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Читать книгу: «Nach Amerika! Ein Volksbuch. Sechster Band», страница 2

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»Ein Wort Mr. Sheriff!« sagte da plötzlich der alte Rosemore mit seiner tiefen, ruhigen Stimme, indem er ebenfalls den Kolben seiner Büchse auf einen andern Stumpf stemmte und hinaufstieg; »ich bin als Ältester hier unter uns, und von den Nachbarn beauftragt worden noch ein paar Worte an die Versammlung zu richten.«

»Ich glaube nicht daß etwas derartiges nöthig sein wird« sagte der Sheriff – aber von allen Seiten rief es »doch, doch! sprecht Sir – was giebt's« und der Sheriff, sich die Unterlippe beißend, schwieg.

»Ich bin gleich fertig« sagte der alte Mann freundlich, »denen nur die es noch nicht wissen, wollte ich hier blos einfach mittheilen daß Farm, Pferde und Vieh von dem früheren Besitzer, dem Polen Olnitzki, an einen anerkannten falschen Spieler und sonst gar verdächtigen Menschen, der es seit der Zeit nie wieder gewagt hat zwischen uns zu erscheinen, im falschen Spiel, wie sich später herausgestellt hat, verloren wurden.«

»Mr. Rosemore« – unterbrach ihn der Sheriff.

»Entschuldigen Sie mich, Sir, ich bin noch nicht zu Ende« sagte der alte Mann ernst und fuhr dann langsam fort, »die Frau wie wir Alle hier wissen, die jener Olnitzki schlimmer behandelt hat, als ein Indianer seine Squaw behandeln würde, stammte aus einer edlen und reichen Familie, und hatte mit ihrem Geld, als sie nach Amerika kamen, Farm und Viehstand, von dem Olnitzki schon früher drei Viertheile durchgebracht, gekauft – aber sie besaß keine Papiere darüber. Vor mehren Jahren hat ferner jener Olnitzki, den hier später seine Strafe erreichte, einen armen aber rechtlichen Mann im allerdings ordentlich abgehaltenen Zweikampf erschossen, weil dieser nicht ruhig zusehn wollte, wie er seine arme, kränkliche Frau mishandelte und schlug. Der Mann hieß Riley und hat eine alte kranke Frau, seine Großmutter, und eine jüngere Schwester ein Kind noch fast, hinterlassen, das dort in der Thür der Hütte steht. Diesem Kinde hat Olnitzki's Frau, als sie mit ihrer Schwester nach des Polen Tode uns verließ, die Farm mit dem sämmtlichen Viehstand geschenkt. Wir Nachbarn erklärten dabei, daß Olnitzki kein Recht gehabt habe die Farm, die seiner Frau gehörte zu verspielen, die Gerichte in Little Rock entschieden aber anders. Nach langem Streiten gewann jener Advokat, der von dem falschen Spieler Land und Vieh zu einem Spottpreis gekauft, den Prozeß, und der Herr Sheriff ist heute herübergekommen, Land und Viehstand an den Meistbietenden öffentlich zu versteigern. Das, Mitbürger, ist der Thatbestand der Sache, und wir Nachbarn« – setzte er mit lauterer Stimme hinzu, »sind der Meinung daß das Kind die Farm, die ihm rechtmäßig schon gehört, erstehen wird.«

»Das kommt auf die Gebote an, Sir!« rief der Sheriff heftig.

»Ei versteht sich, Sir,« sagte der alte Rosemore – »auf die Gebote, und ich bitte daß Sie beginnen. Jack Owen – seid doch so gut und führt das arme Kind einmal hier zwischen die Herren herein – es fürchtet sich sonst näher zu treten; Sie sind wohl so freundlich, Gentlemen, und machen ihm Platz!«

»Oh ja wohl – mit dem größten Vergnügen!« riefen die dem Haus zunächst Stehenden bereitwillig, und Jack Owen schritt langsam dem Hause zu, nahm Jenny, der er einige ermuthigende Worte zuflüsterte, an die Hand, und führte das junge zitternde Mädchen in den Kreis der Männer, die eine Gasse für sie öffneten.

