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Читать книгу: «Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band», страница 6

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»Er ist von Missouri heruntergekommen, und sagte, daß er sein Gepäck an der Dampfbootlandung gelassen – sein Name ist Mollwich.«

»Das ist genug – ich brauche den Namen nicht, ich kenne das Gesicht, und lange ehe er die Dampfbootlandung wieder zu Fuß erreicht haben kann, bin ich mit einem Omnibus an Ort und Stelle.«

Er wandte sich rasch zum Gehen, zögerte, drehte sich um und schritt wieder auf Hedwig zu.

»Hedwig,« sagte er leise und ergriff ihre Hand, die sie ihm, von einem eigenen, wunderlichen Schauer durchbebt, überließ, »ich danke Ihnen herzlich für die Gelegenheit die Sie mir heute geboten Ihnen zu beweisen, daß ich des Vaters harten Sinn so gerne mildern möchte – aber – gehn Sie nicht von uns, verlassen Sie das Haus nicht, dem Sie ein Segen werden können – wenn Sie wollen.«

»Und darf ich bleiben?« sagte Hedwig schüchtern »hat nicht Ihr Vater selbst mich fortgeschickt, und wird er mir je vergessen können was ich gethan?«

»Er wird es, weil er muß; er kann Sie nicht entbehren, und darf seine Drohung nicht wahr machen, meinetwegen,« rief Franz – »oh gehn Sie nicht Hedwig – schon lange habe ich gesehn, wie gut und freundlich Sie mit den Leuten sind, und manche Thräne trocknen, die nie hätte fließen sollen. Ich weiß es wohl und kann ihnen nicht immer helfen, und doch auch hält mich ebenfalls die Pflicht, hält mich die Überzeugung hier zurück, daß Schlimmeres geschehen und manches hier – werden würde wie es – wie es nicht werden darf und soll, so lange mein Vater noch das Mindeste auf mich selber giebt. Verließ ich ihn, so wären Consorten, wie Messerschmidt und Jimmy, bald Leiter des Geschäfts, und Gnade Gott den Unglücklichen, die dann in ihre Hände fielen. Helfen Sie mir ausharren Hedwig – lassen Sie uns Beide das gut zu machen suchen, was Andere – ich will ja so gern hoffen, oft absichtslos – verderben. Schon seit Sie im Hause sind, kommt es mir vor, als ob Manches anders – besser geworden wäre; früher war es als ob mich die Räume hier erdrückten, wenn ich zwischen ihnen weilen mußte, und von Arkansas kehrte ich mit dem festen Entschluß zurück, das väterliche Haus zu meiden. Seit Sie hier sind, hab' ich das Gefühl nicht mehr; mir ist, als ob mich die Pflicht hielte, und ich dem Wunsche meines Vaters, das Geschäft aus seinen Händen zu übernehmen und, wenn auch noch unter seiner Leitung, fortzuführen, nicht länger widerstreben dürfte. Ich weiß daß Vieles dann besser werden würde – machen Sie es nicht zu einer Unmöglichkeit durch Ihr Austreten.«

»Was kann ich armes Mädchen dabei thun?« sagte Hedwig traurig.

»Viel – unendlich viel – mich selber zum Ausharren bewegen in dem schweren Stand. Mein Vater ist, wenn auch vielleicht nicht reich, doch wohlhabender als er sich mir gegenüber stellt, und hab ich die Aufsicht über das Ganze in die Hand genommen, kann und darf ich erst den einzelnen schlechten Menschen gegenübertreten, und die unschädlich machen, die jetzt der Fluch des Hauses sind, wird Vieles besser, manche Thräne getrocknet, manchem Unrecht in Zeiten vorgebeugt werden. Schlagen Sie ein, Hedwig; vergessen Sie, was mein Vater gesagt, wenn nicht um meinet, doch um der Armen willen, denen Sie Hülfe bringen können.«

Er hatte ihre Hand losgelassen und ihr die rechte wieder mit einem bittenden aber recht treuherzig ehrlichen Blick entgegenhaltend zögerte Hedwig wohl einen Augenblick, legte aber dann die Hand auf's Neue, doch immer noch schüchtern, wie unentschlossen, in die seine.

»Ich will's versuchen,« sagte sie so leise, daß er mehr an der Bewegung ihrer Lippen, wie dem Laute nach, die Worte verstand, als Jimmy die Schenkthür mit einem plötzlichen Ruck aufriß und hineinrief:

»Es wird gleich dinner Zeit sein.«

Hedwig fuhr von dem jungen Mann zurück – sie wußte selber nicht weshalb – als ob sie etwas Unrechtes begangen, und wieder färbte hohes brennendes Roth ihre Wangen.

