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Die Weihnachtswiese
(Im Hintergrunde eine dichte Hecke von kleinen Weihnachtsbäumchen, deren jedes ein Sternchen an der Spitze trägt. In der Mitte dieses kleinen Waldes steht eine winzige, goldene Wiege, in der ein Kindchen mit silbernem Krönchen schläft. Vorn rechts steht ein silberner Baum mit vergoldeten Äpfeln und Nüssen, links ein goldener Baum mit Pfefferkuchen und Brezeln. Der Mittelgrund ist in zwei Hälften geteilt. Auf der rechten Seite wachsen aus der Erde wie Spargel Soldaten, Pferdchen, Nußknacker, Hampelmänner, Petze usw.; auf der linken Seite Puppen in allen Größen und Formen. Teils gucken diese Spielsachen nur erst mit dem Kopfe aus der Erde hervor, teils sind sie halb, teils ganz herausgewachsen. Neben der Wiege im Hintergrunde sitzt der Weihnachtsmann in Pantoffeln, Pelzmütze und Pelzrock, die Pfeife im Munde und wiegt das Christkindchen. Im Vordergrunde springt das Pfefferkuchenmännchen mit grotesken Sprüngen herum und begießt die Puppen, Soldaten und Weihnachtsbäumchen. Es hat einen kaffeebraunen Anzug an mit großen, blauen Zuckerknöpfen und auf Bauch und Rücken je ein großes, goldenes Pflaster. Es herrscht eine goldmatte Dämmerung.)
Weihnachtsmann
(wiegt leise die Wiege und singt dazu:)
Stille Nacht – heilige Nacht – (den ersten Vers.)
(dann zum Pfefferkuchenmännchen.)
Nun, Printenmännchen, wächst alles fleißig?
Sind die Weihnachtsbäumchen schön im Reisig?
Und steht es gut mit der Spielzeugsaat?
Pfefferkuchenmännchen
Brillant in dem Jahre, es ist ein Staat!
Weihnachtsmann
Wird also ’ne gute Ernte werden?
Pfefferkuchenmännchen
Ein bissel noch fehlt’s bei den Hottepferden
Und bei den Hampelmännern, allein,
Die Soldaten, die werden extrafein;
Und nun im Puppengarten gar,
Da ist das Wachstum ganz wunderbar!
Weihnachtsmann
Müssen in dem Jahre auch reichlich haben;
Es gibt viel artige Mädchen und Knaben!
Pfefferkuchenmännchen
Allermeist genug für alle artigen Kinder;
Bonbons und Printen für die Leckermünder
Und was sonst Wünsche gemeldet werden,
Von Luftballons bis zu Schaukelpferden;
Soviel als sie immer haben wollen.
Weihnachtsmann
Man müßte sich bald mal die Liste holen
Vom Sandmännchen … ach, da fällt mir ein,
Es muß doch jetzt die Stunde sein,
Daß Peterchen und Anneliese
Herkommen nach der Weihnachtswiese!
Sie reiten hier auf dem Bären vorüber,
Das Sandmännchen bringt sie zum Mondberg hinüber;
Die Nachtfee hat mir das sagen lassen. –
Also, wenn sie uns jetzt besuchen,
Pflück’ du ihnen Nüsse und Pfefferkuchen.
Sind artige Kinder, alle beide,
Machen ihrem Mütterchen Freude.
(Er wiegt weiter.)
Pfefferkuchenmännchen
Wird gemacht, wird gemacht, mit größtem Vergnügen! –
Jetzt müssen die Weihnachtsbäumchen was kriegen!
(Er begießt die Bäumchen und singt dazu, während der Weihnachtsmann wieder wiegt:)
O Tannebaum, o Tannebaum – (den ersten Vers.)
(Ein Sausen wird in der Luft hörbar.)
Weihnachtsmann
(steht auf)
Es summt und surrt, es brummt und braust,
(weist nach rechts in die Luft)
Ich glaube, dort kommen sie angesaust.
Sie reiten mit gewaltiger Schnelle!..
(Das Sausen reißt ab; von rechts rollt der Bär mit seinen Reitern heran.)
Sandmännchen
Hallo, hallo, wir sind zur Stelle!