»Oh Bill!« rief während der kleinen Pause die jetzt entstand, Einer der Backwoodsmen, ein rauher, wild aussehender Bursche einem Andern über den ganzen Kreis hinüber zu – »ich habe die Nacht einen schändlichen, nichtsnutzigen Traum gehabt – mir träumte ein feiner Bursche mit einem Tuchrock an, hatte die Farm erstanden, und wie ich zu Haus ritt lag er im Gründorn Flat auf des Polen Grab, und hatte einen rothen, häßlichen Fleck mitten auf der Stirn.«

»Ah Unsinn Jim!« lachte der Andere zurück, »Dein Traum hinkt, denn ich habe geträumt es hätte gar Niemand mitgeboten!«

»Gentlemen ich protestire hier feierlich gegen jede drohende Einwirkung auf den Verkauf dieses Gutes!« fiel hier der Sheriff hitzig ein, »oder ich sehe mich genöthigt mich unverrichteter Sache zurückzuziehn, und dem Staatsanwalt Anzeige solchen Benehmens zu machen.«

»Thut Euere Pflicht Sheriff!« rief aber der alte Rosemore ruhig – »es wird kein Mensch mehr ein Wort hineinreden – daß sich ein paar junge Burschen ihre albernen Träume erzählen darf Euch nicht kümmern.«

Der Sheriff zögerte noch einen Augenblick und berieth sich in leisem Flüstern mit den ihm nächst Stehenden was zu thun, ein späterer Termin würde aber ebenfalls zu keinem andern Resultat geführt haben, die Käufer hatten jedenfalls das Gesetz und seinen mächtigen Arm auf ihrer Seite, und nach kurzer Einleitung, in der er jetzt die Zahl der urbar gemachten Äcker, der Pferde, die von den Kauflustigen schon in Augenschein genommen, die Anzahl Kühe, Rinder und Schweine aufgezählt, eröffnete er die Auktion und lud die Anwesenden zu einem Anfangsgebot ein.

Im ersten Augenblick herrschte tiefe Stille, das Zirpen der Grillen drang peinlich deutlich von den nächsten Bäumen herüber, und man konnte das Athmen der Menge hören. Da bog sich Jack Owen freundlich zu dem jungen Mädchen nieder und flüsterte ihr ein paar ermuthigende Worte zu und Jenny, mit todtenbleichen Wangen und zitternden Lippen, aber klaren, blitzenden Augen, trat einen Schritt vor und sagte mit nicht lauter, aber doch bis selbst zu den entferntest Stehenden dringend:

»Ich biete einen Viertel Dollar für das Ganze.«

»Unsinn!« rief der Sheriff, in auflodernder Wuth mit dem Fuße stampfend, »wir haben hier kein Kinderspiel für müssige Leute – ein Viertel Dollar, wo das Gebot in die Hunderte steigen muß, nur den halben Werth zu erreichen.«

»Gebot ist Gebot!« rief es von anderer Seite, »der Verkauf hat begonnen – thut Euere Pflicht Sheriff!«

»Ich brauche mich von Niemanden an meine Pflicht mahnen zu lassen!« schrie dieser, leichenbleich vor innerem Grimm, dem er doch nicht Worte geben durfte, den Männern gegenüber.

»Ein Viertel Dollar ist geboten,« sagte der alte Rosemore ruhig, »Jenny wird es wohl für den Preis bekommen.«

»Wenn kein Gebot geschieht,« rief jetzt der Sheriff, mit Zornfunkelnden Augen, »hebe ich den Verkauf auf!«

»Ein Gebot ist geschehn!« schrie da Einer der jungen Backwoodsmen, derselbe, der vorher seinen Traum erzählt, und trotzig dabei mit der Büchse in den Kreis springend, »wir Männer von Arkansas sind eingeladen worden dem Verkauf heute beizuwohnen; der Verkauf hat begonnen, ein Gebot ist gemacht worden und ich frage Euch hier, die Ihr anwesend seid, ob etwas Unregelmäßiges in der Verhandlung stattgefunden?«

»Nein – Nichts!« schrie es von allen Seiten, »die Advokaten mögen uns Ihre Dintenklexer hier herüberschicken und uns die Farmen unter der Nase ausbieten lassen, wir können und wollen es ihnen nicht wehren, aber laß sie es wagen unsere Gebote nicht zu respektiren, und wenn es sich um einen einfachen Cent handelte, und bei Höll und Teufel wir schicken sie heim, daß ihre Haut keine Maishülsen mehr halten sollte.«

»Ein Viertel Dollar ist geboten Gentlemen!« rief der alte Rosemore wieder so ruhig wie vorher, »Mr. Sheriff wollen Sie weiter fragen, oder glauben Sie daß der Preis genügt? es wird Mittagszeit, und wir, die wir noch zur Campmeeting zu reiten wünschen, möchten doch erst gern zu Hause etwas essen.«

»Gentlemen!« rief aber der Sheriff auch, sich jetzt ermannend, »Sie werden dieses Scheingebot eines Kindes nicht gelten lassen. Das Gesetz und sein starker Arm schützt Sie in jedem Gebot das Sie machen, und meinen eignen Hals will ich zum Pfande setzen daß der von Ihnen, der dieß Gut zu irgend einem Preis ersteht, auch in den rechtlichen Besitz desselben gelangen soll.«

»Mein Traum wird doch wahr, Bill,« rief der Backwoodsman wieder über den Kreis hinüber.

