Читать книгу: «Waffen für Teheran», страница 2

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Es schien, dass nur ein Mann Apfalter wirklich weh tun konnte: der Gewerkschaftsführer. Denn Arbeitsplätze hatten die oberste Priorität. Wenn also der Gewerkschaftsführer androhte, die Arbeiter zu versammeln, konnte Apfalter nichts tun. So ging es oft hin und her, und Apfalter musste immer wieder neue Wege finden, mit der VÖEST erfolgreich zu wirtschaften und dabei keine Leute zu entlassen.

Jeder, der ein wenig Ahnung von Wirtschaft hat, weiß, wie schwer das auf lange Zeit und in einem Unternehmen dieser Größe ist.

Warum das alles wichtig ist? Weil es den Anstoß gab für das, was schließlich als Noricum-Skandal in die österreichische Geschichte eingehen sollte. Es ist einfach, mit dem Finger auf ein paar Menschen zu zeigen und zu sagen: Das sind Waffenschieber. Die haben mit ihren illegalen Geschäften dem Ansehen Österreichs geschadet. Und weil diese Geschäfte auch noch fehlgeschlagen sind, saßen wir auf großen Schuldenbergen.

Aber dahinter steckt noch viel mehr. Jede Handlung geht nicht nur von einer Person aus, sondern entsteht in einem ganz bestimmten Raum. Damals war dieser Raum ein Österreich, das an seinen eigenen Versprechen erstickte. Vollbeschäftigung, Wirtschaftswachstum, Sozialstaat – die Menschen lebten auf Kredit, ohne es zu wissen. Von Leuten wie Apfalter wurde erwartet, dass sie die Kreditraten bedienten.

Und dafür musste er sich so einiges einfallen lassen. Genau hier kam die Erfindung von Gerald Bull ins Spiel, die ich zuvor erwähnt hatte. Apfalter wusste, dass die Anfertigung dieser Kanonen ganze Fabriken auf längere Zeit beschäftigen konnte. Also ging er mit dieser Idee zum Chef der VÖEST. Die VÖEST war ein staatliches Unternehmen, also war der Chef die Politik. In diesem Fall war die Politik Bruno Kreisky.

Apfalter erklärte Kreisky die Lage. Natürlich war Kreisky kein Waffenfreund. Aber ideologisch stand er über den Dingen. Wenn es das ist, was gemacht werden musste, dann sollte es eben gemacht werden.

Es war aber von Anfang an klar, dass diese Kanonen nicht in Österreich eingesetzt werden konnten. Das österreichische Militär durfte laut den Nachkriegsgesetzen gar keine solchen Waffen besitzen. Also musste man eine Tochterfirma gründen, um diese Geräte wirtschaftlich rentabel zu verkaufen.

Das wurde meine Aufgabe. Nachdem ich also wegen meinen internationalen Kontakten bereits für die VÖEST tätig war, legte man mir 1980 das Angebot einer Beförderung vor.

»Wir gründen eine neue Firma«, erzählte mir mein damaliger Vorgesetzter Lettner. Er kam in mein Büro, setzte sich mir gegenüber und blickte mich eindringlich an. »Ich leite das Ganze und du wirst mein Sales- und Marketingmanager. Du wirst international arbeiten. Wir sind ein kleines Team und es wird um große Summen gehen. Hast du Interesse?«

Natürlich hatte ich Interesse. »Was verkaufen wir?«, fragte ich.

Lettner wartete einen Moment, dann sagte er ruhig: »Waffen. Kanonen«, fügte er hinzu. »Es geht um Wehrtechnik. Hast du damit ein Problem?«

»Lass mich ein bisschen darüber nachdenken«, antwortete ich.

Und das tat ich. Ich war nicht blind. Ich wusste, wofür Kanonen verwendet wurden. Aber ich wusste auch, dass die Politik das abgesegnet haben musste, sonst könnte es die VÖEST niemals durchführen. Und warum sollten wir nicht mit Waffen handeln, wenn es der ganze restliche Kontinent, die ganze restliche Welt auch tat?

