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Читать книгу: «Ein Legat», страница 3

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Drittes Capitel

Der Bürgermeister von Helmstadt glich durchaus nicht dem Bilde, welches man sich gewöhnlich von solcher gewichtigen Persönlichkeit zu machen pflegt. Er war kein Mann von starkem Körperumfange mit Stentorstimme und einem Gemisch von Freundlichkeit, Bonhommie, Strenge und Brutalität in seinem Charakter, die gewöhnliche Folge eines langwährenden Verkehrs mit allerlei Personen, über welche er gestellt ist, ohne daß sie doch seine Untergebenen sind, – dieser war ein langer magerer Mann, mit scharfer Stimme und einer unzerstörbaren Trockenheit, Kürze und Ernsthaftigkeit in Allem, was er that und sprach. Er war ein Mann von liberaler Gesinnung, aber er war in seinem Wesen wieder so despotisch, daß die Freisinnigkeit verloren ging. Kleinlich rechtschaffen und starrsinnig festhaltend an Dem, was er für gut und wahr hielt, war der Bürgermeister von Helmstadt ein Mann, mit dem kein Mensch umgehen konnte, einer, der nach seinem Tode eine römische Grabschrift beanspruchen konnte, aber im Leben sehr unangenehm und bei Niemand beliebt war.

Noch bevor die Angelegenheit der Bibelstunde vor ihn gebracht wurde, saß er eines Tages in seinem Arbeitszimmer, als Walther sich anmelden ließ.

»Wenn Herr Walther in Geschäften kommt, soll er sich hierher verfügen; beabsichtigt er einen Höflichkeitsbesuch, so mag er mich im Salon erwarten.«

Herr Walther kam in Geschäften und wurde deshalb sogleich vorgelassen. Der Bürgermeister ließ ihn Platz nehmen, lehnte sich in seinen Stuhl zurück und erwartete die Mittheilung des Malers.

»Herr Bürgermeister, ich wollte mit Ihnen reden wegen des Museums für Gemälde und Alterthümer.«

Es entstand eine Pause, in welcher der Bürgermeister bewegungslos sitzen blieb und seinen Besuch anstarrte.

»Wie Ihnen bekannt ist, bin ich der Custos des Museums – ungefähr seit zwanzig Jahren.«

Das Haupt der Gemeinde zog ein Notizbuch zu Rathe und berichtigte die letzte Bemerkung mit den Worten:

»Im August werden es neunzehn.«

»Neunzehn oder zwanzig gilt gleich, ich wollte es nur erwähnen, um Ihnen die Ueberzeugung zu geben, daß ich genügend mit dem Museum bekannt bin, über seinen Werth zu urtheilen und die Bedeutung desselben zu beherzigen weiß.«

Diese Einleitung hatte Walther sich vorher ausgedacht, das Weitere, was er sagen würde, sollte davon abhängen, wie der Bürgermeister antworten werde. Dieser schwieg jedoch, und Walther war daher genöthigt fortzufahren.

»In diesen Tagen wurde mir ein Gebot für das Museum gemacht.«

»Ihnen ein Gebot? Ein Custos ist kein Eigenthümer; die Gemeinde ist Eigenthümerin.«

»So ist es, aber eigentlich war das Gebot auch nicht an mich gerichtet; man frug mich nur, ob der Gemeinderath geneigt sein sollte, die Sammlung gegen eine billige Summe abzugeben. Man wollte fünftausend Gulden dafür anlegen.«

Walther schwieg wieder einen Augenblick und erwartete, daß der Bürgermeister bei Nennung dieses Betrages irgend etwas äußern werde. Aber dieser schwieg und als der Maler auch still blieb, sagte der Bürgermeister ganz gelassen: »Fahren Sie fort!«

»Es ist Alles,« sagte Walther, durch diese Behandlung ein wenig entrüstet.

»Wurde der Vorschlag schriftlich gemacht?«

»Hier ist er,« sagte Walther kurz und bündig; »mit meinem Gutachten dabei.«

»Ihr Gutachten ist noch nicht verlangt,« bemerkte der Bürgermeister, indem er das betreffende Schriftstück zurückschob.

Aber das paßte nicht in Walther's Plan, der in dem Gutachten seinem Herzen Luft gemacht hatte und durch allerlei sorgfältig ausgearbeitete und halbversteckte Gehässigkeiten den Herren vom Gemeinderath einmal zeigen wollte, worauf es ankam und wie er darüber dachte.

»Aber Sie werden es nöthig haben.«

»Ich bin der Gemeinderath nicht,« sprach der Bürgermeister, »der Gemeinderath wird beschließen, ob man Ihr Gutachten nöthig hat,« und er schob das Schreiben nochmals zurück.

»Nein,« dachte Walther, »Ihr müßt es schlucken.«

»Mein Herr,« sagte er, »ich bin zu Ihnen gekommen als dem Vorsitzenden des Gemeinderaths, aber mein Gutachten ist an den Gemeinderath gerichtet und nicht an den Bürgermeister.«

»Dann ist es richtig,« sagte dieser, indem er beide Schriftstücke zusammenfaltete. »Wünschen Sie mir in Bezug auf diese Angelegenheit sonst noch etwas mitzutheilen?«

»Nein,« sagte Walther, indem er aufstand.

»Dann wäre ein persönlicher Besuch wohl überflüssig gewesen,« versetzte der Bürgermeister, indem er gleichfalls aufstand.

»Ich habe nur noch hinzuzufügen,« sagte Walther etwas gereizt, »daß ich meine Entlassung als Custos nehmen will, daß ich mich dafür bedanke, länger so behandelt zu werden, daß kein Korn Ehrgeiz vorhanden ist bei – bei Niemand, und daß man eben so gut den Kirchendiener als den Feldwächter zum Custos anstellen könnte.«

»Die Ernennung Ihres Nachfolgers geschieht durch den Gemeinderath auf Vorschlag des Bürgermeisters und Vorstandes,« sagte das Haupt der Gemeinde mit eisiger Ruhe und zog an der Klingel.

»Ich bleibe bei meiner Entlassung,« sagte Walther auffahrend.

»Davon werde ich den Gemeinderath in Kenntniß setzen.«

Als der Maler draußen war, fielen ihm eine Menge Dinge ein, die er hätte sagen sollen, und je länger er darüber nachdachte, um so mehr schien es ihm allmälig, als habe er sie wirklich gesagt, so daß, als er vor seiner Hausthür stand, eine gewisse Beruhigung in ihm herrschte, weil er meinte, dem Bürgermeister einmal tüchtig die Wahrheit gesagt zu haben.

Viertes Capitel

Die Erinnerung an den Triumph, den er nach seiner Meinung erlebt hatte, drückte Walther zu schwer, als daß er allein damit hätte fertig werden können. Er kehrte also vor seiner Zimmerthür um und ging nach dem Pfarrhaus. Dabei hatte er nur vergessen, daß es Freitag war und daß das Dienstmädchen deshalb die Weisung hatte, jeden Besuch ein- für allemal mit den Worten »der Herr Pastor sind beim Studiren« abzulehnen. Das Mädchen kam förmlich in Verlegenheit, als sie dies dem katholischen Maler sagen mußte. Doch es mußte gesagt werden und ward gesagt, so daß Walther auch im Pfarrhaus die gehoffte Erleichterung nicht fand. Wohin nun?

Da war es nun eine rechte Fügung, daß ihm Nohr begegnete, dessen wiederholter Aufforderung, sich doch noch einmal nach seiner Tochter Anna umzusehen, er nun wohl Folge leisten durfte, wobei er sich heimlich sagte, daß, da es ihm nicht gelingen wollte, das Kirchenhaupt von Helmstadt zum Zeugen seines Triumphes zu machen, doch wenigstens der Kirchendiener davon erfahren sollte.

»Das ist hübsch von Ihnen, Herr Walther, daß Sie auch wieder einmal kommen,« sagte Anna, als Walther eintrat, und ihr blasses Gesicht nahm einen lieblichen, einnehmenden Ausdruck an, da es durch den Schimmer der Freude, der bei dem Eintreten des Malers in ihren Augen glänzte, verklärt war.

Walther hatte seinen Triumph vergessen; er fühlte sich im Gegentheil sehr klein, weil er eines unbedeutenden Wortes wegen, das der Kirchendiener gesprochen, seine Schülerin, die einzige, die in Helmstadt die Kunst ernsthaft betrieb, vernachlässigt hatte.

