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Der subjektive Charakter von Marienerscheinungen

Diese Visionen sind Erzeugnisse der sprudelnden Phantasie hochsensibler Frauen und ganz auf der Grundlage der römisch-katholischen Marientraditionen (Verehrung der Mutter Marias, Auferstehung und Himmelfahrt Marias) gewonnen. Sie belegen, wie eine (imaginäre) Bilderwelt auf Menschen einstürmen kann, wenn erstens bestimmte äußere Bedingungen wie Schlafentzug und Krankheit gegeben sind und zweitens die religiöse Bilderwelt durch intensive Beschäftigung mit ihr und durch einen institutionellen Rahmen gegenwärtig ist. All das begründet die Annahme, dass diese Erscheinungen subjektiv sind und mit einer externen Wirklichkeit nichts zu tun haben: Die Maria, die Elisabeth von Schönau und Anna Katharina Emmerich geschaut haben, gibt es außerhalb der Phantasie der beiden Frauen nicht.

Berühmte Marienerscheinungen in neuerer Zeit

Zu den berühmtesten Marienerscheinungen in neuerer Zeit (vgl. dazu die Auflistungen bei Ziegenaus 1995) gehören die Erscheinungen von Lourdes (1858), Fatima in Portugal (1917) und Medjugorje (seit 1981), einem Dorf in Bosnien-Herzegowina. Doch stellen sie nur einen kleinen Ausschnitt aus einer Fülle ähnlicher Erscheinungen dar.

Von Jahrhundert zu Jahrhundert steigt die Zahl der Erscheinungen: Zeigte sich Maria im 18. Jahrhundert nur dreißigmal, so im 19. Jahrhundert schon knapp 200mal und im 20. Jahrhundert gut 450mal. Zwischen 1930 und 1950 untersuchten kirchliche Behörden allein in Westeuropa nicht weniger als etwa 300 Marienerscheinungen, die zum größten Teil einfachen Dorfkindern zuteil geworden sein sollen. Maria hatte ihnen meistens ans Herz gelegt, zu Gebet, Buße und Rosenkranzgebet aufzurufen.

Theologische Begründung der Marienerscheinungen

Warum zeigt sich Maria immer öfter? Kirchlich-theologische Kreise verweisen gelegentlich auf die gegenwärtige »Endzeitsituation«. Das erste Kommen Jesu sei in Niedrigkeit geschehen; daher blieb auch Maria im Verborgenen. Das zweite Kommen Jesu aber werde in Herrlichkeit erfolgen, und seine Mutter habe hier eine vorbereitende Aufgabe. Dies sei durch ihre vielfachen Erscheinungen bewiesen worden (so Bischof Rudolf Graber im Jahr 1984; vgl. Hanauer 1997 : 86). Ein solches Verständnis ist indes nicht plausibler als der Glaube zahlreicher Sekten der Gegenwart, welche – oft im Widerspruch zueinander – die Bibel als Fahrplan für die letzten Dinge vor der Wiederkunft Christi lesen.

Empirische Gründe für Marienerscheinungen

Der Statistik zufolge werden Marienerscheinungen immer häufiger, und zwar sowohl in Westeuropa als auch in Nordamerika. Dafür gibt es verschiedene Erklärungsmöglichkeiten:

a) Die zunehmende Technisierung der Welt wie auch Modernisierungstendenzen innerhalb des Katholizismus verstärken die Sehnsucht von Gläubigen nach einer persönlichen Begegnung mit dem Göttlichen.

b) Maria lässt sich als »Göttin« auffassen. »Göttin Mutter« zusammen mit »Gott Vater« und »Gottes Sohn« können so als das himmlische Urbild der irdischen Familie gesehen werden. Die nämlich gilt es zu bewahren. Erst so ist die Welt in Ordnung.

c) Maria wird zur Projektion weiblicher Idealvorstellungen von Gott. Als Inbegriff der liebevollen und barmherzigen Mutter entspricht sie zudem der allgemeinmenschlichen Sehnsucht nach Geborgenheit und tritt an die Seite des »gerechten« und strengen Vatergottes.