»Denkt nicht daran,« lachte der Andere, »der Sheriff hat ja seinen Hals verpfändet, und wird die Farm vielleicht selber kaufen wollen.«

»Ein Viertel Dollar ist geboten,« begann zum dritten Mal der alte Rosemore, »wenn Ihr nicht selber jetzt die Auktion beginnt, Sheriff, dann thun wir es – überschreitet Euere Pflicht nicht, denn wir sind hier herbestellt, und verlangen den Zuschlag für den Käufer.«

»Auf ein solches Gebot schlag ich nicht zu!« schrie aber der Sheriff, jetzt außer sich vor Wuth, »wer will mich zwingen?«

»Das Gesetz!« tobten ihm da die Backwoodsmen entgegen, »glaubt Ihr, daß Ihr uns hier zum Narren haben könnt, gerad' nach Gefallen, und herbestellen wenn es Euch freut, weil Euch ein Gebot nicht behagt? Die Farm ist angesetzt und feil gemacht; das Kind dort hat einen Viertel Dollar geboten und bietet Niemand mehr, und schlagt Ihr dann nicht zu, so straf uns Gott, wenn ein anderer Auktionator, ein anderer Käufer seinen Fuß wieder auf dieses Land setzen soll.«

»Und Keiner bietet einen Cent mehr,« knirschte der Sheriff zwischen den Zähnen durch – wagte aber selber kein höheres Gebot – »Gentlemen ich wiederhole es hier nochmals – das Gesetz schützt Sie in jedem Gebote das Sie thun, und kein Bürger der Vereinigten Staaten darf und wird sich dem widersetzen, denn die Folgen würden schwer und furchtbar auf sein eigenes Haupt zurückfallen. So beginne ich denn nochmals den Verkauf – zwei Bits sind geboten, und ich erwarte daß der zweite Bieter mit eben so viel hundert ganzen Dollarn nachfolgen wird – ich – das Gesetz steht ein für sein gewahrtes Recht.«

Alles schwieg – der Amerikaner läßt selten lange auf sich warten, wo sich die Aussicht auf Gewinn für ihn bietet, aber die dunklen trotzigen Gestalten hier umher – das Blut das schon unter diesen Bäumen geflossen, ohne daß selbst das Gesetz im Stande gewesen war es zu sühnen, die Drohung selbst, die versteckt, aber doch deutlich genug in dem erzählten Traum lag – hie und da vielleicht auch mit dem Rechtlichkeitsgefühle Manches, der doch wohl einsah daß dem Kind – wie das Gesetz auch da geurtheilt – die Farm gehören müsse – Keiner bot.

Wieder und wieder suchte sie der Sheriff nur erst zu einem Gebot zu treiben, dem dann leicht andere folgen würden – umsonst und endlich selber gereizt, und wüthender fast über die herübergekommenen Käufer als über die Squatter selbst rief er, während die »Nachbarn« ringsum lautlos standen, denn sie wußten jetzt daß sie gesiegt hatten – mit bleichen Wangen und vor innerer Aufregung funkelnden Blicken:

»Gut – wenn Ihr Alle denn zu feige seid Euer Recht zu wahren, und der, der am meisten dabei interessirt ist, sein ausgelegtes Geld wenigstens für das Land wieder zu bekommen, sich gar nicht dabei blicken läßt, was kümmerts mich. Also,« und seine Hand hob sich dabei sie zum Zuschlag sinken zu lassen, »ein Viertel Dollar ist geboten – ein Viertel Dollar zum ersten – kein Gebot weiter? – ein Viertel Dollar zum zweiten« – eine Todtenstille herrschte, man konnte das Zwitschern der Vögel weit im Wald drinne, das Glucken und Kratzen der Hennen vor dem Hause hören – »ein Viertel Dollar zum zweiten, und – « die Hand kam nieder, und mit der Bewegung das Wort: »zum – Dritten!«

»Hurrah! Hurrah!« tobten und jubelten und jauchzten die wilden Gesellen um ihn her – »piff, paff,« gingen die Freudenschüsse hoch in die Luft, und Jack Owen, in der linken Hand seine abgeschossene Büchse schwingend, griff mit dem rechten, eisernen Arm das junge, ängstlich umherschauende, und seinem Glück noch immer nicht trauende Mädchen vom Boden auf und trug es, unter dem Jubelruf der Menge, zwischen die Schaar der Nachbarn hinein. Alle Hände streckten sich nach ihr aus, den rauhen wilden Gesellen standen Thränen in den Augen, und im Triumphe wurde Jenny jetzt dem Hause zugetragen, als neue, rechtmäßige Besitzerin.

