richtig an – aber er konnte sich nicht darüber freuen. Wohl gab er ihm Kunde, daß sich Frau und Kind gesund befanden und nach ihm mit treuer Liebe sehnten, aber – er war entsetzlich unorthographisch geschrieben und auf grobem Schreibpapier, die Oblate mit einem Six pence zugedrückt – Er verbrannte den Brief, damit er nicht zufällig in andere Hände fiele.

Arme Henriette, und so viele, viele Mühe hattest Du Dir gegeben, diese Zeilen zusammen zu bringen, und so viele heiße Thränen dabei geweint, und Dich doch so sorgfältig dabei gehütet, daß keine von allen auf das Blatt fiel, um Deinem Eduard keinen Kummer zu bereiten.

Und die Zeit verging – Schon waren 18 Monate verflossen, seit er deutschen Boden wieder betreten hatte, und in seinem Verhältniß zu Australien keine andere Veränderungen eingetreten, als daß seine Geldsendungen reichlicher – seine Briefe aber dahin spärlicher und kürzer wurden.

In dieser Zeit, während er sich den geselligen Freuden der Nachbarschaft mit Leib und Seele hingab, ward ein Unterschleif entdeckt, den sein Verwalter auf dem schlesischen Gut gemacht hatte, und es war nöthig geworden, die Sache dort selber an Ort und Stelle zu untersuchen und in Ordnung zu bringen. Da zu dem Gut nicht unbedeutende Jagd gehörte, so entschloß sich Graf Galaz ihn zu begleiten, und ihre Abwesenheit wurde auf vier bis sechs Wochen festgestellt.

Gräfin Alexandrine blieb in dieser Zeit allein auf Schloß Galaz zurück und es war am zweiten Tag, nachdem sie ihr Gatte und Bruder verlassen hatten, als der Haushofmeister in ihr Zimmer trat und meldete, es sei ein Mann und eine Frau draußen, die den Herrn Baron von Benner zu sprechen wünschten.

»Ein Mann und eine Frau?«

»Ja ein alter Mann, ein wunderlicher Kauz, und eine junge nette Frau – Bauersleute jedenfalls –«

»Von Bennersberg vielleicht,« sagte die Gräfin – »es wird irgend eine Klagesache sein. Sie müssen jetzt warten bis mein Bruder zurückkehrt – wollen sie ihm aber schreiben, so werd' ich den Brief befördern.«

»Halten zu Gnaden, Frau Gräfin,« sagte der alte Mann, »sie sind nicht von Bennersberg; ich glaubte es anfangs auch und frug sie darnach; sie sehen aber fremdländisch aus, und der Alte sagte immer statt ja auf englisch yes.«

Die Gräfin erschrack. Ein plötzlicher Gedanke durchzuckte sie, aber wäre es möglich gewesen? Sie mußte sich abwenden, um ihre Bewegung zu verbergen, trat an's Fenster und sah hinaus. Der alte Diener wartete ruhig bis sie wieder mit ihm sprach.

»Ich will sie doch einmal selber sprechen, Cornelius,« sagte sie endlich – »wer weiß denn was sie wollen. Führt sie zu mir herein, und daß wir, so lange sie bei mir sind – nicht gestört werden.«

»Sehr wohl, Frau Gräfin.« Die Thür schloß sich wieder hinter ihm und Alexandrine blieb in heftiger Aufregung zurück. Wenn Eduards Frau – aber war es denkbar, daß sie die weite Reise gewagt haben sollte – wie kam sie nur auf den Gedanken – und doch wieder – ein alter Bauer der englische Wörter gebrauchte – wenn nun der Vater – Draußen wurden Stimmen laut – »Also Frau Gräfin wird sie genannt?« hörte sie Jemanden sagen, dann öffnete sich geräuschlos die weite Thür und die Gemeldeten traten, während der Haushofmeister ehrfurchtsvoll auf die Gräfin zeigte, und die Thür dann wieder hinter ihnen schloß, in das hohe, durch schwerseidene Gardinen halbverhangene Gemach.