Weihnachtsmann
Ei, ei, das ist mir eine Freude!
Guten Tag, ihr lieben Kinderchen beide,
Und Sandmännchen und Maikäfermann.
Kommt nur herunter und seht euch an,
Was alles wächst auf der Weihnachtswiese!
(Er stellt eine Leiter an, und sie klettern herunter.)
Guten Tag, Peterchen, (gibt Peterchen die Hand.)
guten Tag, Anneliese! (gibt Anneliese die Hand.)
Ja, ja, ich kenn’ euch, wißt ihr’s nicht mehr?
Ich kenne euch gut, noch von Weihnachten her!
Peterchen
Ach ja, ich weiß, es war furchtbar fein,
Du kamst ganz leis’ in die Stube hinein,
Ganz voll von Schnee waren deine Füße,
Und ein großer Sack voll Äpfel und Nüsse,
Der hing über deinen Rücken und Bauch,
Und Pelzhandschuhe, die hattest du auch,
Und einen großmächtigen, goldenen Stock,
Ja, und einen ganz grünen, dicken Rock.
Und Anneliese hat sich versteckt,
Und nachher hab’ ich sie so geneckt,
Weil du gar nicht böse gewesen bist
Und was erzählt hast vom heiligen Christ
Und unser Weihnachtsbäumchen gebracht hast
Und Nüsse und Äpfel und weil du gelacht hast
Und uns gelobt, weil wir ganz allein
Unsern Spruch gesagt haben, ja, das war fein!
Weihnachtsmann
Nun, siehst du, da sind wir ja beide gut Freund.
(zu Anneliese)
Und warum hat Anneliese geweint?
Anneliese
(zutraulich)
Ach, weißt du, damals war ich noch klein;
Jetzt fürcht’ ich mich gar nicht mehr, o nein,
Auch nicht ein bißchen, weil wir dich besuchen,
Und … hier ist so vieler Pfefferkuchen!
Weihnachtsmann
(lacht)
Ja ja, hier ist es wunderschön! –
Und nun kommt, nun wollen wir alles besehen!
(Er nimmt die Kinder an der Hand und führt sie umher. Inzwischen pflückt das Pfefferkuchenmännchen zwei Pakete mit Pfefferkuchen vom Baum.)
Seht ihr, hier wachsen die Soldaten;
Wenn sie reif sind, nehme ich einen Spaten
Und grabe sie jeden aus seinem Beet
Mit einem Stück Rasen, daß er steht. –
Hier wachsen die Petze, die Pferde und Hasen;
Wenn sie größer sind, fangen sie an zu grasen
Und laufen immer lustig im Kreise
Und quietschen, jedes auf seine Weise.
Anneliese
Ach, das ist lustig!
Peterchen
Das ist mal schön!
Weihnachtsmann
Ja, es ist drollig anzusehn;
So ausgelassen sind die Rangen,
Und schließlich werden sie eingefangen. –
Und hier ist die Bilderbücherwiese,
Die wachsen da lustig wie Gemüse. –
Dies ist das Trompeten- und Trommelbeet,
Wenn sie reif sind, werden sie abgemäht. –
Dort an den Sträuchern wachsen Bonbons,
Die Schilfkeulen werden Zeppelin-Ballons. –
Und hier, seht – hier ist der Puppengarten.
Anneliese
(schlägt staunend in die Händchen)
Ach ja!! –
Weihnachtsmann
Die muß man pflegen und warten
Und sehr behutsam putzen und hüten.
Erst sehen sie aus wie ganz kleine Blüten,
Gelb und grün und rot und blau,
Und man weiß es noch nicht ganz genau,
Wie sie werden, man kann es noch nicht sehen;
Dann wachsen Gesichterchen …
Anneliese
(klatscht in die Händchen)
Ach, ist das schön!
Weihnachtsmann
Ja, und schließlich, wenn sie reifen,
Wachsen die Haare, die Schühchen, die Schleifen.
Und ganz zuletzt, wenn alles geglückt,
Werden sie vorsichtig abgepflückt.
(Die Kinder stehen ganz versunken.)
Peterchen
Ach ja, nun weiß man doch, wie es geht.
Anneliese
Wie so ein liebes Püppchen entsteht.