Capitel 2.
Maulbeere in der Betversammlung

Die Auktion war vorüber; Farm und Viehbestand gehörte dem jungen Mädchen, trotz jenem Jahrelang geführten Proceß, und all die Käufer, die hergekommen waren das Land, die Pferde zu erstehn, und sich das Alles nun mußten wie ein schönes Traumbild unter den Händen selbst wegschwinden sehen, standen im ersten Augenblick allerdings etwas verdutzt und unbehaglich da, und wußten nicht recht was für ein Gesicht sie dazu machen sollten. Daß die Backwoodsmen nämlich eine solche Drohung, wie sie der eine Bursche so schlau in seine Träume geflochten, wahr machen könnten, daran zweifelte nicht Einer von ihnen; des Polen Grab lag keine tausend Schritt von dort entfernt, ein blutig Zeichen, und ein Land kaufen das der Eigenthümer nie hätte wagen dürfen in Besitz zu nehmen, wär auch ein Geldverschleudern nur gewesen, wie der New-Yorker Advokat zu seinem Schaden jetzt erfahren.

»Unter den Umständen durften wir gar nicht bieten,« sagte da der Eine von ihnen zu dem Andern, »der alte Mann hatte ganz recht – man kann doch der kranken Frau und dem Kind das Haus nicht unter den Füßen wegkaufen, und sie in den Wald setzen? – ich wenigstens möchte das nicht auf meinem Gewissen haben.«

»Ich auch nicht,« rief ein Anderer, »die arme Kleine; was für ein hübsches Mädchen das einmal wird – und wie bleich sie aussah.«

»Mit Güte kann man bei mir Alles ausrichten,« sagte ein Dritter, »und ein gutes Wort findet einen guten Ort – die Leute waren klug genug daß sie nicht wirklich drohten.«

»Das wußten sie wohl daß ihnen das Nichts half,« rief der Erste wieder, »was hätten sie machen wollen wenn wir das Haus erstanden? aber so ist's besser und hundert Dollar sind mir nicht so lieb, als daß es die Kleine bekommen hat.«

Maulbeere war ein stiller, aber höchst aufmerksamer Zuschauer des Ganzen gewesen, und so sehr ihn die höchst eigenthümliche Verhandlung interessirt, überlegte er doch eben, ob er nicht besser seinen eigenen Nutzen jetzt auch ein wenig wahren, und seinen Karren herbeischieben solle, der Versammlung mit wenigen eindringlichen Worten ihre eignen stumpfen Messer und sonstigen Bedürfnisse in's Gedächtniß zurückzurufen, als die Backwoodsmen plötzlich Alle wieder zu ihren Pferden gingen, die Zügel von den Zweigen warfen, in die Sättel sprangen und mit einem wilden Hupih, von den laut anschlagenden Hunden gefolgt, aber jetzt nach einer Richtung hin, in den Wald hineinsprengten. Nur der alte Rosemore blieb mit Jack Owen zurück und ging mit diesem in das Haus, wo sie die Thüre hinter sich zumachten, und eine Zeitlang darin blieben. Nach einer ziemlich langen Weile kam Jack Owen allein zurück, und dem Scheerenschleifer freundlich auf die Schulter klopfend, sagte er lachend:

»Nun wie hat Euch unsere Arkansas-Auktion gefallen?«

»Gut,« erwiederte Maulbeere trocken, »und wenn Sie einmal wieder eine Farm für einen ähnlichen Preis wegzugeben haben – «

»Dann wißt Ihr einen Käufer?« lachte der Jäger, »glaub' es wohl – aber die Stadtherrn gehen auch nach ihren Pferden, so wollen wir denn den armen Thieren hier ebenfalls wieder ihre Freiheit geben; heut oder morgen werden sie doch nicht mehr gebraucht. Und dann Fremder, wenn es Euch recht ist, gehen wir zur Camp meeting hinüber, nicht weit von hier nach jener Richtung zu; wäre die Sache schon in Gang, könntet Ihr die Leute selbst hier jauchzen hören.«

»Jauchzen hören?« frug Zachäus verwundert.

