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Читать книгу: «Meine Jugend in Erfurt unter Hitler 1933–1945», страница 2

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Klassenkamerad Günter Stein und der große Hunger

Ich habe schon erzählt, dass bei der Einschulungsfeier in der großen Aula, einige in SA-Uniform erschienen waren. Träger waren junge Lehrer und junge Väter.

Hitler war für uns Kinder zu diesem Zeitpunkt schon eine Selbstverständlichkeit. Und unsere vornehmlich jungen Lehrer haben in der Folge alles getan, um diese Selbstverständlichkeit in unseren Köpfen noch weiter zu verfestigen.

Aber bei all dem frenetischen Jubel, der dem Führer überall entgegengebracht wurde, darf man auch die Schattenseiten nicht vergessen.

Hitler war zwar gekommen, um alles besser zu machen. Aber nicht alle Versprechungen konnte er einhalten. Denn die Not – vor allem unter den Arbeitern in unserem Viertel – die war noch da.

Jetzt flossen ungeheure Mittel in die auf Hochtouren laufende Rüstungsindustrie, in den Bau des mehrere hundert Kilometer langen Westwalls und in den Bau der neuen Autobahn. Letzteres, obwohl nur wenige Autos auf den Straßen zu sehen waren. Das alles waren Investitionen, die wirtschaftlich betrachtet, keine Gegenwerte geschaffen haben – die förmlich verpufft sind. Dringend benötigte Wohnungen z. B., konnten nicht gebaut werden, weil das Geld dafür fehlte.

Die Kaufkraft war niedrig, weil diejenigen, die Arbeit hatten, sehr wenig verdient haben. Der große Jubel hat vieles verdeckt. Aber den Arbeitern ging es noch genauso schlecht, wie zu Zeiten der Weimarer Republik.

Besonders kinderreiche Familien waren davon betroffen. Je größer eine Familie gewesen ist, um so ärmer war sie.

Ich hatte Klassenkameraden, die sind in die Schule gekommen, ohne vorher etwas gegessen zu haben. Oft hatten sie auch keine Pausenbrote dabei. Das waren bittere Zustände, die wir uns heute gar nicht mehr vorstellen können. Das war auch unseren Lehrern nicht verborgen geblieben. Und die haben in Eigeninitiative etwas unternommen, um diesen Kindern zu helfen. Eltern, die es sich leisten konnten, wurden gebeten, ein Frühstückspaket mehr mitzugeben. Auf diese Weise sind auch herrliche kleine Patenschaften entstanden.

Einer, der zu den Begünstigten gehörte, war Günter Stein. Er kam aus einer der kinderreichen Familien, die uns gegenüber in den städtischen Häusern gewohnt haben. Stein gehörte nicht zum engeren Kreis meiner Freunde. Aber wenn ihn der Hunger besonders geplagt hat, da hat er geklingelt, um mich abzuholen. Wichtiger war ihm allerdings das gemeinsame Frühstück mit mir. Er wusste, dass ihn meine Mutter nicht abweisen würde. Es ist vorgekommen, dass ich gerade erst aufgestanden war, als der arme Kerl schon bei uns auf der Matte gestanden hat.

Obwohl ein Jeder seine Probleme gehabt hat, gab es doch eine wohltuende Solidarität unter der Bevölkerung. Sie kam von selbst und war nicht von oben verordnet.

Ich kann nicht sagen, ob das überall so gewesen ist, möchte es aber fest annehmen.

Damals gab es für mich ja nur die kleine Welt eines Sechsjährigen, der im Arbeiterviertel Erfurt-Nord gelebt hat.

Meine Familie


1930 – Als zweijähriger im Garten der Großeltern


Fritz Laue

Mein Patenonkel, Gönner und Förderer


Sommer 1935

Urlaub mit KdF

(Kraft durch Freude)

in Füssen/Allgäu

Ich war sieben Jahre alt.

Papas Kommentar zum Foto: „In luftiger Höh auf dem Adolf-Hitler-Pass.“

Wir wohnten im Privatquartier. Mich haben die Berge, Seen und Schlösser nicht so interessiert, wie das Brötchen mit Bienenhonig, dass es jeden Morgen zum Frühstück gab. Das war für mich ein Hochgenuss, den ich bis dahin nicht kannte.