Weihnachtsmann
Und hier und dort wachsen Weihnachtsbäumchen;
Um die ganze Wiese läuft so ein Säumchen
Von kleinen, größeren und ganz großen,
Und sie werden mit Zuckerwasser begossen. –
Das alles tut der Printenmann.
Die Kinder
(staunend)
Und sieht sich dabei so lecker an!
Pfefferkuchenmännchen
(mit komischen Bücklingen)
Natürlich, natürlich, viel gibt’s zu tun,
Immer geschäftig, kein’ Zeit zu ruhn!
Vom vielen Arbeiten und Mühn
Kommt’s, daß ich Weihnacht so mürbe bin,
Daß ich so gebräunt und lecker aussehe
Und so schnick schnack auf der Zunge zergehe!
(Er macht einen grotesken Sprung.)
Peterchen
(nachdenklich)
Ja, aber, Printenmännchen, das heißt,
Tut es nicht weh, wenn man von dir abbeißt?
Pfefferkuchenmännchen
Oh, wenn ich erlaubt bin, dann kitzelt es mich,
Und dann freue ich mich fürchterlich;
Aber, wenn ich verboten bin, oh jeh,
Dann tut das Abbeißen furchtbar weh.
Weihnachtsmann
Ja ja, wenn die Kinder das nur wüßten,
Sie ließen von ihren Naschgelüsten. –
Und nun kommt her und seht es liegen
Das Christkindchen in seiner Wiegen.
Es schläft, um sich das Herz zu stärken
Zu allen seinen Liebeswerken.
Derweil muß ich es wiegen und warten
Hier oben im stillen Weihnachtsgarten;
Und wenn unsere Stunde gekommen ist,
In der Winterszeit, zum heiligen Christ,
Dann weck’ ich es ganz leise, leise,
Und wir machen uns auf die weite Reise
Durch Nacht und Wälder, durch Schnee und Wind,
Dorthin, wo artige Kinder sind.
(Die beiden Kinder falten die Händchen und knien andächtig an der Wiege nieder. Von fernen Harfen und Geigen ertönt die Melodie: »O, du fröhliche …« Während der Musik glühen an den Bäumchen um die Wiege Lichter auf. Als das Lied verklungen ist, stehen die Kinder auf, und der Weihnachtsmann steckt ihnen je ein Pfefferkuchenpaketchen in das Körbchen.)
Weihnachtsmann
Das ist für die Reise, schmeckt wunderschön! –
Bleibt brav, und Weihnacht auf Wiedersehen!
Sandmännchen
Kommt schnell, es ist Zeit, kommt schnell, es ist Zeit,
Der Weg ist noch weit, der Weg ist noch weit!
(Die Kinder eilen zu dem Bären, erklettern ihn auf dem Leiterchen und nehmen hintereinander Platz.)
Sandmännchen
Hopp, Petz, jetzt geht’s zur Kanone, hopp hopp!
Nun lauf’ deinen allerschnellsten Galopp!
(Der Bär rollt schnell fort. Ein lautes Sausen beginnt.)
Vorhang
Verwandlung
(Das Sausen tönt fort und der Vorhang teilt sich wieder. Man erblickt den Bären im Mittelgrunde; auf dessen Rücken das Sandmännchen, die Kinder und den Maikäfer, eng umschlungen und vornüber geneigt. Vom Winde durch die schnelle Fahrt flattert das Fell des Bären, die Haare der Kinder, die Zipfelmütze und der Mantel des Sandmännchens und die kleine Geige des Maikäfers. Im Hintergrunde sieht man den bestirnten Nachthimmel langsam vorüberziehen. Das Sausen tönt fort als der Vorhang sich wieder schließt.)
Verwandlung
(Sternenlose Nacht ringsum. Auf einem kleinen, grauen Hügel steht eine gewaltige, silbern schimmernde Kanone, mit der Mündung zum Himmel gerichtet. Eine kleine Leiter lehnt am Rad. Es ist weiter nichts zu sehen. Man hört noch immer das Sausen in der Luft, der Bär rollt mit seinen Reitern heran.)
Sandmännchen
Halt, Petz! – Hier sind wir am Ziel der Reise!
