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Der nächste Papst und die Neuevangelisierung

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater. Wir danken Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, allezeit, wenn wir für euch beten. Denn wir haben von eurem Glauben in Christus Jesus gehört und von der Liebe, die ihr zu allen Heiligen habt wegen der Hoffnung, die für euch im Himmel bereitliegt. Schon früher habt ihr davon gehört durch das wahre Wort des Evangeliums, das bei euch anwesend ist. Wie in der ganzen Welt, so trägt es auch bei euch Frucht und wächst.

Kol 1,2–6

Der nächste Papst muss mit ganzer Kraft der Neuevangelisierung als dem Königsweg der Kirche für das 21. Jahrhundert verpflichtet sein.

Die Dogmatische Konstitution über die Kirche, unter ihrem lateinischen Namen Lumen gentium (»Das Licht der Völker«) bekannt, und die Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei verbum (»Gottes Wort«) sind die beiden wichtigsten Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils. Darin haben die Konzilsväter die Existenz der katholischen Kirche im großen Panorama der Heilsgeschichte verortet. Diese geschichtliche Perspektive und das damit verbundene Kirchenverständnis sind wesentlich für eine echte katholische Reform und Wiederbelebung des katholischen Sendungsauftrags einschließlich des Auftrags des Petrusamtes.

Laut Lumen gentium und Dei verbum hat Gott seit dem ersten Schöpfungstag einen Plan der Erlösung und Heiligung entfaltet. Dieser Plan, der zuerst unverhüllt kundgetan wurde, als Gott sich dem Volk Israel offenbarte, wurde zur Vollendung gebracht durch das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu von Nazaret, des menschgewordenen Gottessohnes. In seiner Person hat Jesus, der Herr, das Reich Gottes in der Geschichte seiner Bestimmung übergeben (wie er selbst in Mk 1,15 erklärt: »Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!«). Und damit hat der Herr alle, die an ihn glauben und das Angebot seiner Freundschaft annehmen, ermächtigt, hier und jetzt jenseits der Geschichte in der Gemeinschaft der Jünger, die die Kirche ist, zu leben. Die Kirche existiert also aufgrund dem in Lumen gentium beschriebenen »völlig freien, verborgenen Ratschluss seiner [göttlichen] Weisheit und Güte«, der von Anfang an darauf ausgerichtet war, »die Menschen zur Teilhabe an dem göttlichen Leben zu erheben«.1

Und in der Mitte der Existenz der Kirche steht die Realität Jesu Christi.

Die Heilsgeschichte verläuft nicht parallel zur Weltgeschichte. Die Heilsgeschichte ist die Weltgeschichte: die in ihrer eigentlichen Tiefe und gegen den Strich ihres eigenen Horizonts gelesene Weltgeschichte. Die Kirche steht mithin nicht außerhalb, sondern innerhalb der Geschichte und erinnert die Welt an die tiefste Wahrheit über sich selbst. Und wenn die Kirche Ausdruck und wesentlicher Bestandteil von Gottes Heilsplan für die Welt ist, dann ist die Kirche kein historischer Zufall (wie so viele andere Institutionen, die entstehen, eine Zeit lang existieren und dann wieder verschwinden) und kann nicht als ein rein soziologisches Phänomen verstanden werden. Und deshalb haben die Konzilsväter des II. Vatikanums alle Katholiken nachdrücklich dazu aufgefordert, von der Kirche in Bildern zu denken, die der Bibel, dem geschriebenen Wort Gottes, entnommen sind. Zuweilen – wenn das menschliche Versagen von Kirchenvolk und Kirchenleitung allzu offensichtlich wird, wenn die institutionelle Kirche von manchen Seiten nichts als Verachtung erntet und wenn angesichts unzähliger Krisen und Herausforderungen die evangelikalen Kräfte schwinden – ist es wichtig, sich an die tieferen Wahrheiten über die Kirche zu erinnern, die in diesen biblischen Metaphern übermittelt werden.

