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Читать книгу: «Der kleine Ritter», страница 41

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Epilog

Ein Jahr und darüber war verflossen nach dem Falle von Kamieniez; die Zwietracht der Parteien verstummte allmählich, und die Republik raffte sich endlich zur Verteidigung ihrer östlichen Grenzen als Angreiferin auf. Der große Hetman Sobieski ging mit einundreißigtausend Mann, Berittenen und Fußvolk, in die Lande des Sultans nach Chozim, um die bei weitem zahlreicheren Heerscharen Hussein-Paschas anzugreifen, welche bei dieser Festung standen.

Schon der Name Sobieski war dem Feinde furchtbar; er hatte in diesem Jahre, welches dem Falle von Kamieniez folgte, mit einigen tausend Soldaten solche Taten vollbracht, die ungezählten Scharen des Pascha dermaßen gelichtet, so viele Tatarenhaufen aufgerieben, so vielen Gefangenen die Freiheit zurückgegeben, daß der alte Hussein, obgleich die Zahl seiner Heere größer war, obgleich er an der Spitze einer trefflich geübten Linie stand, obwohl er durch Kaplan-Pascha unterstützt wurde, nicht wagte, dem Hetman im offenen Felde die Stirn zu bieten, und beschloß, sich in einem verschanzten Lager zu verteidigen.

Der Hetman umringte das Lager mit seinen Heeren, und es war allgemein bekannt, daß er die Absicht habe, es im ersten Ansturm zu nehmen. Zwar meinten viele, es sei in der Geschichte der Kriegstaten ein unerhörtes Unternehmen, sich mit dieser kleineren Macht gegen die große zu wagen, die überdies durch Wälle und Gräben geschützt war. Hussein hatte hundertzwanzig Kanonen, im ganzen polnischen Lager waren nur fünfzig. Das türkische Fußvolk übertraf die Macht des Hetmans dreifach. Von Janitscharen allein, die im Handgemenge so furchtbar waren, standen in den türkischen Verschanzungen über achtzehntausend; aber der Hetman glaubte an seinen Stern, an den Zauber seines Namens – und endlich auch an die Heere, die er führte.

Seine Regimenter waren geprüft und gehärtet im Feuer; es waren Leute, die von Jugend auf im Kriegslärm gelebt, die unzählige Kriegszüge, Unternehmungen, Belagerungen, Schlachten mitgemacht hatten. Viele von ihnen erinnerten sich noch der furchtbaren Zeiten Chmielniezkis, an Sbarasch und Berestetschs, viele hatten alle schwedischen, reußischen, moskowitischen, den Bürgerkrieg, den dänischen und ungarischen Krieg überdauert. Da gab es Herren und Troßvolk, Veteranen, Soldaten aus den Grenzwarten, für welche der Krieg der gewöhnliche Zustand, die gewohnte Lebensweise geworden war. Unter dem Wojewoden von Reußen standen fünfzehn Fahnen Husaren, eine Reiterei, die selbst Ausländer für unvergleichlich hielten, und an deren Spitze der Hetman schon nach dem Falle von Kamieniez den zerstreuten Tatarenhaufen soviel zu schaffen gemacht hatte. Es kämpften endlich auch Bauern zu Fuß mit, welche sich ohne Schuß mit den Kolben auf die Tataren warfen.

Der Krieg hatte diese Leute in die Zucht genommen, denn er hatte in der Republik ganze Geschlechter auferzogen; sie waren aber bis heute zerstreut oder standen in Diensten feindlicher Parteien. Jetzt, da sie die innere Eintracht in einem Lager und unter einem Kommando zusammenhielt, hoffte der Hetman, mit ihnen die Übermacht Husseins und den nicht minder übermächtigen Kaplan zu erdrücken. Geführt wurden die Leute von erprobten Führern, deren Namen gleichfalls in die Annalen der letzten Kriege eingetragen waren, in der wechselvollen Reihe von Niederlagen und Siegen.

Der Hetman selbst glich einer Sonne, stand an der Spitze aller und regierte Tausende mit seinem Willen. Und wie hießen die anderen Führer, die in diesem Lager von Chozim unsterblichen Ruhm erringen sollten?

Es waren zwei litauische Hetmane, der Hetman Paz und der Feldhetman Michael Kasimir Radziwill. Diese hatten sich wenige Tage vor der Schlacht mit den Kronheeren verbunden und standen jetzt unter Sobieskis Befehl auf den Anhöhen, welche Chozim mit Swaniez verbinden. Zwölftausend Krieger, darunter zweitausend auserwähltes Fußvolk gehorchten ihrem Befehl. Vom Dniestr gen Süden standen die verbündeten walachischen Regimenter, die am Tage vor der Schlacht das türkische Lager verlassen hatten, um sich mit den Christen zu vereinigen; neben den Walachen stand mit der Artillerie Kontski, unvergleichlich in der Eroberung befestigter Plätze, im Aufschütten von Wällen und in der Richtung von Kanonen. In fremden Ländern hatte er sich in dieser Kunst geübt, aber bald übertraf er in ihr seine Lehrer. An Kontski schlossen sich die reußische und die masurische Infanterie Koryzkis an, dann kam der Feldhetman Dimitr Wischniowiezki, des kranken Königs Vetter. Er hatte die leichte Reiterei unter sich; neben diesen hatte sich mit den eigenen Fahnen zu Fuß und zu Pferde Andreas Potozki aufgestellt, einst des Hetmans Gegner, heute ein Verehrer seiner Größe. An ihn und Koryzki schlossen sich unter Führung Jablonowskis, des reußischen Wojewoden, fünfzehn Husarenfahnen in leuchtenden Panzern und Helmen, die drohende Schatten über die Gesichter warfen. Ein Wald von Speeren starrte über ihnen, sie aber standen ruhig, in sicherem Vertrauen auf ihre unerschütterliche Kraft, in der festen Überzeugung, daß die Entscheidung des Sieges bei ihnen liege.

Weniger hervorragende Krieger – nicht an Mut, wohl aber an Bedeutung – waren der Burgvogt Luschezki von Podlachien, dem die Türken in Bodsanow einen Bruder enthauptet hatten, wofür er ihnen ewige Rache geschworen, der Kronfeldsekretär Stephan Tscharniezki, des großen Stephan Bruderssohn; er war es, der während der Belagerung von Kamieniez bei Golembin an der Spitze eines Adelshaufens, der auf der Seite des Königs stand, beinahe einen Bürgerkrieg erregt hätte; jetzt strebte er, durch Mut auf einem besseren Kampfplatze zu glänzen. Ebenso waren Gabriel Silnizki, dem das Leben im Kriege dahingegangen war und das Alter schon das Haupt gebleicht hatte, und viele andere Wojewoden und Burgvögte aus den früheren Kriegen, weniger bekannt, weniger berühmt, aber um so mehr nach Ruhm begierig.

Unter der Ritterschaft leuchtete, wenn auch nicht mit der Würde eines Senators angetan, über alle anderen Skrzetuski, der berühmte Kämpfer von Sbarasch, ein Soldat, den man der Ritterschaft zum Muster vorhielt, ein Mitkämpfer in allen Kriegen, welche die Republik seit dreißig Jahren geführt hatte. Ehrwürdiges Grau bedeckte ihm das Haupt, aber dafür umgaben ihn sechs Söhne, an Kraft sechs Ebern ähnlich; die älteren von ihnen kannten den Krieg schon, die beiden jüngeren sollten jetzt die Feuertaufe erhalten, und darum glühten sie von solcher Schlachtbegier, daß der Vater mit besonnenen Worten ihre Ungeduld zügeln mußte.

Mit großer Hochachtung sahen die Genossen auf den Vater und die Söhne; noch größere Bewunderung aber erweckte Jarozki, der auf beiden Augen blind war, wie einst König Johann von Böhmen, und nichtsdestoweniger mutig in den Krieg zog.

Er hatte weder Kinder noch Anverwandte; die Knechte führten ihn am Arme, und er hegte nur die Hoffnung, in der Schlacht das Leben zu lassen, dem Vaterland zu dienen und Ruhm zu erwerben. Da war auch Rschetschyzki, dem Vater und Bruder in diesem Jahre gefallen waren, Motowidlo, der, kaum der tatarischen Sklaverei entflohen, sogleich wieder ins Feld zog, Seite an Seite mit Herrn Myslischewski. Der erstere wollte sich für die Sklaverei rächen, der zweite für die Schmach, die er in Kamieniez erfahren hatte, wo ihn die Janitscharen gegen Vertrag und Adelswürde mit Stöcken geschlagen hatten. Es waren auch ältere Ritter aus den Grenzwarten am Dniestr da, der verwilderte Ruschtschyz und der unvergleichliche Bogenschütze Muschalski; dieser war heil aus Kamieniez hervorgegangen, da ihn der kleine Ritter mit der Meldung zu seiner Gattin geschickt hatte; endlich Snitko, Nienaschyniez, Hromyka, und der Unglücklichste von allen, der junge Nowowiejski.

Ihm hatten selbst Freunde und Verwandte den Tod gewünscht, denn es gab für ihn keinen Trost mehr; nachdem er genesen war, hatte er ein ganzes Jahr hindurch mit Glück die Tatarenhaufen bekriegt, besonders wütend die Lipker verfolgend. Nachdem Krytschynski Motowidlo aufgerieben hatte, folgte er ihm durch ganz Podolien, ließ ihn nicht zu Atem kommen und saß ihm furchtbar schwer im Nacken. Bei diesen Unternehmungen ergriff er Adurowitsch und ließ ihm das Fell abziehen; den Gefangenen ließ er weder Speise noch Trank zukommen; – aber er empfand dennoch keinen Trost in seinem Leid. Einen Monat vor der Schlacht trat er in die Reiterei des Wojewoden von Reußen ein.

Mit solcher Ritterschaft stand Sobieski vor Chozim. Für die Schmach, die der Republik angetan war, in erster Reihe aber auch für ihre eigene Schmach wollten diese Krieger Rache nehmen; denn in den beständigen Kämpfen mit den Heiden hatte wohl ein jeder in diesem blutgetränkten Lande ein geliebtes Haupt verloren, trug wohl ein jeder eine Erinnerung an ein furchtbares Unglück in seinem Busen. Der Großhetman eilte zur Entscheidung, denn er sah, daß die Mordlust in den Herzen seiner Soldaten der Begierde einer Löwin glich, welcher leichtfertige Jäger die Jungen raubten.

Am 9. November 1673 begannen die Einzelkämpfe. Scharen von Türken kamen am frühen Morgen aus den Verschanzungen hervor; Scharen polnischer Ritterschaft eilten ihnen kampfbegierig entgegen. Auf beiden Seiten gab es Tote; der größere Verlust aber war auf der türkischen Seite. Von hervorragenden Türken oder Polen fielen nur wenige. Herrn Maj durchbohrte gleich zu Beginn des Treffens ein hühnenhafter Spahi mit dem krummen Schwert; aber der jüngste Skrzetuski schlug ihm mit einem Streich fast den Kopf vom Rumpfe und erwarb dafür das Lob des besonnenen Vaters und großen Ruhm.

So traf man sich zu Haufen oder einzeln, und denen, welche dem Kampfe zusahen, wuchs der Mut und die Kampfbegier. Inzwischen stellten sich die Abteilungen des Heeres rings um das türkische Lager auf, wo ihnen der Hetman die Plätze anwies. Er selbst stand hinter dem Fußvolk Koryzkis auf dem alten Wege nach Jassy und umfaßte mit den Augen das ganze ungeheure Lager Husseins. Auf seinem Antlitz lag die ungetrübte Ruhe, die den Meister kennzeichnet, der seiner Kunst sicher ist, ehe er an das Werk schreitet. Von Zeit zu Zeit schickte er Ordonnanzen mit Befehlen aus und sah nachdenklich dem Kampfe der einzelnen zu. Gegen Abend kam der Wojewode von Reußen zu ihm.

»Die Wälle sind so ausgedehnt,« sagte er, »daß es unmöglich ist, sie gleichzeitig von allen Seiten zu stürmen.«

»Morgen werden wir auf den Wällen sein, und übermorgen werden wir diese Mannschaften niederhauen,« sagte ruhig Sobieski.

Inzwischen brach die Nacht herein. Die Kämpfer zogen sich zurück, der Hetman befahl allen Abteilungen, in der Dunkelheit sich den Wällen zu nähern. Hussein wollte dies nach Kräften verhindern, indem er aus Kanonen großen Kalibers schoß; aber vergeblich. Am Morgen gingen die polnischen Abteilungen wieder ein wenig vorwärts; die Fußsoldaten begannen kleine Schanzen aufzuschütten, einige Regimenter drangen bis auf einen guten Pfeilschuß heran. Da gaben die Janitscharen ein tüchtiges Feuer, auf Befehl des Hetmans erwiderte man jedoch dieses Feuer fast gar nicht, das Fußvolk rüstete vielmehr zu einem Angriff auf Kolben. Die Soldaten erwarteten nur den Befehl, um loszustürmen. Über ihre langgezogene Linie flogen pfeifend und surrend die Kartätschen. Kontskis Artillerie, die in der Dämmerung den Kampf begonnen hatte, war bisher nicht eine Minute verstummt; nach der Schlacht erst zeigte sich, welche furchtbaren Verwüstungen ihre Geschosse angerichtet hatten, die gerade dort niedergefallen waren, wo die Zelte der Spahis und Janitscharen am dichtesten standen.

So war der Mittag herangekommen; aber da der Tag kurz war, ein Novembertag, so tat Eile not. Plötzlich erklangen alle Trommeln, Kesselpauken und Krummhörner, aus tausend Kehlen erscholl es in einem Rufe, und das Fußvolk, unterstützt von der leichten nachfolgenden Reiterei, stürmte in dichter Masse zum Angriff.

Von fünf Seiten gleichzeitig erfolgte der Angriff auf die Türken. Johann von Dänemark, Christophorus de Bohan, alles erfahrene Krieger, führten die ausländischen Regimenter. Der erstere, von leichter Erregbarkeit, stürmte so wütend vorwärts, daß er vor den anderen an die Wälle gelangte, und das Regiment nahezu ins Verderben geführt hätte, da er die Salve von vielen tausend Büchsen ertragen mußte. Er selbst fiel; die Soldaten begannen zu wanken, aber gerade in diesem Augenblick kam ihnen de Bohan zu Hilfe und verhinderte die Auflösung. Er hatte mit ruhigem Schritte, wie bei der Musterung und als folge er dem Takte der Kapelle, die ganze Fläche bis zu den türkischen Wällen durchmessen, antwortete auf die Salve, und als der Graben mit Faschinen gefüllt war, durchschritt er ihn zuerst unter einem Hagel von Kugeln, grüßte die Janitscharen mit dem Hute und traf zuerst ihren Fahnenträger. Die Soldaten, angeeifert durch das Beispiel eines solchen Führers, eilten vorwärts, und ein furchtbares Ringen begann, in welchem Zucht und Übung mit dem wilden Mut der Janitscharen um die Palme stritt. Die Dragoner führten von der Wiese her Taraban Tetwin und Dönhoff, das zweite Regiment Aswer Greben und Hajdepohl, alles treffliche Krieger, die außer Hajdepohl noch unter Tscharniezki in Dänemark unermeßlichen Ruhm errungen hatten. Die Mannschaften waren stämmig, kräftig, aus den Leuten in den königlichen Besitzungen gewählt, ausgezeichnet geübt im Kampfe zu Fuß und zu Pferd. Die Tore verteidigten gegen sie die Dschamaken, das sind die irregulären Janitscharen; sie gerieten, obgleich ihre Haufen ungeheuer groß waren, alsbald in Unordnung, sie wichen zurück, und als es zum Handgemenge kam, verteidigten sie sich nur insoweit, als sie keinen Platz zum Rückzuge hatten. Dieses Tor wurde zuerst erobert, und von hier konnte die Reiterei in das Innere des Lagers eindringen.

An der Spitze des polnischen Landfußvolkes stürmten an drei anderen Stellen gegen die Wälle Kobylezki, Schebrowski, Piotrkowtschik und Galezki. Der fürchterlichste Kampf wütete am Haupttore, das auf den Weg nach Jassy hinausführte, wo die Masuren mit der Garde Hussein-Paschas zusammengestoßen waren. Um dieses Tor war es ihm hauptsächlich zu tun, denn hier konnte die polnische Reiterei ins Lager gelangen. Darum beschloß er, es hartnäckig zu verteidigen, und trieb immer neue Janitscharen-Abteilungen dorthin. Die polnische Infanterie hatte das Tor schnell erobert und strengte nun alle Kräfte an, um es zu behaupten; die Kanonen und ein Hagel von Büchsenkugeln trieb sie zusammen, und aus den Rauchwolken traten immer neue anstürmende Kriegerscharen hervor. Da warf sich Kobylezki, ohne ihr Herannahen abzuwarten, wie ein wütender Bär ihnen entgegen, und zwei Menschenmauern trafen aufeinander, drängten, wogten in Blutströmen und auf Leichenhügeln hin und her. Man kämpfte mit jeglicher Waffe, mit Säbeln, Messern, Kolben, Musketen, Spaten, Stangen, Achsen, man warf sich mit Steinen, manchmal entstand ein solches Gedränge, daß sich die Menschen um die Hüften faßten und mit Faust und Zähnen kämpften. Hussein versuchte zweimal mit Hilfe eines gewaltigen Reiterangriffs das Fußvolk zu durchbrechen, aber die Infanterie trat ihm jedesmal mit so außergewöhnlicher Entschiedenheit entgegen, daß er sich in Unordnung zurückziehen mußte. Endlich erbarmte sich Sobieski ihrer und schickte ihnen den gesamten Lagertroß zu Hilfe.

An der Spitze stand Motowidlo; der Haufe, der gewöhnlich nicht in der Schlacht verwendet wurde und schlecht bewaffnet war, stürmte jedoch mit solcher Kampfeslust vorwärts, daß er selbst die Bewunderung des Hetmans herausforderte; vielleicht, daß sie die Beutegier anfeuerte, oder daß die Begeisterung, die an diesem Tage das ganze Heer belebte, auch sie ergriff, genug, sie stürmten so mächtig gegen die Janitscharen, daß sie diese gleich auf die Entfernung eines Bogenschusses vom Tore zurücktrieben. Hussein warf neue Regimenter in das Kampfgewühl, und der Kampf, der sich im Augenblick erneuerte, dauerte ganze Stunden. Aber in dieser Zeit hatte Koryzka an der Spitze der ausgewählten Regimenter das Tor tüchtig besetzt, und aus der Ferne kamen die Husaren wie ein riesiger Vogel, der sich schwerfällig zum Fluge erhebt, heran, und näherten sich allmählich dem Tore. Gleichzeitig kam eine Ordonnanz zum Hetman von der Westseite des Lagers her.

»Der Wojewode von Belz ist in den Verschanzungen!« rief der Bote aus keuchender Brust.

Da kam ein zweiter: »Die litauischen Hetmane sind in den Verschanzungen!«

Dann kamen andere, immer mit derselben Nachricht. Schon bedeckte Dämmerung die Erde, aber von dem Antlitz des Hetmans leuchtete es hell auf. Er wandte sich an Herrn Bidsinski, der in diesem Augenblick an seiner Seite war, und sagte: »Jetzt kommt die Reiterei an die Reihe, aber das geschieht erst morgen.«

Niemand jedoch im polnischen und im türkischen Lager wußte oder vermutete, daß der Hetman den allgemeinen Sturm aller Kräfte auf den anderen Morgen zu verlegen gedenke, vielmehr sprengten die Ordonnanzoffiziere zu den Hauptleuten mit der Weisung, jeden Augenblick bereit zu sein. Das Fußvolk stand in geordneten Reihen da, den Reitern brannten Säbel und Speere in den Händen, alle erwarteten den Befehl mit Ungeduld, denn die Leute waren ausgehungert und erfroren; aber die Stunden vergingen, und der Befehl kam nicht. Eine dunkle, schwarze Nacht brach herein; schon am Tage war das Wetter schlecht gewesen, und um Mitternacht zog ein Sturm heran mit eisigem Regen und Schnee. Seine Schläge machten das Mark in den Beinen gefrieren, die Pferde konnten kaum feststehen, die Menschen erstarrten vor Kälte. Der größte Frost, wenn er trocken ist, kann nicht so peinigen, wie dieser Sturm mit Schnee und Regen, der den menschlichen Körper wie eine Geißel trifft. In der beständigen Erwartung des Losungswortes konnte man an Essen und Trinken oder an das Anzünden der Wachtfeuer nicht denken. Mit jeder Stunde wurde es entsetzlicher. Es war eine denkwürdige Nacht, eine Nacht der Qual und des Zähneklapperns. Die Rufe der Hauptleute: Halt! – Halt! ließen sich jeden Augenblick hören, und die zuchtgewohnten Scharen standen in vollster Bereitschaft ohne Bewegung geduldig da.

Gegenüber, in Regen, Sturm und nächtlichem Dunkel, standen in gleicher Bereitschaft die Regimenter der Türken. Niemand von ihnen unterhielt ein Feuer, niemand aß, niemand trank; der Angriff der gesamten polnischen Streitkraft wurde jeden Augenblick erwartet, und so konnten die Spahis den Säbel nicht aus der Hand legen, und die Janitscharen standen wie eine Mauer mit ihren Büchsen da, jeden Augenblick zum Schusse bereit. Der ausdauernde polnische Soldat, an die Härte des Winters gewöhnt, konnte eine solche Nacht überstehen, aber diese Mannschaften, aufgezogen in dem milden Klima Rumeliens oder unter den Palmen Kleinasiens litten mehr, als ihre Kräfte vertragen konnten. Hussein wurde es endlich klar, weshalb Sobieski den Sturm nicht beginne. Dieser eisige Regen war der beste Bundesgenosse der Lechen. Es war für jedermann offenkundig: wenn die Spahis und Janitscharen zwölf Stunden so dastehen sollten, würden sie morgen wie die Garben hinsinken, ohne den Versuch einer Gegenwehr, bis zu dem Zeitpunkt wenigstens, da sie die Glut der Schlacht erwärmt haben würde.

Den Polen wie den Türken ward dies klar. Um die vierte Stunde der Nacht kamen zwei Paschas zu Hussein: Janisch-Pascha und Kiaja, Führer der Janitscharen, ein alter, erfahrener, ausgezeichneter Krieger. Beider Antlitz war voll Trauer und Sorge.