»Ach, Anna, ich habe in den letzten Tagen so viel im Kopfe gehabt – aber ich bin nun hier und werde nie wieder so lange fortbleiben. Haben Sie viel gearbeitet in dieser Zeit?«

»Nicht viel, aber doch etwas,« sagte Anna, während sie an dem Tische und den Möbeln entlang nach der anderen Seite des Zimmers sich mehr schob als ging, um ihre Mappe zu holen. Walther sparte ihr die Mühe, dieselbe zu tragen, und bald saßen Meister und Schülerin am Tische, betrachteten Zeichnungen und plauderten über die Kunst, während Nohr mit einem zufriedenen Lächeln auf seinem runzeligen Gesichte allerlei Versuche machte, um es noch gemächlicher und gefälliger werden zu lassen.

Bald machte er sich etwas an der Lampe zu schaffen, damit das Licht besser brenne, dann setzte er Gegenstände zur Seite, die durchaus nicht im Wege standen, oder er fegte mit seinem Taschentuche vermeintlichen Staub weg, während er dazwischen kleine Züge aus seiner Pfeife that. Es war ihm anzusehen, wie wohl ihm war; sein Kind hatte ja auch so wenig Genuß, daß solch ein Abend, von dem er wußte, wie viel ihr daran gelegen war, auch ihn glücklich machen mußte. Dabei zeigte sich etwas in seinem Gesichte, das bedeutete: wartet nur, auch ich habe etwas. – Nicht, als ob Nohr auch in der Kunst etwas geleistet hätte, ein einziger Blick in sein runzeliges, unbedeutendes Gesicht und auf seine kurze, ungefällige Gestalt mußte sofort jede derartige Vermuthung vertreiben.

Endlich machte er von einer augenblicklichen Pause im Gespräch Gebrauch, um die Einleitung zu seiner Mittheilung anzubringen.

»Herr Walther,« begann er, »wir sind von verschiedener Religion.«

Walther sprach nie über diesen Gegenstand mit Jemand, und Niemand sprach mit ihm darüber. Er sah daher, ohne Antwort zu geben, so erstaunt auf Nohr, daß der alte Mann etwas verlegen wurde und um sein Vergehen gut zu machen, fortfuhr:

»Ich meine, wir dienen Beide demselben Gott auf verschiedene Art –,« aber hier fühlte er, daß er sich immer mehr verwickelte, und als Walther ihn noch ernsthafter ansah und kurz sagte: er sei zu solch' einem Gespräche nicht gekommen, ließ der alte Nohr die Einleitung bei Seite und sagte:

»Nehmen Sie es nicht übel, Herr Walther, ich meinte eigentlich ganz etwas Anderes, denn ich wollte Ihnen von unserem Kirchenrathe etwas erzählen, was mit dem Museum in Verbindung steht, aber es ist ein tiefes Geheimniß.«

»Morgen ist es durchaus kein Geheimniß mehr, Nohr, denn morgen wird im Gemeinderath der Vorschlag behandelt werden, das Museum zu verkaufen; ich selbst habe das Anerbieten des Kaufs erhalten, unterstützt, und soeben dem Bürgermeister überbracht. Bei dieser Gelegenheit habe ich ihm einmal tüchtig die Meinung gesagt. Ein Geheimniß ist es also durchaus nicht mehr.«

Nohr war so entsetzt über den Verkauf des Museums, daß er anfänglich gar keine Worte finden konnte, um Walther in die Rede zu fallen; endlich rief er aus:

»Aber wissen Sie denn nicht, daß die Bibelstunde des Donnerstags aufhört und Alles an das Museum kommt?«

»Was sagen Sie?« fragte Walther rasch.

»Eigentlich darf ich es nicht erzählen, aber wissen Sie, ich muß immer hereinkommen, um Federn oder Tinte oder dergleichen zu besorgen, und so erfahre ich Eines und das Andere, ich darf es eigentlich nicht erzählen, Sie sind aber immer so gut gegen meine Tochter, daß ich es nicht verschweigen kann – es ist eine Ueberraschung – der Kirchenrath wird die Bibelstunde abschaffen, oder vielmehr, es ist schon geschehen, und das Legat dafür kommt an das Museum. Ich glaube, daß es dreißigtausend Gulden beträgt, ich nehme die Zinsen stets in Empfang am Ersten des Quartals, ausgenommen, wenn der Erste auf einen Sonntag fällt, weil Sonntags die Casse geschlossen ist.«

»Nohr, sie faseln!«

»Wahrhaftig nicht, Herr Walther, ich erzähle, auf mein Wort, Alles, wie es wirklich ist. Als ich das letzte Mal das Geld holte, sagte Pastor Nadering: Sie werden es wohl die längste Zeit geholt haben. Ja, Herr Pastor, sagte ich, ohne zu wissen wie es gemeint war, aber nun ist es im Kirchenrath beschlossen worden, und der Vorschlag wird dem Bürgermeister mitgetheilt werden, der darüber zu beschließen hat, und wenn er Ja sagt, kommt das Geld an das Museum.«

Walther zuckte die Achseln, er verstand des Küsters verwirrte Mittheilung nicht recht, aber immer und immer kam dieser darauf zurück, und nach und nach wurde es dem Maler doch verständlich, daß das Legat Ronceval an das Museum verfallen mußte, wenn die Bibelstunde am Donnerstag aufhörte, und wie Nohr versicherte, hatte der Kirchenrath beschlossen, das dies geschehen sollte.