1935

Als siebenjähriger Schüler mit dem Schulranzen auf dem Rücken. Ich war stolz auf den Scheitel, den ich jetzt tragen durfte.

Das „Pony“ war mir zu babyhaft.

Hugo

Die Geschichte um das Kaninchen Hugo hat nichts mit Politik zu tun. Aber sie ist Teil meiner frühen Kindheit. Und ich meine, sie verdient es, erzählt zu werden.

Oma und Opa sind auf dem Lande groß geworden. Die Oma in Dienstedt und der Opa in Witzleben.

Diese bäuerliche Herkunft haben sie auch nach vielen Jahren des Stadtlebens nicht verleugnen können.

Tiere gehören zum Haushalt. Dieser Meinung sind sie treu geblieben.

Kastor, hieß der bullige Boxer, mit dem ich schon in frühester Kindheit eine enge Freundschaft geschlossen habe. Kastor hat mich behütet und bewacht. Er hat mich Dreikäsehoch ganz allein und ganz sicher um den Häuserblock geführt, obwohl die Großeltern in gebührendem Abstand gefolgt sind. Aber, ich habe das nicht bemerkt.

Opa hatte auch Kaninchen. Im Garten hinter dem Haus stand ein Kaninchenstall in beachtlicher Größe. Es waren weit mehr, als er für den Eigenbedarf gebraucht hätte. Für Opa bedeuteten die Kaninchen ein gutes Zusatzgeschäft. Überhaupt hatte er immer ein Gespür für lukrative Nebeneinnahmen.

Als Zigaretten auf dem schwarzen Markt zu Höchstpreisen gehandelt wurden, hat Opa seinen Vorgarten in eine kleine Tabakplantage umgewandelt. Er hat es auch verstanden, den Tabak bis zur Gebrauchsfertigkeit zu bearbeiten. Sogar der stark rauchende Opa Laue ist sein Kunde gewesen, obwohl der von Bauern eigentlich nicht viel gehalten hat.

Die Wohnung der Großeltern ist so groß gewesen, dass sie übers Verkehrsamt zwei Zimmer an Durchreisende vermietet haben. Die Oma hat sich noch ein paar Mark dazuverdient, wenn sie die Gäste an den täglichen Mahlzeiten teilhaben ließ.

Opa war darüber hinaus – wie alle Bauernsöhne aus kinderreichen Familien – ein Multitalent in allen handwerklichen Belangen.

Als mal wieder Kaninchennachwuchs kam, hat Opa mir einen Winzling geschenkt. Ich war stolz und glücklich mit meinem neuen Besitz. Und Opa hat sich gefreut, wenn er mich dabei beobachtet hat. Gemeinsam haben wir nach einem passenden Namen gesucht. Schließlich haben wir uns auf „Hugo“ geeinigt. Wie wir ausgerechnet auf diesen Namen gekommen sind, das kann ich heute nicht mehr sagen.

Von nun an war Hugo mein liebster Spielgefährte, wenn ich bei den Großeltern gewesen bin. Beim Füttern hat Hugo immer eine Zusatzration bekommen. Als Vierjähriger habe ich mich mit ihm unterhalten und ich war überzeugt, dass er mich immer gut verstanden hat.

Eigentlich haben ja alle Kaninchen gleich ausgesehen. Trotzdem habe ich Hugo immer aus allen heraus erkannt. So wurde Hugo größer und größer. Für Kaninchen ist das kein gutes Omen. Damals habe ich das noch nicht gewusst. Daran, dass meinem Hugo einmal etwas Schlimmes widerfahren könne, habe ich nie gedacht. Wo ich ihn doch so gut gefüttert und betreut habe!

Wie immer, wenn ein Karnickel geschlachtet worden war, sind wir zum Festessen von den Großeltern eingeladen worden. Wir saßen schon am Tisch, als mir plötzlich ein schlimmer Gedanke durch den Kopf schoss. So schnell ich konnte, raste ich raus zum Kaninchenstall.

Hugo war nicht mehr da!

„Ist das mein Hugo?“, habe ich gefragt, als die dampfende Pfanne auf den Tisch kam.