d) Als von Gott erwählte, gehorsame Jungfrau dient sie dazu, Frauen zur Entsexualisierung ihres Körpers und zur Demut anzuhalten. Jedenfalls lädt die Gipsfigur in der Grotte von Lourdes zu dieser Deutung geradezu ein. Dort sieht man eine Maria mit niedergeschlagenen Augen und mit einem bis zur Unerkennbarkeit eingehüllten Körper.

e) Auch Männer finden Gefallen an einer solchen desexualisierten, reinen Heiligen. Um der eigenen sexuellen Probleme Herr zu werden, stilisieren sie Maria zur reinen Jungfrau.

Gründe für die kirchliche Anerkennung von Marienerscheinungen

In manchen Fällen ist der Grund für die kirchliche Anerkennung von Marienerscheinungen überdeutlich. Sie erfolgt dann, wenn die Vision kirchliche Dogmen stützt. So schaute am 11. Februar 1858 die fast vierzehnjährige Bernadette Soubirous in einer Grotte bei Lourdes eine »junge, wunderschöne Dame, ganz vom Licht umflossen«. Sie war »bestürzt«, berichtete Bernadette später und glaubte an eine »Täuschung«. Doch es war keine. Nach der Vernehmung durch den örtlichen Bischof befahl dieser der Seherin, die »wunderschöne Dame« nach ihrem Namen zu fragen. Nach dreimaliger Bitte stellte sich die Dame vor als »die unbefleckte Empfängnis«. Zweifellos stärkte dies die damals vier Jahre alte päpstliche Definition dieses Dogmas und förderte damit zugleich die offizielle kirchliche Anerkennung der Marienerscheinung von Lourdes. Bernadette sagte später folgerichtig, die Dame sei ihr erschienen, um die Worte des Papstes zu bestätigen. So bekam dieses Dogma »himmlische Rückendeckung«.

Eine Episode aus der Gegenwart belegt, dass katholische Würdenträger die Marienerscheinungen für ein reales Geschehen in Raum und Zeit halten (zum Folgenden vgl. Hanauer 1997 : 133 – 134). In einer Predigt in Fatima im Jahr 1990 sagte der Kölner Kardinal Joachim Meisner, Portugal habe der Maria Raum und Heimat gegeben. Von Fatima aus habe sie Christus wieder nach Europa getragen, um den bedrängten Jüngern ihres Sohnes in den gottlosen kommunistischen Staaten Osteuropas zu helfen. Meisner wörtlich: »Ich bin gekommen, um den Portugiesen zu danken, dass sie Maria für dieses Bekehrungswerk in Fatima Aufnahme gewährt haben.«

Dazu bemerkt Josef Hanauer: »Phrasen, nichts als Phrasen. Kardinal Meisner behauptet, Maria habe von Fatima aus Christus wieder nach Europa getragen. Wo war denn Christus vorher?« (1997 : 134). Gewiss verdient die Kritik Hanauers Gehör. Doch Tatsache bleibt: Millionen von katholischen Gläubigen nehmen die Worte des Kardinals ernst.

Ertrag

Die angeführten Beispiele betreffen nur einen Bruchteil einer Fülle von Marienerscheinungen. Kirchliche Untersuchungskommissionen haben viel Zeit und Energie darauf verwandt, ihre Authentizität zu prüfen. Beispielsweise muss eine bestimmte Anzahl von unerklärbaren Heilungen am betreffenden Ort nachgewiesen werden, damit die kirchliche Anerkennung folgen kann. So sind in Lourdes von der katholischen Kirche ungefähr 65 Fälle als wunderbare Heilungen anerkannt worden, während die Ärzte etwa 1300 als unerklärbar bezeichnet haben. Das internationale Ärztekomitee von Lourdes, dem 25 Mediziner aus dem Raum der Europäischen Union angehören, tritt regelmäßig einmal im Jahr zusammen, um Unterlagen über dortige Heilungen wissenschaftlich zu prüfen. Mit anderen Worten, die Kirche verhält sich gegenüber den sogenannten Wunderheilungen ausgesprochen zurückhaltend.