Laut Lumen gentium ist die Kirche »der Schafstall, dessen einzige und notwendige Tür Christus ist (Joh 10,1–10)«.2 Die Kirche »ist auch die Herde, als deren künftigen Hirten Gott selbst sich vorherverkündigt hat (vgl. Jes 40,11; Ez 34,11 ff)«.3 Und die Schafe dieser Herde »werden […] immerfort von Christus, dem guten Hirten und dem Ersten der Hirten, geführt und genährt (vgl. Joh 10,11; 1 Petr 5,4), der sein Leben hingegeben hat für die Schafe (vgl. Joh 10,11–15)«.4

Die Kirche ist auch der Weinberg, der »vom himmlischen Ackerherrn als auserlesener Weingarten gepflanzt [wurde] (Mt 21,33–43 par.; vgl. Jes 5,1 ff.)«.5 Und »der wahre Weinstock [in diesem Weingarten] aber ist Christus, der den Rebzweigen Leben und Fruchtbarkeit gibt, uns nämlich, die wir durch die Kirche in ihm bleiben, und ohne den wir nichts tun können (Joh 15,1–5)«.6

Die lebendigen Teile der katholischen Kirche sind heute diejenigen, die erfüllt sind von der Überzeugung, dass Jesus Christus, der fleischgewordene Gottessohn, die Mitte der Kirche ist. Die lebendigen Teile der katholischen Kirche sind heute diejenigen, die sich Christus übergeben haben, der, mit Lumen gentium gesprochen, »das Licht der Welt ist: Von ihm kommen wir, durch ihn leben wir, zu ihm streben wir hin«.7

Die katholische Kirche existiert weder durch noch für sich selbst. Die katholische Kirche existiert wegen des göttlichen Heilsplans, der die innere Wirklichkeit der Geschichte und des Kosmos ist. Und die katholische Kirche existiert, um Jesus Christus und sein Evangelium zu verkünden.

Die Kirche wieder auf Christus und das Evangelium zu zentrieren, war eine der größten Leistungen der vom Geist geführten katholischen Erneuerungsbewegung, die unter Papst Leo XIII. ihren Anfang nahm. Die Kirche wieder auf Christus und das Evangelium zu zentrieren, war eine der Absichten Papst Johannes’ XXIII. für das Zweite Vatikanische Konzil. Es sollte die Kirche an diese vom Geist geführte Dynamik erinnern. In derselben Absicht schrieb Papst Paul VI. Evangelii nuntiandi, definierten die Väter der Außerordentlichen Bischofssynode von 1985 das Kirchenverständnis des Konzils als das einer missionarischen Gemeinschaft des Volkes Gottes und rief Johannes Paul II. die Kirche in Novo millennio ineunte dazu auf, hinauszufahren auf das tiefe Wasser der Neuevangelisierung.

Deshalb kann man es nicht oft genug, sondern muss es so oft wie möglich sagen, weil die Tendenz, die Kirche institutionell zu denken, so tief in der katholischen Vorstellungswelt verwurzelt ist: Jesus Christus und sein Evangelium sind der Daseinsgrund der Kirche. Und deshalb muss Jesus Christus im Zentrum der Verkündigung dieses Evangeliums stehen und Christus muss das Zentrum allen Wirkens der Kirche sein.

Natürlich tut die katholische Kirche vielerlei.

Die Kirche betet den einen und wahren Gott »im Geist und in der Wahrheit« an (Joh 4,23). »In der Liturgie«, so schrieben die Väter des II. Vatikanums in der Konstitution über die heilige Liturgie (Sacrosanctum concilium), »besonders im heiligen Opfer der Eucharistie ›vollzieht sich‹ ›das Werk unserer Erlösung‹, und so trägt sie in höchstem Maße dazu bei, dass das Leben der Gläubigen Ausdruck und Offenbarung des Mysteriums Christi und des eigentlichen Wesens der wahren Kirche wird«.8

Die Kirche verbindet Wunden, verkündet den Gefangenen die Freiheit, tritt für die Wehrlosen ein, stärkt die Armen, bringt jenen Bildung, die nach Wissen dürsten, tröstet die Kranken und begräbt die Toten. Mit ihren zahllosen karitativen und wohltätigen Werken und ihrem Einsatz für die Erziehung bereichert die katholische Kirche das Leben von Millionen, die keine Katholiken, aber nach kirchlichem Glauben und Verständnis gleichwohl Männer und Frauen von Wert und unantastbarer Würde sind, für die der Sohn Gottes gelitten hat und gestorben ist. Mit diesen Werken kann die Kirche andere zu Christus und zur Gemeinschaft seiner Freunde führen – und das tut sie auch.

