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Читать книгу: «Nach Amerika! Ein Volksbuch. Sechster Band», страница 7

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»Nun, was war's also Kamerad, was Du mir sagen wolltest,« frug hier Meier seinen Gefährten – »wir sind hier ungestört.«

»Wißt Ihr, was aus Euerer Frau geworden ist?« frug der Andere, eine kleine, gedrungene Gestalt mit struppigem, grau gesprenkelten Bart und darüber unstät umhersuchenden kleinen grauen, stechenden Augen, sonst aber in anständiger behäbiger Tracht.

»Meiner Frau?« sagte Meier erstaunt, »wie kommt Ihr auf die? lebt sie denn noch?«

»Ein zärtlicher Gatte, das muß wahr sein,« lachte Pelz – auch eigentlich ein alter Bekannter von uns, wenn auch jetzt in anderer Schaale – »sie war noch vor acht Tagen hier in New-Orleans.«

»'S ist mir lieb daß Ihr sagt sie war« – brummte Meier, »hol' der Teufel das Weibervolk, das flennt und heult und wimmert und ist immer eine Kette am Fuß, wo der Mann einmal einen raschen, entscheidenden Schritt zu thun gedenkt. Wo ist sie hin?«

»Zu Schiff fort.«

»Zu Schiff?« rief Meier, rasch und erstaunt in seinem Stuhle auffahrend.

»Mit einem deutschen Schiffe zurück,« bestätigte aber der Andere.

»Nach Deutschland zurück; ist sie denn toll? – aber Ihr habt Euch geirrt, Pelz, das kann sie nicht gewesen sein.«

»Geirrt? – ich werde die Frau nicht kennen;« sagte der Mann mürrisch – »sie sah noch dazu weit besser aus als an Bord, ging einfach und reinlich gekleidet, und hatte 'was höllisch Ordentliches an sich; trug auch keinen Schmuck mehr, weder am Hals noch in den Ohren, und kam mir nur verdammt elend vor.«

»Und hat sie Euch gesehn?«

»Ja; aber ob sie mich nicht gekannt hat, oder mich nicht kennen wollte,« sagte Pelz, »weiß ich nicht. Sie sah mir ein paar Secunden starr in's Gesicht, und ging dann still und ernst an mir vorüber auf's Schiff, das etwa eine halbe Stunde später seine Taue einholte und, von einem Dampfer in's Schlepptau genommen, den Strom hinunter qualmte.«

»Glückliche Reise,« brummte Meier, sein Glas, das ihm in diesem Augenblick Jimmy hereinbrachte, auf einen Zug leerend.

»Danke,« sagte dieser etwas erstaunt, »aber woher wißt Ihr, daß ich fort will?«

»Ihr?« sagte Meier, mit einem halbspöttischen Lächeln den Barkeeper über sein Glas ansehend, »nun dazu braucht man kein Prophet zu sein; Ihr habt Euch ja, so lange wir hier sind, die Gelenke schon in einem fort zum Marschiren eingerenkt.«

»Hundeleben hier,« sagte Jimmy, der sich Meiers Einladung nach sein Glas mit zum Tisch gebracht hatte, und jetzt daran nippte, »möchte hier nicht länger abgemalt sein.«

»Wär auch Schade um die Farbe,« lachte Meier – »aber was ist im Wind? – Skandal im Haus?«

»Neue Wirthschaft!« sagte Jimmy mit einem vorsichtigen Blick nach der Thür – »moralische, verstanden? – der Sohn hat die Haushälterin endlich geheirathet, und nun wird's fromm im Hause hergehn. Wie das Geld verdient ist, kommt jetzt nicht mehr darauf an; obendrauf legt man ein Gesangbuch.«

»Viel Geld hier verdient, sollt' ich denken,« sagte Meier, den Rest seines Glases hinunterspülend und dieses dem Barkeeper zu neuer Füllung hinreichend.

»Ein Haufen,« versetzte dieser, aber wieder leise – »der Alte muß oben einen Kasten voll haben, Gott weiß wie groß.«

»Kostet auch viel so eine Wirthschaft,« sagte Pelz, ruhig vor sich niedersehend – »wer das nicht weiß, glaubt's kaum – das geht meist Alles wieder d'rauf.«

»Wie Ihr's versteht,« rief Jimmy, in Eifer gerathend, seine Behauptung bezweifelt zu sehn; ich weiß was da hinauf gekommen ist, und daß Nichts wieder herunter geht, denn Alles, was die Wirthschaft selber kostet, wird aus der Kasse hier bestritten – so scharf geht's. Wenn der alte Hamann in seinem Geldkasten oben nicht seine Hunderttausend liegen hat, will ich Holz hacken mein Lebelang.«

»Noch ein Glas, Jimmy, bitte,« sagte Meier – »mein Kamerad ist auch fertig, und Ihr trinkt so langsam, als ob's Wasser wäre, wir haben Durst.«

»Gleich,« sagte Jimmy, mit den Gläsern wieder zurück in die Bar gehend, während die beiden Männer bedeutsame Blicke mitsammen wechselten.