Diese Vorsicht ist zu begrüßen, doch wird damit das eigentliche Problem nicht berührt. Entscheidend geht es vielmehr um die Beantwortung der Frage: Hat das durch Visionen gedeutete Leben Marias an dieser selbst einen Anhalt? Stimmt der Inhalt der Lehre der verschiedenen Kirchen über Maria mit dem Bild überein, das die ältesten christlichen Texte von Maria zeichnen? Entspricht die verkündigte Maria der christlichen Kirchen dem, was sich über die historische Maria bei kritischer Untersuchung der Quellen erkennen lässt?

Maria in der protestantischen Dogmatik und in Stellungnahmen aus der evangelischen Kirche

Vorbemerkung

Am Anfang dieses Kapitels habe ich dargelegt, in welcher Weise führende evangelische Dogmatiker mit der historischen Problematik der Jungfrauengeburt umgehen. Es stellte sich heraus: Der Versuch, einerseits die Historizität der Jungfrauengeburt zu bestreiten und andererseits die theologische Intention der Aussage als glaubensverbindlich zu bewahren, ist unmöglich.

Zur Vertiefung des Themas sei an dieser Stelle ein weiterer Blick auf Stellungnahmen evangelischer Theologen zu Maria geworfen. Im Folgenden geht es um die Beiträge Karl Barths sowie einiger anderer Dogmatiker und anschließend um die Handreichung eines Arbeitskreises aus der evangelischen Kirche.

Das Thema »Maria« bei Karl Barth

Seltsamerweise setzte sich Karl Barth (1886 – 1968), der einflussreichste protestantische Theologe des 20. Jahrhunderts, entschieden für die Historizität der Jungfrauengeburt ein. Er tat dies trotz der Kontroverse um die Geltung des Apostolikums im Jahr 1892. Ein kurzer Rückblick auf die genannte Auseinandersetzung, die am Ende des 19. Jahrhunderts die Gemüter erhitzte, soll dies beleuchten (zum Folgenden vgl. Lüdemann 1996 : 297 – 298).

Der Apostolikumsstreit wurde ausgelöst durch die Dienstentlassung des württembergischen Pfarrers Christoph Schrempf (1860 – 1944). Unter Berufung auf sein Gewissen hatte er sich geweigert, bei der Taufe das Apostolische Glaubensbekenntnis mit seinen als ungeschichtlich erwiesenen Bestandteilen (vor allem der Jungfrauengeburt) zu sprechen, und setzte an dessen Stelle eine von ihm selbst verfasste zeitgemäße Tauffrage (vgl. Müller 2004 : 1003).

Adolf Harnack (1852 – 1930), der bedeutendste protestantische Theologe vor dem Ersten Weltkrieg, wurde von Studenten in Berlin nach seiner Meinung zu dem Fall Schrempf befragt und gab Ende des Sommersemesters 1892 eine öffentliche Antwort, die die Ungeschichtlichkeit der Jungfrauengeburt bekräftigte, aber eine sofortige Abschaffung des Apostolikums ablehnte. Diese Stellungnahme zog einen Sturm von Protesten und Solidaritätserklärungen nach sich, die aber schließlich alle im Sande verliefen – ebenso wie das Votum Harnacks selbst.

Der Streit um das Apostolikum zementierte faktisch das unverbundene Nebeneinander zwischen akademischer Theologie und praktischer Arbeit. Ging es bei dieser Kontroverse ursprünglich um die Ehrlichkeit des Pfarrers im Amt, befasste sich die akademische Diskussion mit der Bedeutung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses. Darüber konnte man akademisch endlos diskutieren, ohne dass es für das Problem der intellektuellen Redlichkeit des Pfarrers im Amt etwas ausgetragen hätte.

Karl Barth erschien wie ein Retter in der Not, die Kluft zwischen Pfarramt und theologischer Wissenschaft zu überwinden – allerdings nur mit einem Machtwort. Obwohl er als Student bei Adolf Harnack gelernt hatte, dass die Jungfrauengeburt kein historisches Ereignis war, setzte er sich umso hartnäckiger für deren Geschichtlichkeit ein und wies die Geistlichen an, das Apostolische Glaubensbekenntnis zu sprechen.

