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Die Vergessliche

Kaum hat die Werbefachfrau Katrin P. die ersten Wäschestücke, es sind ein paar Söckchen, auf die Leine gehängt, da sieht sie ihn schon wieder. Er steht mit großen, gierigen Augen hinter der mageren Eiche.

Wie kann er glauben, dass ich ihn nicht sehe?, geht es Katrin durch den Kopf. Sie geht nach hinten an den Zaun und ruft: Heh, Sie da! Was wollen Sie von mir? Ich seh Sie schon zum dritten Mal. Soll ich die Polizei rufen?

Nein, sagt der Mann. Nicht nötig. Ich schau nur ihrer Wäsche zu.

Was reizt Sie denn an meiner Wäsche?, fragt Katrin.

Sie schaukelt so geil im Wind, sagt der Mann.

Die Wäsche anderer schaukelt genauso geil im Wind, meint Katrin.

Finden sie?, fragt der Mann.

Also, sagt Katrin, verschwinden Sie!

Komm ich dir nicht bekannt vor?, fragt der Mann.

Vorsicht, denkt Katrin, er will mich fixieren. Nicht in die Augen schaun. Am besten ganz an ihm vorbei.

Sie schaut an ihm vorbei.

Ich kenn Sie nicht. Ich ruf die Polizei.

Sie dreht sich um.

Katrin!, ruft der Mann. Du warst mein Ein und Alles!

Ach Ecki!, sagt Katrin und macht wieder kehrt. Du bist das! Jetzt erst erkenn ich dich.

Katrin, sagt der Mann. Bist du glücklich geworden?

Ja, sagt Katrin. Ich bin dreimal geschieden und zwar glücklich. Jetzt hab ich einen, der ist 10 Jahre älter, auch nicht schlecht.

Na, dann bin ich beruhigt, sagt Ecki. Ich hab vor einiger Zeit von dir geträumt, weißt du. Da ging es dir gar nicht gut. Da warst du eine Akrobatin im Zirkus. Du hast mit einer langen Stange auf dem Hochseil gestanden und tränenüberströmt »Ecki, rette mich!« gerufen. Da wollt ich mal nach dir sehen.

Ecki, sagt Katrin. Das mit uns beiden ist seit über 30 Jahren vorbei. Und du träumst immer noch von mir?

Ecki lächelt. Ich bin eben eine treue Seele.

Na, nun weißt du ja, dass es mir gut geht, sagt Katrin. Aber das hättest du mich auch gleich beim ersten Mal fragen können, und ohne diese Wäsche-Nummer. Ganz schön verschroben, mein Lieber.

War ich doch auch damals schon, sagt Ecki.

Weiß Gott!, sagt Katrin. Jetzt fällt’s mir wieder ein. Du warst bizarr und voller nackter Emotionen.

Bin ich immer noch, sagt Ecki.

Katrin schüttelt sich. Mir ist kalt geworden, sagt sie. Ich mach mal weiter. Du hast ja sicher auch zu tun.

Sie sieht ihm in die Augen.

Es gibt so viel zu tun, sagt Ecki. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Und wenn du wissen willst, wie’s mir geht, komm mal auf meine Homepage.

Was muss ich denn eingeben?, fragt Katrin lächelnd. Ecki Bizarr?

Nein, sagt Ecki. Naked Emotions Germany.

Merk ich mir, sagt Katrin. Ist ja leicht!

Erst als sie wieder bei der Wäsche ist, denkt sie: Der hieß doch gar nicht Ecki, der hieß Stefan!

Jetzt ärgert sie ihre Vergesslichkeit, zum allerersten Mal!

Die Liebesreise

Sebastian sitzt im Zug, er fährt 252 km/h. Er schaut aus dem Fenster und sieht Stationen seines Lebens vorbei­fliegen und andere Geschichtserscheinungen.

Oh!, ruft er erschrocken aus. Ist das der Train of His­tory?

Die Frau im Sitz vor ihm dreht sich um und sagt: Das ist der Train of History.

Dann habe ich den falschen Zug erwischt!, ruft Sebas­tian. Ich muss raus! Wo ist der nächste Halt?

Gibt’s nicht, sagt die Frau. Die Endstation heißt Urknall, glaub ich. Wo wollten Sie denn hin?

Ich wollte mit dem Future-Train nach Brasilien, sagt Sebastian.

Das ist ein bisschen furchtbar, sagt die Frau und bietet Sebastian ein Stück Apfelsine an.

Ein bisschen?, ruft Sebastian. Sie sind gut!

Ich bin sehr gut, sagt die Frau. Schaun Sie, da draußen hängt Nietzsche und schmiert Popel an die Scheibe.

Das ist nicht Nietzsche!, ruft Sebastian. Das ist nur jemand, der ihm den Schnauzbart gestohlen und sich selbst angeklebt hat. Nietzsche würde so was nie machen!

Kennen Sie ihn gut?, fragt die Frau.