»Herr,« sprach Kiaja zuerst, »wenn meine Schäfchen bis morgen so dastehen, dann bedarf es keiner Kugeln und Schwerter mehr für sie.«

»Herr,« sagte Janisch-Pascha, »die Spahis erfrieren mir und werden sich morgen nicht schlagen können.«

Hussein fuhr sich in den Bart; er sah die Niederlage und den eigenen Untergang voraus. Aber was sollte er tun? Wenn er auch nur auf eine Minute gestattet hätte, die Schlachtordnung zu lockern und Feuer anzuzünden, damit die Leute sich mit warmer Speise erquickten, so würde der Angriff unverzüglich erfolgen. Auch so ertönten schon von Zeit zu Zeit von den Wällen her die Trompeten, als wolle die Reiterei vorrücken.

Kiaja und Janisch-Pascha sahen nur einen Ausweg: den Sturm nicht abzuwarten, sondern selbst sofort mit der ganzen Macht den Feind anzugreifen. Es bedeute wenig, daß er kampfbereit dastehe, denn da er selbst anzugreifen beabsichtige, erwarte er keinen Angriff. Es gelinge vielleicht, ihn aus den Verschanzungen herauszudrängen, und im äußersten Falle sei bei einer nächtlichen Schlacht eine Niederlage wahrscheinlich, am anderen Tage aber gewiß. Hussein aber wagte nicht, dem Rate der alten Krieger zu folgen.

»Wie,« sagte er, »ihr habt den Maidan mit Gräben durchzogen, weil ihr darin die einzige Rettung vor dieser höllischen Reiterei gesehen habt, sollen wir jetzt selbst die Gräben überschreiten, um uns ins offenbare Verderben zu stürzen. Euer Rat war es, eure Warnung, jetzt sprecht ihr anders.«

Er gab nur den Befehl, Kanonenfeuer gegen den Wall zu richten, worauf Kontski in demselben Augenblick mit großem Erfolge antwortete. Der Regen wurde immer eisiger und peitschte immer furchtbarer, der Wind tobte, heulte, drang bis auf die Haut und verwandelte das Blut in den Adern zu Eis. So ging diese lange Novembernacht hin, die Kräfte der Verteidiger des Islam wurden gebrochen, und Verzweiflung, gepaart mit dem Vorgefühl der Niederlage, ergriff ihre Herzen.

Im Augenblicke der Dämmerung begab sich Janisch-Pascha noch einmal zu Hussein mit dem Rate, sich in Schlachtordnung bis zur Dniestrbrücke zurückzuziehen und dort vorsichtig ein Geplänkel zu eröffnen. »Denn wenn das Heer – sagte er – der Wucht der Reiterei nicht standhält, so werden sie sich jenseits der Brücke flüchten, und der Fluß wird ihnen Schutz geben!« Kiaja, der Führer der Janitscharen, war indessen anderer Ansicht, er meinte, für des Janisch Rat wäre es schon zu spät. Er fürchtete auch, daß, wenn der Befehl des Rückzuges verkündet würde, sogleich das ganze Heer ein Schrecken ergreifen müsse. »Die Spahis werden mit Hilfe der Dschamaken den ersten Anprall der Reiterei der Ungläubigen aushalten, und wenn sie alle zugrunde gehen sollten. Inzwischen werden ihnen die Janitscharen zu Hilfe kommen, und Gott ihnen vielleicht den Sieg senden.«

So riet Kiaja, und Hussein folgte seinem Rat. Die berittenen Haufen der türkischen Linie ritten vor, die Janitscharen und die Dschamaken stellten sich hinter ihnen, rings um die Zelte Husseins auf. Ihre großen Scharen boten einen prächtigen und drohenden Anblick dar. Der weißbärtige Kiaja, »der Löwe Gottes«, der bis zum heutigen Tage seine Krieger nur zu Siegen geführt hatte, flog auf seinem Rosse die Reihen entlang, sprach ihnen Mut zu und richtete ihre Herzen auf, indem er der alten Kämpfe und Siege erwähnte. Ihnen war auch die Schlacht lieber, als das tatenlose Stehen im Unwetter, im Regen, im Abwarten und in diesem Mark und Bein durchdringenden Sturm, und obwohl ihre erstarrten Hände kaum die Büchsen und Lanzen halten konnten, freuten sie sich doch darauf, sich in der Schlacht zu erwärmen. Mit minder großem Mute erwarteten die Spahis den Angriff, erstens, weil sie die erste Wucht aushalten sollten, und zweitens, weil unter ihnen viele Bewohner Kleinasiens und Ägyptens dienten, die gegen Kälte sehr empfindlich sind und in der stürmischen Nacht halb tot gefroren waren. Auch die Pferde hatten sehr gelitten, und obgleich sie im stattlichen Schmucke dastanden, hielten sie doch die Nüstern gegen den Boden und hauchten förmliche Dampfsäulen aus. Die Mannschaft mit den blaugefrorenen Gesichtern und dem erloschenen Blick glaubte kaum noch an Sieg. Sie dachten nur daran, daß der Tod besser sei als eine Qual, wie die in der letzten Nacht, und das beste die Flucht zu den alten Nestern unter den Strahlen der südlich glühenden Sonne.

