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15.
Schluß
Und muß es denn geschieden sein? – Die Hörner und Joche sind bis zum Fuß hinab in ihre weißen, wallenden, grün beränderten Mäntel gehüllt; der Frost hat diese Decke mit einem glänzenden, spiegelglatten Panzer umzogen, und wäre es jetzt selbst möglich in den Bergen fortzukommen, die Gemsen hörten doch schon halbe Stunden weit den lauten Schritt. – Und wie so furchtbar wild und öde jene weiten Klüfte jetzt aussehn, nun der Winter sie mit tiefem Schnee gefüllt, und Felsenspalten und Bergesschlucht mit seinem Athem glatt geebnet hat. Wie bläulich die Schatten sich darüber legen, und der Sturm den weißen Staub hochwirbelnd in die Lüfte führt. Die Laatschen biegen unter der gewaltigen Last, und sind schon lange zu festen untrennbaren Massen zusammen gegossen worden. Nur die obersten Joche hat die Windsbraut sich rein gefegt zum tollen heulenden Tanz, wirbelt da oben den Schnee lustig im Kreise herum, und jauchzt ihr wildes Jubelgeschrei in die Schluchten nieder, daß es wie gäher Donner durch die Thäler braust.
Zitternd und scheu sucht in solcher Zeit das arme Wild den Schutz der bergenden Waldung, und die breitarmige Tanne, die ihre Zweige wie ein Dach zur Erde niedersenkt, hat immer noch ein Plätzchen für ihre Lieblinge. An Nahrung kann sie ihnen freilich Nichts weiter bieten, als was sie sich selber gegen den Schnee geschützt gehalten, und was vielleicht der Nachbarbaum noch birgt. Ob nun das Wild den Sommer durch absichtlich das Gras unter diesen Bäumen schont, im Winter Nahrung dort zu finden, oder ob es ihm, wo überall genug der süßen Aesung steht, zu unbequem ist unter die niederhängenden Zweige zu kriechen, aber diese unter den Bäumen freigehaltenen Stellen sind dem Wild in jenen Bergen der größte Schutz gegen Sturm und Hunger, und nur, wenn der Schnee zu furchtbar arg wird, wie im vorletzten Jahr, und die armen Geschöpfe vielleicht gar an solchen Stellen einschneien und sich nicht wieder vorarbeiten können, dann freilich gehn sie ein, und Füchse und Raubvögel haben reiche Atzung.
Sobald aber die Schneedecke friert und hart wird, ist die flüchtige Gemse wieder auf den Füßen, und dann geht es mit frohen Sprüngen in die Berge hinauf, dort süßere Aesung zu suchen als der Wald ihr bieten konnte. An den schroffen Wänden giebt es auch überall Schneestürze, die hie und da einen Grasfleck freigeschoben haben, bis die Lawine mit vollen Händen den grün und reich besetzten Tisch für sie deckt. In der Zeit haben sie auch nicht mehr des Jägers Rohr zu fürchten. Wenn sie nur die Augen gut nach oben Wacht halten lassen – nach unten sind sie sicher.
Vor dem Schloß stehn die Jäger, dem scheidenden Herrn noch ein Lebewohl zuzurufen. Sie sind meist Alle in ihrer Sonntagstracht und sehen ernst, ja fast traurig aus, unterhalten sich auch nur leise miteinander. Die fröhliche Jagd ist vorbei, der lange schwere Winter liegt vor ihnen, und sie haben Nichts, das sie heiter stimmen, oder ihnen Anlaß zu den sonst häufigen Scherzen und Neckereien geben könnte.
Auch Bandey, der Fischer und Vogelsteller steht dazwischen, mit noch ganz besonderer Ursache unzufrieden zu sein. Armer Bandey, Du paßtest vergebens auf einen Deiner Kameraden, den Du für den Fischdieb hieltest, und während Du mit Zorn und Rache in dem sonst so gutmüthigen Herzen auf einen spitzen Hut und ein paar Lederhosen zur Zielscheibe wartetest, stahl Dir eine Fischotter, fast unter dem Lauf der alten Schrotflinte weg, die mühsam gefangenen und so treu bewachten Forellen.
Selbst Jackel fehlt nicht mit dem rothen, gutmüthigen aber immer etwas verdutzt dreinschauenden Gesicht. Er sieht heute aber nicht reinlicher aus als gewöhnlich. Da tritt der Kammerdiener zu ihm, und reicht ihm freundlich die Hand zum Abschied.
»Nun Jackel, halte Dich gut bis zum nächsten Jahr.«
»Danke schön; gleichfalls – kommen Sie hübsch gesund wieder her,« nickt Jackel gutmüthig, und schüttelt die gebotene Rechte aus Leibeskräften.
»Aber Jackel,« sagt da der Kammerdiener, indem er seinen prüfenden Blick an der vierschrötigen Gestalt auf und nieder gleiten läßt, mit freundlich verweisender Stimme, »wie siehst Du wieder aus. Reine Wäsche hätt'st Du Dir doch wenigstens heute anziehen können. Was sollen denn die Herren von Dir denken?«
»Ach Herr Kammerdiener,« sagt Jackel gutmüthig lächelnd, aber doch ein wenig dabei erröthend, – »die sind's halt schon an mir gewöhnt.«
Die Wagen fahren vor – die Jagdgesellschaft tritt in den kleinen Vorhof hinaus, und Jeder springt auf seinen Sitz. – Noch einen freundlich grüßenden Blick wirft der scheidende Herr über die Gestalten der Jäger, die ihm mit rasch heruntergezogenen Hüten den herzlichen Abschiedsgruß zurufen, einen anderen, fast mit einem leichten Seufzer nach den schneeigen Bergriesen hinauf, von denen er jetzt wieder auf ein volles Jahr Abschied nimmt – und wie im Flug rollen die leichten Wagen die schmale aber glatte Straße entlang, dem flachen Lande zu.
Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig.