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Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts

Inhaltsverzeichnis

A. Praktische Bedeutung der Insolvenzen und ihre Bedeutung für die strafrechtliche Praxis

B. Historische Entwicklung

C. Geschützte Rechtsgüter und Systematik des Insolvenzstrafrechts

D. Grundbegriffe der Insolvenz

E. Das Insolvenzverfahren

F. Verzahnung von Insolvenzrecht und Insolvenzstrafrecht

G. Prozessuale Besonderheiten

Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › A. Praktische Bedeutung der Insolvenzen und ihre Bedeutung für die strafrechtliche Praxis

A. Praktische Bedeutung der Insolvenzen und ihre Bedeutung für die strafrechtliche Praxis

1

Mit der wirtschaftlichen Krise eines Unternehmens und der damit drohenden Beendigung des Unternehmens gehen besondere Gefahren für Dritte, insbesondere für Gläubiger und Arbeitnehmer, einher. Deshalb hat der Gesetzgeber ein umfassendes straf- und zivilrechtliches Regelungswerk entwickelt, um den Schutz der Gläubiger zu realisieren und ein gerichtlich überwachtes Verfahren zu schaffen, innerhalb dessen über die Fortführung oder Beendigung des Unternehmens unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen entschieden werden muss. Dabei kommt den nach § 283 StGB strafbaren Bankrotthandlungen[1] – Vermögensverschiebungen, unwirtschaftlichen Geschäften, Scheingeschäften, Buchführungsverstößen – sowie der Gläubigerbegünstigung nach § 283c StGB[2] und der Schuldnerbegünstigung nach § 283d StGB[3] zentrale Bedeutung zu, denn die bei Unternehmenszusammenbrüchen begangenen Straftaten machen einen beträchtlichen Teil der von den Strafverfolgungsbehörden zu verfolgenden Fälle aus. Insbesondere unsachgemäße Aktivitäten zur Abwendung der Krise führen in den strafrechtlichen Risikobereich. Die große praktische Relevanz der Insolvenzdelikte ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Insolvenzgerichte nach den Anordnungen über Mitteilungen in Zivilsachen (MIZI) Beschlüsse über Insolvenz- und Vergleichseröffnungen sowie über Antragsabweisungen mangels Masse der Staatsanwaltschaft mitteilen müssen, damit diese überprüfen kann, ob konkrete Anhaltspunkte für Straftaten vorliegen.[4] Daher hängt die Entwicklung der Insolvenzstraftaten unmittelbar mit der Entwicklung der Insolvenzen zusammen.

Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › A. Praktische Bedeutung der Insolvenzen und ihre Bedeutung für die strafrechtliche Praxis › I. Allgemeiner Überblick zur Insolvenzentwicklung in Deutschland

I. Allgemeiner Überblick zur Insolvenzentwicklung in Deutschland[5]

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Obwohl in Wirtschaftskreisen in der Vergangenheit die scheinbar konstant hohe Anzahl von Insolvenzen in Deutschland beklagt wurde, zeigt eine Untersuchung der Creditreform Wirtschaftsforschung[6], dass die Insolvenzentwicklung im ersten Halbjahr 2016 ebenso wie in den vergangen Jahren deutlich rückläufig ist.

Die Anzahl der jährlichen Insolvenzen war zuletzt – als Auswirkungen der Finanzkrise – im Jahr 2010 gestiegen. Seitdem befindet sich die deutsche Wirtschaft in einem Prozess der Erholung und des Aufschwungs. Dies macht sich auch in den seit dem Jahr 2011 zurückgehenden Insolvenzzahlen bemerkbar.

Und obwohl die Geschäftserwartungen mittlerweile wieder sinken und sich dies mittlerweile auch auf die Insolvenzstatistik auswirkt, sind die Zahlen auch im Jahr 2016 noch einmal zurückgegangen, so dass sich die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen mit 21.700 auf dem niedrigsten Stand seit Inkrafttreten der InsO im Jahr 1999 befindet.