»Ich danke Ihnen,« sagte aber Franz herzlich, und an Jimmy, der ihm kaum aus dem Weg treten konnte, rasch vorbeischreitend, verließ er das Haus, vor allen Dingen den Deutschen aufzusuchen.

»Nun? – zieht die Mamsell heute ab?« frug Jimmy lauernd über die Schulter zurück nach dem Mädchen hinüber. Hedwig verließ jedoch, ohne ihn eines Blicks zu würdigen, rasch das Zimmer. Der Barkeeper des »deutschen Vaterlands« sah ihr etwa eine halbe Minute in tiefem Nachdenken und mit einem recht häßlich boshaften Blicke nach, und stieg dann langsam die kleine Treppe hinauf, die zu Herrn Hamanns Zimmer führte.

Capitel 4
Alte Bekannte

Es war die Mittagsstunde desselben Tages, als ein alter Bekannter von uns, der Wein- und Champagner-Reisende, Adalbert Steinert, in seinem blauen Frack mit den weißen Beinkleidern, sehr anständig und modern, aber doch auf eine Weise gekleidet, die uns solche Gestalten unwillkürlich mit mistrauischen Blicken betrachten läßt, an der Levée von New-Orleans hinaufschlenderte. Er trug sein kleines Spatzierstöckchen mit dem Elfenbeinfuß als Griff daran nachdenkend an die Lippen gepreßt, die ihm Begegnenden dabei mehr musternd als nur einfach beobachtend, den Hut übrigens keck auf einer Seite und streichelte manchmal, wie in tiefen Gedanken mit der linken Hand seinen ziemlich starken, wohlgepflegten Bart, als er plötzlich mitten auf dem Platz und ohne auszuweichen vor einem stattlichen, sehr anständig aussehenden ältlichen Herrn stehen blieb und, ihm die Hand entgegenstreckend, mit freudiger, wenn auch etwas erstaunter Stimme, ausrief:

»Ha – täuscht des Mondes Licht mich nicht – mein verehrter Herr Dollinger aus Heilingen, ein alter Kunde und Gönner aus dem lieben Vaterland? Das ist ja vortrefflich! Aber was verschafft uns denn hier die Ehre Ihres Besuchs, denn daß Sie auch ausgewandert sein sollten, kann ich mir doch nicht gut denken.«

»Ich weiß wirklich nicht mit wem ich das Vergnügen habe zu sprechen,« sagte Herr Dollinger etwas verlegen, die vor ihm stehende, und ihm in ihrem ersten Auftreten vielleicht nicht recht zusagende Gestalt mit einem flüchtigen Blick überfliegend.

»Mein Name ist Steinert, Adalbert Steinert, Reisender für das Haus Schwartz und Pelzer in Frankfurt a. M., habe ja die Ehre gehabt, mit Ihnen, mein bester Herr, seit längeren Jahren schon in angenehmer Geschäftsverbindung zu stehn, und darf mir gewiß schmeicheln, Ihnen immer gute, ja vortreffliche Waare geliefert zu haben.«

»Ah Herr Steinert – ja ich erinnere mich jetzt – Sie sind wohl schon längere Zeit in Amerika?«

»Nicht so sehr, mein bester Herr Dollinger, nicht so sehr; hatte das schätzbare Vergnügen, damals mit Ihrer Frau Tochter die Reise zu gleicher Zeit zu machen.«

»Sie sind mit der Haidschnucke herübergekommen?« rief Herr Dollinger da plötzlich mit einem Eifer, der selbst Herrn Steinert auffiel, und ihn überrascht zu dem Herrn aufschauen machte.

»Allerdings mein verehrter Herr, wie ich Ihnen schon das Vergnügen hatte in meinem vorigen zu bemerken,« sagte er mit einer nichtsdestoweniger verbindlichen Verbeugung.