(Er rutscht von seinem Sitz, lehnt das Leiterchen an den Bären, und die Drei klettern herunter.)
Sandmännchen
So, Petz, nun lauf’ du auf deine Weise
Nach Hause in den Bärenstall!
Schön Dank bis auf das nächste Mal!
(Er klopft den Bären, und der rollt fort.)
Sandmännchen
(in Positur)
Jetzt, meine Herrschaften, kommt das große Abenteuer. – Erst will ich mal sehen, ob die Kanone auch hübsch sauber ist. (Er lehnt die Leiter an die Mündung und guckt hinein.) Na, es ist noch nicht so ganz besonders. Maikäfer, gib mir mal den Wischer her! (Der Maikäfer reicht einen Wischer, der am Boden lag. Das Sandmännchen putzt mit komischer Gründlichkeit den Lauf. Beim Putzen:) Wenn der Lauf – nämlich nicht – spiegelblitzeblank – ist – dann scheuert ihr euch – beim Herausfliegen – die Nasen ab. – Und das wollen wir doch lieber – nicht machen! – (Er ist mit dem Putzen fertig.) So, nun ist er blank, wie eine Kakaobüchse. Jetzt geht es geschmiert. (Er kommt herunter.) Hört also mal ganz genau her. Ich werde euch jetzt da hinein laden. Habt ihr Angst?
Die Kinder
Nein, Sandmännchen!
Sandmännchen
Gut! Also, zuerst kommt der Maikäfer dran, der ist der Dickste; dann Peterchen und dann Anneliese. Und wenn ich zähle, eins – zwei – drei – so macht ihr bei »drei« die Augen zu; da geht’s nämlich los. Ihr fliegt dann einer nach dem anderen oben auf den Mondberg und dort angekommen, macht ihr die Augen wieder auf. Habt ihr verstanden?
Die Kinder
Ja, Sandmännchen!
Sandmännchen
Oben aber ist ein Wald, und in dem Walde hängt das Beinchen an einem Baum, und von diesem Baume müßt ihr es herunternehmen und dem Maikäfer mit Spucke wieder ankleben. Habt ihr verstanden?
Die Kinder
Ja, Sandmännchen!
(Der Maikäfer tanzt herum.)
Sandmännchen
Halt du! – Da gibt’s nichts zu tanzen! – Jetzt wird hier aufgepaßt! – Wenn ihr also in dem Walde seid, und der böse Mondmann sollte euch sehen und euch zu Leibe gehen wollen, dann fürchtet euch nur nicht; denn die Elemente stehen euch bei. Wenn ihr euch aber gar nicht mehr wehren könnt, dann ruft nur eure Sternchen an, die helfen euch sicher. Habt ihr verstanden?
Die Kinder
Ja, Sandmännchen!
Sandmännchen
Und wenn die Morgenröte kommt, dann ist es Zeit; sie warnt euch; dann müßt ihr die Erde anrufen, und die gute Erde wird euch sogleich wieder aufnehmen. Habt ihr verstanden?
Die Kinder
Ja, Sandmännchen!
Sandmännchen
So, und nun lebt wohl, ihr lieben, artigen Kinderchen! Ich wünsche euch von Herzen Glück zu eurem großen Abenteuer!
Die Kinder
Danke schön, liebes, gutes Sandmännchen!
Anneliese
Gib mir einen Kuß!
(Das Sandmännchen küßt.)
Peterchen
Mir auch!
(Das Sandmännchen küßt.)
Sandmännchen
So, und nun ist es die höchste Zeit! Komm her, Maikäfer – du bist der Erste.
Maikäfer
(springt ängstlich herum)
Summ – summ – wenn es schießen tut,
Hab’ ich Angst, hab’ ich Angst, ich gehe kaputt!
Sandmännchen
Was? Schäm’ dich, du alter Kerl! Du willst Angst haben? Für Ihn wird die ganze Geschichte gemacht, und da strampampelt Er hier? – Will er wohl gleich! –
(Der Maikäfer kommt ängstlich, das Sandmännchen packt ihn, zieht ihn auf die Leiter und stopft ihn oben in den Lauf hinein.)
So, und nun die Augen zumachen!