Doch all diese Dinge, die die Kirche tut, erwachsen aus der grundlegenden Wahrheit darüber, was die Kirche ist und sein muss: Verkünderin des Evangeliums. Die Kirche betet im Geist und in der Wahrheit an, weil Gott angebetet werden soll; weil Christus seinen Freunden aufgetragen hat, die Eucharistie des Neuen Bundes zu feiern: »Tut dies zu meinem Gedächtnis!« (Lk 22,19); weil Anbetung im Geist und in der Wahrheit dem Christen oder der Christin ein tieferes Verständnis seiner oder ihrer Taufwürde vermittelt; und weil die Gnade der sakramentalen Anbetung die Freunde Jesu Christi für die Sendung ausrüstet. Die Kirche tut ihre guten Werke nicht, weil ihr das bei der Welt Sympathien einträgt, sondern weil Christus, der Herr, seinen Freunden aufgetragen hat, dies zu tun – und weil sie den Ungläubigen oft helfen, zum ersten Mal die wärmende Flamme der göttlichen Liebe zu spüren.

Vor allem anderen aber hat der Herr Jesus seinen Freunden aufgetragen, das Evangelium zu verkünden und somit das Geschenk, das sie selbst erhalten haben, mit anderen zu teilen.

Deshalb ist alles in der Kirche und ist jeder in der Kirche dem Evangelium untergeordnet. Jene, die sich dem Evangelium nicht unterordnen, beeinträchtigen ihre Gemeinschaft mit der Kirche und mit Christus.

Das Evangelium kann nur verkündet werden, wenn es als wahr angenommen wird. Das haben die Väter des Ersten wie auch des Zweiten Vatikanischen Konzils verstanden.

In der Dogmatischen Konstitution über den katholischen Glauben Dei Filius (»Der Sohn Gottes«) hielten die Bischöfe des I. Vatikanums 1870 zwei entscheidende Wahrheiten fest: dass die Wirklichkeit Gottes im Licht der Vernunft erkannt werden kann und dass es Eigenschaften Gottes gibt, die nur durch die Offenbarung erkannt werden können. Diese zweifache Bejahung des Glaubens und der Vernunft als Wege der Gotteserkenntnis war eine wesentliche Voraussetzung dafür, den katholischen Glauben unter den Bedingungen der Gegenwartskultur unversehrt zu bewahren, die oft Zweifel daran äußert, dass überhaupt irgendetwas mit Gewissheit und wahrheitsgemäß ausgesagt werden kann. Deshalb lehrte Johannes Paul II. 1998 in seiner Enzyklika Fides et ratio, dass »Glaube und Vernunft«, die dem Rundschreiben seinen Titel gaben, wie zwei Flügel sind, »mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt«.9 Und Papst Benedikt XVI. lehrte bei vielen Gelegenheiten, dass die Vernunft wesentlich ist, um den Glauben von abergläubischen Elementen zu reinigen, während der Glaube seinerseits die Vernunft davor bewahrt, sich in sich selbst zu verschließen und sich einem positivistischen Materialismus zu ergeben, für den die menschliche Person nicht mehr als zusammengeballter kosmischer Staub ist.