»Ah ja,« erwiederte Herr Dollinger sich rasch fassend, die vor ihm stehende Gestalt aber jetzt mit einem noch viel aufmerksameren Blick musternd – »und sind – sind viele von Ihren Reisegefährten in New-Orleans geblieben?«

»Lieber Gott,« entgegnete der Weinreisende achselzuckend – »wer zählt die Völker, kennt die Namen, die gastlich hier zusammenkamen – »New-Orleans wimmelt von fremden Einwanderern; dann und wann aber trifft man immer noch einmal auf ein bekanntes Gesicht. So habe ich neulich einen sehr intimen Freund von mir, freilich in eben nicht glänzenden Verhältnissen wiedergetroffen – Fortuna ist nur dem Kühnen hold. – Apropos, bester Herr Dollinger – bitte vergessen Sie Ihre Rede nicht – Sie können mir vielleicht einen sehr großen Dienst erweisen, wenn Sie mir die Adresse Ihres Herrn Schwiegersohnes mittheilen wollten. Aus einem unglücklichen Versehn hat er mir an Bord, wo er mich dringend einlud ihn zu besuchen, eine falsche Visitenkarte gegeben, und ich habe mir bald die Füße abgelaufen ihn hier, immer vergeblich, aufzutreiben. Die genaue Firma seines Hauses kannte ich nicht, und ein Geschäft Henkel und Sohn, dessen jüngerer Compagnon ebenfalls in Europa ist, wußte Nichts von dessen Ankunft und Verheirathung.«

»Herr Henkel ist gegenwärtig nicht in New-Orleans,« sagte Herr Dollinger ausweichend; »und wird auch wahrscheinlich auf einige Zeit nach Europa zurückgehn.«

»Ah das thut mir unendlich leid,« sagte Herr Steinert, dem damit freilich jede Hoffnung auf Verdienst nach der Richtung hin, abgeschnitten wurde, »wäre mir so sehr angenehm gewesen hier im Lande der Freiheit, die auf dem Schiff so schön begonnene, liebenswürdige Bekanntschaft erneuert zu haben. Sie sind wohl nur zu Ihrem Vergnügen herüber gekommen, mein verehrter Herr?«

»Theils Geschäfte, theils der Wunsch New-Orleans kennen zu lernen,« sagte Herr Dollinger – »aber Sie werden entschuldigen – «

»Ich verstehe – ein Jüngling, welcher viel von einer Stadt gehört,« citirte der Weinreisende, »nun es war mir wirklich sehr angenehm – ah sieh da, ein alter Reisegefährte,« sagte er plötzlich, als ein anderer Herr, der gerade auf sie zugekommen war, plötzlich abbog und seine Richtung, kaum übrigens noch zwanzig Schritt von ihnen entfernt, nach der Stadt zu nehmen wollte – »Herr von Hopfgarten, bitte Herr von Hopfgarten – nur ein Wort.«

Der Herr war in der That unser alter Bekannter, Hopfgarten, der jenen scharfen Winkel in seinem Spatziergang eigentlich nur deshalb gemacht hatte, dem gerade erkannten Weinreisenden und Reisegefährten aus dem Wege zu gehn, da er sich nicht in der Stimmung fühlte eine längere Unterhaltung mit dem redseligen Manne anzuknüpfen. Geradezu unhöflich gegen ihn zu sein, gestattete ihm aber auch sein gutes Herz nicht, und da Herr Steinert ihm auf halbem Wege entgegenkam, mußte er schon gute Miene zum bösen Spiel machen und blieb, ihn erwartend stehn. Herr Dollinger glaubte die Gelegenheit indessen günstig, von dem etwas zudringlichen Mann, von dem er doch keine der ersehnten Nachrichten erwarten durfte, loszukommen, und wollte sich mit einem kurzen höflichen Gruß entfernen. Darin hatte er sich aber wieder in Steinert geirrt, der einmal gefaßte Opfer nicht so leicht aus den Händen ließ.

»Nur noch einen Augenblick, bester Herr Dollinger,« rief er ihm nach, »ich wollte mir nur das Vergnügen nicht versagen, Sie noch mit einem andern Reisegefährten und sehr achtbaren Herrn, dem Herrn von Hopfgarten bekannt zu machen. Herr von Hopfgarten, Herr Dollinger, Herr Dollinger, Herr von Hopfgarten.«

»Herr Dollinger?« rief Hopfgarten rasch, auf den fremden Herrn zutretend. »Herr Dollinger aus Heilingen?«

»Glücklicher Vater der liebenswürdigen Madam Henkel,« bestätigte Herr Steinert, während Hopfgarten auf den alten Herrn zuging, ihm die Hand bot und mit fast bewegter Stimme sagte:

»Sie glauben nicht, wie sehr es mich freut, mein verehrter Herr, Ihre persönliche Bekanntschaft hier so zufällig gemacht zu haben.«

»Herr von Hopfgarten – ich bin Ihnen sehr dankbar,« sagte Herr Dollinger verlegen – »wie ich so eben hier erfahre, sind auch Sie mit der Haidschnucke von Europa herübergekommen.«