In der Christliche(n) Dogmatik im Entwurf aus dem Jahr 1927 setzt Barth die Jungfrauengeburt in eine enge Beziehung zur Auferstehung Jesu:

Daß Christus aufersteht von den Toten, das ist darin begründet, darum unvermeidlich zu lehren, weil er der wunderbar Empfangene und Geborene ist. Daß er der wunderbar Empfangene und Geborene ist, das enthüllt sich, das zeigt sich, das gibt sich zu erkennen in seiner Auferstehung. Nur das Wunder begründet das Wunder, und nur durch das Wunder gibt sich das Wunder zu erkennen. Damit es kein Entrinnen, kein Mißverstehen, keine Zweideutigkeit gebe über das »Deus dixit« [Gott hat geredet], um das es sich hier handelt (Barth 1927 : 275).

Der Person der Jungfrau Maria könne allerdings kein selbständiges dogmatisches Interesse zukommen. Denn zur Gottesgebärerin werde sie einzig und allein von Gott gemacht: »Nicht ihre Jungfräulichkeit ist das Wunder der Offenbarung und Versöhnung, sondern Gottes Tat an ihr, der Jungfrau, und das ist zweierlei« (Barth 1927 : 281).

Die Kirchliche Dogmatik führt diese Gedanken weiter aus, bringt aber a) in Bezug auf die Historizität der Jungfrauengeburt und b) hinsichtlich der Rolle der Maria nichts wesentlich Neues.

Zu a): Das »geboren von der Jungfrau Maria« wird nun nicht mehr als Grund der Auferstehung an sich, sondern als Entsprechung zum leeren Grab bezeichnet (Barth 1938 : 199). Sowohl die Jungfrauengeburt als auch das leere Grab stellten zwar keine Bedingungen, sondern Zeichen für den in Jesus Christus geschehenen Neuanfang bzw. für seine Auferstehung dar. Aber die Sache sei für uns doch nicht ohne das Zeichen zu haben: Niemand könne sagen, dass das leere Grab an sich die Macht hatte, »den Jüngern Jesu das verhüllte ›Gott war in Christus‹ zu enthüllen. Aber hat es sich ihnen anders als durch das Zeichen dieser äußeren Tatsache enthüllt?« (Barth 1938 : 195). Das gleiche gelte von der Jungfrauengeburt: »Hört nicht vielleicht doch bloß der das Zeugnis von dieser Sache, der sich an das Zeichen hält, mit dem das Zeugnis diese Sache nun einmal bezeichnet hat?« (Barth 1938 : 196).

Von daher verwundert es nicht, dass Barth auf die »populär-theologische Frage: ob ›man‹ denn, um wirklich christlich zu glauben, durchaus an die Jungfrauengeburt glauben müsse«, antwortet: Zwar sei es nicht ausgeschlossen, dass jemand auch ohne die Bejahung dieser Lehre »das Geheimnis der Person Jesus Christus erkennen und also wirklich christlich glauben« könne – denn es stehe »in Gottes Rat und Willen, dies möglich zu machen«. »Aber damit ist nicht gesagt, daß die Kirche die Freiheit habe, die Lehre von der Jungfrauengeburt zu einem Fakultativum für besonders starke oder auch für besonders schwache Gemüter zu machen.« Falls unter den Dienern der Kirche solche sein sollten, die an der Jungfrauengeburt zweifeln, so ist von ihnen zu verlangen, »daß sie ihren Privatweg als Privatweg behandeln und also nicht etwa ihrerseits zum Gegenstand von Verkündigung machen, daß sie das Dogma, wenn sie es persönlich nicht bejahen können und also (leider!) auch ihren Gemeinden vorenthalten müssen, wenigstens durch Schweigen respektieren« (Barth 1938 : 198, Hervorhebung GL).