Nach ein paar Tagen Bedenkzeit rief ich Lettner an.

»Ich bin dabei«, sagte ich ihm.

»Gut«, sagte er. »Übrigens, die Firma heißt Noricum.«

LINZ, 1980

Noricum war ein keltisches Königreich, das sich etwa 200 v. Chr. dort bildete, wo heute Kärnten und die Steiermark liegen. 13 Stämme schlossen sich unter der Führung der Noriker zusammen, um das erste bekannte politische Gebilde auf dem Land zu formen, das heute Österreich ist.

Besonders berühmt waren die Noriker für die Verarbeitung von Stahl. Wegen der Härte und Elastizität wurde er als »norischer Stahl« bezeichnet. Waffen, die daraus hergestellt wurden, exportierten die Noriker vor allem nach Rom. Diese Waffen trugen dazu bei, dass Rom zu einer antiken Weltmacht wurde. Aus Dank wurden die Noriker als einziges keltisches Volk nicht mit Waffengewalt unterworfen, sondern gliederten sich friedlich in das römische Imperium ein.

Ich glaube nicht, dass die Jordanier diese Geschichte kannten, als sie unsere Kanonen kauften. Das mussten sie auch nicht, denn die Qualität sprach für sich. Als Ellmer und ich von unserem erfolgreichen Deal nach Österreich zurückkamen, waren wir mehr als zufrieden. Dieser Deal konnte uns die Türen zu noch größeren Geschäften öffnen. Und mit diesen konnten wir nicht nur der Noricum hübsche Summen einbringen, sondern gleich die gesamte VÖEST sanieren. Apfalters Plan schien aufzugehen.

In der Zeit danach hatten wir zu vielen interessierten Parteien Kontakt. Wir hatten Agenten in allen Bereichen der Welt, die für uns auf Provisionsbasis arbeiteten und nach den richtigen Geschäftspartnern Ausschau hielten. Manchmal kamen die Verbindungen auch über die Politik zustande. So bekam ich etwa eines Tages einen ungewöhnlichen Anruf, als ich gerade zuhause beim Frühstück saß.

»Eisenburger«, sagte mir einer meiner VÖEST-Vorgesetzen, »du musst um zwei Uhr in Wien sein.«

Ich blickte auf die Uhr. Von meiner Haustür bis nach Wien brauchte ich mindestens zwei Stunden, bei ungünstigem Verkehr konnte es auch länger dauern. »Das ist in weniger als einer Stunde«, sagte ich. »Das ist unmöglich.«

»Du wirst in der Hofburg erwartet. Schau, dass du hinkommst.«

Also setzte ich mich in meinen Wagen und fuhr die Strecke in Rekordtempo. Ich musste gegen jede bestehende Geschwindigkeitsvorschrift verstoßen haben, aber ich war rechtzeitig in Wien.

Ich wurde in einen prunkvollen Raum geführt, wo ich einem gewissen Herrn Muammar al-Gaddafi als »Vertreter der österreichischen Kanonenindustrie« vorgestellt wurde. Gaddafi hatte erst vor wenigen Jahren die Macht in Libyen durch einen Militärputsch an sich gerissen und wollte einen sozialistischen Staat islamischer Prägung errichten. Politisch gab es daher damals Anknüpfungspunkte mit der österreichischen Regierung.

Gaddafi und ich schüttelten Hände. Mir wurde zu verstehen gegeben, dass ich ihm behilflich sein sollte, bei was auch immer er brauchte. Und wie sich herausstellen sollte, brauchte er viel. In den nächsten Monaten besprachen wir immer wieder Lieferungen von 400 Kanonen, dann waren es plötzlich 300, dann nur noch hundert. Jede Woche gab es neue Zahlen. Der Kontakt sollte noch wichtig werden, aber das war mir damals nicht klar. Schon recht bald erkannte ich, dass mit Libyen wohl keine Geschäfte möglich sein würden.