Tab. 1: Insolvenzverfahren in Deutschland[7]


Gesamtinsolvenzen Unternehmensinsolvenzen Verbraucherinsolvenzen sonstige Insolvenzen
2000 41.780 + 23,4 % 27.930 + 4,9 % 10.360 + 322,9 % 3.490 – 27,3 %
2001 49.510 + 18,5 % 32.390 + 16,0 % 13.490 + 30,2 % 3.630 + 4,0 %
2002 84.330 + 70,3 % 37.620 + 16,1 % 21.520 + 59,2 % 25.190 + 593,9 %
2003 100.350 + 19,0 % 39.470 + 4,9 % 33.510 + 55,7 % 27.370 + 8,7 %
2004 118.260 + 17,8 % 39.270 – 0,5 % 49.100 + 46,5 % 29.890 + 9,2 %
2005 136.570 + 15,5 % 36.850 – 6,2 % 68.900 + 40,3 % 30.820 + 3,1 %
2006 161.320 + 18,1 % 34.040 – 7,6 % 96.500 + 40,1 % 30.780 – 0,1 %
2007 164.750 + 2,1 % 29.150 – 14,4 % 105.300 +9,1 % 30.300 – 1,6 %
2008 155.910 – 5,4 % 29.580 + 1,5 % 98.450 – 6,5 % 27.880 – 8,0 %
2009 162.870 + 4,5 % 32.930 + 11,3 % 100.790 +2,4 % 29.150 + 4,6 %
2010 169.840 + 4,3 % 32.060 – 2,6 % 109.960 +9,1 % 27.820 – 4,6 %
2011 159.580 – 6,0 % 30.120 – 6,1 % 103.250 – 6,1 % 26.210 – 5,8 %
2012 150.810 – 5,5 % 26.720 – 4,6% 98.050 – 5,0 % 24.040 – 8,3 %
2013 141.590 – 6,1% 26.120 – 9,1 % 91.360 – 6,8 % 24.110 + 0,3 %
2014 135.020 – 4,6 % 24.030 – 8,0 % 86.460 – 5,4% 24.530 + 1,7 %
2015 127.570 – 5,5 % 23.180 – 3,5 % 80.220 – 7,2 % 24.170 – 1,5 %
2016* 123.380 – 3,0 % 21.700 – 6,4 % 78.200 – 2,5 % 23.900 – 1,1 %


* Von Creditreform geschätzt.

3

Die von den Insolvenzen direkt oder indirekt verursachten Schäden für die Volkswirtschaft sind immens. Dabei ist insbesondere die Privatwirtschaft von Unternehmensinsolvenzen härter betroffen als die öffentliche Hand, wobei auch hier, nach einmalig hohen Insolvenzschäden im Jahr 2009, die Schäden bereits im Jahr 2010 über 50 % geringer ausfielen als im Vorjahr. Nach einem erneuten Ausschlag im Jahr 2012 mit folgendem Rückgang im nächsten Jahr sind die Zahlen vergleichsweise konstant.

Tab. 2: Insolvenzschäden in Deutschland in Mrd. €[8]


private Gläubiger öffentliche Hand gesamt
2000 17,9 9,2 27,1
2001 22,0 10,3 32,3
2002 26,6 11,8 38,4
2003 27,9 12,6 40,5
2004 27,5 11,9 39,4
2005 26,7 10,8 37,5
2006 22,4 8,7 31,1
2007 21,2 8,0 29,2
2008 21,0 8,0 29,0
2009 63,8 15,1 78,9
2010 25,2 10,2 35,4
2011 16,7 6,6 23,3
2012 26,2 12,3 38,5
2013 18,9 8,0 26,9
2014 18,8 7,3 26,1
2015 13,1 6,5 19,6
2016* 19,6 7,9 27.5


* Von Creditreform geschätzt.

4

Annähernd die Hälfte der Unternehmensinsolvenzen betreffen Kleingewerbetreibende. Im Übrigen sind sämtliche Rechtsformen tangiert: juristische Personen, Personengesellschaften und Einzelhandelspersonen.

Tab. 3: Insolvenzen nach Rechtsformen im Jahr 2016[9]


Deutschland
freie Berufe 3,0 (3,0)
Kleingewerbetreibende 48,3 (48,6)
BGB-Gesellschaft 0,7 (0,7)
Einzelfirma 3,4 (3,3)
OHG 0,2 (0,1)
KG 0,3 (0,3)
GmbH & Co. KG 4,0 (3,9)
GmbH 30,3 (31,3)
UG (haftungsbeschränkt) 8,6 (7,5)
AG 0,5 (0,6)
eG 0,1 (0,1)
e. V. 0,6 (0,7)