Diese Ausführungen Barths leiten (leider!) zur Heuchelei an; in ihnen wird die – historisch widerlegte – Jungfrauengeburt gewissermaßen zum Stempel einer höheren Wahrheit.

Zu b): Die Bedeutung der Jungfrau Maria erschöpft sich in dem durch sie repräsentierten allein aus Gnade. Als »Gestalt des nicht wollenden, nicht vollbringenden, nicht schöpferischen, nicht souveränen Menschen …, der bloß empfangen, der bloß bereit sein, der bloß etwas an und mit sich geschehen lassen kann«, hat sie dem handelnden Gott nichts Eigenes entgegenzubringen (Barth 1938 : 209 – 210). Ihre Jungfräulichkeit bildet nicht etwa den Anknüpfungspunkt für die göttliche Gnade. Maria ist keine Werkgenossin Gottes, keine Mitverfügende (Barth 1938 : 210). An dieser Stelle tut sich keine Pforte auf, die zur Mariologie führen könnte (Barth 1938 : 214).

Dem widerspricht nach Barth die Bezeichnung der Maria als »Mutter Gottes« nicht:

Es bedeutet gewissermaßen eine Probe des richtigen Verständnisses der Lehre von der Fleischwerdung des Wortes, daß man auch als evangelischer Christ und Theologe die Bezeichnung der M a r i a als »M u t t e r G o t t e s« nicht etwa ablehnt, sondern trotz ihrer Belastung durch die sog. Mariologie der römisch-katholischen Kirche als legitimen Ausdruck der christologischen Wahrheit b e j a h t und g u t h e i ß t. Die Abwehr des Mißbrauchs, der mit der in dieser Bezeichnung ausgesprochenen Erkenntnis getrieben worden ist, wird nicht fehlen dürfen. Aber jene Erkenntnis und darum doch auch diese Bezeichnung selbst darf deswegen doch nicht unterdrückt werden (Barth 1938 : 151 – 152).

In der Dogmatik im Grundriß aus dem Jahre 1947 (71987) fasst Barth seine Auffassung zur Historizität der Jungfrauengeburt folgendermaßen zusammen:

Es ist das Wunder der Weihnacht die f a k t i s c h e F o r m des Geheimnisses der persönlichen Vereinigung von Gott und Mensch … Die christliche Kirche und Theologie hat immer wieder festgestellt, man könne nicht postulieren, dass die Wirklichkeit der Inkarnation, das Geheimnis der Weihnacht mit absoluter Notwendigkeit gerade diese Form dieses Wunders haben m u s s t e. Die wahre Gottheit und die wahre Menschheit Jesu Christi in ihrer Einheit hängen nicht daran, dass Christus vom Heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren ist. Sondern man wird nur dies sagen können, dass es Gott gefallen hat, das Geheimnis in dieser Form und Gestalt wirklich sein und offenbar werden zu lassen. Wiederum kann das aber nicht bedeuten, dass wir dieser faktischen Form des Wunders gegenüber sozusagen frei sind, sie zu bejahen oder auch nicht zu bejahen, so dass wir etwa an dieser Stelle eine Subtraktion vornehmen und sagen könnten: Wir haben gehört, behalten uns aber vor, dass diese Sache auch in einer anderen Gestalt für uns zu haben sein könnte. Man versteht das Verhältnis von Sache und Form, das hier vorliegt, vielleicht am besten mit einem Blick auf die … Geschichte von der Heilung des Gichtbrüchigen (Mark. 2): »Auf dass ihr w i s s e t, dass des Menschen Sohn Macht hat Sünden zu vergeben: Steh auf, nimm dein Bett und wandle.« »Auf dass ihr wisset …« so ist auch das Wunder der Jungfrauengeburt zu verstehen (Barth 1987 : 117).