»Meine verehrten Herren,« unterbrach Steinert aber in diesem Augenblick das Gespräch – »da wir uns so fröhlich zusammengefunden und so jung auch nicht wieder zusammenkommen, hätte ich einen Vorschlag zu machen. Wie wäre es, wenn wir im ersten besten Hotel dinirten, und ein wenig von alten Zeiten plauderten. Lieber Gott, die Amerikaner sind ein solches gemüth- und herzloses Volk, daß man wahrhaftig ein vernünftiges ruhiges Wort mit ihnen zu reden gar nicht im Stande ist – was sagen Sie dazu, meine Herren, sind Sie dabei?«

Hopfgarten hatte indessen, aber von Steinert unbemerkt, dem Vater Clara's einen so ernsten und bedeutsamen Blick zugeworfen, daß diesem, der nur zu rasch begriff, auf was er deute, sein Herz plötzlich stillstehn fühlte, und sich halb abwenden mußte, nur erst wieder Fassung zu gewinnen und dem Weinreisenden die Bewegung nicht zu verrathen; Hopfgarten parirte indeß die Einladung des Zudringlichen.

»Es thut mir wirklich leid, mein bester Herr Steinert, der freundlichen Forderung nicht Folge leisten zu können, da ich auf ein Uhr – und wahrhaftig wir haben gar keine Zeit mehr zu verlieren,« unterbrach er sich selbst, nach seiner Uhr sehend – »bei Madame Henkel eingeladen bin. Dort wurde mir schon bemerkt, daß ich das Vergnügen haben würde Herrn Dollinger zu treffen und kennen zu lernen, welches Sie mir jetzt etwas früher verschafft haben. Wir werden nun gleich zusammen hinaufgehn können.«

»Oh das bedaure ich in der That ungemein,« sagte Herr Steinert, der doch nicht Unverschämtheit genug besaß, sich noch weiter anzubieten – »aber ein andermal möchte ich mir das Vergnügen nicht versagen. Wie wär' es denn, wenn wir uns vielleicht morgen im St. Charles träfen.«

»Ich will sehn, wenn es irgend möglich ist,« sagte Hopfgarten.

»Und Herr Dollinger?«

»Werde ich mitbringen,« sagte der kleine Mann; dabei legte er seinen Arm in den des Kaufmanns, und mit einer freundlichen Verbeugung gegen Herrn Steinert, führte er den Vater Clara's mit sich die Levée hinauf.

»Sie wissen wo meine Tochter wohnt?« rief aber Herr Dollinger, wie sie nur kaum außer Gehörweite des Weinreisenden gekommen waren – »Sie kennen die Verhältnisse – wissen was hier vorgefallen und welches entsetzliche Schicksal meine Tochter betroffen?«

»Ich weiß nur, daß dieser Henkel oder Soldegg wie er heißt,« sagte Hopfgarten mit fest aufeinander gebissenen Zähnen, »ein nichtswürdiger, niederträchtiger Schurke ist und, wie ich nach Allem fürchten muß, was ich selbst gesehn und später hier in New-Orleans zu meinem Entsetzen gehört, ein Bubenstück an seiner Frau begangen hat, von dessen Möglichkeit selbst ich früher keine Ahnung gehabt.«

»Aber wo ist meine Tochter, wo find' ich sie?«

»Und wissen Sie das nicht?« sagte Hopfgarten, erstaunt, ja erschreckt stehn bleibend und seinen Arm loslassend.

»Mit keinem Wort – mit keiner Ahnung,« rief der alte Herr, »nur einen Brief von ihr habe ich, und in dem die furchtbare Kunde erhalten, daß der Mann, in dessen Hand ich meines armen Kindes Schicksal gelegt, ein nichtswürdiger, schändlicher Verbrecher ist. In dem Brief bittet sie mich, ihr Geld genug zu schicken, mit ihrem Mädchen wieder nach Deutschland zurückkehren zu können, und natürlich ließ ich daheim Geschäfte und Alles im Stich, mein armes Kind selber abzuholen. Vergebens habe ich aber jetzt auf der Post nachgefragt, wahrscheinlich erwarten sie noch gar keine Antwort, da der Brief sowohl wie ich selber außergewöhnlich kurze Zeit gebraucht herüberzukommen; vergebens habe ich die ganze Stadt durchsucht – ich kann sie nicht finden, keine Spur von ihr ist zu entdecken. Auch von Henkel weiß Niemand etwas, selbst nicht das hiesige Handlungshaus, dessen Firma er misbraucht, und dieses konnte nur aussagen, daß sich erst kürzlich ein junger Mann, anscheinend Arbeiter auf einem Dampfboot, sehr angelegentlich, und schon früher mehrere Andere bei ihm nach dem Manne erkundigt hätten. Das aber war dasselbe Haus, für das ich, von diesem Henkel betrogen, eine sehr bedeutende Waarensendung von Deutschland, theils mit einem französischen Schiff, theils mit der Haidschnucke, herübergeschickt, von der natürlich kein Stück an ihre Adresse angekommen, wie sich der Bursche auch nie hat bei ihnen blicken lassen. Von meinem Kinde, das ich jetzt seit drei Tagen vergebens suche, wußte mir Niemand ein Wort zu sagen, und der alte Kaufmann Henkel, ein würdiger, wackerer Mann, rieth mir die Sache jedenfalls ohne weiteren Zeitverlust den Gerichten zu übergeben, freilich, wie er mir selber sagte, mit nur schwacher Hoffnung dem Verbrecher auf die Spur zu kommen, der sich hier, in dem ungeheuer weiten Land, nachdem er seinen Raub jedenfalls in Sicherheit gebracht, einer Verfolgung nur zu leicht entziehen konnte. Er hat mir übrigens die Adresse eines tüchtigen Advokaten aufgeschrieben, an den ich mich, mein Kind sowohl wieder zu finden, als einen Versuch zu machen mein Eigenthum wieder zu erlangen, nur ungesäumt wenden solle.«

