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Dritter Brief

10. fructidor (August 1804).

„Ich bin, wie Du, meine gute Mutter, sagst, ein Undankbarer und ein Narr. Ein Undankbarer war ich niemals! Narr werde ich vielleicht, krank an Leib und Seele, wie ich jetzt bin. Dein Brief hat mir mehr Schmerz bereitet, als die Antwort des Ministers, denn Du klagst mich wegen meines Mißgeschickes an und willst, daß ich Wunder thue, um es zu beschwören. Ich kann nicht auf Schleichwegen gehen und Intriguen anspinnen und das ist Deine eigne Schuld, denn Du hast mich frühzeitig die Höflinge zu verachten gelehrt. Wenn Du nicht schon seit mehreren Jahren fern von Paris und von der Welt zurückgezogen lebtest, würdest Du wissen, daß das neue Regime in dieser Beziehung schlimmer, als das alte ist, und würdest mir kein Verbrechen daraus machen, daß ich mir selbst treu geblieben bin. Wenn der Krieg länger gedauert hätte, so glaube ich, daß ich mir einen Rang erobert haben würde, aber da man ihn jetzt in der Antichambre gewinnen muß, so gestehe ich, daß ich in diesen Verhältnissen keine glänzenden Feldzüge geltend zu machen habe. Du wirfst mir vor, daß ich niemals mit Dir über meine innern Zustände spreche — aber Du hast es ja selbst nicht gewollt; denn ist es wohl möglich, da Du mich beim ersten Worte beschuldigst, ein schlechter Sohn zu sein! Ich bin genöthigt zu schweigen, denn ich habe Dir nur eine Antwort zu geben, die Dich nicht zufrieden stellt, nämlich die, daß ich Dich liebe und Niemand mehr liebe als Dich. — Warst Du nicht immer meinem Wunsche entgegen, Dupont zu verlassen und in die Linie zurückzutreten? Jetzt erkennst Du, daß ich mich in einer Sackgasse befinde, aber es ist zu spät. Jetzt muß man die Erlaubniß wie eine spezielle Gunst Sr. Majestät empfangen, und die Gunst und ich, wir gehen nicht denselben Weg.“

Er kehrte nach Nohant zurück und blieb sechs Wochen dort, ohne daß das verhängnißvolle Geständniß aus seinem Herzen über die Lippen ging. Aber das Geheimniß war errathen, denn gegen das Ende des brumaire im Jahre XIII (November 1804), zu derselben Zeit, als er nach Paris zurückkehrte, schrieb seine Mutter an den Maire des fünften Arrondissements:

„Eine Mutter, mein Herr, wird ohne Zweifel Ihnen gegenüber nicht nöthig haben, das Recht zu begründen, mit dem sie sich Ihnen vorstellt und Sie um Ihre Aufmerksamkeit ersucht.

„Ich habe starke Gründe zu fürchten, daß mein einziger Sohn sich kürzlich in Paris ohne meine Einwilligung verheirathet hat. Ich bin Wittwe, er ist 26 Jahre alt, im Militärdienst und heißt Moritz Franz Elisabeth Dupin. Die Person, mit welcher er die Ehe geschlossen haben soll, führt mehrere Namen; der, welchen ich für den ihrigen halte, ist Victorie Delaborde. Sie muß älter sein, als mein Sohn und beide wohnen zusammen rue Meslay, No. 15 bei Herrn Maréchal, [Mein Onkel; er hatte eben meine Tante Lucie geheirathet.] und weil ich glaube, daß diese Straße in Ihrem Arrondissement liegt, nehme ich mir die Freiheit, Ihnen meine Fragen vorzulegen und meine Befürchtungen zu vertrauen. Ich wage zu hoffen, daß Sie meinen Brief demjenigen Ihrer Herrn Collegen zustellen werden, in dessen Arrondissement sich die rue Meslay befindet.