»Ich glaube, der Junge taugte dazu,« flüsterte Pelz leise und rasch.

»Vielleicht – vielleicht auch nicht,« sagte Meier, mit dem Kopf schüttelnd – »nur um Alles in der Welt vorsichtig.«

»Nu versteht sich; aber der weiß Hausgelegenheit – «

»Pst – er kommt.«

»Da – der wird Euch noch besser schmecken,« sagte Jimmy, mit den frisch gefüllten Gläsern hereinkommend, und die Lippen schon im Voraus ableckend, »der ist famos.«

»Ne zum Donnerwetter Jimmy, das sollte mir wirklich leid thun wenn Ihr fort gingt,« sagte Meier – »wo kriegt denn der Esel von Wirth auch gleich wieder einen solchen Barkeeper her? Ihr kennt doch das Geschäft von innen und außen.«

»Sollt' es denken,« brummte Jimmy an seinem zweiten Glas vorsichtig nippend.

»Und das Haus und die Wirthschaft – «

»Wie meine Tasche, jede Ecke, jeden Winkel drinne.«

»Apropos Jimmy,« sagte Meier, seinen Punch dabei mit dem Löffel umrührend, »ist noch Platz hier im Haus für uns Beide?«

»Das wird schwer halten,« meinte der Barkeeper, die Augenbrauen in die Höhe ziehend – »so arg ist's noch beinah nicht gewesen wie heuer, mit der Einwanderung.«

»Oh das wird alle Jahr besser, Kamerad,« lachte der Alte dazwischen – »je hübscher sie's drüben in Deutschland treiben, desto mehr Leute glauben, daß sie so ein Glück gar nicht verdienen. Wie bei einem vollen Kelterfaß – je mehr man oben drauf preßt, je mehr läuft über den Rand fort, bis die Presse unten aufsitzt – und dann kann man vielleicht wieder frisch nachgießen.«

»Und das Beste läuft oben ab,« sagte Jimmy, nicht ohne einen gewissen Humor die Beiden betrachtend.

»Wenn man uns drei hier ansieht,« bestätigte Pelz, »sollte man's beinah glauben.«

»Don't flatter me, Mr. Mac Karthy wie die Wittwe sagte,« meinte Jimmy in einem breiten Schmunzeln.

»Also es wird wohl noch Platz für uns werden, nicht wahr Jimmy?« nahm Meier die vorige Frage wieder auf.

»Platz? ja das weiß ich wahrhaftig nicht; wenn's gestern gewesen wäre, wo noch vernünftige Menschen im Hause regierten, ja, da wäre Platz gemacht worden, wenn keiner mehr da war; ob sich aber der gestrenge Herr von Heute dazu verstehen wird, ist eine andere Frage – es könnte Einer von dem Bauerpack dabei incommodirt werden, und in der Hinsicht werden jetzt furchtbar strenge Rücksichten genommen.«

»Hm so? und erst seit heute Morgen?«

»Heute ist die Geschichte an den jungen Hamann übergeben worden,« sagte Jimmy leise, »und der Alte lebt von jetzt ab von seinen Interessen.«

»Alle Wetter, da muß er sich einen hübschen Pfennig gespart haben,« sagte Meier, dem Barkeeper mit dem linken Auge zuwinkend, »wenn wir das hätten, Jimmy, wir legten's nicht hin, einen faulen Bauch bis an sein Ende zu füttern, so viel weiß ich.«

»Ne, das ist sicher,« sagte Jimmy, der plötzlich wieder an seinen Fingern begann, »aber an unser Einen kommt so 'was auch nicht.«

»Ih nu,« brummte Pelz, sich seinen kurzen Bart kratzend, »die Mecklenburger z. B., die vor ein paar Tagen hier eingezogen, sind doch auch nur ganz gewöhnliche Bauern, und ich möcht' es nicht auf einmal fortschleppen, was sie in ihren Koffern mit herumführen.«

»Die Koffer sind mordmäßig schwer,« betheuerte Jimmy.

»Jimmy, 's ist wahrhaftig Schade, daß Ihr hier Euere Fähigkeiten so nutzlos verschwendet, Brandy und Bier einzuschenken,« meinte Meier, nach kurzer Pause – »ich wüßte eine famose Beschäftigung für Euch.«

»Und die wäre?« frug der Barkeeper neugierig.