Die Adresse lautete auf den Staatsanwalt wie Advokaten und Notar Mac Culloch, in Canalstraße, und da sie sich gerade in der Nähe befanden, beschlossen die beiden Männer ihn auch ungesäumt aufzusuchen und seinen Rath zu erholen. Hopfgarten erzählte indessen unterwegs dem alten Herrn, wie er selber ebenfalls schon seit mehren Tagen in New-Orleans vergebens umhersuche Clara's Spur zu finden, und sich Gewißheit über den fürchterlichen Verdacht zu verschaffen, der erst seit dieser Zeit – das wie wollte er ihm später mittheilen – in ihm aufgestiegen.

Den Advokaten fanden sie in seinem Bureau, da die Geschäftsstunden in New-Orleans meist um vier Uhr schließen und Kaufleute wie Beamte großentheils erst dann zu Mittag speisen. Herr Dollinger trug ihm hierauf den Fall ausführlich, von der ersten Rettung Claras auf dem Rhein, bis zu dem Brief von seiner Tochter vor, indeß ihn Hopfgarten nur manchmal mit lauten Ausrufungen der Wuth und Entrüstung unterbrach, bis er endlich, als dieser geendet, seinen Grimm nicht mehr mäßigen konnte, und ausrief:

»Dann wundert mich auch das nicht mehr, was ich von dem nichtswürdigen Hallunken später gehört und selber erfahren habe, und ich bin im Stande Ihnen eine Fortsetzung des hier eben Vorgetragenen zu liefern.«

Mit kurzen Worten erzählte er nun dem, jetzt noch weit aufmerksamer zuhörenden Rechtsgelehrten, da sich die Sache auf neuere unmittelbare Daten bezog, zuerst von dem »Soldegg Henkel« unterschriebenen Brief des Verbrechers, der nach allem Vorgefallenen den Professor und besonders dessen Familie hatte so rasch als möglich von New-Orleans entfernen wollen, lästige und gefährliche Freunde der Frau und damit Zeugen gegen sich, aus dem Weg zu schaffen; dann von seinem Zusammentreffen mit Soldegg in Vincennes und dessen unerhörter Frechheit, mit der er sich für seinen Zwillingsbruder ausgegeben. Auch den Brief den ihm Soldegg an seinen vorgeschützten Bruder eingehändigt, und den zu öffnen er ihn selber gebeten hatte, falls er Henkel nicht in New-Orleans finden sollte, trug er bei sich, und Mac Culloch lachte, trotz der ernsten Sache, laut auf, als er die kurzen, in englischer Sprache geschriebenen Worte, nicht an seinen Bruder, sondern an Herrn von Hopfgarten selber gerichtet, erst flüchtig überflog und dann laut vorlas.