Angesichts einer sogar noch skeptischeren und säkularisierteren Welt als zu Zeiten des I. Vatikanums bestanden die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils mit demselben Nachdruck auf der Wahrheit der göttlichen Offenbarung. Auf dem II. Vatikanum war vielen Bischöfen insbesondere aus dem von drei totalitären Systemen und zwei Weltkriegen zerrütteten Europa bewusst, dass die Zeit um die Mitte des 20. Jahrhunderts als Zeit eines verstörenden Schweigens empfunden wurde – eines Schweigens, das auf einen Kosmos ohne Sinn und Bedeutung hinzuweisen schien. Angesichts einer von vielen Kulturschaffenden wahrgenommenen Leere betonten die Bischöfe des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass Gott das Schweigen durchbrochen hat: dass Gott in der Vergangenheit zur Menschheit gesprochen hat und dass Gott auch in der Gegenwart nach wie vor zur Menschheit spricht. Gott hat das Schweigen durchbrochen: Zuerst hat er sich in Wort und Tat seinem Volk Israel geoffenbart, und später hat Gott ein endgültiges Wort in die Geschichte hineingesprochen, als er sich in der Person des Sohnes, der zweiten Person der Dreifaltigkeit, offenbarte, der als Jesus von Nazaret, Sohn Mariens und Sohn Gottes, Mensch wurde.

In den Jahrzehnten vor dem II. Vatikanum debattierten katholische Theologen mit ihren protestantischen Akademikerkollegen über eine Frage, die von den verschiedenen Reformationen des 16. Jahrhunderts aufgeworfen worden war: Gibt es nur eine »Quelle« der göttlichen Offenbarung, die Schrift, oder gibt es zwei Quellen, die Schrift und die Tradition? Die Väter des II. Vatikanums lehrten, dass die eine »Quelle« der Offenbarung Gott selbst ist, der sowohl durch die Heilige Schrift als auch durch die Heilige Überlieferung zur Menschheit gesprochen und dabei Wahrheiten verkündet hat, die für alle Zeiten und an allen Orten gültig und damit für alle Zeiten und alle Orte verbindlich sind.

Zum jetzigen Zeitpunkt in der Geschichte des Katholizismus, in der einige die Auffassung vertreten, dass sich nicht etwa die Geschichte an Gottes Offenbarung, sondern Gottes Offenbarung am Fluss der Geschichte und an unserer gegenwärtigen Erfahrung messen lassen müsse, ist es wichtig, daran zu erinnern, mit welchem Nachdruck das Zweite Vatikanische Konzil die Wirklichkeit und Wahrheit der göttlichen Offenbarung bekräftigt hat. Im zweiten Kapitel der Konstitution Dei verbum schrieben die Konzilsväter:

»Was Gott zum Heil aller Völker geoffenbart hatte, das sollte, so hat er in Güte verfügt – für alle Zeiten unversehrt erhalten bleiben und allen Geschlechtern weitergegeben werden. Darum hat Christus, der Herr, in dem die ganze Offenbarung des höchsten Gottes sich vollendet (vgl. 2 Kor 1,20; 3,16–4,6), den Aposteln geboten, das Evangelium, das er als die Erfüllung der früher ergangenen prophetischen Verheißung selbst gebracht und persönlich öffentlich verkündet hat, allen zu predigen als die Quelle jeglicher Heilswahrheit und Sittenlehre und ihnen so göttliche Gaben mitzuteilen. Das ist treu ausgeführt worden, und zwar sowohl durch die Apostel, die durch mündliche Predigt, durch Beispiel und Einrichtungen weitergaben, was sie aus Christi Mund, im Umgang mit ihm und durch seine Werke empfangen oder was sie unter der Eingebung des Heiligen Geistes gelernt hatten, als auch durch jene Apostel und apostolischen Männer, die unter der Inspiration des gleichen Heiligen Geistes die Botschaft vom Heil niederschrieben […].

Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift sind eng miteinander verbunden und haben aneinander Anteil. Demselben göttlichen Quell entspringend, fließen beide gewissermaßen in eins zusammen und streben demselben Ziel zu. Denn die Heilige Schrift ist Gottes Rede, insofern sie unter dem Anhauch des Heiligen Geistes schriftlich aufgezeichnet wurde. Die Heilige Überlieferung aber gibt das Wort Gottes, das von Christus, dem Herrn, und vom Heiligen Geist den Aposteln anvertraut wurde, unversehrt an deren Nachfolger weiter […].

Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes.«10

Deshalb müssen Lumen gentium und Dei verbum, die beiden grundlegenden Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils, zusammen gelesen werden. Ohne den übernatürlichen Glauben an die göttliche Offenbarung kann die Kirche sich selbst nicht richtig verstehen und kann sie auch über ihr Leben und ihren Auftrag nicht richtig verfügen. Die Kirche bringt diesen Glauben zum Ausdruck, indem sie die Schrift als das Wort Gottes verkündet, und im Gehorsam gegenüber den Wahrheiten, die das kirchliche Lehramt als bleibende Bestandteile der kirchlichen Überlieferung definiert.

Der nächste Papst muss dies verstehen und es die ganze Weltkirche lehren.

Viele neuere Diskussionen in der katholischen Kirche einschließlich der Debatten vor, während und nach den Synoden von 2014, 2015 und 2018 und während der Sonderversammlung der Bischofssynode für die Pan-Amazonas-Region waren im Grunde genommen Debatten über die Wahrheit und Verbindlichkeit der Offenbarung. Sind die Worte Jesu, des Herrn, über das Wesen der Ehe und ihre Unauflöslichkeit auch heute noch wahr und verbindlich? Oder gibt unsere Erfahrung der Zerbrechlichkeit der Ehe in der zeitgenössischen Gesellschaft uns das Recht, etwas an der Lehre Jesu nachzujustieren oder sogar zu korrigieren? Sind die Worte und Bestimmungen des heiligen Paulus über den würdigen Empfang der heiligen Kommunion auch heute noch wahr und verbindlich? Oder gibt unsere historische Situation uns das Recht, etwas an der Lehre des heiligen Paulus nachzujustieren oder zu korrigieren? Sind die Lehren Jesu, des Herrn, und des heiligen Paulus über die Ethik der menschlichen Liebe und darüber, wie eine Liebe beschaffen sein muss, damit daraus Glück und Seligkeit erwachsen, auch heute noch wahr und verbindlich? Oder gibt uns die sexuelle Revolution das Recht, uns in diesen Dingen für kompetenter zu halten als Jesus, der Herr, der heilige Paulus und die seit zwei Jahrtausenden unveränderte Lehre der Kirche? Gilt der große Sendungsauftrag, hinauszugehen und alle Völker zu Jüngern zu machen, auch in Bezug auf indigene Bevölkerungen?

In diesen und ähnlichen Debatten geht es nicht um »Politik«. Es geht um die Wahrheit der göttlichen Offenbarung. Und es ist wichtig, sich klarzumachen, dass solche Debatten typischerweise an bestimmten soziologischen und historischen Orten aufkommen.

Diejenigen, die die Auffassung vertreten, die Offenbarung müsse sich an der Geschichte messen lassen und die Kirche könne an den Lehren Jesu, des Herrn, und des Völkerapostels sozusagen Verbesserungen vornehmen, kommen hauptsächlich aus älteren Ortskirchen, die die kulturellen Angriffe auf den Katholizismus – angefangen bei den europäischen Aufklärungsbewegungen des 19. Jahrhunderts – mit voller Wucht abbekommen haben: katholische Gemeinschaften, insbesondere im deutschsprachigen Raum, deren liberale protestantische Nachbarn sich schon längst von der Vorstellung einer über die Zeit verbindlichen göttlichen Offenbarung verabschiedet haben. Diese soziologische und historische Tatsache legt (sosehr sich der eine oder andere auch dagegen sträuben mag) die Schlussfolgerung nahe, dass Männer der Kirche, die vorschlagen, die Offenbarung so anzupassen, dass sie sich in ein zeitgenössisches kulturelles Muster einfügt, im Grunde an einem Mangel an Glauben an den Sohn Gottes leiden. Sie sind auch nicht überzeugt von der Möglichkeit, den Herrn Jesus als Sohn Gottes zu verkünden, und versagen deshalb darin, die Freundschaft mit Jesus Christus als Antwort auf die tiefsten Sehnsüchte des menschlichen Herzens anzubieten. Darauf folgt in kurzer Zeit die Anpassung an die kulturellen Sitten und Gebräuche der umgebenden Gesellschaft. So gibt es ein weit hergeholtes Bestreben, diese Sitten und Gebräuche »einzuweihen«. Und ebenso bestehen implizite oder explizite Anstrengungen, die Kirche zu einer Freiwilligenorganisation umzudefinieren, die sich karitativ in der Gesellschaft engagiert.