Der alte Bauer war auch wohl draußen noch ziemlich unbefangen gewesen, denn er »wollte Nichts betteln,« wie er zu dem Haushofmeister sagte, und hätte mit dem Herrn von Benner »nur ein Wort zu reden«. Anders wurde ihm aber doch zu Muthe, als er in das prachtvolle, halb dunkle Gemach auf den weichen Teppich trat, auf dem er seine eigenen Schritte nicht mehr hörte, und ihm jetzt unwillkürlich das Gefühl kam, er ginge absichtlich so leise, um Niemanden zu stören. Und dann die hohe schöne Frau, die ihm gegenüber stand, und deren großes klares Auge so forschend auf ihm und seiner Begleiterin haftete. Draußen hatte er auch genau gewußt, was er sagen wollte – hier drinnen fiel's ihm nicht gleich wieder ein. Seine Begleiterin schien aber noch viel mehr verlegen, als er selber, denn ängstlich und verstört hielt sie sich hinter ihm, und seinen Rockschooß mit der linken Hand fest, und da er selbst vollkommen still schwieg, flüsterte sie ihm scheu zu:

»Sprecht Ihr, Vater – ich bring kein Wort über die Zunge.«

»Wer seid Ihr, Freund, und was wollt Ihr von mir,« sagte da Alexandrine mit ihrer weichen und doch so volltönenden Stimme. Das gab dem Alten sich selber wieder – es war doch ein menschlicher Laut, und mit einer Art von Kratzfuß, der aber auf dem Teppich hängen blieb, erwiederte er:

»Mit Verlaub, Frau Gräfin, von Ihnen Nichts; nur den Herrn von Benner wollten wir sprechen.«

»Meinen Bruder?«

»Yes« erwiederte der Mann, »der alte Herr da draußen – wahrscheinlich Ihr Mann – sagte uns schon, daß Sie die Frau Schwester wären, er meinte aber, er wäre nicht zu Hause – der Herr von Benner nämlich, und da – da wollten wir nur fragen, wann er wieder kommt, Frau Gräfin.« –

»Und kann ich es nicht an ihn ausrichten,« sagte Alexandrine, die sich Gewalt anthun mußte ruhig zu bleiben – »er ist verreist, und es kann vier bis sechs Wochen dauern, ehe er wieder kommt –«

»Alle Teu– bitte um Entschuldigung,« sagte der Mann erschrocken, »es fuhr mir nur so heraus – das ist aber eine schöne Bescheerung. Nun sind wir den weiten schmählichen Weg hergekommen –«

»Und woher, wenn ich fragen darf,« hauchte die Gräfin, aber so leise, daß er die Worte kaum verstand.

»Woher? – ih, man blos vom anderen Ende der Welt,« sagte der Bauer – »von Australien.«

»Von Australien! – und das – das ist Euere Tochter?«

»Na, Sie wissen's ja wohl schon, Frau Gräfin,« sagte der Alte jetzt treuherzig – »wenn Sie die Schwester vom Eduard sind, so müssen wir ja verschwägert sein – s'ist seine Frau, die Jette, die's vor Jammer und Sehnsucht nicht mehr da draußen aushalten konnte.«

Alexandrinens Blick haftete fest auf den schüchternen aber jetzt todtenblassen Zügen der jungen, bildhübschen Frau.

»Und Du bist den weiten, weiten Weg gekommen, um ihn aufzusuchen?« sagte sie endlich gerührt – »Du armes, armes Kind!«

»Na nu?« rief der Alte erschreckt – »es ist – es ist ihm doch nicht etwa was passirt?«

»Nein, beruhigt Euch – er ist wohl und gesund,« sagte Alexandrine.