»Lieber Hopfgarten – ich hätte wahrhaftig nicht geglaubt, daß Sie sich so leicht anführen ließen; wo um Gottes Willen hatten Sie nur Ihre Augen? – Sie haben uns doch soviel von ihrer Falkenähnlichkeit erzählt. Grüßen Sie mir meine Frau, wenn Sie dieselbe zufällig sehen sollten, und auf das Herzlichste meinen Zwillingsbruder von Ihrem alten Freund und Reisegefährten – Soldegg Henkel.«

Aber damit war er noch nicht zu Ende – Soldegg mußte sich von da nach Arkansas gewandt haben, da er erst gestern, seinem weiteren Bericht nach, das Fräulein von Seebald gesprochen, die mit ihrer kranken Schwester von Arkansas zurückgekommen war, sich mit derselben nach Deutschland einzuschiffen. Diese hatte ihm genaue Auskunft über jenen Menschen, der selbst in Arkansas als gefährlicher Spieler und Pferdedieb einen Namen haben sollte, gegeben. Hiernach war sein letzter Aufenthaltsort Little Rock gewesen, und das auch wahrscheinlich der Platz, wo sich Näheres und Bestimmteres über ihn erfahren ließ.

Mac Culloch notirte sich indessen, dem Bericht schweigend und höchst aufmerksam folgend, sämmtliche darin vorkommende Namen, neben die er kleine Bemerkungen schrieb, und sagte, als dieser geschlossen war, und er sich auch noch den Brief Soldeggs, einen Autographen desselben in Händen zu haben, von Herrn von Hopfgarten erbeten hatte, freundlich:

»Wir haben es hier mit einem gefährlichen, durchtriebenen Burschen zu thun, von denen es vielleicht in keinem Lande der Welt weiter, so ausgebildete durch und durch verdorbene Schufte giebt, wie gerade in den Staaten, deren freie Verfassung und besonders deren wildes, von der Cultur noch nicht überall erfaßtes Terrain, mit der Leichtigkeit der Verbindungen den Aufenthaltsort im Nu nach jeder Himmelsrichtung hin zu ändern, ihren Bubenstreichen jeden nur möglichen Vorschub leistet, und ihrer Habhaftwerdung oft unübersteigliche Hindernisse in den Weg schiebt. Es liegt aber hier jedenfalls ein so bösartiges und durchdachtes Gewebe von Verbrechen vor, daß es mir fast scheinen will, als ob der Bursche sein Gewerbe auf die Spitze getrieben hätte, wobei diese Herren dann meist so sicher und zuversichtlich werden, doch manchmal in die Falle zu gehn. Jedenfalls wollen wir thun, was in der Sache nur möglicher Weise zu thun ist, und ich habe nach Little Rock hin gerade dazu die beste Gelegenheit. Der Staatsanwalt dort ist ein intimer Freund von mir, ich selber kann hier von New-Orleans aus keinen Verhaftsbefehl nach einem anderen Staat hin ausstellen, aber ich will an ihn schreiben und sehen, ob wir den Herrn dort fassen und nach hierher ausgeliefert bekommen können. Vielleicht ist es dann auch möglich einen Theil der Ihnen betrügerisch abgelockten Güter wieder herauszubekommen, obgleich das nachher immer sehr schwer hält, denn solcher Sachen entledigen sich diese Hallunken gern so rasch als möglich. Soldegg – Soldegg« – setzte er dann nachdenkend hinzu – »ich müßte mich sehr irren, wenn ein Mann gleiches oder doch ganz ähnlichen Namens, nicht bei einem bedeutenden Juwelendiebstahl in Mobile, vor einem Jahr etwa genannt wurde und gleich darauf spurlos verschwunden war; vielleicht zeigt sich später, daß der Herr auch bei uns im Süden schon auf der Kreide steht.«

»Glauben Sie, daß es die Sache fördern würde, wenn ich selber deshalb nach Little Rock ginge?« frug Hopfgarten rasch.

»Gewiß wesentlich,« sagte Mac Culloch – »ein so wichtiger Zeuge an Ort und Stelle würde das Ganze ungemein vereinfachen, und hat sich der Bursche von dort wieder weggewandt, so sind Sie, mit dem Fingerzeig den Sie von der vorher erwähnten Dame erhalten haben, viel eher im Stande ihm wieder auf die Spur zu kommen, als vielleicht die Gerichte selber, derer Unterstützung Sie dann gewiß wären.«

»Aber meine Tochter« – sagte Herr Dollinger – »wie soll ich das arme Kind jetzt in der ungeheuern Stadt hier wiederfinden?«

»Sie hat Ihnen geschrieben die Briefe poste restante unter der Adresse einer gewissen – «

»Hedwig Loßenwerder – «

»Ah ja – Hedwig Loßenwerder zu lassen – gut, legen Sie Ihre eigene Adresse unter dem Namen auf die Post; es wird dort jedenfalls nachgefragt und man sucht Sie selber auf.«