»Wir sprechen ein andermal darüber,« erwiederte Meier ausweichend, »wenn's nur einen Platz für uns im Hause gäbe.«

»Ich denke, ich kann noch einen schaffen,« sagte Jimmy, sich die Sache ein wenig überlegend – »Ihr macht Euch doch natürlich Nichts draus in einem Bett zu schlafen?«

»Keine Objektion in der Welt,« betheuerte Meier.

»Und die Aussicht ist auch ziemlich gleichgültig?«

»Total.«

»Gut, gleich über den Mecklenburgern ist noch ein kleines Käfterchen mit einem Bett drin, dicht unter dem Dach; sonst nicht viel Bequemlichkeiten oben, aber famose frische Luft, wenn Ihr das haben wollt, frag ich den Schlaps, den jungen Herrn Hamann gar nicht, und schaff Euch hinauf. Aber wo ist Euer Gepäck?«

»Kommt in einer halben Stunde etwa mit der dray. – Also sind wir eingezogen?«

»Denke so,« sagte Jimmy, die geleerten Gläser mit dem dazu gelegten Geld mit fortnehmend nach der Bar. Ohne dann weiter seinen jungen Herrn um Erlaubniß zu fragen, wieß er den beiden neuen Gästen ihr kleines Kämmerchen an, es ihnen selber überlassend, ihr Gepäck hinaufzuschaffen, und ging wieder in die Bar hinunter, wo er, die Hände auf dem Rücken, mit raschen Schritten und in tiefen Gedanken auf- und ablief. Das Gespräch mit den beiden Leuten hatte ihn auf allerlei Ideen gebracht, und Jimmy brauchte einige Zeit, die gehörig zu verarbeiten.

Capitel 6.
Kapellmeister Eltrich

Das Paketschiff von Havre war angekommen, und von den verschiedenen Passagieren desselben hatte sich Einer, der im St. – Charles-Hotel abgestiegen, kaum Zeit genommen, seine Kleider zu wechseln und war dann, jedenfalls dringende Geschäfte zu besorgen, ein paar Stunden lang Straße auf und ab in der Stadt gefahren, bis er endlich am unteren Markt sein Fuhrwerk ablohnte, und müde und erhitzt in eine der dort befindlichen kleinen Eisbuden trat, sich abzukühlen und ein Glas Sherbet zu trinken.

Die Passage da vorbei war sehr belebt, kleine Gruppen von Kaufleuten standen überall zusammen, Geschäfte wurden entrirt und abgeschlossen, Aufträge gegeben und genommen und selbst neben dem Glas Gefrorenen in der Bude, das oft unbeachtet zusammenschmolz, hatten die Leute ihre Brieftafeln vor sich liegen, und notirten und rechneten mitsammen, und ordneten die Bestimmungsorte jener Wälle von verschiedenen Waaren, die draußen an der Levée durch Tausende von Händen aufgehäuft, und zugleich wieder durch andere fortgeführt wurden, ohne sich anscheinend zu vermindern oder zu vermehren.

Nur der eben angekommene Fremde hatte, wie es schien, mit Geschäften Nichts zu thun; sein einziger Zweck war, sich auszuruhn und zu erholen, und selbst das Leben und Treiben um ihn her interessirte ihn nicht, oder war ihm bekannt, denn er nahm abwechselnd eine der verschiedenen, dort liegenden Zeitungen zur Hand, flüchtig die Spalten überfliegend, oder saß auch wohl, in Gedanken vor sich niederschauend da, nicht einmal die Vorübergehenden beachtend.

»Täuschen mich meine Augen nicht, oder habe ich das Vergnügen, Herrn von Hopfgarten wieder einmal begrüßen zu können?« sagte in diesem Augenblick eine feine, unserem alten Freund sehr wohl bekannte Stimme, der auch rasch, aber zugleich erstaunt zu der breiten, korpulenten Gestalt des vor ihm stehenden Mannes aufsah, und sich trotzdem auf das Gesicht durchaus nicht besinnen konnte.

»Ich weiß nicht« – sagte er wirklich etwas verdutzt, von seinem Stuhle aufstehend und die ganze Figur des Mannes, der jedenfalls seinen Namen kannte, auf das Aufmerksamste betrachtend – »Gestalt und Stimme erinnern mich allerdings an einen früheren Reisegefährten, aber zu denen paßt das Gesicht durchaus nicht.«

»Ja, mein guter Herr von Hopfgarten,« sagte wieder die nur zu wohl bekannte Stimme, während der Mann selber vergnügt dabei mit dem Kopfe nickte – »ich bin es auch eigentlich nicht mehr; ich habe mich geschält und die Haut abgeworfen, wie eine Klapperschlange. Schöner bin ich dadurch freilich nicht geworden, aber heiße doch noch immer Christian Mehlmeier.«