Anders als ein Geschäft, das wir zur selben Zeit mit Indien einfädelten. Die damalige Premierministerin Indira Gandhi, deren Vater mit ihrem Namensvetter Mahatma Gandhi für ein unabhängiges Indien gekämpft hatte, pflegte gute Kontakte zu Kreisky. Indien war und ist eine der größten Militärmächte der Welt. Das Geschäft hätte die VÖEST mit einem Schlag für Jahre über Wasser gehalten.

Und das wäre bitter nötig gewesen. Bereits 1981 waren die Probleme, die wir hatten, nicht mehr zu leugnen. Ich war von Anfang an nicht besonders überzeugt gewesen von dem Konzept eines staatlich geführten Unternehmens. Doch selbst ich wurde immer wieder überrascht.

So wurde mir zu meiner Anfangszeit bei der VÖEST ein Kollege als Mitarbeiter angeboten. Naiv und unwissend wie ich war, nahm ich ihn bereitwillig in meine Abteilung auf. Bis ich herausfand, dass der Mann schon von allen Abteilungen durchgereicht worden war, war es zu spät. Er kam jeden Tag bereits in aller Herrgottsfrühe ins Büro – wir hatten Gleitzeiten – und schnitt sich die Nägel. Solche Sachen eben. Dabei blieb er so lange, dass er am Ende sogar jede Woche einen Tag gewann, den er zuhause verbrachte. Feuern konnten wir ihn nicht, also wurde er weggelobt – was bedeutete, er wurde einfach befördert, in eine Position, in der er tatsächlich nichts mehr zu tun hatte. So lief das bei der Verstaatlichten.

An Veränderungen war nicht zu denken. Ich brachte einmal vor, dass wir interne, anonyme Feedback-Runden einführen könnten, in denen sich die Vorgesetzten den Mitarbeitern stellen mussten. Diese Vorgangsweise wurde »Management by objective« genannt. Ich hatte sie kennengelernt, als ich in nach meinem Studium zwei Jahre als Post-Graduate-Trainee bei Caterpillar in Amerika arbeitete. Dabei wurden die Vorgesetzten anonym von ihren Arbeitern evaluiert. Sie mussten sich Kritik stellen und möglicherweise ihre Arbeitsmethoden überdenken.

Doch an so etwas war gar nicht zu denken. Vorgesetzte waren über jeden Zweifel erhaben.

Das eine solche Firma Geschäfte in Milliardenhöhe (Schilling, wohlgemerkt) mit Ländern auf der ganzen Welt machte, war verrückt, wenn man bedenkt, wie sie geführt wurde.

Schon bald jedoch sollte uns die Realität einholen.

LINZ, 1984

13 Jahre lang hatte Bruno Kreisky das Land Österreich regiert. Er hatte die SPÖ aus der Bedeutungslosigkeit in die Absolute geführt. Kein politischer Gegner schien im gewachsen. Doch der größte Feind aller Politiker machte auch vor ihm nicht halt: die Zeit.

Die Zeit wandte sich gegen ihn, in jeglicher Hinsicht. 1979 übernahm die »Iron Lady« Margaret Thatcher in Großbritannien das Ruder. Zwei Jahre später zog der ehemalige Schauspieler Ronald Reagan in das Weiße Haus ein. Das Zeitalter des sogenannten »Neoliberalismus« begann. Unternehmen wurden privatisiert, Steuern reduziert, Sozialleistungen gekürzt und Stellen abgebaut. Plötzlich schien der Sozialstaat Österreich nicht mehr als große Errungenschaft der Moderne, wie noch zu Kreiskys Antritt, sondern als Auslaufmodell.

Doch auch innerhalb der sozialistischen Partei brauten sich Unruhen zusammen. Hannes Androsch, der damals Finanzminister war und als Nachfolger Kreiskys gehandelt wurde, überwarf sich mit seinem Förderer. Der Streit ging durch alle Medien.