»Seit vorgestern ist das schon geschehn,« sagte Herr Dollinger traurig, »und wohl zehnmal bin ich an jedem Tag auf der Post gewesen nachzufragen, ob die Adresse abgeholt, aber noch hat sich Niemand danach erkundigt. Wenn Sie nur nicht die Stadt, in der es ihr an Mitteln fehlte zu existiren, verlassen oder krank geworden und – ich wage den Gedanken gar nicht zu verfolgen.«

»Lassen Sie den Muth da nicht sinken,« sagte Mac Culloch freundlich, »in unserer Luft liegt eine merkwürdige Lebenskraft, die den Fremden unglaublich lange Zeit über Wasser hält. Aber apropos, Sie sind aus Heilingen Herr Dollinger, nicht wahr? – ich habe da vor einiger Zeit einen Schreiber zu mir in Dienst genommen, der vor mehren Monaten von Deutschland, und wenn ich nicht ganz irre, aus derselben Stadt gekommen ist. Der Mann wohnt seit der Zeit hier in New-Orleans in einem deutschen Gasthaus, und es wäre gar nicht unmöglich, daß er uns über seine so specielle Landsmännin irgend eine Auskunft zu geben vermöchte; jedenfalls können wir ihn fragen.«

»Wie heißt der Mann?« frug Herr Dollinger rasch.

»Fortmann, Julius Fortmann glaub' ich.«

»Den kenne ich nicht,« sagte Herr Dollinger kopfschüttelnd.

»Das schadet Nichts, fragen können wir ihn doch,« sagte Mac Culloch aufstehend und seinen Hut nehmend – »wir brauchen nur über jenen Gang zu gehn – hier, wenn ich bitten darf – dort in der ersten Thüre rechts sitzt Herr Fortmann.«

Mac Culloch ging voran und öffnete die Thüre, die Herren eintreten zu lassen. In dem kleinen Gemach saß nur ein einziger Arbeiter, den Rücken ihnen zugedreht, ohne von seiner Arbeit aufzusehen.

»Herr Fortmann,« sagte Mac Culloch, »hier sind ein paar Landsleute von Ihnen, die eine Frage an Sie zu richten wünschten; wären Sie so freundlich ihnen Auskunft zu geben?«

Herr Fortmann stand rasch von seinem Stuhle auf und drehte sich nach den Fremden um, erschrak aber sichtlich, wurde leichenblaß und stotterte verlegen einige Worte, als Herr Dollinger, der ihn erstaunt und überrascht betrachtet hatte und aus dem starken ungewohnten Bart die sonst gut genug bekannten Züge nicht gleich wieder herausfinden konnte, in voller Verwunderung ausrief:

»Herr Aktuar Ledermann, – träum' ich denn oder wach' ich?«

»Hallo,« sagte Mac Culloch, aufmerksam werdend, »Ledermann statt Fortmann, und todtenbleich sehn Sie dabei aus, Herr? – wie hängt das zusammen?«

»Herr Dollinger,« stotterte der arme Aktuar in höchster Verlegenheit – »dieses unerwartete Zusammentreffen?«

»Aber Mann, haben Sie denn nicht Ihr kleines Erbtheil verspielt und sind aus Verzweiflung in das Wasser bei Heilingen gesprungen? Hat man denn nicht, nachdem Sie wieder und wieder gewarnt worden, sich des gefährlichen Spiels zu enthalten, Ihren Rock und Hut am Ufer und in Ihrem Zimmer einen Brief gefunden, in dem Sie von Ihrer Frau Abschied nahmen und Alles eingestanden?«

Ledermann war neben seinem Stuhl, ein Bild der personificirten Verlegenheit, die Hände fest zusammenreibend, und bald einen scheuen Blick nach seinem jetzigen Principal, bald nach Herrn Dollinger hinüberwerfend, stehn geblieben, augenscheinlich in Verzweiflung jede Vertheidigung aufgebend und seinem einmal über ihn hereingebrochenen Schicksal freien Lauf lassend.

»Hm,« sagte Mac Culloch, der genug Deutsch verstand wenigstens den Sinn der in dieser Sprache gethanen Fragen zu verstehn, »da kommen wir ja hinter ganz merkwürdige Sachen Herr Ledermann, und der Name Fortmann findet eine halbe, wenn auch ganz eigenthümliche Erklärung. Nun Sir, haben Sie kein Wort zu Ihrer Vertheidigung, und etwa gar noch die Idee, daß ich Sie zur Fortführung meiner Geschäfte hier verwenden möchte und dürfte, wenn eine solche, und wie mir fast scheint sehr begründete Anklage auf Ihnen lastet?«

Ledermann holte tief Athem, und sah sich dabei nach allen Seiten mit einem Blick um, als ob er nur irgend eine Öffnung suche hinauszufahren, einer Situation zu entgehn, die ihm furchtbar zu werden anfing; die klaren Schweißtropfen standen ihm dabei auf der Stirn. Endlich aber, und auch wohl durch das Bewußtsein dazu getrieben ohne eine Erklärung hier nicht fortzukommen, faßte er sich ein Herz, holte noch einmal tief Athem, denn die Luft fing ihm an auszugehn und sagte:

»Herr Dollinger – ich bin durchgebrannt.«

»Was ist er?« frug Mac Culloch, der die Deutung des Wortes nicht verstand.