»Werdet's schon mit ansehn,« sagte der Jäger ruhig, den zum Verkauf hierher gebrachten und mit, durch den Viertel Dollar erstandenen Pferden die Hobbeln oder Stricke lösend, die ihre Vorderbeine zusammenhielten, daß die Thiere wieder frei zurück in den Wald, und ihren gewöhnlichen Weideplätzen zulaufen konnten, »und nun kommt, nehmt Eueren Karren, und folgt mir den Weg entlang, der hier an der Fenz hinunterführt, und wenn Ihr nicht beten wollt dort, kann ich Euch Arbeit ziemlich gewiß versprechen.«

Was für ein Leben das war hier mitten in dem sonst so stillen Wald; wie die verscheuchten Vögel ängstlich in den Zweigen herüber- und hinüberflogen, und zwitscherten und riefen; wie der Hirsch, der dort sonst seinen ungestörten Äsungsplatz hatte, als er heute langsam und vertraut wie immer auf seinen Wechsel herankam, rasch den schönen Kopf emporwarf, die von feindlichen Dünsten geschwängerte Luft einzog und schreckend zurück in seine Wildniß floh. Wie die Pferde so freudig wieherten und den Boden stampften, und der grüne Rasen ringsumher auf der kleinen Waldesblöße zertreten war, nach allen Seiten, und wie sich das drängte und schob und durcheinander wogte, von einer bunten fröhlichen Menschenmasse, die hier von allen Enden des County zusammengekommen.

Ein Theil der Leute von Little Rock war ebenfalls dabei, die nämlich, die von der Auktion kommend, es vorgezogen hatten den heutigen Tag hier zu verbringen, und morgen früh zur Stadt zurückzukehren. Diese schienen aber am wenigsten vertreten, kamen auch nicht aus Religiosität hierher, sondern nur der leidigen Neugier wegen, und wurden von den Geistlichen am wenigsten gern gesehn. Nein, die Backwoodsmen und besonders deren Frauen und Töchter bildeten den Hauptkern der Versammlung; von allen Seiten strömten sie herbei, die Frauen fest im Sattel – und wenn es auch kein Damensattel war – ihre kleinen Bündel mit Kleidern vor sich auf dem Pferd, die Männer mit Büchse und Messer an der Seite wie immer. Und Lager wurden von Einzelnen aufgeschlagen rings im Wald, mit Rinden- oder Deckendach, während Andere dagegen ordentliche Zelte mit herüberbrachten, die sie allein für diesen Zweck bestimmt. Hier waren Männer an der Arbeit einen Baum zu fällen, und aus den abgeschlagenen Stücken rasch kurze Breter zu spalten zu einem sicheren Regenschutz, dort wurde Feuerholz geschlagen und herbeigeschleppt, oder Zweige wurden abgehauen, mit diesen ein flüchtiges Schutzdach gegen Sonne und Nässe herzustellen; aber überall herrschte Leben und Thätigkeit.

Und wie die Feuer ringsum flammten und die Kessel brodelten, der blaue Rauch so luftig hinauf wirbelte in die grünen rauschenden Wipfel, und emsige Frauengestalten mit den großen, unförmlichen Bonnets auf dem Kopf – gleichen Schutz gegen Sonne wie Küchenfeuer gewährend – so fleißig an den Töpfen und Pfannen schafften und siedeten.

Die Frauen hatten auch das meiste Interesse an solcher Camp meeting, und wenn der Mann daheim kaum daran gedacht hätte hinaus in den Wald zu gehn und die Pferde zu suchen, ließen sie ihm nicht Ruhe, und hatten tausend und tausend Gründe dafür weshalb sie, wenigstens dießmal, unter keiner Bedingung die fromme Versammlung versäumen dürften.

Erstlich schadete den Pferden das Bischen Bewegung gar Nichts – sie waren überdieß so lange nicht gebraucht, und Marys colt schon ganz lendenlahm geworden von all zu vieler Ruhe. Dann predigte zweitens, dieses Mal ganz gewiß der Ehrwürdige Mr. Sweetlip – und was für eine süße Stimme der hatte, und wie weich und öhlich er Einem zum Herzen sprach – wer hätte da ungerührt bleiben können.

Und dann der andere Ehrwürdige Mr. Hottenbrocken, wie der es den Heiden und Ungläubigen sagte, wie der dem bösen Feind, alias Beelzebub zu Leibe rückte und ihn aus dem Felde schlug.