»Na und sonst?« frug der alte Schuhmacher mißtrauisch. »Die Jette hat's nicht mehr daheim gelitten – vor Spott und Neid konnt' sie es nicht mehr aushalten, und wenn ich hier,« fuhr er sich in dem Zimmer umschauend fort, »die vornehme Wirthschaft sehe, so, so kommts mir beinah auch so vor, als ob die Nachbarn da draußen doch am Ende –«

Alexandrine hörte gar nicht was er sprach. Ihre Blicke hingen an der lieben, herzigen Gestalt der jungen Frau, und auf sie zugehend und ihr die Hand entgegenstreckend, sagte sie mit tiefem Gefühl:

»Und so lieb hast Du den bösen Menschen, daß Du das weite Meer nach ihm durchschifftest?«

»Den bösen Menschen?« rief Henriette erschreckt, aber doch auch wieder von dem freundlichen Ausdruck in den Zügen der so stattlichen Dame angezogen. »Glaubt es nicht, Frau Gräfin, er ist wirklich gut, und wer weiß denn, was ihn abgehalten hat, daß er nicht heim zu seinem Weib und Kind kommen konnte.«

»Und wo ist Dein Kind? – lebt es?«

»Lebt es? großer Gott!« rief die Frau erschreckt, »wird's nicht leben, der liebe kleine Bursch, der so gewachsen ist, daß ihn sein Vater kaum mehr kennen mag.«

»Und wo ist er jetzt? hast Du ihn daheim gelassen?«

»Meinen kleinen Bursch?« sagte die Frau, indem sie lächelnd den Kopf schüttelte – »glaubt Ihr Frau Gräfin, daß ich von Australien fortgegangen wär' und den zurück gelassen hätt'? Im Leben nicht.«

»Aber wo hast Du ihn jetzt?«

»Im Wirthshaus drunten im Dorf ist er,« sagte die Frau, die bei der Erinnerung an ihr Kind die bisherige Scheu vergaß – »die Wirthin scheint eine gar liebe, gute Frau, und die versprach mir, auf den kleinen Kerl Acht zu geben, bis wir wieder vom Schloß herunter kämen.«

»Yes, Frau Gräfin, so ist's,« bestätigte aber auch der Vater – »wußten's ja nicht, wie uns Ihr Bruder empfangen würde, da er von der Jette doch wohl Nichts mehr wissen will, denn wie ich sehe, ist er jetzt wieder ein vornehmer Herr geworden. Ich wollt' auch nicht her, aber das Kind ließ eben keine Ruh. Tag und Nacht weinte sie und jammerte, und – da that ich ihr endlich den Willen, und jetzt wird sie wohl wieder mit gebrochenem Herzen zurückgehen können – nach Australien.«

»Und glaubst Du das auch, Henriette?« sagte die Gräfin, die bis dahin kein Auge von der Frau verwandt, so daß diese, durch das scharfe Anschauen beschämt und furchtsam den Blick vor ihr zu Boden schlug.

»Gott weiß es,« seufzte aber die junge Frau recht aus tiefster Brust, »seine Briefe sind freilich kürzer geworden mit jedem Mal – gut und lieb wie immer, aber so kurz. Er hatte mir nicht viel mehr zu schreiben und schickte mir nur Geld – viel Geld – viel mehr als ich brauchte und haben wollte. Da litt mich's nicht länger – da quält' ich den Vater bis auf's Blut, bis er mit mir ging, und jetzt –«

»Und jetzt, Henriette?«

»Jetzt will ich den Eduard fragen,« sagte die Frau leise, »ob er noch was von mir und dem Kinde wissen will, oder – ob er sich unser schämt, wie mir's der Apotheker in Tanunda prophezeiht hat, daß es so kommen würde und müsse, und nachher –«

»Und nachher, Henriette?«

»Dann geh ich mit dem Vater und dem Kind wieder heim,« sagte die junge Frau leise »und – Gott wird weiter helfen.«

»Ist das Dein Ernst, Henriette?«

»Ja Frau Gräfin.«

»Und weshalb nennst Du mich Frau Gräfin?«

»Sind Sie denn das nicht?«

»Aber wenn ein Mädchen einen Mann geheirathet hat,« sagte Alexandrine, ihr ruhig in's Auge sehend, »und der Mann hat eine Schwester, so nennt sie die Schwester doch wohl gewöhnlich nicht bei ihrem Titel, sondern bei ihrem Vornamen – und ich heiße eigentlich Alexandrine.«

»Ja – aber Frau Gräfin,« sagte Henriette bestürzt, denn sie verstand nicht, was die Dame damit meinte, »das – das ist wohl so bei unsern Leuten Gebrauch, aber –«

»Und bin ich nicht Eduards Schwester, Henriette?«

»Ja – ja,« sagte die junge Frau bewegt und ein paar große helle Thränen glänzten in ihren Augen – »Sie sind schon Eduards Schwester, aber ich – ich – ich weiß ja nicht, ob ich Eduards Frau mehr bin.«

Da hielt sich die Gräfin nicht länger.