»Fortgelaufen,« erklärte ihm dieser.

»Aber weshalb?«

»Ich will Ihnen Alles gestehn, und urtheilen Sie dann selbst,« sagte der arme Teufel. »Sie wissen daß ich vor einiger Zeit 600 Thlr. unverhofft geerbt, und mit richtiger Anlage des Geldes meinen sehr geringen Gehalt hätte bessern und dann anständig leben können. Sie kennen aber meine Frau nicht, Sie wissen nicht in welchen Verhältnissen, welchem häuslichen Elend ich daheim gelebt, und daß sie mich trieb und trieb das Geld ihrem Bruder zu leihen, der es mir eben so sicher wie jeder Andere verzinsen würde. Hätte ich mich geweigert so war es um meine häusliche Existenz, die überdieß kaum noch dem Namen nach bestand, vollständig geschehn gewesen, und gab ich es ihm, so war ich das Geld, das mir im Alter einmal ein Nothpfennig werden sollte, los – und die Erfahrung hat gelehrt daß ich recht gehabt, denn in der neuesten deutschen Zeitung die wir herüber bekamen, steht sein Bankerott schon richtig angegeben. Gott ist mein Zeuge daß ich Alles versucht habe was in Menschenkräften steht, meine Frau zu überzeugen und zu einem vernünftigen Nachgeben zu bringen – ich hätte eben so gut den Tisch da zu etwas derartigem bewegen mögen. Mein Kind war todt, ich selber sah nur sich täglich mehrenden Zwist im Hause, eine Scheidung wurde auch schon dadurch zur Unmöglichkeit, daß ich, selbst wenn Therese darein gewilligt, nie im Stande gewesen wäre sie und mich an zwei geschiedenen Heerden zu erhalten. Die Verzweiflung gab mir da das letzte Mittel ein. Ich ging in ein Spielhaus, wo ich mit einer bestimmten kleinen Summe setzte, und es ist wohl noch kaum ein Spieler so mit dem ernsthaften Wunsch an einen solchen Platz getreten zu verlieren, als ich. Meine Freunde wurden, da sie wußten daß ich etwas geerbt und Geld in Händen hatte, aufmerksam auf mich, und warnten mich; das war Alles was ich wollte. Ich ging wieder und wieder in das Haus, und glaube von mir sagen zu können, daß ich die Rolle eines unglücklichen, endlich zur Verzweiflung getriebenen Spielers durchgeführt habe. Als ich den richtigen Zeitpunkt gekommen wähnte, schrieb ich den Brief, ging Abends an das Wasser, legte dort einen alten Rock und Hut ab und marschirte in derselben Nacht noch drei Meilen nach einem kleinen Postflecken; dort nahm ich Extrapost unter falschem Namen und fuhr nach Hannover, von da nach Bremen und schiffte mich auf einem Amerikanischen Schiffe, das zufällig im Hafen lag, nach New-Orleans ein. Ich habe vielleicht gefehlt, – « setzte er mit einem aus tiefer Brust heraufgeholten Seufzer hinzu, »ohne diesen Schritt wäre mir aber beim ewigen Gott nichts Anderes übrig geblieben, als wirklich in's Wasser zu springen. Meine Frau mag mich jetzt betrauern und wird sich trösten, denn ihre Verwandten sind wohlhabend, und ich glaube sogar daß sie noch einmal eine kleine Erbschaft zu erwarten hat, die ich ihr von Herzen gönne – verrathen Sie mich aber, bester Herr Dollinger,« setzte er mit Todesangst in den Zügen hinzu, »so bin ich verloren, denn daß mir Therese in dem Fall nach Amerika folgte, ist so gewiß, als wir hier zusammen stehen. Niemand hat jetzt ein Interesse an meinem Leben; ich bin keinem Menschen einen Pfennig schuldig, alle meine Arbeiten, als ich sie verließ, waren in größter Ordnung und ich weiß daß ich in Heilingen das Andenken eines rechtschaffenen, braven Mannes hinterlassen habe.«

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
28 сентября 2017
Объем:
250 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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