(Das Sandmännchen tritt an das hintere Ende der Kanone.)
Eins – zwei – drei! –
(Er zieht an einer Schnur, und die Kanone entlädt sich mit einem dumpfen Knall. Aus der Mündung sprüht ein Regen von Funken, und mitten darin sieht man ein braunes Etwas in den Himmel fliegen.)
Sandmännchen
Seht ihr, da fliegt er! – Gut getroffen! – (Er wendet sich zu den Kindern.) Der ist also oben.
Die Kinder
(klatschen in die Hände)
Das war fein!
Sandmännchen
Jetzt Nummero zwei; komm’, Peterchen! (Er hebt Peterchen hoch und steckt ihn in das Rohr; dann stellt er sich hinter die Kanone.) Glück auf die Reise! – Augen zu! – Eins – zwei – drei! – (Er zieht ab, die Kanone kracht, der Funkenregen stiebt, und ein weißes Etwas saust in die Luft.)
Sandmännchen
So, der ist auch oben! – Und nun kommt das kleinste Paketchen hinterher! Komm’ Anneliese!
Anneliese
(winkt mit dem Händchen, während sie in den Lauf gestopft wird.)
Ade! – Ade!
Sandmännchen
(stellt sich hinter die Kanone)
Augen zu! – Eins – zwei – drei! –
(Er zieht ab, und in dem Funkenregen fliegt ein kleines, weißes Paketchen in die Ferne.)
Sandmännchen
(starrt in die Luft)
Nun ist auch das Kleinste glücklich da oben;
Hab’ gut gezielt und muß mich loben!
(mit einem Seufzer.)
Man erlebt auf dem Monde so selten was,
Und dies war doch mal ein besonderer Spaß!
Zwei schöne Äpfelchen gaben sie mir,
Schick’ ihnen nun schöne Träume dafür.
Sie waren wirklich sehr lieb und gut,
Und mir ist ganz weinerlich zu Mut.
(Er wischt sich mit vieler Umständlichkeit die Augen und starrt dann wieder in die Luft. Plötzlich reckt er die Faust gen Himmel.)
Wenn der Mondmann ihnen ein Leid antut,
Soll er das Sandmännchen kennen lernen;
Ich schwör’ es bei allen meinen Sternen!
Den ganzen Himmel ruf’ ich herbei
Und reiß’ ihm die schwarze Seele entzwei,
Daß die Fetzen nur so durch die Lüfte fliegen
Und an allen Enden des Mondes liegen!
(Er fuchtelt mit den Fäusten zum Berge hinauf.)
Ich schwör’ dir’s, Mondmann, bei allen Sternen,
Dann sollst du das Sandmännchen kennen lernen!
(Während das Sandmännchen mit den Fäusten in der Luft herumfuchtelt, fällt der Vorhang.)
Verwandlung
Auf der Höhe des Mondberges
(Unregelmäßig gerundete, mit seltsamen, silbergrauen Bäumen bestandene Bergterrasse. Im Hintergrunde scheint es ins Bodenlose zu gehen. Völlig schwarzer Himmel. Gespenstig fahl blaues Licht. An einem der Bäume hängt ein Maikäferbeinchen. Der Mondmann, ein schwarzer, wüst aussehender Riese, läuft mit einer Axt in der Hand und einem Bündel Knüppeln auf dem Rücken umher.)
Mondmann
Verflucht sei die Welt, verflucht sei die Zeit,
Verflucht meine ewige Einsamkeit!
(läuft zum Rand des Berges.)
Dort, in der Tiefe, dort liegt die Erde,
Die ich nie wieder betreten werde;
Verdammt sollen alle Menschen sein,
Pest, Hunger und Tod in ihr blasses Gebein!
(schwingt wütend die Axt.)
Ich hasse dieses Menschengezücht,
Das da glücklich im Lichte der Sonne kriecht!
(wendet sich und droht mit der Axt.)
Oh, käm’ mir mal einer hier herauf,
Mit Haut und Haaren fräß’ ich ihn auf!
Schlachten würd’ ich ihn, langsam braten
Am Spieß, er sollte mir wohl geraten!
Ich ließe ihn backen hundert Stunden,
Dann sollten mir seine Gliederlein munden.