Nicht zuletzt seine Gesundheit wollte nicht mehr so recht mitspielen. Mit 72 Jahren musste Kreisky dreimal die Woche zur Dialyse, um seine Niere zu behandeln. Im Fernsehen, das Medium, das Kreisky früher beherrscht hatte wie kein anderer, war plötzlich ein gebrechlicher Mann zu sehen.

Das Wahlergebnis in der Nationalratswahl 1983 war mit 47,8 Prozent noch immer mehr als ordentlich. Aber es war eben keine Absolute mehr. Und in eine Koalition wollte Bruno Kreisky nicht mehr gehen.

Also rief er nach der Wahl seine engsten Vertrauten zu sich: Charly Blecha, für viele damals der mächtigste Mann Österreichs hinter Kreisky; Heinz Fischer, späterer Bundespräsident; und Fred Sinowatz, der sich als Bundeminister für Unterricht und Kunst verdient gemacht hatte. Etwas überraschend ernannte Kreisky eben jenen Sinowatz zu seinem Nachfolger. Wie gemunkelt wird, war dieser gar nicht erfreut über die Königswürden. Doch als loyaler Parteigenosse trat er die Nachfolge an und übernahm die noch von Kreisky ausverhandelte rot-blaue Koalition.

In seiner Regierungserklärung von 1983 sprach Sinowatz über die großen Probleme, die in den nächsten Jahren auf Österreich zukommen sollten. Nachdem er diese aufgelistet hatte, folgte die berühmte Feststellung: »Ich weiß, das klingt alles sehr kompliziert…«

Er hatte ja keine Ahnung, wie Recht er haben sollte.

Sinowatz‘ Amtszeit erhielt später einen klingenden Namen: die Skandalrepublik.

Der größte dieser Skandale nahm seinen Anfang an einem harmlosen Vormittag im Jahr 1984, als meine Sekretärin mich in das Büro von Direktor Apfalter bestellte.

Als ich eintrat, saß Lettner schon vor Apfalters Schreibtisch. Ich setzte mich ahnungslos dazu.

Apfalters Miene verriet nichts Gutes.

»Ich komme gerade aus Wien«, sagte er. »Wir haben ein Problem.«

»Gibt es irgendwelche Probleme mit dem Produkt?«, fragte ich.

»Nein, die Kanonen funktionieren wunderbar«, sagte Apfalter. »Das ist das Problem. Vor einiger Zeit war eine österreichische Wirtschaftsdelegation im Iran«, erklärte er. »Aus allen Bereichen. Routinebesuch bei Freunden. Hat mit uns eigentlich nichts zu tun. Kann nicht lustig gewesen sein, so wie es dort zurzeit zugeht.«

Ich wusste sofort, was er meinte, und es erklärte sich folgendermaßen:

Die Revolution im Iran war noch nicht lange her. 1979 hatten Truppen unter der Führung des Geistlichen Ruhollah Chomeini die Islamische Revolution ausgerufen und den Schah Reza Pahlavi gestürzt, weil seine Reformen nicht mit dem Islam verträglich wären.

Der Schah plante, das Land der Großgrundbesitzer zu enteignen und auf Bauern zu verteilen. Er wollte alle Wälder verstaatlichen sowie die staatliche Industrie privatisieren, um damit die Großgrundbesitzer zu entschädigen. Außerdem hatte er vor, ein Frauenwahlrecht einzuführen und mit einer großangelegten Bildungsoffensive das Analphabetentum – vor allem ein ländliches Problem – zu bekämpfen.

Die Großgrundbesitzer waren gar nicht erfreut über diese Pläne und unterstützen die fundamentalistischen Geistlichen, den Schah zu stürzen. Die Geistlichen wiederum stießen sich daran, dass der Schah die Religion aus dem öffentlichen Leben zurückdrängte. So sahen die Reformen vor, das Tragen des Hidschabs zu verbieten, westliche Filme in iranischen Kinos zu zeigen und eine stärkere Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu erreichen.