Im polnischen Heere waren einige Leute, die mangelhaft bekleidet waren, gegen Morgen auf den Wällen erfroren. Im allgemeinen aber ertrug das Fußvolk und die Reiterei die Kälte bei weitem besser als die Türken, denn sie hielt die Hoffnung auf Sieg aufrecht, und der nahezu blinde Glaube, daß, wenn der Hetman beschlossen habe, im Sturmwetter auszuhalten, diese Qual unzweifelhaft zu ihrem Glück und den Türken zum Unheil und zum Verderben gereichen müsse. Trotzdem begrüßten auch sie die ersten Morgenstrahlen mit Freude.

Um diese Zeit erschien Sobieski auf den Wällen; kein Morgenrot stand am Himmel, aber Morgenrot lag auf seinem Antlitz, denn als er merkte, daß der Feind ihm eine Schlacht im Lager liefern wolle, war er überzeugt, daß dieser Tag Mohammed eine furchtbare Niederlage bringen werde. Er ritt von Regiment zu Regiment und wiederholte: »Für die geschändeten Kirchen, für die Lästerung der heiligen Jungfrau in Kamieniez, für die Schmach, die der Christenheit und der Republik angetan ward, für Kamieniez!« Und die Soldaten schauten drohend drein, als wollten sie sagen: Wir halten es kaum noch aus auf unseren Plätzen; befiehl, großer Hetman, und du sollst sehen. – Der Schimmer und das fahle Licht des Morgens wurden immer heller, aus dem Nebel traten immer deutlicher die Reihen der Pferdeköpfe hervor, die Gestalten der Menschen, die Lanzen, die Fahnen, endlich die Regimenter des Fußvolks. Diese begannen auch zuerst den Anmarsch und strömten im Nebel dem Feind entgegen, wie zwei Flüsse zu beiden Seiten der Reiterei. Dann rückte die leichte Reiterei los, sie ließ nur in der Mitte einen breiten Streifen frei, durch welchen im geeigneten Augenblick die Husaren heransprengen sollten.

Jeder Regimentsführer von der Infanterie, jeder Rottenführer hatte schon seine Instruktion und wußte, was er zu tun habe. Kontskis Artillerie ließ sich immer kräftiger vernehmen und rief von der türkischen Seite ebenso kräftige Antworten hervor. Da ertönte ein Musketenschuß, ein ungeheurer Schrei scholl über das ganze Lager – der Angriff war eröffnet.

Eine neblige Luft hüllte den Horizont ein, aber das Echo der Schlacht drang bis dorthin, wo die Husaren standen. Man hörte Waffengeklirr und Schlachtgeschrei. Der Hetman, der bisher bei den Husaren geblieben war und mit dem Wojewoden von Reußen sprach, verstummte plötzlich und horchte auf; dann sagte er zu dem Wojewoden:

»Das Fußvolk kämpft mit den Dschamaken, die in den kleinen Schanzen zerstreut sind.«

Nach einer Weile wurde der Widerhall der Schüsse allmählich schwächer, als plötzlich unerwartet eine ungeheure Salve erdröhnte, gleich darauf eine zweite. Offenbar hatten die leichten Fahnen die Kette der Spahis durchbrochen und standen den Janitscharen gegenüber. Der Hetman gab seinem Pferde die Sporen und sprengte wie der Blitz an der Spitze seiner Leibwache in die Schlacht; der Wojewode von Reußen blieb allein mit fünfzehn Fahnen Husaren zurück, die in Schlachtordnung dastanden und nur auf das Zeichen warteten, welches ihnen befahl, heranzusprengen und das Los der Schlacht zu entscheiden.