»Also sind Sie's doch!« rief Hopfgarten, ihm freundlich die Hand entgegenstreckend, »aber um Gottes Willen, Mann, was ist mit Ihnen vorgegangen? ich hätte Sie im Leben nicht wieder erkannt.«

»Ja, das ist anderen Leuten auch so gegangen,« schmunzelte Mehlmeier in seinen weichsten Tönen vor sich hin – »sehn Sie sich einmal mein Gesicht genauer an.«

»Haben Sie die Blattern gehabt?« frug Hopfgarten mitleidig – »es ist voller Narben – und die Augenbrauen fehlen ganz. Was in aller Welt haben Sie mit sich angefangen?«

»Es ist mir wie Berthold Schwarz gegangen,« sagte Herr Mehlmeier, mit seinem vergnügtesten Gesicht – »ich habe ebenfalls, freilich nach einem vorgeschriebenen Recept, auf die Art wie er, das Pulver erfunden, war jedenfalls über die unerwartete Explosion eben so erstaunt wie er. Sie – Sie erinnern sich vielleicht noch des – des Geschäfts, was ich damals betrieb, als Sie mich, hier ganz in der Nähe, dort am Markt drüben, fanden?«

»Sie verkauften Schwefelhölzer, wenn ich nicht irre – «

»Ich stand wenigstens zu diesem Zweck an einem jener Pfeiler,« betätigte Mehlmeier, »verkaufte übrigens ungemein wenig, und diente eigentlich, wenn ich so recht an jene Zeit zurückdenke, nur dazu, etwa Vorübergehenden, die mich um Feuer baten, ihre Cigarren anzuzünden. »Danke« sagten dann die Leute und damit war die Sache abgemacht; sie gingen ihren Geschäften nach, und ich blieb an dem Pfeiler stehn, über das meinige Betrachtungen anzustellen.«

»Sie sehen jetzt weit besser, weit behäbiger in Ihrem Äußern aus,« sagte Hopfgarten.

»Das wäre noch immer kein großes Lob,« meinte Mehlmeier, »denn schlechter wie ich damals aussah, kann der Mensch nicht gut anständiger Weise in der Welt herumlaufen. Hosen und Rock hielten gewissermaßen nur aus Gefälligkeit für mich zusammen, und außerdem durfte ich nicht einmal vor Dunkelwerden Abends von meinem Pfeiler, den ich mit der Dämmerung in Besitz nahm, weggehn, meines hinteren Menschen wegen. Da traf ich Sie und den fremden Herrn, der mit Ihnen war, und von der Stunde an, mein guter Herr von Hopfgarten änderte sich mein Loos. Ich hatte damals schon lange bemerkt, daß die Leute, welche die Streichhölzer fabricirten, einen recht hübschen Nutzen dabei machten, während wir Verkäufer daran verhungern konnten; von zu Hause aus war ich auch mit der Fabrikation vollkommen gut bekannt, das Material dazu hätte ich hier billiger wie irgendwo gehabt, das Holz brauchte ich nicht einmal zu kaufen, denn eine kleine Strecke von der Stadt entfernt, konnte ich mir so viel davon selber nehmen, wie ich brauchte, aber – ich hatte kein Capital um damit zu beginnen, und meine täglichen Einnahmen gelangten oft nicht einmal zu der Höhe, mich, worauf ich den ganzen Tag hungerte, Abends satt zu essen. Ich mag beiläufig bemerken, daß ich der Schrecken der verschiedenen kleinen Eßbuden geworden war, in die ich, sobald sich meine Kasse in den Umständen befand, ein Abendessen zu zahlen, hineinfiel. An jenem Tage nun gab mir jener fremde Herr für eine unbedeutende Nachricht ein Stück Geld – ein Goldstück. Herr von Hopfgarten – ich will nicht versuchen, Ihnen zu schildern, was ich an dem Tage ausgestanden habe« – sagte Mehlmeier; seine Stimme klang dabei leise und heiser, indeß ihm ein paar große schwere Thränen, trotzdem, daß er mit den Augen auf das Lebhafteste blinzte und sie zurückzudrücken suchte, zwischen die Wimpern traten – »es war kein verdientes Geld, ich mochte dagegen argumentieren, wie ich wollte,« setzte er dann nach kurzer Pause hinzu, »und ich – ich war zuletzt fest davon überzeugt, daß ich die kleine Summe – für mich damals ein Capital – mehr meinen zerissenen Hosen, als der Nachricht verdankte.«

»Nein, lieber Herr Mehlmeier,« rief aber Hopfgarten rasch dazwischen – »die Kunde, die Sie uns gaben, hätte tausend solcher Stücke verdient – der alte Herr suchte sein Kind und Sie zuerst brachten ihn auf die rechte Spur.«