Es folgte betretenes Schweigen. Außer mir hatte das jeder gewusst. Sicher hatten alle in diesem Moment ein schlechtes Gewissen. Allen voran der Opa. Die Oma versuchte die Situation zu retten: „Vielleicht hast du den Hugo gerade übersehen. Die sehen doch alle gleich aus.“ Das konnte nicht sein. Meinen Hugo hätte ich erkannt, dessen war ich mir sicher.

Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Der liebe gute Opa! Der mir den Hugo geschenkt hatte. Der so oft dabei gewesen ist, wenn ich mit ihm gespielt hatte. Der hatte ihn jetzt getötet! Ein furchtbarer Gedanke! Und jetzt sollte er auch noch aufgegessen werden! Das war zu viel für mein kindliches Gemüt. Ich habe geweint. Nein, essen wollte ich heute überhaupt nichts. Sicher war dem Opa in diesem Moment auch der Appetit vergangen. Aber ich war von ihm enttäuscht. Wie nur hat er so etwas tun können!

Wieder wollte die Oma vermitteln: „Dann iss doch wenigstens Kloß mit Soße.“ Nein, die Soße, in welcher der arme Hugo jetzt gelegen hat, die wollte ich auch nicht essen. Alles war für mich so furchtbar.

Die Oma hat mir auf die Schnelle etwas Anderes gemacht. Ich glaube, es war Grießbrei.

Zum Opa hatte ich für einige Zeit ein gestörtes Verhältnis. Sicher hat ihn das sogar noch mehr geschmerzt.

Aber allzu lange hat dieser Zustand nicht angehalten.

Der KdF-Wagen, aus dem nach dem Krieg der Volkswagen wurde

KdF war die Abkürzung für „Kraft durch Freude“. So wurde im Dritten Reich die große staatliche Ferienorganisation genannt. Sie stand unter dem Dach der „Deutschen Arbeiterfront“, die wiederum die Nachfolgerin der zerschlagenen Gewerkschaften gewesen ist.

Mit KdF sollte der arbeitenden Bevölkerung ein bezahlbarer Urlaub ermöglicht werden. Urlaub galt damals weitgehend noch als Luxus. Nicht sehr viele konnten ihn sich leisten.

Auch meine Eltern haben von diesem neuen Angebot Gebrauch gemacht. 1935 waren wir in Füssen/Allgäu, 1936 in Wyk auf Föhr. Für die jeweils 8 Tage mussten pro Person 35 Mark bezahlt werden. Das war weniger, als der durchschnittliche Wochenverdienst eines Arbeiters.

Im Jahr 1938 haben meine Eltern mit der „Wilhelm-Gustloff“ an einer großen Norwegen-Rundfahrt teilgenommen.

Mit der Füssen-Reise verbinden mich noch sehr gute Erinnerungen. Wir waren privat untergebracht, wie das bei den meisten KdF-Reisen üblich gewesen ist.

Weit mehr als die schöne Berglandschaft hat mich das Honigbrötchen interessiert, welches es jeden Morgen zum Frühstück gegeben hat. Bisher habe ich nur Mutters köstliche, selbst eingemachte Marmelade gekannt. Die war auch prima. Aber dieses Honigbrötchen jetzt, das war für mich das Höchste. Und das ist auch heute noch das Erste, was mir einfällt, wenn ich das Wort Füssen höre.

Der absolute Horror war für mich Siebenjährigen eine Ruderpartie auf einem der zahlreichen Seen in dieser Gegend. Mein Vater hatte sich vorher lange mit dem Bootsvermieter unterhalten. Und da hatte ich einige Gesprächsfetzen aufgefangen, die gar nicht gut bei mir angekommen sind.

Als damals noch Nichtschwimmer wusste ich jetzt, dass dieser See 95 m tief ist und, dass in einem See ganz in der Nähe sogar einmal ein König ertrunken ist. Dieses Wissen hat mich die ganze Stunde auf dem See nicht losgelassen. Ich war erst wieder richtig froh, als diese Bootsfahrt zu Ende gewesen ist.