Und dann hatten sie die Nachbarn in so ewig langer Zeit nicht gesehn – lieber Gott, hier im Walde kam man ja mit Niemandem zusammen, und ob Bill Norton und Ann Sally wirklich versprochen wären, konnten sie ja auch nur dort erfahren.

Und die beiden neuen Kleider, die sich Susanne in dem letzten halben Jahr selbst gewebt und genäht, wie hätte sie die anders zeigen oder tragen sollen; doch nicht im Haus etwa beim Spinnrad; und mußten sie nicht wenigstens einmal erst die »priesterliche Weihe« erhalten?

Die armen Frauen der Wälder sind in dieser Hinsicht auch wirklich übel dran; in dem kleinsten unbedeutensten Städtchen, ja selbst in dem einzelnen Haus, das nur an einer begangenen Straße liegt, kann sich das junge Mädchen nett und geschmackvoll anziehn, und hat die Genugthuung, daß sie wenigstens gesehn, und auch bewundert wird, denn es sind oft liebe, bildschöne Gestalten, denen der schlanke Wuchs, die edle Gesichtsbildung und die, mit nur sehr seltenen Ausnahmen fast untadelhafte Reinlichkeit einen eigenen Zauber verleiht; im Wald aber, im wirklichen Wald, von jeder Verbindung mit der Außenwelt abgeschnitten, wo sollen da die armen Mädchen und Frauen ihre Kleider zeigen, und zeigen müssen sie dieselben; bei einem »Klötzeroll-Fest« oder »Quilting frolic?« wie selten kommt das vor, und wenn's geschieht, wie selten ist dann Tanz nachher – einmal, zwei Mal im ganzen Jahr und das noch dazu im Sommer.

Solche Gelegenheiten benutzen sie dann freilich auch auf's Beste, und welche es irgend von den jungen Mädchen kann, kommt nicht zu einem derartigen Fest ohne wenigstens noch ein anderes Kleid, manchmal drei und vier mitzubringen, die während dem Tanz gewechselt werden können.

Weit bessere Gelegenheit hierzu bietet aber jedenfalls eine Camp meeting, die nicht nur einen einzigen Abend und im günstigsten Fall eine Nacht durch dauert, wie ein solches Fest, sondern nicht selten gleich drei und vier Tage hintereinander weg, während die jungen Leute aus der ganzen Nachbarschaft dabei Gelegenheit bekommen einander zu sehen, miteinander zu plaudern – und mehr als das. Mancher Funke ist bei diesen Betversammlungen aus Auge und Herz herüber und hinübergeflogen, und hat gezündet für Lebenszeit – wenigstens gebunden; überdieß mußten die jungen Männer dort still und ehrbar auftreten, durften nicht trinken, fluchen und schwören, und konnten oft nur mit Hülfe einer ihnen allerdings gewaltsam in's Herz geschütteten Religiosität den Pfad betreten, der zu der Liebe der Auserwählten führte.

Mit einem Wort, es geht bunt zu bei solchen Betversammlungen, und wenn der Geist dann erst noch über die Schaaren kömmt, vergeht dem Fremden Hören oft und Sehn.

Maulbeere fand für jetzt aber nicht das mindeste Außergewöhnliche; daß hier so viele Menschen auf einen Platz sich versammelt hatten, der sonst eine Wildniß war, fiel ihm nicht auf, weil er von einer Wildniß, trotz der letztverbrachten Nacht, überhaupt noch keinen rechten Begriff hatte. Die Lagerfeuer sahen ganz gemüthlich unter den grünen Bäumen aus, und die Menge der Gelagerten versprach ihm reichlichen Gewinn. Nur ein großes hölzernes Gerüst fiel ihm auf, das seitwärts von dem Platz, am Rande der kleinen Waldblöße, und noch im Schatten einer riesigen Eiche stand, und rechts und links ein paar kleine Einfriedigungen hatte, die mit Laub und duftenden Kräutern streuartig ausgeschüttet waren. Für das Vieh schienen sie aber nicht bestimmt, denn ringsumher lagen die Feuer, und die Pferde durften schon der Kinder wegen nicht in den inneren Kreis.