»Es freut mich ungemein, wenn ich dem fremden Herrn nützlich gewesen bin,« sagte Mehlmeier ruhig, »das aber war meine damalige Ansicht von der Sache und – hat sich auch bis jetzt noch nicht verändern können. – Aber meine Lage änderte sich damals. Für zwei Dollar kaufte ich mir ein blaues Überhemd, eine solche Hose, wie sie die Feuerleute und Matrosen tragen, ein paar Schuh, einen Hut und ein Halstuch. Trotzdem behielt ich noch genug übrig, mich einmal recht tüchtig satt zu essen und – es war vielleicht eine Schwäche, aber ich hatte eine unendliche Sehnsucht danach – ein Glas Bier zu trinken, und für die übrigen zwei Dollar schaffte ich mir das nöthige Material an, auf meine Art gute Streichhölzchen herzustellen. Mörser und sonstige Geräthschaften mußte ich mir allerdings im Anfang noch borgen, aber das Alles machte ich, jetzt einmal in anständigen Kleidern, wo ich mich wenigstens sehn lassen konnte, möglich, und so klein die Quantität sein mußte, die ich mit meinen geringen Mitteln zum ersten Mal fabricirte, so sehr sprach die Qualität an. Wohin ich Proben brachte, bekam ich Bestellungen, von denen ich im Anfang nur einen kleinen Theil ausführen konnte, mit jeder Woche mehrte sich aber meine Einnahme, mit jeder Woche konnte ich größere Mengen liefern, und war zuletzt sogar im Stande, mir erst einen, dann zwei und mehre Arbeiter zu nehmen, dem immer steigenden Bedarf zu begegnen. Gleich im Anfang, bei der Zusammenstellung einer Mischung, passirte mir eines Abends das Unglück, daß mir die ganze Masse im Mörser explodirte, und ich fand mich erst am andern Morgen in der entgegengesetzten Ecke meines Zimmers wieder, da die Nachbarn weiter keine Notiz von dem Knall und Qualm genommen.

»Seit der Zeit befinde ich mich aber ausnehmend wohl; ich boarde in einem anständigen Französischen Kosthaus und beschäftige jetzt elf Arbeiter, lauter arme deutsche Einwanderer, die ich mir abrichte und gut bezahle, verdiene dabei ein recht hübsches Geld und beginne sogar schon an Sparen und Zurücklegen zu denken, drohenden Alters wegen.«

»Nun das freut mich wahrhaftig recht, recht herzlich von Ihnen zu hören,« sagte Hopfgarten, dem fast die Thränen in die Augen gekommen waren, bei der so anspruchslos und wirklich rührend vorgetragenen Erzählung, indem er seinem alten Reisegefährten die Hand reichte und derb und freundlich schüttelte; »es giebt wenig Leute, lieber Mehlmeier, die so ernst und entschlossen und so brav und rechtschaffen dabei, einem einmal gesteckten Ziele entgegenstreben, und ich wünschte in der That recht von Herzen Ihnen irgend einen Dienst erweisen zu können, um Ihnen zu zeigen, wie sehr ich Sie achte und schätze.«

»Ich danke Ihnen recht herzlich, mein guter Herr von Hopfgarten, für die freundlichen Worte,« sagte Mehlmeier, wirklich gerührt, »Sie thun mir wohl – und eine Bitte hätt' ich wirklich an Sie, wenn Sie dieselbe erfüllen wollten.«

»Von Herzen gern – und was ist es?«

»Sie kennen den Herrn, der – der mir damals das Goldstück gab?«

»Sehr gut – ich komme jetzt gerade von dort her – war nämlich in der Zeit wieder in Deutschland – «

»Sie waren in Deutschland?« frug Mehlmeier, rasch und erstaunt, »ja, hm – das ist eigentlich gar nichts so Wunderbares, denn man fährt jetzt rasch genug herüber und hinüber, aber – es ist doch ein eigenes, sonderbares Gefühl, wenn man so von Deutschland sprechen hört, fortwährend Schiffe sieht, die hinüber gehn und von dorther kommen, und – so gern man hinüber möchte, und auch könnte, was eben die Passage betrifft, doch auf der weiten Gottes Welt da drüben, wo man doch eigentlich zu Hause ist, Nichts weiter zu thun hat; Nichts wieder anfangen könnte, und nun ganz allein aus dem Grunde hier bleiben muß.«

»Aber mit was sollte ich Ihnen dienen?«

»Ja,« sagte Mehlmeier rasch, »sehn Sie den Herrn – wie war sein Name gleich?«

»Dollinger.«

»Sehn Sie den Herrn Dollinger wieder?«

»Hoffentlich bald, jedenfalls schreibe ich ihm in den nächsten Tagen.«

Mehlmeier griff in die Tasche, nahm ein Amerikanisches Goldstück heraus und sagte, es Herrn Hopfgarten hinreichend:

»Dann thun Sie mir die große Liebe, mein bester Herr von Hopfgarten, und geben Sie ihm das Goldstück nicht allein zurück, sondern sagen dem Herrn auch wie Sie mich wieder gefunden haben, und daß ich das nur allein als sein Werk betrachten könne, ihm auch ewig dankbar dafür sein würde.«

»Aber mein bester Herr Mehlmeier,« rief Hopfgarten, das Goldstück zurückweisend, »Herr Dollinger ist ein reicher, ein sehr reicher Mann, und ich weiß – «

»Und wenn er ein Millionair wäre,« sagte Mehlmeier fest und bestimmt, »es ist nicht der wenigen Thaler, es ist der Sache wegen, das Geld hat mir auf der Seele gebrannt, und Sie erzeigen mir einen unendlich großen Dienst, wenn Sie es dem rechtmäßigen Eigenthümer zurückerstatten. Es hat mir genug genützt, und da jetzt die Ursache verschwunden ist, der ich es verdanke« – und Mehlmeier warf einen wehmüthigen Blick an seinen Beinen hinunter – »so darf ich auch mit gutem Gewissen die Wirkung zurückgeben. Sie thun mir einen großen Gefallen mit der Erfüllung meiner Bitte, mein lieber Herr von Hopfgarten.«

»Sie sind ein wunderlicher Mensch,« sagte der kleine Mann freundlich, das Goldstück dabei nehmend und einsteckend, »ich will es besorgen; aber Herr Dollinger glaubt sich Ihnen nun einmal zu Dank verpflichtet, und wird das auf andere Weise wieder gut machen wollen. Jedenfalls muß er Ihnen die Quittung einsenden, daß ich wenigstens das Geld richtig abgeliefert habe, und ich möchte Sie deshalb um Ihre Adresse bitten.«

»Das wird nicht nöthig sein,« sagte Herr Mehlmeier mit einem wehmüthigen Blick.

»Nein, nein; es muß Alles seine Ordnung haben,« rief Hopfgarten, »also Ihre Adresse?«

»Erlaube ich mir denn hier auf einem Exemplar meines Fabrikats zu überreichen,« sagte Mehlmeier mit einer etwas linkischen und verlegnen Verbeugung Hopfgarten ein kleines elegantes Etui mit Streichhölzchen, auf denen seine genaue Firma angegeben stand, übergebend, »das sind meine Visitenkarten,« setzte er lächelnd hinzu.

»Vortreffliche Visitenkarten,« lachte Hopfgarten, sie betrachtend und einsteckend; »aber apropos, mein lieber Herr Mehlmeier, Sie als wandernder Adreßkalender sind vielleicht im Stande mir wieder eine Auskunft zu geben. Können Sie mir vielleicht sagen, wo ich einen gewissen Ledermann, einen Juristen, hier in der Stadt finde?«

»Ledermann? – Ledermann? – nein, der Name ist mir gänzlich unbekannt,« sagte Mehlmeier, sehr bestimmt mit dem Kopf nickend; Hopfgarten kannte aber seine schwache Seite mit den verkehrten Gesticulationen, und wußte was er meinte.

»Er arbeitete früher in dem Bureau des Mr. Mac Culloch, des Staatsanwalts,« setzte er dann hinzu, »der ist aber in diesem Augenblick verreist und sein Bureau geschlossen, und von den Hausleuten wollte ihn Niemand kennen.«

»Ledermann?« sagte Mehlmeier, die Hände am Kinn, in tiefem Nachdenken.

»Eine lange hagere Gestalt,« half Hopfgarten seinem Gedächtniß nach, »ein dünnes, mageres Gesicht und blonde Haare.«

»Hm, ich kenne einen Herrn Fortmann, der etwa auf diese Beschreibung paßte.«

»Donnerwetter, Fortmann!« rief Hopfgarten, sich vor den Kopf schlagend, »jetzt hab' ich die Namen verwechselt – Fortmann heißt er ja auch – Mehlmeier, Sie sind ein kapitaler Mann – wo find' ich den?«

»Ja, wo Sie den jetzt finden, wenn er nicht in seinem Bureau ist, weiß ich allerdings auch nicht – er müßte denn sonst vielleicht beim Kapellmeister sein.«

»Was für ein Kapellmeister? – wo wohnt der?«

»Kapellmeister Eltrich, gar nicht weit von hier.«

»Eltrich? – unser Eltrich von der Haidschnucke? – ich glaubte, der sei ein Arbeiter an einem Dampf- oder Flatboot geworden.«

»Allerdings, im Anfang, weil ihm seine sämmtlichen Sachen, selbst seine Violine gestohlen worden; nachher aber hat er sich ganz tüchtig wieder herausgearbeitet, und jetzt eine brillante Anstellung an der hiesigen französischen Oper erhalten.«