Schon tausend Jahr’ hab’ ich nichts gegessen,
Tausend Menschen könnte ich fressen
Mit Haut und Haar, mit Hut und Schuh; –
Ach, käm’ es doch nur einmal dazu!
(Vor dem Maikäferbeinchen.)
Du, Beinchen, an dem Birkenbaum,
Du bist mein letzter Hoffnungstraum;
Denn findet der Käfer ein Kinderpaar,
So kommen sie her, und dann wird’s wahr,
Dann kann ich all mein Leid vergessen,
Dann kann ich sie fressen, fressen, fressen!
(Man hört den dumpfen Ton eines fernen Kanonenschusses.)
Mondmann
Ha, was war das? – ein Kanonenschuß?
Das klingt mir wie ein Hoffnungsgruß! –
Will mich zunächst einmal verstecken.
(Er kriecht hinter einen Baum und duckt sich dort. Auf den Rand der Terrasse wird aus dem Hintergrunde herauf plötzlich der Maikäfer geworfen. Er sitzt mit seltsamer Possierlichkeit, wie ein plötzlich durch Schreck Geweckter, und reibt sich die Augen.)
Maikäfer
Du lieber Himmel, das war ein Schrecken!
(Ein zweiter Schuß ertönt. Peterchen fliegt neben den Maikäfer auf den Rand und reibt sich die Augen.)
Peterchen
Bauz, pardauz, das war ein Vergnügen,
So puff, hoch durch die Luft zu fliegen!
Es sumst einem ordentlich in den Ohren …
(Ein dritter Schuß ertönt. Anneliese fliegt neben Peterchen auf den Rand und reibt sich die Augen.)
Anneliese
Beinahe hätt’ ich mein Püppchen verloren,
So bin ich durch die Luft gebrummt,
So toll hat die Kanone gebummt!
(Alle drei gucken sich an und lachen.)
Alle drei
Das war mal lustig, ha ha ha!
Peterchen
(sieht sich um)
Ich glaube, jetzt sind wir endlich da
Und können das Beinchen suchen gehn! –
Maikäfer
Da hängt es, da hängt es, ich hab’s gesehn!
(Alle drei laufen zu dem Baum, an dem das Beinchen hängt. Der Mondmann stürzt mit Gebrüll aus seinem Versteck hervor und vertritt ihnen den Weg. Der Maikäfer fällt sofort auf den Rücken und stellt sich tot. Die Kinder bleiben stehn.)
Peterchen
(unverzagt)
Bist du der Mondmann?
Mondmann
Der Mondmann? Ja!
Was wollt ihr winzigen Würmer da?
Was wollt ihr in meinem Waldrevier?
Peterchen
Hast du nicht ein Maikäferbeinchen hier?
Mondmann
(lacht wild)
Ein Maikäferbein, ein Maikäferbein?
Das soll hier auf dem Mondberg sein?
Peterchen
Die Nachtfee sagt, es wäre da,
Und ich seh’ es schon hängen, da ist es ja!
Mondmann
Was siehst du hängen, du winziger Wicht? –
Was an dem Baum hängt, das kümmert dich nicht!
Hierher gehört das Maikäferbein,
Und ich geb’ es nicht her, denn es ist mein!
Peterchen
Das ist nicht wahr, es gehört nicht dir,
Es gehört einem armen, kleinen Tier!
Mondmann
So? Was du Kröte nicht alles weißt!
Da sag’ mir doch erst einmal, wie du heißt?
Peterchen
Ich heiße Peterchen und bitte dich sehr,
Gib jetzt dem Maikäfer sein Beinchen her!
Mondmann
Du bittest mich sehr? Was gibst du mir,
Wenn ich es dir gebe, denn wieder dafür?
Anneliese
Du kannst einen schönen Apfel haben!
(reicht ihm ihren letzten Apfel. Der Mondmann reißt ihn aus ihrer Hand und verschlingt ihn.)
Mondmann
Schmeckt gut! – (Zu Peterchen.)
Hast du auch solche Gaben?
Peterchen
(gibt seinen letzten Apfel, den der Mondmann ebenso verschlingt)
Hier hast du den letzten. – Nun gib es uns her!