Im Gegensatz dazu kommt das stärkste Bekenntnis zur Verteidigung der Wahrheit und der verbindlichen Autorität der Offenbarung in den katholischen Debatten der letzten Jahre aus den jüngeren afrikanischen Ortskirchen und aus jenen Teilen der westlichen Kirche, die die Neuevangelisierung als den Königsweg der Kirche für das 21. Jahrhundert und das dritte Jahrtausend verwirklichen. Wo der Glaube an Christus stark ist und wo dieser Glaube mit Eifer als wahrhaft befreiend verkündet wird, dort erscheinen die Wahrheiten der Offenbarung als die Magna Charta des menschlichen Glücks: als Weg zu Gotteserkenntnis und ewigem Leben. Und ausgehend von dieser Verkündigung der Wahrheit Gottes in Christus folgt der echte Dienst für die Gesellschaft.

Die katholische Kirche der Neuevangelisierung – welche die katholische Kirche der Wahrheit der Offenbarung ist – ist lebendig. Die katholische Kirche der kulturellen Anpassung – die Kirche, die sich der Wahrheit der Offenbarung nicht sicher und daher unfähig ist, das Evangelium furchtlos zu verkünden – liegt im Sterben oder ist bereits tot.

Dies muss der nächste Papst verstehen.

Diese empirischen Fakten über die Situation des Katholizismus im 21. Jahrhundert unterstreichen die Wahrheit dessen, was Lumen gentium und die Väter des II. Vatikanums gelehrt haben: die Kirche – deren Mitte Christus ist: »Von ihm kommen wir, durch ihn leben wir, zu ihm streben wir hin«11 – ist eine sakramentale Gnadengemeinschaft, in der alle dazu aufgerufen sind, das Evangelium zu verkünden. Anders ausgedrückt: Die katholische Kirche ist keine weitere NGO (Nichtregierungsorganisation) wie so viele andere Institutionen auf der heutigen Weltbühne.

NGOs leisten auf den verschiedensten Gebieten eine wichtige Arbeit. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts erinnert uns mit Nachdruck daran, dass eine gesunde Zivilgesellschaft mit blühenden Nichtregierungsorganisationen und natürlichen menschlichen Gemeinschaften wie der Familie eine wesentliche Voraussetzung für Freiheit, Wohlstand und Solidarität ist. Der Gegenentwurf ist die niedergewalzte soziale Landschaft des Totalitarismus und seiner Begleiterscheinung, der Tyrannei.

Dennoch kann die katholische Kirche sich nicht als NGO definieren. Wenn sie das tut, werden – obwohl sie auf beträchtliche finanzielle Ressourcen und eine umfangreiche bürokratische Infrastruktur zurückgreifen kann – ihre evangelikalen Arterien sich verhärten. Die toleranteren Bereiche der postmodernen westlichen Kultur sind bereit, mit einer als NGO verstandenen katholischen Kirche zu leben, und sie drängen die Kirche sogar häufig in diese Richtung. Zunehmend schwer fällt es der postmodernen westlichen Kultur jedoch, eine katholische Kirche zu tolerieren, die – ohne Aggression, jedoch auch ohne Rechtfertigung – Jesus Christus als den Herrn und Erlöser und sein Evangelium als die Wahrheit der Welt verkündet. Unter diesem kulturellen (und politischen und gesetzlichen) Druck sind Katholiken, die ihr Vertrauen in die lebensverändernde Kraft des Evangeliums verloren haben, versucht, die Kirche auf eine NGO zu reduzieren – und sie sind dieser Versuchung oft erlegen. Wer sich so verhält, beweist jedoch einen mangelnden Glauben an das Evangelium, das der heilige Paulus in Röm 1,16 als »eine Kraft Gottes zur Rettung für jeden, der glaubt«, verkündet hat.