„Dieses Mädchen oder diese Frau, ich weiß nicht, wie ich sie zu nennen habe, wohnte im letzten nivose in der rue de la Monnaie, wo sie eine Putzhandlung hielt.

„Seit sie in der rue Meslay wohnt, hat sie, ich glaube im messidor, meinem Sohne eine Tochter geboren, die in den Registern unter dem Namen Aurora, Tochter des Herrn Dupin und … eingetragen ist. Diese Einschreibung könnte Ihnen, wie mir scheint, einiges Licht über die Heirath verschaffen, wenn diese vorher abgeschlossen wurde, wie ich des Vornamens wegen glaube, welchen man dem Kinde beigelegt hat. Einige Indizien veranlassen mich zu der Vermuthung, daß die Heirath im letzten prairial stattfand. Ich habe die Ehre, an eine Magistratsperson, vielleicht an einen Familienvater zu schreiben und dieser doppelte Titel wird mir nicht vergeblich Hoffnung auf eine möglichst schnelle Antwort und auf die strengste Diskretion gemacht haben, möge das Resultat der Forschungen, um die ich Sie bitte, sein, welches es wolle.

„Ich habe die Ehre u.s.w.

Dupin.“

Zweiter Brief.

Von Madame Dupin an den Maire des I. Arrontissements.

„Indem Sie meine Befürchtungen bestätigten, mein Herr, haben Sie mir das Herz zerrissen, und es wird lange währen, ehe es für die Tröstungen empfänglich ist, die Sie ihm spenden, aber niemals wird es der Dankbarkeit verschlossen sein und ich weiß vollkommen den Werth einer Absicht zu schätzen, die Ihrem Herzen Ehre macht. Indessen verdanke ich Ihren Bemühungen schon zu viel, um nicht noch auf etwas zu hoffen. Sie scheinen zu glauben, daß der größte Verstoß, den man bei dieser Heirath begangen hat, der ist, daß man die achtungswerthesten und zärtlichsten Gefühle verletzte. Ich sehe, daß Sie diese Gefühle verstehen, aber Sie können unmöglich wissen, bis zu welchem Grade mein Solm sie verletzt hat. Ich weiß es selbst noch nicht, aber mein Herz sagt mir, daß er sehr strafbar sein muß, da er glaubte, mir aus dem wichtigsten Schritte seines Lebens ein Geheimniß machen zu müssen. Sie sind der einzige Mensch, der mir helfen kann, das Geheimniß zu ergründen, weil Sie der Einzige sind, der es weiß, denn ich wage keinem meiner Bekannten in Paris zu vertrauen, was mein Sohn seiner Mutter verheimlichte — und ich wage noch weniger selbst hinzukommen, während er dort ist und meine Besitzung zu verlassen, die er, wie ich hoffte, durch eine seiner und meiner würdige Lebensgefährtin verschönern sollte. Indessen muß ich wohl wissen, wer diese sonderbare Schwiegertochter ist, die er mir geben will — meine Ruhe und sein künftiges Wohlsein hängt davon ab. Damit mein Herz sich mit allen Consequenzen seines Fehlers vertraut machen kann, ist es durchaus nöthig, daß ich ihn in allen Einzelnheiten kenne. — Ihr geehrter College, der Maire des ... Arrondissements, hat die Güte gehabt, Ihnen die Mittheilung des Aktenstückes anzubieten, welches die von den beiden Gatten vorgelegten Papiere enthält und er wird Ihnen gewiß eine genaue Abschrift aller dieser Papiere nicht verweigern. Ich wage von Ihrer Gefälligkeit, oder ich sollte vielmehr sagen, von Ihrer gefühlvollen Theilnahme zu erwarten, daß Sie ihn in Ihrem oder in meinem Namen darum bitten werden.“