»Henriette,« rief sie, »mein liebes, liebes Kind,« und die bestürzte Frau umfassend und an sich pressend, drückte sie ihr heiße Küsse auf Stirn, Mund und Augen.

»Ja, was wär denn das?« sagte der alte Schuhmacher, auf's Aeußerste erstaunt – »Sie küssen das Mädel, und der eigene Mann –«

»Ueberlaßt das mir, Alter,« lächelte die Gräfin unter Thränen, indem sie ihm die Hand hinüberreichte – »wollt Ihr Euer Kind glücklich sehen?«

»Das ist eine kuriose Frage für einen Vater,« sagte der alte Schuhmacher, »aber – nehmen Sie mir's nicht übel, Frau Gräfin, bis jetzt sah ich noch Nichts, was darauf hinzeigt. Ist der Herr Eduard wirklich verreist?«

»Seit vorgestern; er hatte keine Ahnung, daß Sie kommen könnten.«

»Das glaub' ich wohl,« lächelte der alte Mann, »denn geschrieben haben wir Nichts davon; aber wie er das viele Geld schickte, meinte die Jette, das könne man nicht besser anwenden, als zu einer Reise hierher. Ob sie recht gehabt hat? – wer kann's wissen. Wenn er aber wirklich noch was von ihr wollte, hätte er ihr da nicht selber geschrieben, sie solle herüber kommen, er hielt's nicht länger ohne sie aus? Gott bewahre; kein Wort davon. Ja, geschickt hat er reichlich, fehlen sollt' es ihr an Nichts – aber daß ihr dadurch gerade Alles fehlte, daran scheint er nicht gedacht zu haben. Jetzt macht er nun auch noch so lange Reisen, und wie soll's da werden? Ich kann nicht so lange von daheim wegbleiben und mich noch Monate lang hier hersetzen – das kost' auch ein schmähliches Geld.«

Alexandrine hielt die junge schüchterne Frau noch immer in ihrem Arm, und ihr in das gute treue Auge sehend, sagte sie herzlich:

»Und wollt Ihr uns Euer Kind hier zurück – wollt Ihr es mir überlassen, wenn Ihr wieder von uns geht?«

»Ihnen, Frau Gräfin?« sagte der alte Mann erstaunt, »und nicht Ihrem Mann? – Aber ich sehe freilich schon wie es ist,« setzte er, langsam mit dem Kopf nickend hinzu – »so vornehm habe ich mir den Eduard nicht gedacht, ich hätte ihm auch sonst im Leben das Mädel nicht gegeben, und in solche Zimmer paßt sie nicht hinein – würde sich auch nie wohl und glücklich darin fühlen. Jetzt bleibt nur noch die Frage, ob der Eduard wieder mit uns hinauswollte auf's Dorf, aber wenn er dazu Lust hätte, wär' er schon lang gekommen. Es gefällt ihm hier besser, und wie's da werden soll, das weiß ich selber nicht.«

»Und glaubst auch Du nicht, Henriette,« sagte die Gräfin jetzt zu der jungen Frau, »daß Du Dich wohl und glücklich in solchen Räumen fühlen könntest?«

»Fremd ist's schon,« sagte die Frau schüchtern – »und Alles viel zu schön und reich – Unsereins ist nicht daran gewöhnt. Ich fürcht', ich paß nicht hinein, und der Eduard wird keine Freud' an mir erleben. – O wär er doch nie so reich geworden und arm geblieben wie er war, wie gern, wie gern hätt' ich hart und schwer arbeiten wollen, mein ganzes Leben lang.«