Die wichtigste Debatte in der katholischen Kirche im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts dreht sich nicht um die Frage, ob das Zweite Vatikanische Konzil eine kluge oder eine dumme Idee gewesen ist. Diese Debatte seriös zu führen, wird erst in einigen Hundert Jahren möglich sein. Dann wird sich herausgestellt haben, ob das II. Vatikanum eine Neuauflage des V. Laterankonzils, eines Reformkonzils im frühen 16. Jahrhundert, dem es nicht gelungen ist, die Kirche mit neuer Kraft auf die Evangelisierung und den Missionsauftrag auszurichten, oder eine Neuauflage des Tridentinischen Konzils gewesen ist: eines Reformkonzils, das die Kirche mit Erfolg im Sinne der Wahrheiten des Evangeliums erneuert und gewaltige missionarische Energien freigesetzt hat.

Die wichtigste Debatte in der katholischen Kirche von heute ist eine Debatte, die 1964 und 1965 während der beiden letzten Sitzungsperioden des II. Vatikanums begonnen und die sich bis heute fortgesetzt hat: die Debatte über die Frage, ob das II. Vatikanum ein Konzil der Kontinuität mit der Offenbarung und der Überlieferung oder ein Konzil des Bruchs und der Diskontinuität gewesen ist, auf dem die Kirche sich im Wesentlichen neu erfunden hat.

Die Texte des II. Vatikanums beweisen, dass die Konzilsväter sowohl die Mahnung Johannes’ XXIII., den katholischen Glauben in seiner Fülle unversehrt zu bewahren, als auch seine Herausforderung beherzigt haben, für diesen Glauben Ausdrucksformen zu finden, die auch von den heutigen Menschen aufgenommen werden. Die lebendigen Teile der katholischen Kirche sind diejenigen, die den Weg der Erneuerung in Kontinuität mit der Offenbarung und der Überlieferung beschritten haben. Die sterbenden Teile der Kirche sind diejenigen, die darauf bestehen, dass das II. Vatikanum einen »Paradigmenwechsel« vollzogen habe – so als ob zwischen dem 11. Oktober 1962 und dem 8. Dezember 1965 in der katholischen Kirche etwas geschehen wäre, das die gleiche Bedeutung hätte wie der Beweis des Kopernikus, dass die Erde nicht das Zentrum des Sonnensystems ist, sondern sich um die Sonne dreht. Diese Wende – von der ptolemäischen zur kopernikanischen Kosmologie – war ein echter »Paradigmenwechsel«, ein radikaler Bruch mit der Vergangenheit und der Beginn eines anderen Weges in die Zukunft.

Die katholische Kirche vollzieht keine Paradigmenwechsel, denn Jesus Christus – »derselbe gestern und heute und in Ewigkeit« (Hebr 13,8) – ist immer das Zentrum der Kirche. Es gibt keine Evangelisierung, die nicht mit dieser Überzeugung beginnt. Und auch keine Zukunft des Katholischen.

Der nächste Papst muss all dies verstehen und er muss entschlossen sein, eine christuszentrierten Kirche zu führen, die das Werk der Evangelisierung durchführt. Der nächste Papst muss die Kraft des Evangeliums in seinem eigenen Leben sichtbar werden lassen. Und der nächste Papst muss verstehen, dass das Werk der Evangelisierung nur dann erfolgreich sein kann, wenn das Evangelium in seiner ganzen Fülle verkündet wird. Diese Verkündigung muss in uneingeschränktem Respekt vor der menschlichen Freiheit und mit einem mitfühlenden Verständnis für jene Vielschichtigkeiten des menschlichen Herzens erfolgen, über die der Prophet Jeremia vor rund 2600 Jahren geschrieben hat. Aber sie muss erfolgen, diese Verkündigung des Evangeliums – und zwar in seiner ganzen Fülle.

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