Mondmann
(zu Anneliese)
Da in dem Körbchen ist ja noch mehr!
Anneliese
(nimmt zögernd das Paketchen mit Pfefferkuchen heraus.)
Pfefferkuchen – vom Weihnachtsmann!
Mondmann
(reißt es ihr aus der Hand)
Her damit, wenn man’s fressen kann!
(Er verschlingt es. Anneliese bekommt dicke Tränen in die Augen.)
Mondmann
(zu Peterchen)
Und du, da ist auch noch was drin! –
Siehst du nicht, daß ich hungrig bin?
Peterchen
(gibt ihm sein Päckchen)
Da hast du, – hungrig sollst du nicht sein;
Aber gib uns nun, bitte, das Maikäferbein!
Mondmann
(fressend und kauend)
Ist noch nicht genug, habt ihr gehört?
Das Beinchen ist mir noch viel mehr wert!
Peterchen
Wir haben nichts mehr …
Mondmann
Ihr habt nichts mehr?
Dann gib mir mal den Hampelmann her!
Peterchen
(entsetzt)
Meinen Hampelmann?..
Mondmann
Ja, gib ihn her!
Der bunte Kerl gefällt mir sehr! –
Peterchen
Und bekommen wir dann …
Mondmann
Das will ich mal sehn!
Erst gib ihn her! –
Peterchen
(reicht ihn zögernd)
Hier, bitte schön!
Mondmann
(besieht den Hampelmann von vorn und hinten und verschlingt ihn mit einem gewaltigen Biß.)
Peterchen
(entsetzt)
Er frißt ihn auf!
(Anneliese fängt an zu weinen.)
Mondmann
Schmeckt wunderschön!
(schnüffelt nach Annelieses Puppe.)
Und da hab’ ich noch so ein Püppchen gesehn!
Immer her, immer her mit dem Puppenkind;
Sonst geb’ ich das Beinchen nicht raus – geschwind!
Anneliese
(weint laut und kriecht hinter Peterchen.)
Nein nein, mein Püppchen soll er nicht kriegen!
Komm, Peterchen, komm, nach Hause fliegen!
Peterchen
Anneliese, nicht weinen – laß nur sein,
Wir kriegen ja gleich das Maikäferbein,
Und wenn wir zu Hause sind, ja, dann
Schreiben wir gleich an den Weihnachtsmann;
Er soll was schicken.
Anneliese
Das mußt du tun,
Ich kann noch nicht schreiben … und nun … und nun …
(Sie hält dem Mondmann das Püppchen mit entsetzt aufgerissenen Augen hin. Der Mondmann reißt es aus dem Händchen und frißt es auf.)
Anneliese
(schreiend)
Nicht essen, mein Püppchen, ach nein, ach nein!
Peterchen
(legt die Ärmchen um sie)
Laß, Anneliese, das muß so sein.
Jetzt hat er alles, was er will
Und gibt uns das Beinchen. (streichelt sie.)
Sei still, sei still!
(Anneliese beruhigt sich wieder.)
Peterchen
(energisch)
So, Mondmann, jetzt haben wir garnichts mehr,
Jetzt gibst du uns aber das Beinchen her!
Mondmann
(wischt sich das Maul)
Ihr habt nichts mehr? Das ist ein Spaß! –
(schmunzelnd)
Ich weiß es, ich weiß es, ihr habt noch was!
Peterchen
Es ist nicht wahr, guck’s Körbchen an!
(beide strecken ihr Körbchen hin.)
Mondmann
(zieht schmunzelnd ein langes Messer)
Ei, ei, jetzt kommt ihr ja selber dran;
Geschlachtet und gebraten, fein,
Knusprig die weißen Gliederlein!
Peterchen
(zieht mutig sein kleines Holzschwert)
Geh’ weg, du häßlicher, böser Mann!
Mondmann
(greift schmunzelnd nach Anneliese)
Erst kommt das zarte Schwesterchen dran!
(In diesem Augenblick wird es pechfinster. Ein greller Blitz zuckt, und ein brüllender Donnerschlag folgt. Als es wieder hell wird, liegt der Mondmann mehrere Schritte zurück auf dem Rücken und reibt sich alle Glieder vor Schmerzen.)