Anteile in Prozent; ( ) = Vorjahresangaben

Quelle: Creditreform Datenbank

5

Ausgehend von dieser Übersicht ist die GmbH die für Insolvenzen anfälligste Gesellschaftsform,[10] weshalb sie auch im Zentrum der Insolvenzkriminalität steht und sich die meisten Strafverfahren in der Praxis gegen Geschäftsführer und Gesellschafter dieser Unternehmensform richten.[11] Zudem wird bei den GmbHs in nahezu zwei Drittel aller Fälle die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt. Die OHG, KG, AG und die Genossenschaft gelten dagegen als deutlich weniger insolvenzanfällig.[12]

6

Nicht aufgeführt in der obigen Statistik ist die im Ausland gegründete so genannte „Limited“, auf die infolge ihrer praktischen Bedeutung ein besonderes Augenmerk gelegt werden soll. Wenn eine ausländische Gesellschaftsform gewählt wird, die mit der GmbH vergleichbar ist, handelt es sich in der Regel um eine englische Limited, da deren Gründungsvoraussetzungen niedrig und unbürokratisch sind.[13]

Exkurs: Die Gesellschaftsform der Limited[14] und die UG (haftungsbeschränkt)[15]

7

Die Limited ist eine ursprünglich aus Großbritannien stammende Gesellschaftsform mit eigener Rechtspersönlichkeit, die strukturell der deutschen GmbH ähnlich ist. Im angelsächsischen Raum stellt sie für kleinere Unternehmen die gebräuchlichste Form der Kapitalgesellschaft dar. Da in Großbritannien keine der deutschen GmbH entsprechende Rechtsform existiert, erfüllen dort private Formen der Aktiengesellschaft (so genannte Private/Propriety/Proprietary Limited Company – Pty. Ltd. Co.) die wirtschaftliche Funktion der GmbH, wobei lediglich die Aktien der öffentlichen Aktiengesellschaft (Public Limited Company, PLC) an der Börse gehandelt werden können. Innerhalb der Limiteds unterscheidet man zwischen folgenden Formen:


die „private limited company by shares“ (kurz: Ltd.), welche die übliche Unternehmensform gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ist,
die „private limited company by guarantee“, bei der, abweichend von der üblichen Form der Aktiengesellschaft, kein Stammkapital gebildet wird, sondern die Aktionäre eine Garantie abgeben, dass sie im Falle der Insolvenz der Gesellschaft bis zu einem bestimmten Betrag für Gesellschaftsverbindlichkeiten einstehen werden,
die „public limited company“ (kurz: PLC), welche die übliche Unternehmensform für große, oft börsennotierte Unternehmen ist, und die „company limited by guarantee“, bei der es sich um eine Sonderform handelt, die bei nicht gewinnorientierten Unternehmen zur Anwendung kommt.

8

Eine Limited kann jeweils von einer oder mehreren Personen als Aktionäre („shareholder“) gegründet werden. Zusätzlich müssen ein Geschäftsführer („director“), dessen Stellung eher der eines Beauftragten und gerade nicht der eines Organs entspricht,[16] und ein Sekretär („secretary“) bestellt werden, die selbst Aktionäre sein können. Auch wenn eine Limited nicht in Großbritannien ansässig ist, wird sie dennoch nach den dort geltenden Vorschriften gegründet und in die dortigen Register eingetragen. Dies macht einen Verwalter in Großbritannien erforderlich.

9

Die europäische Rechtsentwicklung[17] gebietet es, Kapitalgesellschaften wie die Limited auch auf nationaler Ebene anzuerkennen, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat der EU wirksam gegründet wurden, selbst wenn sie ihrer Geschäftstätigkeit ausschließlich in Deutschland nachgehen. Aus diesem Grund wird die Limited seit dem Jahre 2003 auch in Deutschland als juristische Person anerkannt. Dieser Unternehmensform wurde in den ersten Jahren wegen der Flexibilität in der Kapitalausstattung eine besonders hohe Attraktivität unterstellt, da ihre Gründung verhältnismäßig einfach vonstatten geht[18] und – neben der (symbolischen) Mindeststammeinlage von 1 £ – keinen Mindestkapitalvorschriften unterliegt.