Die Hin- und Rückfahrt geschah in einem Nachtzug. Mein ideenreicher Vater hatte für mich gut vorgesorgt. Damit es mir während der Nacht an Nichts fehlen sollte, hatte er eine Hängematte im Gepäck. Die hat er quer durchs Abteil – vom Fenster zur Tür – gespannt. Frei über den Köpfen der Anderen schwebend, habe ich einigermaßen gut schlafen können.

Die inzwischen populäre Bezeichnung „KdF“ sollte auch der Name für ein, sich in der Entwicklung befindendes, neues Auto werden. So, wie die KdF-Reisen, so sollte auch dieses Auto für Jedermann erschwinglich werden. Das war der Grundgedanke.

Mit den Konstruktionsarbeiten wurde der damals schon bekannte Professor Porsche beauftragt. Der bekam dafür weitreichende Vollmachten. Kosten sollten dabei keine Rolle spielen. Alles hat unter größter Geheimhaltung stattgefunden. Das war üblich in einem totalitären System, wie es das Dritte Reich gewesen ist.

Diesem gewaltigen Projekt wurde ein so hoher Stellenwert beigemessen, dass es allein Hitler vorbehalten sein sollte, es als Erster vor dem deutschen Volk zu verkünden.

An diesem Tag im Jahre 1937 kann ich mich noch gut erinnern. Auch an die begeisterten Reaktionen, die diesem Ereignis folgten. Ich hielt mich an diesem Tag bei den Großeltern auf. Auch sie besaßen inzwischen den Volksempfänger. Auch der Volksempfänger war ein Prestigeprojekt, welches man für sagenhafte 35 Mark kaufen konnte.

Ich hörte, wie das Programm durch eine Fanfare unterbrochen wurde. Jeder hat dieses Signal gekannt. Darauf folgte immer eine „Sondermeldung“. Die begann mit dem üblichen: „Achtung, Achtung!“. Das waren die Worte, die damals jeder Bekanntmachung vorangestellt wurden.

„Unser Führer und Reichskanzler Adolf Hitler wird in Kürze eine wichtige Rede an das deutsche Volk halten“.

Daraufhin wurde das Programm geändert. Wir hörten jetzt nur noch Marschmusik, welche in regelmäßigen Abständen unterbrochen wurde, um die Ankündigung der Führerrede zu wiederholen.

Jeder hat gewusst, dass es noch geraume Zeit dauern würde, bis Hitler mit seiner Rede beginnt.

Es begann die bekannte Zeremonie und das Getöse, welches jeder Rede vorangegangen war.

Wer zufällig sein Radio einstellte und die Marschmusik hörte, der wusste, dass bald etwas besonderes geschehen wird. Der blieb dann meist gespannt vor dem Radio sitzen.

Die Nachricht von der bevorstehenden Führerrede sollte bis in den letzten Winkel des Reiches dringen. Das hat bei den damaligen Kommunikationsmöglichkeiten gedauert! Manchmal mehrere Stunden. Hitler ist erst dann aufgetreten, wenn als einigermaßen gesichert schien, dass so gut wie jeder Volksgenosse irgendwo vor einem Radio gesessen hat. So ist es auch am Ende tatsächlich gewesen. Wenn Hitler gesprochen hat, waren alle Straßen wie leer gefegt. Hitler befand sich in den Jahren 1937/1938 auf dem Höhepunkt seiner Macht. Auch die strengsten Kritiker mussten einräumen, dass er freie Wahlen nach heutigem Standard nicht hätte zu scheuen brauchen. Ihm wäre die absolute Mehrheit sicher gewesen.

Je länger es gedauert hat, um so mehr wuchs die Spannung. Hitlers bald bevorstehender Auftritt steigerte sich zu einem Riesenspektakel. Unter tosendem Beifall wurde mehrmals verkündet, dass der Führer bald erscheinen werde.

Immer wieder haben die Beifallsstürme eine Eigendynamik entwickelt. Die Sprechchöre mussten nicht eingeübt werden. Es waren immer die gleichen. Jeder hat sie gekannt. So wurde in Erwartung Hitlers mehrmals gebrüllt: „Wir wollen unseren Führer sehen!“ Jede Silbe wurde einzeln betont.