Maulbeere dachte aber gar nicht daran sich über die Verwendung der Plätze den Kopf zu zerbrechen – vielleicht dienten sie zu Schlafplätzen, vielleicht nicht, was kümmerte es ihn. Nach einem flüchtigen Überblick über die Vertheilung der verschiedenen Gruppen, schob er seinen Karren, ohne sich weiter um seinen bisherigen Führer zu kümmern, mitten in den Kreis hinein, begann plötzlich mit lauter gellender Stimme, aber natürlich in Englischer Sprache, seine Waaren, Künste und Eigenschaften anzupreisen, und hatte wenige Minuten später die Genugthuung, die große Hälfte der Versammlung ihn umdrängen zu sehn. Maulbeere war auch in der That für diese Waldbewohner ein Gegenstand; er war ein Charakter wie sie nicht oft dort herumgezogen, selbst unter den Yankee-Pedlars. Schon sein ganzes Äußere, die wirklich auffallende Ähnlichkeit mit einem Orang-Utang, die wunderbare Zungenfertigkeit des fremden Mannes, mit seinem trockenen Humor, der sie oft zu lautem Gelächter hinriß, das Alles war ihnen neu, und vielleicht selbst die Ungewißheit dabei, ob die jeden Augenblick erwarteten Geistlichen mit diesem Ausbruch lauter Fröhlichkeit einverstanden sein, oder ihn vielleicht gar verdammen würden, erhöhte den Reiz.

Maulbeere hatte indessen schon sein Schleiferamt begonnen, und Messer wurden ihm so viele gebracht, daß er sich ihrer kaum erwehren konnte; auch Bestellungen bekam er genug, dorthin fünf, dorthinüber acht Meilen vielleicht, eine alte Scheere wieder in Stand zu setzen oder, als er sich auch hierin entwickelte, einem Fingerhut eine neue Decke anzulöthen. Er war unermüdlich dabei, grob gegen die Männer, die ihn auslachten, zärtlich gegen die Frauen und Mädchen, die über ihn kicherten, und sein Rad schwirrte und zischte, während seine Zunge noch viel rascher ging als das Rad.

»Der ehrwürdige Mr. Sweetlip!« – ein freudiges Gemurmel lief durch die ganze Versammlung, und die Frauen besonders, drängten jetzt rasch und eifrig fort von dem Scheerenschleifer, während ihre kleinen lieben Gesichter, die noch vor wenig Minuten so herzlich gelacht, und so fröhlich in die blaue herrliche Welt hinausgeschaut, einen gar ernsten, fast wehmüthigen Ausdruck annahmen. Alles schaarte sich um den frommen Mann, und Maulbeere blieb allein mit seinem Karren in der Mitte stehen.

Mr. Sweetlip war die Freundlichkeit selber; er sprach mit Allen, hatte für jeden ein ermunterndes oder ermahnendes, ein freundlich tadelndes oder lobendes Wort; sprach von der Erndte und vom Wetter, von weggelaufenem Vieh und verirrten Schaafen – in der geistigen Bedeutung des Wortes – und seufzte dann oft recht schwer und traurig auf, wenn er der Sünde der Menschen gedachte, die in die Welt gekommen und leider nicht wieder hinauszubringen war. Mr. Sweetlip war eine wahre Seele von einem Menschen.

Ernster und strenger, in finsterem Schweigen trat der andere Geistliche, Mr. Hottenbrocken auf, und wenn man die beiden mit einem Schwerte des Herrn hätte vergleichen können, so war Sweetlip der Rücken, Hottenbrocken aber die Schneide und Spitze in aller Schärfe und Härte edlen Stahls.

Wenn Sweetlip mit sanfter Zunge seinen Zuhörern allerdings ihre geistigen Wunden aufriß, aber Öl hineinträufelte, und es manchmal sogar für eine Sünde zu halten schien, selbst der Hölle sämmtliche gute Eigenschaften abzusprechen, so ging Hottenbrocken hinter ihm her und warf Essig und Pfeffer und Salz hinein, rüttelte die sanftschlafenden Sünder aus ihrem bewußtlosen Zustand auf, und beschrieb ihnen mit triumphirendem Lächeln und glühenden Farben einen furchtbaren Abgrund, an dem sie geschlummert haben sollten, und wenn sie den auch nicht gleich sahen, wurden sie doch ängstlich und verzagt, und streckten die Hand nach dem ehrwürdigen Manne aus, sie zu retten.

Mr. Sweetlip hatte übrigens die »meeting« zu eröffnen und zu begrüßen, und stieg oder kletterte zu diesem Zweck auf das hohe, kanzelartige Gestell, das unter der Eiche errichtet worden. Von hier aus richtete er eine ziemlich lange Rede, ohne weiteren besonderen Inhalt, an die Versammlung, ermahnte sie, ihre Augen und Herzen und Hände zu Gott zu erheben und ihn zu bitten, daß er sie bei ihrer jetzigen freudigen Zusammenkunft erleuchten, die Guten stärken, und die verlorenen Schaafe zurück zu seiner Heerde führen möge, zu deren Bequemlichkeit hier, wie er mit klaren dürren Worten andeutete, die beiden Einpferchungen angebracht und mit weicher Streu gefüllt waren.