Aus diesem so schmerzlichen, so großmüthigen und doch so geschickt geschriebenen Briefe ist leicht zu ersehen, daß meine Großmutter mit den Akten in der Hand zu untersuchen wünschte, ob es nicht möglich sei, die Ehe für ungültig erklären zu lassen. Sie war mit dem Namen und der Vergangenheit ihrer Schwiegertochter nicht so unbekannt, als sie sagte — sie gab nur vor, von Nichts zu wissen, um ihre Absichten nicht zu verrathen, und wenn sie im Hintergründe eine Art Verzeihung sehen ließ, die zu gewähren sie durchaus noch nicht gesonnen war, so geschah das nur in der Befürchtung, in dem Maire des ... Arrondissements, der die Ehe geschlossen hatte, einen gefälligen Beschützer der Heirath zu finden, bei der so viele Unregelmäßigkeiten vorgekommen waren. Sie schrieb deshalb auch nicht direkt an diesen, sondern an den Maire des 5. Arrondissements, in dessen Gerichtsbarkeit, wie sie wohl wußte, die rue Meslay nicht lag, dessen Rechtschaffenheit ihr aber wahrscheinlich besonders empfohlen war. Die feine List der Frauen diente ihr besser, als ein kluger Rath es gekonnt hätte und ich gestehe, daß diese kleine Verschwörung gegen die Legitimität meiner Geburt mir eine unbestreitbare Berechtigung zu haben scheint.

Mein Vater, der seinerseits durch einen Mann von Fach mit gutem Rath unterstützt wurde, denn er allein wäre in alle Fallstricke der mütterlichen Zärtlichkeit gefallen, wollte seine Heirath bis zu dem Zeitpunkte geheim halten, wo der gesetzliche Termin eines Einspruchs seiner Mutter vorüber sein würde. So betrog denn Eins das Andere nach der traurigen Nothwendigkeit ihrer gegenseitigen Stellung, und sie schrieben an einander, als ob nichts zwischen ihnen sei. Ich sagte, sie betrogen sich und doch gebrauchten sie keine Lüge. Die einzige Kunst war das Stillschweigen, das Beide in ihren Briefen über den Gegenstand beobachteten, der sie am meisten beschäftigte.

Zwanzigstes Kapitel.
Fortsetzung der Briefe. — Briefwechsel zwischen meiner Großmutter und einem Civilbeamten. — Der Abbé von Andrezel. — Ein Bruchstück aus den Memoiren Marmontel's. — Mein erstes Zusammentreffen mit meiner Großmutter. — Charakter meiner Mutter. — Ihre kirchliche Trauung.— Meine Tante Lucie und meine Cousine Clotilde. — Mein erster Aufenthalt in Chaillot.
Vierter Brief.

Von Moritz an seine Mutter.

Ende Brumaire Jahr XIII (November 1804).

„Sechs Wochen lang bin ich bei Dir, meine gute Mutter, so glücklich gewesen, daß es mir jetzt beinahe Kummer macht, an Dich zu schreiben, um mich mit Dir zu unterhalten. Die Ruhe, das Glück bei Dir in Nohant machen mir das Treiben, die Ruhelosigkeit und den Lärm, wovon ich hier umgeben bin, noch unerträglicher.

„Ich hoffe, daß ich nicht gezwungen werde, zu meinen Ratten und in meine Dachkammer in Fayel zurückzukehren, denn der General Suchet, der mir gestern die Ehre erwiesen hat. seinen Wagen halten zu lassen, um mit mir zu sprechen, sagte mir, daß alle Divisionsgeneräle nach Paris befohlen werden sollten, um der Krönungsfeier beizuwohnen und daß auch Dupont wahrscheinlich nicht in seiner Verbannung bleiben würde. So bin ich denn wieder für einige Tage hier und werde Dir über die Feier Bericht erstatten.