Inzwischen brodelte und heulte es inmitten des Lagers immer fürchterlicher; die Schlacht schien sich bald nach rechts, bald nach links zu wenden, bald dorthin, wo die litauischen Krieger standen, bald nach der Seite des Wojewoden von Belz, ganz wie im Sturmwetter die Blitze am Himmel sich hierhin und dorthin wenden. Das Kanonenfeuer der Türken wurde immer unregelmäßiger, Kontskis Artillerie aber schoß mit verdoppelten Kräften. Nach Verlauf einer Stunde glaubte der Wojewode von Reußen zu erkennen, daß der Schwerpunkt der Schlacht wieder nach der Mitte zurückgekehrt sei, gerade seinen Husaren gegenüber.

In diesem Augenblick kam der Großhetman an der Spitze seiner Leute herangeeilt, Feuer sprühte aus seinen Augen, er hielt vor dem Wojewoden von Reußen und rief:

»Vorwärts, mit Gottes Hilfe!«

»Vorwärts!« schrie der Wojewode von Reußen.

Die Rottenführer wiederholten das Kommando; mit furchtbarem Getöse senkte sich wie mit einem Schlage ein Wald von Speeren zu den Köpfen der Pferde nieder; fünfzehn Fahnen dieser Reiterei, welche gewohnt waren, alles auf ihrem Wege niederzuwerfen, rückten wie eine einzige riesige Masse vorwärts.

Seit der Zeit, da in der dreitägigen Schlacht bei Warschau die litauische Reiterei unter Führung Polubienskis wie ein Keil die ganze schwedische Armee auseinandergetrieben hatte, war kein Reiterangriff mit solcher Wucht geführt worden. Im Trabe rückten die Fahnen von der Stelle; auf zweihundert Schritt aber kommandierten die Rottenführer: »Sturm!« und die Reiter brachen in ein mächtiges Geschrei aus: »Schlagt nieder, schlagt nieder!«, wiegten sich in ihren Satteldecken, und die Pferde flogen im Sturmlauf dahin. Diese lebendige Mauer feurig heranstürmender Rosse, eiserner Krieger und gesenkter Lanzen hatte etwas vom entfesselten Element an sich; sie wogte wie eine Sturmflut mit Krachen und Toben. Die Erde bebte unter ihrer Last, und es war klar, daß sie, wenn auch nicht einer von ihnen die Lanze einlegte oder den Säbel aus der Scheide zog, durch die bloße Wucht alles vor sich her niederwerfen, erdrücken und zertreten müsse, wie eine Windhose den Wald knickt und hinstreckt. So gelangten sie bis zu dem blutgetränkten, leichenbesäten Felde, auf welchem die Schlacht tobte. Die leichten Fahnen rangen auf beiden Flügeln mit der türkischen Reiterei, die sie schon tüchtig zurückgeworfen hatten, aber in der Mitte standen noch, einer unerschütterlichen Mauer gleich, die tiefen Reihen der Janitscharen. Zu wiederholten Malen hatten sich einzelne leichte Fahnen an ihnen gebrochen wie eine Woge, die von der hohen See herkommt, am felsigen Ufer. Sie zu erschüttern, sie niederzuwerfen, war jetzt die Aufgabe der Husaren.

Tausende von Janitscharenbüchsen knallten auf einmal »als habe sie ein Mensch gelöst«; noch einen Augenblick: die Janitscharen stellten sich immer fester auf die Füße; einige zwinkern mit den Augen bei dem Anblick der furchtbaren Lawine, anderen fliegen die Hände, welche die Lanzen halten, aller Herzen pochen wie Hämmer; sie beißen die Zähne zusammen und heben schweratmend die Brust. Schon sind sie da, schon hört man den scharfen Atem der Pferde – und es stürmt das Verderben, der Untergang, der Tod heran.

Allah! – Jesus Maria! Diese Rufe, so entsetzlich, als kämen sie nicht aus der Brust von Menschen, tönen wirr durcheinander. Die lebende Mauer wankt und neigt sich, das trockene Krachen brechender Lanzen übertönt auf einen Augenblick alles andere, dann folgt Knirschen von Eisen, ein Ton, wie von tausend Hämmern, die mit voller Kraft den Ambos treffen, Schläge, wie wenn tausend Dreschflegel an eine Wölbung schlagen, Rufe einzelner und Rufe von Scharen, Stöhnen, abgerissene Schüsse aus Büchsen und Pistolen; ein Heulen des Entsetzens. Angreifer und Angegriffene, wirr untereinander gemengt, ballen sich zu grauenerregenden Knäueln. Eine Metzelei folgt, aus dem Menschengewirre strömt warmes, dampfendes Blut und erfüllt die Luft mit rohem Geruche.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
01 ноября 2017
Объем:
760 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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