Weiter ging es mit dem mehrmaligen „Ein Volk – ein Reich – ein Führer“ und einem nicht enden wollenden „Sieg Heil – Sieg Heil!“ Je länger man auf den Führer warten musste, um so öfter hat sich das Ganze wiederholt.

Als dann endlich die ersten Takte des „Badenweiler Marsches“erklangen, wusste jeder, jetzt ist es so weit! Der „Badenweiler“ ist nämlich Hitlers Lieblingsmarsch gewesen. Deshalb ist er auch heute weitgehend unbekannt. Er war allein ihm vorbehalten. Er durfte nur bei persönlichen Auftritten Hitlers gespielt werden. Noch lauter wurde gejubelt, als der große Matador endlich auf der Bildfläche erschien. Die lang anhaltenden Ovationen hat Hitler sichtlich genossen. So hat es wieder einige Zeit gedauert, bis er dann endlich mit seiner Rede beginnen konnte.

Er verkündete mit einigem Stolz, dass es gelungen sei, ein neues Auto zu entwickeln, welches einmalig auf dieser Welt sei. In seiner Klasse gäbe es nichts besseres – vor allem – nichts preiswerteres.

Das Wunderauto sollte 999,- Mark kosten. Das war ein Hammer. Vergleichbare Autos von Opel oder Ford haben das Doppelte, meist sogar das Dreifache gekostet.

Jedem Volksgenossen sollte es möglich gemacht werden, dieses Auto zu kaufen. Hitler präsentierte ein sensationelles Finanzierungsprogramm. Mit einer Mindestrate von 2,50 Mark konnte jeder die Anwartschaft auf die spätere Lieferung eines Autos erwerben. Mit der Ratenzahlung konnte sofort begonnen werden. Das vergaß er nicht hinzuzufügen. Die Massen kamen aus dem Jubeln nicht heraus.

Als Standort für die Fabrikation wurde Fallersleben bestimmt. Fallersleben lag in einem bis dahin strukturschwachen Gebiet in Niedersachsen. Eine Stadt mit dem Namen Wolfsburg hat es 1937 noch nicht gegeben. Heute ist Fallersleben ein Stadtteil von Wolfsburg.

In der Bevölkerung lösten diese Neuigkeiten eine Riesenbegeisterung aus. Nicht selten hörte ich den oft angewendeten Spruch: „Wie das der Führer wieder hingekriegt hat!“ Allein ihm wurde der Erfolg gutgeschrieben.

Aus heutiger Sicht klingt das alles sehr unwahrscheinlich. Vielleicht sogar stark übertrieben. Ich fasse es ja selbst nicht mehr. Aber, es ist wirklich so gewesen. Ich habe das alles selbst erlebt.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch so mancher Hitler-Kritiker von dieser riesigen Begeisterungswelle mitgerissen worden ist. Jedenfalls war es nicht leicht, sich dieser Massenhysterie zu entziehen.

Wir 10-jährigen Pimpfe hatten damit ohnehin keine Probleme.

In der Folge wurden Kaufverträge in Massen abgeschlossen. In Fallersleben sprudelten die Kassen!

Auch bei Oma und Opa hatte die Führerrede ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Opa machte sich schon Gedanken über die Höhe der Rate, die er sich leisten konnte. Denn solch ein Auto wollte er unbedingt haben.

Viele Jahre schon hatte er in seiner Autolackiererei mit Autos zu tun gehabt. Einen Führerschein hatte er schon, weil er auch schon einmal ein Auto besessen hatte. Es war ein uralter „Brennabor“, der nach kurzer Zeit seinen Geist aufgegeben hatte.

An die gemeinsamen Autotouren, so um 1932/1933, kann ich mich noch gut erinnern.

Die Oma beschäftigte sich derweil mit Gedanken, die in eine ganz andere Richtung gingen. Sie hat gewusst, dass ein Auto schon immer Guidos sehnlichster Wunsch gewesen ist. Sie wollte aber nichts dafür bezahlen.

„Guido“, sagte sie mit wichtigem Gesicht, „ich werde dir dieses Auto besorgen. Darauf kannst du dich verlassen!“

Mir stockte der Atem. Wie wollte die Oma das anstellen? Dabei hat sie so getan, als ob sie das Auto schon so gut wie sicher hatte. Aber, überzeugt von sich ist die resolute Oma schon immer gewesen.