»Aber der Eduard,« sagte da die Gräfin, während sie das junge Weib zu sich auf das Sopha niederzog, und immer noch ihre Hand in der ihren hielt, »hat doch auch Anfangs nicht in Euer Leben gepaßt. Er war nur gewohnt so zu leben, wie wir es hier thun, und hat sich doch später in die schwere Arbeit hineingefunden, nicht wahr, Henriette?«

»Ei gewiß,« rief die Frau lebendig – »wacker hat er geschafft, wie der beste Knecht, von Morgens bis Nachts –«

»Und weshalb?«

»Weshalb? ei,« meinte die Frau erröthend – »der Vater konnte uns auch grad nicht so viel mitgeben, und da wir doch was vor uns bringen wollten, mußten wir schon zugreifen.«

»Also Dir zu Lieb, Herz, hat er ein ganz ungewohntes Leben angegriffen und wacker durchgeführt, nicht wahr?«

»Gern hat er mich schon gehabt,« sagte die junge Frau verschämt, »und ich ihn auch,« setzte sie herzlich hinzu, »denn er war brav und gut, und rechtschaffen fleißig.«

»Und würdest Du nun nicht –« fuhr Alexandrine fort, »auch aus Liebe zu ihm, dasselbe für ihn thun wollen, was er für Dich gethan?«

»Ich versteh' Euch nicht,« sagte Henriette, die Redende groß ansehend, »aber so viel weiß ich, daß es Nichts auf der Welt giebt, was ich nicht aus Liebe zu ihm thun würde – selbst wieder heimkehren,« setzte sie leise und kaum hörbar hinzu – »wenn das das Einzige ist, was er von mir verlangt.«

»Ich glaube Dir's,« sagte die Gräfin gerührt, »aber so Schweres soll Dir hoffentlich nicht vorbehalten bleiben – doch weshalb setzt Ihr Euch nicht, Freund,« wandte sie sich an den Alten – »wir haben noch viel mitsammen zu reden und bleiben noch länger bei einander.« Damit drückte sie auf die neben ihr stehende Klingel und gleich nachher betrat der Haushofmeister wieder das Zimmer.

»Ist keiner von den Dienern da?«

»Zu Befehl, Frau Gräfin,« sagte der alte Cornelius, »aber da Sie ungestört sein wollten, blieb ich selber im Vorzimmer.«

»Ich danke Euch – schickt mir aber jetzt einmal Einen von ihnen hinunter in das Wirthshaus – die Babette mag mitgehen und das Kind heraufbringen, das unten bei der Wirthin gelassen ist – den Knaben, und sorgt zugleich dafür daß das Gepäck dieser Leute hier ins Schloß heraufkommt – die Rechnung unten soll gleich abgemacht werden.«

»Unser Gepäck hier in's Schloß?« sagte der alte Schuhmacher erstaunt – »ja was wär denn das?«

Die Gräfin winkte dem Haushofmeister zu und dieser verschwand geräuschlos durch die Thür. Der alte Schuhmacher kam aber aus seinem Erstaunen gar nicht heraus, denn bis jetzt hatte er mit der größten Verwunderung den ehrfurchtsvoll an der Thür stehenden alten Herrn betrachtet, den er Anfangs sogar für den Herrn vom Hause gehalten, weil er gar so ehrwürdig und vornehm aussah, und doch konnte das nur ein Diener sein, und dann überraschte ihn der eben gegebene Befehl – bei dem sie nicht einmal gefragt wurden – auf das Vollständigste.

»Es kann Nichts helfen,« lächelte Gräfin Alexandrine aber, sobald der Haushofmeister die Thür wieder in's Schloß gedrückt hatte, »Ihr müßt es Euch schon gefallen lassen, eine kleine Weile bei mir auszuhalten, bis wir Alles gehörig besprochen und verabredet haben, und Henriette geht dann hoffentlich gar nicht wieder nach Australien zurück.«

»Und was soll ich hier?« sagte die junge Frau wehmüthig, »was kann ich hier thun und schaffen?«

»Und was thu ich?« lächelte Alexandrine.