»Und dort ist Ledermann zuweilen?«

»Herr Fortmann? ja, aber wir gehn hier nur diese Straße hinunter, und ich kann Ihnen dann das Haus zeigen.«

»Kommen Sie nicht mit hinauf?«

»Es ist meine Arbeitszeit jetzt, mein bester Herr von Hopfgarten,« sagte Mehlmeier, »und ich habe mich überdieß schon zu lange von meinen Leuten entfernt – jedenfalls hoffe ich Sie noch zu sehn ehe Sie New-Orleans verlassen. Denken Sie sich lange hier aufzuhalten?«

»Einige Tage – doch noch eins, mein lieber Mehlmeier, so viele Menschen sind Ihnen hier vorgekommen – wissen Sie vielleicht zufällig, wo sich – Herr Henkel jetzt aufhält?«

»Nein, das ist merkwürdig, den Herrn habe ich auch mit keinem Auge wieder gesehn, seit wir gelandet sind. Im Anfang ging einmal ein dumpfes Gerücht, daß doch nicht Alles mit ihm so in Ordnung – nicht eben Alles Gold sei, aber ich weiß nicht, ich habe weiter Nichts darüber gehört und – wenn ich aufrichtig sein soll, mich nicht weiter darum bekümmert. Sehn Sie dort? das ist die Wohnung Eltrichs – das kleine freundliche weiße Häuschen, mit den grünen Jalousieen, und dorthinein wohne ich. Also mein lieber Herr von Hopfgarten, ich habe die Ehre mich Ihnen auf das Freundlichste zu empfehlen.«

Hopfgarten nahm herzlichen Abschied von ihm; der Mann hatte etwas rührend Hartnäckiges in seinem ganzen Wesen, mit dem er dem Unglück die Spitze geboten und sich, allen bösen Neigungen wacker dabei begegnend, an die Oberfläche gearbeitet.

Noch stand er in der Straße, unfern von Eltrichs Wohnung, und sah dem rasch und geschäftig davongehenden Manne nach, als ein, in einen abgetragenen blauen Frack geknöpftes Individuum an ihm vorüberging, ihn scharf fixirte, und sich rasch gegen ihn wendend die rechte Hand – unter dem linken Arm trug er ein Cigarrenkistchen – nach ihm ausstreckte und rief. »Sieh da, sieh da Thimoteus, die Kraniche des Ibikus – Herr von Hopfgarten; eine höchst angenehme Erscheinung beim Zeus, in diesem verdammten hausbackenen Land.«

»Herr Steinert?« rief Hopfgarten erstaunt aus, »ich hätte Sie fast nicht wieder erkannt – wie geht es Ihnen?«

Steinert zuckte die Achseln.

 
»Durch Unglück mehr als durch Versehn,
Verlor Alcest im Handel sein Vermögen
 

– verwünschte Geschichte das hier, man darf seinem eigenen Bruder nicht trauen, wenn man wirklich einen hier hat. Ich habe bittere Erfahrungen gemacht, Herr von Hopfgarten – bittere Erfahrungen und – wenn weiter Nichts – Menschenkenntniß gesammelt, wie wohl kaum Einer vor mir. Ich sage Ihnen, ich könnte eine Geographie des menschlichen Herzens, der menschlichen Schwachheiten, Laster und Leidenschaften herausgeben.«

Hopfgarten hatte sich indessen, so genau das geschehn konnte, ohne den Mann durch ein zu scharfes Anschauen zu kränken, die vor ihm stehende Gestalt betrachtet, und das Resultat fiel gerade nicht zu Steinerts Vortheil aus. Sein Anzug, einst jedenfalls modern, war abgerissen, und noch schlimmer, war schmutzig; eben so seine Wäsche. Nur den äußeren Staat hatte er noch beibehalten; der große Siegelring saß auf einer ungewaschenen Hand, und neben den Uhrberloquen zeigte das Tuch häßliche farbige Flecke. Sein Gesicht sah dabei verwildert aus; die Augen lagen ihm tief und durchschwärmte Nächte, wenn nicht Mangel kündend, in den Höhlen, und flogen unruhig, ungeduldig, ohne auf irgend einem Punkte zu haften, umher.