„Was *** betrifft, so giebt sie sich mir gegenüber das Ansehen einer Beschützerin, was von einer Person, die mir gar nicht nützt, ziemlich komisch ist. Sie hat gestern gesagt, daß sie mir vorwärts geholfen haben würde, wenn sie von Dupont günstige Berichte über mein Verhalten bekommen hätte — aber ich verkehrte zu viel mit schlechter Gesellschaft. Die Gesellschaft, in welcher ich mich bewege, ist wenigstens eben so gut, als diejenige, von welcher sie umgeben ist. Vitrolles lachte laut, als er es mir erzählte und nannte sie ohne Umschweife ein „gemeines Weib“ — das mag wohl sein, aber ich will ihr keinen Vorwurf daraus machen, denn alle Welt ist jetzt eben so. Der „Hofton“ ist eine Krankheit aller derjenigen, die früher mit keinem Fuße dahin gekommen wären.“

Fünfter Brief.

Paris, den 7. Frimaire Jahr XIII (November 1804).

„Ich war schon im Begriff, nach Fayel zu reisen und wäre der Krönungsfeierlichkeiten verlustig gewesen, als mir endlich der Marschall Ney noch mittheilte, daß er einen Courier an Dupont gesendet hätte, um ihn herbeizurufen, und daß derselbe für den folgenden Tag erwartet würde. Ich eilte sogleich nach der Post, um meinen Koffer, der schon aufgepackt war, wieder zu verlangen und entriß denselben nur mit Mühe, und nachdem ich alle Beredtsamkeit aufgeboten hatte, den Händen des Conducteurs, warf den Anker wieder aus und zog die Segel ein. Dupont ist wirklich am Vorabend des großen Tages eingetroffen. Wir sind sehr gute Freunde; er hat sich um mein Kreuz bemüht und nach der Krönung wird darüber Bericht erstattet.

(Ganz heimlich zu lesen.)

„Meine Aurora befindet sich vortrefflich, sie ist bewunderungswürdig schön und ich bin entzückt, daß Du Dich nach ihr erkundigt hast.

„Dein Brief hat mir äußerst wohlgethan; Du bist darin so recht meine gute Mutter! und alle Chimären des Stolzes, deren Zeuge ich hier bin, können denen, die sich damit nähren, nicht den vierten Theil der Befriedigung gewähren, welche mir die Ausdrücke Deiner Zärtlichkeit verursachen. Erhalte mir dies Glück! ich sehne mich alle Tage nach unsern Abendunterhaltungen, nach unsern Plaudereien, unsern fröhlichen Diners, nachdem großen Salon, mit einem Worte nach ganz Nohant — und ich tröste mich nur durch den Gedanken, bald dahin zurückzukehren. Lebe wohl, meine gute, liebe Mutter; grüße von Andrezel und den Baumeister Deschartres. Deine Aufträge sind besorgt.“

Man sieht aus diesem Briefe, daß mein Dasein von der guten Mutter anerkannt wurde, und daß sie sich nicht enthalten konnte, zu zeigen, wie viel Interesse sie daran nahm. Und doch wollte sie die Heirath nicht anerkennen und bemühte sich mit dem Abbé von Andrezel die Beweise der Nichtigkeit aufzufinden, welche aus dem Mangel ihrer Zustimmung hergeleitet werden konnten. Der Maire, welcher diese Ehe geschlossen hatte, war durch gewagte Behauptungen getäuscht. Aufmerksam gemacht durch die Reclamationen meiner Großmutter, die eine vollständige Abschrift der betreffenden Akten verlangte, beeilte er sich gerade nicht mit der Antwort, denn er fürchtete vielleicht, daß sein Irrthum für ihn selbst oder für den Friedensrichter von übeln Folgen sein könnte. Der Maire des 5. Arrondissements dagegen, der keine Gründe hatte, um die Antwort zu unterlassen und der sich die Papiere hatte mittheilen lassen, sprach sich mit einer sehr anstandsvollen Zurückhaltung über die Art und Weise aus, wie die Formalitäten erfüllt waren und beschränkte sich auf einige Nachrichten über die Geburt meiner Mutter, über Claudius Delaborde, den Vogelhändler vom Quai de la Mégisserie, über den Großvater Cloquard, welcher noch lebte, und welcher noch zu jener Zeit (diese Mittheilung ist übrigens nicht aus dem Briefe des würdigen Beamten) einen langen rothen Rock und einen dreieckigen Hut trug, seinen Hochzeitsstaat aus den Zeiten Ludwig's XV. — wahrscheinlich der schönste Anzug, den er jemals besessen hatte und den er so lange als Feierkleid benutzte, bis er ihn aus Sparsamkeit vollends abtragen mußte, Ueber diese nicht sehr glänzende Abkunft ihrer Schwiegertochter schrieb meine Großmutter an den genannten Maire, unter dem Datum des 27. Frimaire des Jahres XIII:

„... Wie schmerzlich auch die Erkundigungen, die Sie gütigst eingezogen haben, für mein Herz sein mögen, so bin ich doch nicht weniger dankbar für die Mühe, die Sie sich gegeben haben, um meine traurige Wißbegierde zu befriedigen. Die Verwandtschaft verursacht mir viel weniger Kummer, als die Persönlichkeit der Demoiselle. Ihr Schweigen über diesen Punkt, mein Herr, macht mir mein Unglück und das meines Sohnes zur Gewißheit. Es ist sein erster Fehltritt; er war das Muster eines guten Sohnes und ich wurde als die glücklichste der Mütter genannt. Mein Herz ist gebrochen und mit Thränen danke ich Ihnen, mein Herr, für Ihre Freundlichkeit und gebe Ihnen die Versicherung meiner besondern Hochachtung ec.“

Worauf der Maire des 5. Arrondissements Folgendes antwortete (alle diese Briefe liegen vor mir, denn meine Großmutter hatte eine Abschrift der ihrigen genommen und das Ganze zu einer Art Aktenstoß vereinigt):

„Madame!

„Nach Ihrer Antwort auf meinen letzten Brief zu urtheilen, haben Sie sich in Ihrem Schmerze über einen gewissen Punkt einer Täuschung hingegeben, die zu widerlegen ich mir selbst schuldig zu sein glaube, denn auf diesem Punkte beruht eben sowohl meine Zufriedenheit, wie Ihre Ruhe.

„Es scheint mir, Madame, daß die Angaben, welche unter den obwaltenden Verhältnissen die Prüfungen des Mutterherzens erleichtern können, auf Thatsachen begründet sein müssen. Ich habe wenigstens in dieser Absicht und in diesem Sinne die Nachforschungen begonnen, deren Ergebniß ich Ihnen mitgetheilt habe.

„Aber vielleicht glaubt die Seele, wenn sie vom Gefühl überwältigt wird, zu ihrem Unglück an das, was sie fürchtet? Meiner Absicht nach sollte mein Brief zu ganz andern Vermuthungen Anlaß geben, als Sie über die Persönlichkeit der Gattin, welche Ihr Sohn gewählt hat, daraus gezogen haben. Da ich nur solche Dinge mittheilen konnte und wollte, deren ich vollständig gewiß war, habe ich mir selbst ein Urtheil bilden wollen, und habe, wie ich es Ihnen bereits meldete, einen gewandten und zuverlässigen Menschen beauftragt, sich unter irgend einem Vorwande in die Häuslichkeit der jungen Ehegatten Eingang zu verschaffen. Man hat, wie ich bereits die Ehre hatte, Ihnen zu sagen, eine außerordentlich bescheidene, aber wohlgeordnete Wohnung gefunden. Die beiden jungen Leute hatten ein anstandvolles und selbst vornehmes Aeußere; die junge Mutier war von ihren Kindern umgeben, nährte das Jüngstgeborne selbst und schien sich ihren mütterlichen Sorgen ganz hinzugeben. Der junge Mann war voller Höflichkeit, Wohlwollen und Heiterkeit. Da mein Abgesandter den Vorwand gebraucht hatte, sich nach einer Adresse zu erkundigen, ist Ihr Herr Sohn hinuntergegangen, um in der andern Etage bei Herrn Maréchal, der mit Fräulein Lucie Delaborde, der jüngern Schwester von Fräulein Victorie Delaborde verheirathet ist, danach zu fragen, und Herr Maréchal ist sehr gefällig heraufgekommen, um die Adresse zu geben. Herr Maréchal ist ein pensionirter Offizier von sehr vortheilhaftem Aeußern. Mit einem Worte, das Urtheil meines Gesandten, dem Sie vollkommen vertrauen dürfen, ist: daß, wie auch die Vergangenheit der Dame gewesen sein mag, eine Vergangenheit, die mir vollständig fremd ist, jedenfalls ihr gegenwärtiges Leben ein durchaus regelmäßiges ist und eine Gewohnheit der Ordnung und des Anstandes verräth, die nichts Affectirtes besitzt. Ueberdies hatten die beiden Eheleute unter einander jenen Ton sanfter Vertraulichkeit, welcher ein inniges Verständniß voraussetzen läßt, und nach fernern Erkundigungen habe ich mich überzeugt, daß Nichts anzeigt, daß Ihr Sohn die eingegangene Verbindung bereuen müßte.