10

Die Limited bot außerdem als Scheinauslandsgesellschaft Gesellschaftsleitern zweifelhafter Herkunft entscheidende Vorteile: So konnte nach herrschender Auffassung jemand, der nach § 6 Abs. 2 GmbHG wegen Verurteilung aufgrund einer Insolvenzstraftat von der Geschäftsführung einer GmbH ausgeschlossen ist, weiterhin Geschäftsführer einer deutschen Zweigniederlassung einer Auslandsgesellschaft sein, wenn das jeweilige nationale Recht dies zuließ.[19] Auch gelten zwar die rechtsformunabhängigen Straftatbestände des nationalen Strafgesetzbuches, insbesondere die §§ 283 ff. StGB, auch für die Entscheidungsträger ausländischer Gesellschaften.[20] Im Gegensatz zu den Geschäftsleitern deutscher Gesellschaften unterlagen Entscheidungsträger einer Limited sowie die anderer ausländischer Gesellschaften bis zum 31.10.2008 jedoch nicht den Straftatbeständen der Insolvenzverschleppung im Sinne der § 84 GmbHG, § 401 AktG, § 130b HGB und § 148 GenG (jeweils a.F.).[21] Denn diese Tatbestände bezogen sich jeweils auf die spezifische deutsche Rechtsform, und eine täterbelastende analoge Anwendung liefe dem strafrechtlichen Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG zuwider.[22]

11

Mit der Modernisierung des GmbH-Rechts ging diese Attraktivität der Limited jedoch weitgehend verloren. Die Sperre des § 6 Abs. 2 GmbHG wird jetzt durch § 13e Abs. 3 S. 2 HGB auf ausländische juristische Personen erstreckt. Auch formuliert § 15a InsO eine strafbewehrte Insolvenzantragspflicht, die von der Rechtsform der juristischen Person unabhängig ist,[23] so dass sich das vorherige Problem der im Strafrecht unzulässigen Analogie nicht mehr stellt. Zudem wurde die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft (kurz: UG (haftungsbeschränkt)) eingeführt. Bei der UG (haftungsbeschränkt) handelt es sich gem. § 5a Abs. 1 GmbHG um eine Gesellschaft, deren Stammkapital die in § 5 Abs. 1 GmbHG normierte Grenze von 25.000 € unterschreitet. Damit kennt nun auch das deutsche Recht eine Personengesellschaft mit geringen Mindeskapitalanforderungen; so ist auch hier im Extremfall eine Gründung mit einem Stammkapital von nur 1 € möglich.[24]

12

Obwohl die UG (haftungsbeschränkt) durch einige Stimmen in der Rechtswissenschaft als mindere Form der GmbH bespöttelt wurde,[25] ist die gesellschaftsrechtliche Neuerung in der Praxis gut angenommen worden. Die UG (haftungsbeschränkt) hat die Limited nahezu vollständig aus der Landschaft der deutschen Kapitalgesellschaften verdrängt[26] und bietet mit ihrer schnellen, einfachen und kostengünstigen Gründung vor allem jungen Existenzgründern eine Chance.[27]

Allerdings gehen mit dieser Entwicklung auch einige Risiken einher. Das durchschnittliche Stammkapital einer neugegründeten UG (haftungsbeschränkt) beträgt gerade einmal 1250 €; in vielen Fällen beläuft es sich sogar auf weniger als 500 €.[28] Es mangelt diesen Gesellschaften daher meist an finanzieller Stabilität, weshalb die Vermutung nahe liegt, dass zahlreiche Geschäfte dieser UGs stark unterfinanziert sind und ein erhöhtes Insolvenzrisiko besteht. [29] So wird durch die häufige Unterkapitalisierung der UG bereits durch die Gründungskosten eine rechnerische Überschuldung nahe liegen.[30]

13

Ein nicht völlig unerheblicher Teil der Insolvenzanträge von Unternehmen wird mangels Masse abgelehnt. Dies verwundert, da es – zumindest im Bereich der Kapitalgesellschaften – eine Abweisung mangels Masse eigentlich gar nicht geben dürfte. Denn die Verantwortlichen sind zur laufenden Überprüfung der Liquidität ihres Unternehmens verpflichtet und müssen nicht erst bei Zahlungsunfähigkeit[31], sondern bereits in Fällen der Überschuldung[32] einen Insolvenzantrag stellen. Dies ist ein Grund dafür, dass jeder Insolvenzantrag einer Kapitalgesellschaft, der mangels Masse abgewiesen wird, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung nach sich zieht.

Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › A. Praktische Bedeutung der Insolvenzen und ihre Bedeutung für die strafrechtliche Praxis › II. Überblick über die einzelnen Insolvenzstraftaten

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