Chomeini schaffte es, genug Menschen auf seine Seite zu ziehen und den Schah letztlich zum Rücktritt und ins Exil zu zwingen.

Seitdem war der Iran eine Islamische Republik und Chomeini trug den Ehrentitel Ajatollah. Mit ihm regierte ein Fundamentalist erster Klasse den Iran.

Ich war vor dem Sturz des Schahs einige Male im Iran gewesen und hatte ein Land an der Schwelle zur Industrienation gesehen. Es bot großartige Bauwerke, einen liberalen Lebensstil und eine weltoffene Einstellung. Ich kannte die Zwillingsschwester des Schahs aus meiner Zeit in der Schweiz; wir waren einmal tanzen gewesen. Ich wurde dann auch nach Persepolis auf eine große Feier eingeladen.

Doch von diesem Land war nicht mehr allzu viel übrig.

Anders das Nachbarland Irak. Dort herrschte mit Saddam Hussein ein Diktator, der damals noch als Liebling des Westens galt. Saddam war Führer der Ba‘ath-Partei. Die erste Ba‘ath-Partei war 1940 in Syrien entstanden und vertrat eine Mischung aus arabischem Nationalismus und Sozialismus. Viele Politiker, darunter auch Saddam Hussein oder Hafiz al-Assad in Syrien, nutzten sie, um gegen die religiösen Führer oder Adelshäuser vorzugehen, die in ihren Ländern seit langer Zeit regierten. Der Westen erhoffte sich von der politischen Bewegung eine Zurückdrängung des fundamentalistischen Islams und die Entstehung moderner Staaten. Doch schon bald zeigte sich, dass die Ba‘ath-Partei für viele nur Mittel zum Zweck war. Erst einmal an der Macht, installierten Politiker, wie Saddam Hussein oder Assad, ein diktatorisches Regime, das dem ihrer Vorgänger um nichts nachstand.

Saddam Hussein sah den Machtwechsel im Iran als Möglichkeit, das Land in einer Schwächephase zu erwischen. So kam es 1980 zum ersten Golfkrieg, in dem es – wie immer in dieser Region – um Öl ging. Dabei belieferten Länder wie die Sowjetunion, China, Frankreich und die USA beide Seiten, den Iran wie den Irak, mit Waffen und machten ein großes Geschäft. Erst als der Krieg auch im Westen ein immer größeres Medienecho erfuhr, gingen die Länder auf Distanz.

1984 war die Auseinandersetzung zwischen Iran und Irak noch voll im Gange.

»Als unsere Delegation schon kurz vor der Abreise war«, fuhr Apfalter fort, »kommt plötzlich ein iranischer Offizier zu ihnen und sagt: ›Richtet euren Politikern aus, dass wir genauso viele Kanonen von euch wollen, wie ihr dem Irak verkauft habt. Sonst stellen wir alle Verbindungen ein.‹«

Lettner stöhnte auf. »Was?«

»Wir haben doch nie Kanonen an den Irak verkauft«, sagte ich.

»Die Jordanier«, sagte Lettner nur.

Apfalter nickte. »Die müssen ihre Kanonen weitergegeben haben.«

»Aber wir haben ein Endnutzer-Zertifikat«, sagte ich. »Das haben die unterschrieben. Darin bestätigen sie, dass sie die Waffen nicht weitergeben. Was die dann mit den Kanonen machen, ist nicht unser Problem.«

»Rechtlich mag das stimmen«, sagte Apfalter. »Aber das nützt uns nichts. Der Iran ist ein wichtiger Wirtschaftspartner für uns. Denk allein an das Öl. Wenn die von heute auf morgen die Verbindungen kappen, gibt das hier einen riesen Aufschrei. Und wer wird schuld sein?«

»Wir«, antwortete Lettner leise auf die rhetorische Frage.

»Genau. Die Medien interessiert ein Endnutzer-Zertifikat einen Dreck. Die werden schreiben, dass wir Waffen an den Irak verkauft haben. Was illegal wäre.«

»Was sagt die Führungsetage?«, fragte ich.