Walther ließ den Alten plaudern und gab keine Antwort mehr. Tausend Gulden jährlich für das Museum und eben hatte er den Vorschlag eingereicht, die Sammlung zu verkaufen und das von ihm beigefügte Gutachten dem Bürgermeister aufgedrungen! Und was das Schlimmste war, er hatte seinen Abschied verlangt! Es war, um verrückt darüber zu werden.

Nohr war fast eben so verdrießlich als Walther selbst, und zahllos waren die mannigfachen Ausrufungen, wodurch er es zu erkennen gab. Anna dagegen suchte den aufgeregten Maler zu beschwichtigen.

»Ach, Herr Walther, nehmen Sie sich die Sache nicht so sehr zu Herzen, Sie würden noch größeren Aerger gehabt haben, wenn das Museum mehr besucht worden wäre. Vortheil hätten Sie doch nicht davon, und um Vortheil ist es Ihnen auch nicht zu thun.«

»Nein, Anna, das wissen Sie, an Vortheil denke ich nicht. Höchstens hätte ich zuweilen eins meiner eigenen Bilder für das Museum erwerben können.«

Ich glaube nicht,« sagte Anna darauf, »daß Alles schon verloren ist. Sie haben Ihr Gesuch eingereicht, aber der Gemeinderath hat es noch nicht angenommen; wenn Sie die einzelnen Herren veranlassen, nicht in den Verkauf einzuwilligen, so ist Alles in Ordnung. Bleibt aber das Museum, dann läßt man auch Sie nicht gehen, denn ein Ersatz ist für Sie nicht zu finden.«

Solchen Trostgründen konnte Walther sich nicht erschließen.

»Es ist wahr,« sagte er. »Morgen gehe ich zu einigen der Herren, die ich kenne, und Alles kann noch wieder gut werden.«

»Was mich betrifft,« warf Nohr ein, »ich denke nicht mehr an die Stelle.« Walther hörte diese Worte nicht, oder gab sich den Schein, als habe er sie nicht gehört. Er ging bald darauf fort, um in der Einsamkeit über seine That nachzudenken. Hätte er Alles nur einen Tag früher gewußt, so wäre er Custos eines Museums geblieben, für welches jährlich mehr als eintausend Gulden zur Verfügung standen. Er begriff nicht, wie er den Verkauf begutachten konnte, und bei diesem Gedanken holte er die Abschrift seiner Eingabe an den Gemeinderath aus einer Schublade und überlas sie. Er wunderte sich über die dort angeführten Gründe und es schien ihm, daß er jeden derselben triftig widerlegen könne. Er warf sein Gutachten mit Verachtung auf den Boden, aber er nahm es doch wieder auf und las es nochmals durch. Er begann dann auf einem Stück Papier, welches vor ihm lag, die angeführten Gründe zu widerlegen; anfänglich waren es vereinzelte Gedanken, nach und nach kam Zusammenhang hinein und endlich wurde es ein Artikel mit bestimmter Richtung, bei dessen Durchsicht der Gedanke in ihm aufstieg, daß er dennoch trachten müsse, ihn dem Gemeinderath unter die Augen zu bringen, bevor ein Beschluß über den Vorschlag des Verkaufs gefaßt sei. Wie wäre es, wenn er den Artikel in die Helmstadter Zeitung brächte! Der Redacteur, oder eigentlich die Redactrice, war eine alte Frau, die zugleich Herausgeber, Drucker und Verleger war. Wenn er ihr den Artikel in die Hand spielen konnte, war er sicher, daß er gedruckt wurde, denn die Frau war immer verlegen um Stoff; aber sein Name mußte jedenfalls geheim bleiben.

»Wenn Anna mir hilft, ist Alles geordnet,« sagte er zu sich selbst. »Morgen gehe ich zu Anna.«

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
70 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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