„Ich irre mich! eines Tages muß er es bitter bereuen, das Herz seiner Mutter gebrochen zu haben. Aber Sie haben selbst gesagt, daß es sein erster, sein einziger Fehltritt ist, und ich habe Grund zu glauben, daß derselbe, obwohl er Ihnen gegenüber von Bedeutung ist, doch einst durch seine Zärtlichkeit und die Ihrige auszugleichen sein wird. Ihrem mütterlichen Herzen kommt es zu, ihn frei zu sprechen und ich würde glücklich sein, wenn ich Ihnen durch die Versicherung einen Trost gäbe, daß der Ton, den man bei ihm gefunden hat, in nichts Ihre traurigen Vorhersagungen rechtfertigt.

„In diesem Geiste bitte ich Sie, Madame, die Versicherung zu empfangen, daß ich bin ec.“

Wie beruhigend dieser freundliche, höfliche Brief auch war, so fuhr meine Großmutter doch fort, sich mit den Beweismitteln zu versehen, durch welche sie die Heirath wieder zu lösen hoffte.

Der Abbé von Andrezel reiste nach Paris, mit allen nöthigen Vollmachten versehen. Dieser Abbé von Andrezel, der seit der Revolution nicht mehr Abbé genannt wurde, war einer der geistreichsten und liebenswürdigsten Männer, die ich je gekannt habe. Er hat, ich weiß nicht genau was, aus dem Griechischen übersetzt und galt für einen Gelehrten; er war Rektor der Universität und während der Restauration wurde er für eine Zeit lang Censor. Uebrigens war er kein leidenschaftlicher Royailist. Er war ein sehr hübscher Bursche gewesen und ich glaube, daß er fortwährend sehr ausschweifend war. Er paßte sich also sehr schlecht zu der ernsten Mission, welche ihm meine Großmutter übertragen hatte. Aber er ging mit großem Eifer zu Werke, denn alle Berichte über die Heirath meines Vaters, welche den Aktenstoß meiner Großmutter bilden, sind an ihn gerichtet und auf sein Verlangen ausgestellt. Aus allen diesen Berichten und Nachweisungen geht hervor, daß die Heirath meines Vaters unauflöslich war, da der Beamte, der sie geschlossen hatte, nach bestem Wissen und Gewissen handelte, und daß alle Protestationen nur zu einer persönlichen Rache gegen diesen Beamten geführt haben würden, ohne die Ehe wieder zu lösen.

Während der Abbé von Andrezel in Paris thätig war und während meine Großmutter ihrem Sohne schrieb, ohne ihre Schmerzen und ihren Zorn auszusprechen, blieb auch mein Vater über seine bedeutendsten Interessen stumm, benachrichtigte sie aber von allen Schritten in Bezug auf seine dienstlichen Verhältnisse.

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