»Und womit beschäftigen Sie sich jetzt,« sagte Hopfgarten endlich, dem es unheimlich in der Nähe des Mannes wurde, »haben Sie irgend eine Anstellung? irgend ein – ein – «

»Ein freies Leben führen wir,« unterbrach ihn aber Steinert, den rechten Arm mit einer etwas theatralischen Bewegung zum Himmel hebend. »Ich konnte mich erstlich nie dazu verstehen, zu irgend Jemand in ein dienstliches Verhältniß zu treten – der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte – und dann bin ich wohl ein halb Jahr vergebens herumgelaufen,« setzte er, wieder in eine natürlichere Stellung zurückfallend, hinzu, »ohne irgend einen passenden Platz für mich auftreiben zu können. Für jetzt habe ich übrigens eine famose Quelle ächter Havanna-Cigarren entdeckt,« und er nahm bei den Worten das Kästchen rasch unter seinem linken Arme vor, »die ich Ihnen mit gutem Gewissen empfehlen kann, mein bester Herr von Hopfgarten. Famose Cigarren, sage ich Ihnen, und zu einem Preis,« setzte er leise flüsternd, und mit einem scheuen Blick umher, hinzu, indem er das Kästchen sehr aufmerksam und ängstlich öffnete, »wie sie kein Mensch auf der Welt liefern könnte, wenn sie eben nicht – geschmuggelt wären.«

»Sie wissen ja, bester Herr Steinert, daß ich gar nicht rauche,« sagte Hopfgarten freundlich, »ich bin auch wirklich in diesem Augenblick so mit meiner Zeit – «

»Sie rauchen gar nicht?« sagte Steinert etwas bestürzt, »aber Sie haben doch gewiß Jemand, den Sie mit einem halben Tausend Regalias glücklich machen würden.«

»In der That Niemanden hier, mein bester Herr; es ist auch schon spät geworden heute, und ich bin eben erst wieder angekommen.«

»Ich sehe, Sie sind in Eile,« sagte der frühere Weinreisende rasch, indem er das schon halb geleerte Kästchen – was in Hopfgarten den Verdacht aufsteigen ließ, daß er die Regalias auch im Einzelnen verwerthe – wieder an seinen früheren Platz zurückschob. »Ich will Sie nicht länger aufhalten, aber – ich dürfte Sie wohl um eine Gefälligkeit bitten. Wir sind hier gerade in der Nähe und ich habe vergessen mein Portemonnaie zu mir zu stecken – bin jedoch einem Freund von mir da drüben fünf Dollar schuldig. Wären Sie wohl so freundlich, mir diese kleine Summe auf ein paar Stunden zu leihen?«

»Mit dem größten Vergnügen,« sagte Hopfgarten verlegen, und unwillkürlich zugleich in seiner angeborenen Gutmüthigkeit in die Westentasche fahrend, »ich weiß nur nicht – «

»Philemon, der bei großen Schätzen ein edelmüthig Herz besaß,« recitirte Steinert.

»Wenn Ihnen für den Augenblick mit dieser Dollarnote gedient wäre.«

»Sie sind sehr freundlich – aber Sie erlauben mir, daß ich es mir gleich notire; ich habe so vielerlei im Kopf, und morgen zahle ich es Ihnen jedenfalls zurück. Welches Hotel?«

»St. Charles – «

»Ah, desto besser; dort dinire ich auch gewöhnlich – Herr von Hopfgarten »Haben« 1 Dollar.«

Er hatte dabei eine rothe, ziemlich umfangreiche Brieftasche vorgenommen, die Cigarrenkiste auf das linke emporgezogene und ziemlich geschickt balancirte Knie gelegt, und notirte sich den Fall auf ein weißes Blatt.

»Mein guter Herr Steinert, ich habe indessen das Vergnügen Ihnen einen angenehmen Abend zu wünschen.«

»Ah, guten Abend, lieber Hopfgarten, guten Abend,« rief Steinert, ihm, immer noch in der vorigen Stellung, mit dem Bleistift freundlich zuwinkend.

Hopfgarten benutzte die Gelegenheit, Eltrichs Haus zu erreichen, und stieg die wenigen Stufen vor der Hausthür, an deren Klingel er zog, rasch hinan.

Ein wunderhübsches, nur etwas kränklich aussehendes, beinah weißes Mädchen, aber doch mit dem eigenen dunkeln Teint und fast blauschwarzen Haar dieser Race, das die Quadroonin verrieth, öffnete ihm die Thür, frug den Erstaunten in deutscher Sprache was er wünsche, und führte ihn dann in das untere Zimmer, wo Hopfgarten zu seiner nicht geringen Genugthuung – denn Mehlmeier hatte ganz recht gehabt – Herrn Ledermann alias Fortmann, am Kaffeetisch bei Eltrichs traf, und von den dreien auf das Herzlichste begrüßt wurde. Eltrichs kleine reizende Frau war besonders glücklich den alten Reisegefährten, der sich schon an Bord von allen Cajütspassagieren immer am freundlichsten gegen sie benommen, bei sich zu sehn und bewirthen zu können, und verschwand gleich aus dem Zimmer, aufzutragen, was nur, trotz Hopfgartens Protestiren, Küche und Keller vermochte.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
27 сентября 2017
Объем:
230 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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