Die schriftstellerisch begabte Oma hatte sich vorgenommen, ein Gedicht zu schreiben. Darin wollte sie das Auto und natürlich auch den Führer loben. Sie hat schon gewusst, worauf es ankommt. Für ein Auto wäre sie bereit gewesen, so etwas zu tun. „Das Gedicht wird so ausfallen, dass bestimmt ein Auto dabei herausspringen wird.“ Davon war sie fest überzeugt.

Der Opa hat sich das angehört. Und einmal mehr bewunderte er seine einfallsreiche Anna. Sie war immer für Überraschungen gut. Und, dass sie das schaffen würde, das hielt der Opa durchaus für möglich. Kürzlich hatte sie noch anlässlich eines Heimatfestes in Dienstedt mit großem Erfolg selbstverfasste Gedichte – Erinnerungen aus der Kindheit – in Mundart vorgetragen.

Jedenfalls war der Opa gerührt. Er bekam feuchte Augen. Das war beim Opa immer so. Er ist ein reiner Gefühlsmensch gewesen, der seine Empfindungen nie verbergen konnte.

Er reagierte so, ganz gleich, ob es eine freudige oder eine traurige Nachricht gewesen ist, die er gerade erhalten hatte.

Mit leichter Hand hat die Oma das Gedicht geschrieben. Sie hat es sofort abgeschickt.

Sie hat gewusst, worauf es dabei angekommen ist. Ein klein wenig von der „Bauernschläue“, die man denen, die vom Land in die Stadt gezogen waren, nachgesagt hatte, die hatte sie sich wohl erhalten.

Wie die Großeltern wirklich gedacht haben, das haben sie in ihrer selbstlosen und hilfsbereiten Art mehr als einmal bewiesen. Als sie im Jahre 1943 den guten alten jüdischen Freund Richard Besser bei sich aufgenommen haben, da haben sie nicht lange überlegen müssen. Das ist für sie eine Selbstverständlichkeit gewesen. Weil er Jude gewesen ist, hat der Buchdruckermeister Besser bei der „Thüringer Allgemeinen“ seine Arbeit verloren. Niemand hat es daraufhin gewagt, ihn einzustellen. Besser war so gut wie mittellos. Er hatte sich nicht mehr getraut, in seine eigene Wohnung zu gehen.

Die Großeltern haben gewusst, wie gefährlich das gewesen ist, was sie getan haben. Sie fühlten sich verpflichtet, es trotzdem zu tun.

Richard Besser ist im Jahre 1944 von einem seiner täglichen Spaziergänge nicht zurückgekommen.

Erst Jahrzehnte später habe ich zufällig erfahren, dass er in den Gaskammern von Auschwitz ein schreckliches Ende gefunden hat.

Diese Hilfe für den jüdischen Freund, die ist echt gewesen! Das ist ein Riesenunterschied.

Das Thema KdF-Wagen, wurde bald von den aktuellen Ereignissen überrollt. 1939 begann der 2. Weltkrieg. Alle bis dahin produzierten Autos waren direkt von der Wehrmacht übernommen worden. Bald wurde auch jedem kritischen Volksgenossen klar, dass der Bau des Volkswagens, wie er jetzt genannt wurde, ein Teil der Kriegsvorbereitungen Hitlers gewesen ist.

In den eisigen Wintern in Russland hat der Wagen unschätzbare Dienste geleistet. Der Volkswagen – luftgekühlt – lief noch, als alle wassergekühlten Autos eingefroren und nicht einsatzbereit gewesen waren.

Kein einziges Auto ist zum sagenhaften Preis von 999,- Mark an einen der fleißigen Ratensparer ausgeliefert worden.

Vermutlich hat auch der außerordentlich niedrige Preis zu den vielen Märchen gehört, die uns damals aufgetischt worden sind.

Nach dem Krieg war das von Millionen Bürgern angesparte Geld futsch!

Auch Omas heroisches Gedicht war erfolglos. Aber wenigstens haben die Großeltern keinen Pfennig eingebüßt.

1 575,59 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
308 стр. 97 иллюстраций
ISBN:
9783959662147
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