Ergebnis: So sehr Barths Ablehnung jeder Art von Mariologie der römisch-katholischen Lehre zuwiderläuft, so sehr dürfte sein unerbittliches Festhalten an der Historizität der Jungfrauengeburt ihr entgegenkommen. Wer derart steil »von oben« herab dekretiert und die Zweifel ernsthaft suchender Menschen meint abwürgen zu können, indem er sie zum Schweigen verurteilt, der weiß schon – bevor er sich dem Problem, um das es eigentlich geht, gestellt hat –, dass es sich bei der Jungfrauengeburt um ein historisches Ereignis handelt, und argumentiert theologisch so, dass »bewiesen« wird, was das Dogma lehrt. Der Eindruck drängt sich auf: Barth hat erkannt, dass ein Nachgeben an diesem Punkt seine gesamte Dogmatik gefährden würde.

Der Einwand, den Wolf Krötke (geb. 1938) gegenüber Barths Auffassung zur Jungfrauengeburt erhebt, geht übrigens an der Sache vorbei. Denn wenn er bezweifelt, dass »den späten Zeugnissen von der Jungfrauengeburt die gleiche Bedeutung zukommt, wie den Grabesgeschichten im Zusammenhang mit dem Auferstehungszeugnis« (Krötke 1996 : 14), ist er sich offenbar nicht bewusst, dass es wenig sinnvoll ist, die Bedeutung zweier gleichermaßen fiktiver Texte gegeneinander abzuwägen. (Zur Grabesgeschichte als Fiktion vgl. Lüdemann 2002 : 69 – 73.)

Andere protestantische Stellungnahmen zur Jungfrauengeburt

Wolfgang Trillhaas (1903 – 1995) räumt zwar ein, dass man hinsichtlich der Jungfrauengeburt »weder von einer ›historischen Tatsache‹ noch von einer ›Heilstatsache‹ unbedenklich sprechen« könne. Aber was der Satz von der Jungfrauengeburt meine, das sei »ein unverzichtbares Anliegen des christlichen Glaubens an Jesus Christus. Jesus ist ein geborener, kein gewordener Heiland. Jesus steht nicht im alten Zusammenhang mit menschlicher Sünde und Schuld, sondern er ist ein neuer Mensch, ein Neubeginn. Das Ereignis Jesus Christus ist nicht von Menschen, sondern es ist aus Gott« (Trillhaas 1972 : 265). Das Wunder der Menschschwerdung Jesu Christi sei nicht an die körperliche Jungfräulichkeit der Maria gebunden, denn Gott könne »seine Wunder auch in der Verborgenheit des natürlichen Zusammenhanges vollbringen« (Trillhaas 1972 : 265).

Jürgen Moltmann (geb. 1926) konstatiert, dass es sachlich ganz abwegig sei, »die Jungfrauengeburt ›historisch‹ oder gar ›biologisch‹ zu nennen« (Moltmann 1989 : 102). Er fährt fort: »Mit solchen modernen, positivistischen Charakterisierungen bewahrt man gerade nicht ihre Intention und Wahrheit, sondern zerstört sie. Die Absicht der Erzähler ist es nicht, ein gynäkologisches Wunder zu berichten, sondern Jesus als den messianischen Sohn Gottes zu bekennen und im Anfang seines Lebens auf den göttlichen Ursprung seiner Person hinzuweisen« (Moltmann 1989 : 102).

Die »Ökumenische Dogmatik« von Edmund Schlink (1903 – 1984) stellt wiederum die Ähnlichkeit zwischen Auferstehung und Jungfrauengeburt heraus – der »Vorgang der Zeugung durch den Heiligen Geist bleibt in ähnlicher Weise verborgen wie die Auferstehung« (Schlink 1983 : 284) – und hält an der Geschichtlichkeit der Jungfrauengeburt fest. Ihre Historizität könne man ebenso wie die der Auferstehung Jesu nur dort ablehnen, wo das Analogieprinzip, d. h. das Prinzip der grundsätzlichen Gleichartigkeit geschichtlicher Abläufe, wie ein absolutes Gesetz »dogmatistisch« verwendet werde (vgl. Schlink 1983 : 285).

Kritik: Trillhaas und Moltmann mogeln sich an den Aussagen der biblischen Texte zur Tatsache der Jungfrauengeburt vorbei, während Schlink die historische Kritik außen vor lässt.

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Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
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183 стр. 6 иллюстраций
ISBN:
9783866744561
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