»Was sollen sie schon sagen? Sie sagen: Macht, aber lasst euch nicht erwischen.«

»Also: Macht, sonst sitzen wir in der Scheiße. Aber wenn ihr euch erwischen lasst, dann wissen wir von nichts«, übersetzte ich. Wir schwiegen.

»Was gibt es für Möglichkeiten?«, fragte Lettner schließlich.

»Wir müssen mal herausfinden, wie viel Stück die Iraner wollen. Du wirst runterfliegen, Gaan«, sagte Apfalter und sah mich an. »Außerdem müssen wir über einen Weg nachdenken, wie wir die Dinger dort hinbekommen. Wir können sie unmöglich direkt liefern. Österreich darf an kein Land liefern, dass sich im Krieg befindet. Das verbietet das Neutralitätsgesetz.«

»Gibt es ein Land, über das wir liefern können?«, fragte Lettner.

»Sinowatz schlägt Syrien vor.«

Ich musste beinahe lachen. »Aber Syrien steht auf der schwarzen Liste. Der Staat gilt als gefährlich. Die Liste hat die Regierung selbst angefertigt. Das muss der Mann doch wissen.«

»Also nicht Syrien.«

»Wie wäre es mit Libyen?«, schlug ich vor. »Ich habe dort Kontakte.«

Ich musste an mein Gespräch mit Gaddafi und die monatelangen Verhandlungen denken, die schließlich im Sand verliefen. Vielleicht würden sie sich jetzt als nützlich erweisen.

»Das könnte gehen«, sagte Apfalter. »Wir müssen so schnell wie möglich mit unseren Leuten vor Ort Kontakt aufnehmen.«

Wir besprachen noch eine ganze Weile die Details. Als ich schließlich in mein Büro zurückkehrte, fühlte ich mich erschöpft. Wir waren Angestellte des Staates und gerade dabei, gegen seine Gesetze zu verstoßen. Welche Interessen vertraten wir? Jene der Politik? Die der Wirtschaft?

Hätten wir gar die Pflicht gehabt, die Sache mit Jordanien zu melden? Die Karten auf den Tisch zu legen? Ich fand mich in einer verzwickten Situation wieder. Wir hatten eine rechtliche Absicherung der Jordanier, dass diese die Kanonen nicht weitergeben würden. Aber wen würde ein solches Dokument schon interessieren? Unwissenheit schützt nicht, würden die Zeitungen schreiben. Ich hatte eine fünfköpfige Familie zu versorgen und einen Ruf zu verlieren.

Und was würde es uns bringen, damit nach draußen zu gehen? Die Politiker würden jede Verantwortung von sich weisen. Die Öffentlichkeit würde eine einfache, unkomplizierte Geschichte aufgetischt bekommen: Ein paar böse Manager hätten Kanonen über Jordanien in den Irak verkauft, des Profits wegen. Die Wahrheit war hier nur zweitrangig. Egal wie sehr man sich gegen solche Verleumdungen wehrte, sie würden in den Köpfen der Menschen bleiben. Das würde gravierende Auswirkungen auf meine wirtschaftliche Zukunft haben.

Doch war es nicht noch verrückter, genau das, was uns die Iraner vorwarfen – nämlich Kanonen in den Irak geliefert zu haben – nun tatsächlich zu tun, indem wir Kanonen in den Iran lieferten? Zu dieser Zeit gab es noch keine Whistleblower, noch keinen investigativen Journalismus in Österreich. Wenn die Politik sagte: »Macht’s das«, dann machten wir das und gingen davon aus, dass es funktionieren würde.

Es brachte nichts, wenn ich mir den Kopf zerbrach. Ich war hier, um ein Geschäft abzuwickeln. Und genau das hatte ich vor.

Ich griff zum Telefon und wählte die Nummer eines alten Bekannten. In chaotischen Zeiten wie diesen musste man aufpassen, wem man vertrauen konnte.

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