»Ja Sie,« sagte die junge Frau kopfschüttelnd – »Sie sind vornehm und haben viel gelernt, was aber weiß ich, ich armes dummes Ding. Eduard fühlte das auch wohl, und hat sich früher schon oft Mühe mit mir gegeben – aber es ging nicht – ich hatte andere Dinge im Kopf und er mußte es zuletzt aufgeben.«

»Und wenn Eduard Dir zu Liebe nun in dem fremden Lande hart gearbeitet hat,« sagte die Gräfin, ihr voll ins Auge sehend – »wenn er ein Bauer wurde Deinetwegen und Axt und Pflug führen lernte, würdest Du nicht ihm zu Liebe auch das hier in seiner Heimath lernen wollen, was ihn, in den Verhältnissen in denen er sich jetzt befindet, allein glücklich mit Dir machen kann.«

»Ach wie gern – wie gern,« rief Henriette – »aber wer wird sich jetzt noch mit mir armen Wesen die Mühe nehmen, es mir zu zeigen, und hab' ich überhaupt Verstand genug dafür?«

»Das laß meine Sorge sein, Henriette,« sagte Alexandrine mit tiefem Gefühl. »Als ich Dich noch nicht kannte, hat der Gedanke an Dich mir vielen, vielen Kummer bereitet – ich dachte Dich mir anders, als Du bist. Jetzt, da ich Dich vor mir sehe, da ich Dich bei mir habe, zieht auf's Neue die Hoffnung in meine Seele ein.«

»Aber ich verstehe Sie noch immer nicht.«

»Du wirst Alles verstehen lernen,« lächelte die Gräfin, »Alles, denn an Deinen Augen, an Deinem ganzen Wesen sehe ich, daß Du gelehrig bist; was Dir aber dabei schwer fallen sollte, das wird die Liebe trotzdem leicht überwinden – aber da kommt Dein Kind!« rief sie, vom Sopha aufspringend, als sie draußen die Stimmen hörte, und gleich darauf auch das Zimmer geöffnet wurde, in dem Babette mit dem Kind erschien; »oh, was für ein lieber, kleiner, herziger Bursch ist das. Es ist gut, Babette – ich werde klingeln, wenn ich Sie wieder brauche, für jetzt wollen wir den kleinen Herrn schon allein versorgen.«

Alexandrine war glücklich in dem Gedanken an das Glück, das sie andern bereiten wollte, und hatte jetzt so viel zu sorgen und anzuordnen, daß ihr der Tag wie im Flug dahin ging.

Vor allen Dingen wurde dem alten Schuhmacher Schweigen aufgelegt – er war überhaupt nicht gesprächiger Natur, aber er besaß doch, wenn auch keine wirkliche Bildung, den, diesen Leuten sehr oft im hohen Grade eigenen Mutterwitz und gesunden Menschenverstand. Alexandrine hatte ihn auch bald durchschaut, und rasch entschlossen den Weg mit ihm einzuschlagen, der sie am sichersten mit ihm zum Ziel führen konnte: die reine unverfälschte Wahrheit. Sie schilderte ihm mit kurzen Worten die Verhältnisse wie sie wirklich standen – sie theilte ihm ihren Plan mit, der Tochter eine Stellung in der Gesellschaft zu erringen, und dadurch dem Bruder sein Glück zu wahren, und der alte Mann hatte Menschenkenntniß genug, um rasch zu sehen, daß er hier sein Kind wenigstens in treuen und guten Händen wußte.

Er selber wurde jetzt für kurze Zeit in einem kleinen Gartenpavillon – allerdings etwas zum Erstaunen der Dienerschaft – einquartiert, während Henriette mit ihrem Kind ein paar Zimmer in der unmittelbaren Nachbarschaft der Gräfin selber angewiesen bekam.

So vergingen vierzehn Tage, dann bestellte die Gräfin ihren Reisewagen und fuhr mit ihren Gästen nach der Residenz, wo sie acht Tage blieb – aber sie kehrte allein wieder zurück und erwartete jetzt, ihrem gewöhnlichen Leben folgend, ruhig die Rückkunft ihres Gatten und Bruders.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
28 сентября 2017
Объем:
250 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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