Maulbeere glaubte wirklich im Anfang daß er mit dieser Sache Scherz treibe; der ernste, wehmüthige Mann sah aber nicht aus wie Scherz, und Thränen standen auch schon in vielen Augen seiner schönen Zuhörerinnen. Um sich dessen aber zu vergewissern, drückte er sich durch die Andächtigen, seinen Karren sich selber überlassend, langsam der Stelle zu, wo er seinen alten Freund Jack Owen finster und schweigend an einer Eiche lehnen und der Rede horchen sah.

»Könnt Ihr mir sagen Freund« redete er diesen leise an, »was der fromme Herr da oben mit den beiden Pferchen meint, und ob die nur bildlich dastehn, oder in der »Hitze des Gesprächs« vielleicht wirklich gebraucht werden sollen? ich habe keine rechte Idee von etwas Derartigem, und möchte mich gern belehren.«

»Es geht mir nicht viel besser, Fremder,« sagte der Backwoodsman seufzend – »ich habe auch keine rechte Idee von dem Wesen und Treiben der Leute; soviel aber ist gewiß, daß sie die Fenzen oder Pferche, wie Ihr sie nennen wollt, heute oder morgen noch brauchen, wenn der Herr da oben die Gemeinde vorbereitet hat, und der andere lange Herr mit dem finsteren Gesicht erst in ordentlichen Schuß und Gang gekommen ist – wenn nicht heute, morgen seht Ihr das gewiß!«

»Und sind das so berühmte Prediger?« frug Maulbeere etwas erstaunt, denn das Äußere der Leute hatte auf ihn den Eindruck nicht gemacht —

»Der sanfte Mann der jetzt da oben spricht« sagte Jack mit einem etwas bitteren Lächeln, »war noch im vorigen Jahr ein Schneider in Little Rock, als plötzlich der Geist über ihn kam, wie sie es nennen, und er zu predigen anfing. Er hat eine »sanfte Gabe« wie die Frauen sagen, und wenn er nur anfängt zu reden, weinen sie schon vor lauter Rührung und Wehmuth. Der Andere ist ein Yankee, und war früher ein Pedlar, wie man bei uns die »wandernden Krämer« nennt – betrog alle Welt mit seinen Yankee-Uhren und anderem Trödel den er zum Verkauf im Lande herumführte, und – wurde auch auf einmal religiös, hielt einen Ausverkauf mit seinen Uhren, von denen die Frauen wie toll darauf waren, eine zu kaufen, um, wie sie meinten, dem Teufel zugleich eine Seele zu entreißen, und fing ebenfalls an zu predigen. Die Beiden sind jetzt die beliebtesten Redner, die wir hier zu hören bekommen, und haben die anderen Circuit-rider wenn nicht ganz weggebissen, doch so in den Schatten gedrängt, daß sie sich kaum noch sehn lassen. Ihre Sammlungen fallen auch – jedenfalls die Hauptsache – immer am reichlichsten aus, und für ihre milden Zwecke nehmen sie Geld und Geldes Werth, Hirsch- und Racoonfelle, Talg und Honig und Bärenfett. Aber jetzt paßt auf« setzte er, mit dem Kopf nach der Kanzel winkend hinzu – »jetzt kommt Herr Hottenbrocken d'ran – es wird ein heißer Tag werden, denn er schneidet ein furchtbar finsteres Gesicht.«

Jack schulterte, während er die letzten Worte sprach, seine Büchse, drehte sich ab von dem frommen Mann, und schritt langsam hinein in den Wald, während Mr. Hottenbrocken allerdings von der Kanzel zu donnern begann, und mit leuchtenden Augen und im Anfang zwar noch ziemlich ruhiger, dann aber immer wachsender Stimme den zitternden Zuhörern die Pforten aufriß die hinab in den Schlund der Hölle führten. Mit wilden Gesten und rollenden Augen deckte er dabei alle Schrecknisse auf, die dort unten der Ungläubigen, der Tauben die nicht hören, der Blinden die nicht sehen wollten, harrten, und seine Rede floß ihm glühend heiß von den in wilder Aufregung zitternden Lippen.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
27 сентября 2017
Объем:
230 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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