Wie schafft der das nur, fragt Sebastian, sich bei der Geschwindigkeit an der Scheibe festzuhalten?

Der Mann hat ihn gehört und brüllt: Hey, Seb! Schau dir mal meine Pfoten an! Ich bin Efeu-Man!

Ja, wirklich!, ruft Sebastian, schaun Sie sich das an!

Er kennt Sie, sagt die Frau. Sind Sie vielleicht der heilige Sebastian?

Bin ich vielleicht von Pfeilen durchbohrt?, fragt Sebas­tian zurück und schaut an sich herab.

Nein, sagt die Frau. Sie sind unverletzt und fit, niemand muss sie verarzten oder gesundpflegen. Sie haben noch mal Glück gehabt. Warum setzen Sie sich nicht neben mich? Der Platz ist frei. Wir könnten uns ineinander verlieben und eine verdammt gute Zeit haben.

Wie kann ich im falschen Zug sitzen und eine gute Zeit haben!, ruft Sebastian aufgeregt. Sie sind gut!

Ich bin sehr gut, sagt die Frau und nimmt ihre hässliche Handtasche vom freien Platz und wirft sie auf die Gepäckablage.

Wie schwungvoll!, denkt Sebastian und setzt sich neben sie. Der Zug rast immer schneller, Dinosaurier ziehen vorbei. Der Bordservice kommt.

Möchte hier vielleicht jemand einen Tannenzapfen oder Tierblut oder etwas anderes zum Anschauen oder Trinken?

Haben Sie ein Bildchen von Elvis Presley in Hot Pants?, fragt die Frau.

Aber natürlich, sagt der Service-Boy und zieht es aus dem Optikfach. Die Frau bezahlt mit einem Lächeln.

Und ich hätte gerne ein Schwarz-Weiß-Plakat, sagt Sebastian.

Und was soll draufstehen?, fragt der Boy, es ist Rex Gildo.

Militärmusik, sagt Sebastian. Und dazu bitte eine gekochte Kartoffel.

Rex Gildo reicht ihm beides und rechnet im Kopf: Macht nichts!

Danke, sagt Sebastian und klebt das Plakat mit der zerdrückten Kartoffel und mit der Schrift nach außen auf die Scheibe. Jetzt ist Efeu-Man nicht mehr zu sehen.

Gute Idee, sagt die Frau. Jetzt können wir uns ungestört verlieben.

Scheiße

Der verrückte Harm Cornelsen hat sich mit einer Büchse Fleckenspray an die Kuh Maria angeschlichen. Die Kuh hat ihn längst gewittert, fährt herum und nimmt ihn auf die Hörner. Harm hält sich an ihrem großen warmen Kopf fest. Die Kuh dreht sich, bis beiden total schwindelig ist. Harm fällt ins Gras und Maria muss sich setzen.

Welche Flecken wolltest du denn wegmachen?, fragt die Kuh. Die weißen oder die schwarzen?

Die Scheißflecken!, sagt Harm und alle Kühe lachen.

Diese Menschen!, ruft die Oberkuh Johanna. Warum sind eure Herzen nicht so rein wie eure Einbauküchen?

Lasst mich!, sagt Harm. Ich hab euch nichts getan.

Johanna nimmt ihm das Spray weg.

Geh jetzt, sagt sie Oberkuh.

Harm geht zum Bauern. Die Kühe haben Fleckenspray, sie wollen schnüffeln.

Der Bauer rennt los, aber die Kühe liegen schon verdämmert rum.

Oh Bauer!, sagt Johanna. Wir dachten, das macht uns leicht und unabhängig.

Ihr werdet nie leicht und unabhängig!, brüllt der Bauer. Was habt ihr nur für eine Scheiße im Kopf!

Harm steht am Zaun und sagt: Also auch noch Scheiße im Kopf!

Schule für Große

Mensch und Tier

Direkt nach den Sommerferien sollten wir den Unterschied zwischen Mensch und Tier herausarbeiten.

Warum sprechen wir nicht über unsere Ferienerlebnisse?, fragte Martha.

Ihr seid keine Kinder mehr, entgegnete Dr. Kanold.

Aber gleich am ersten Tag volle Pulle, sagte Dirk, das fällt nicht leicht.

Sollte es aber, meinte Dr. Kanold. Das Umschalten sollte in eurem Alter gelernt sein. Also, Dirk, bitte: Worin siehst du den wesentlichen Unterschied zwischen Mensch und Tier?

Fußball, sagte Dirk. Fußball.

Ich habe schon fußballspielende Elefanten gesehen, wandte der Lehrer ein. Ja bitte, Daisy!

Pornos, sagte Daisy. Tiere drehen keine Pornos.

Tiere drehen überhaupt keine Filme!, rief Eberhard.

Richtig, sagte Dr. Kanold. Die Richtung stimmt. Was sind denn Filme, wie heißt der Oberbegriff?

Unterhaltungsindustrie, sagte Ramona. Was uns von den Tieren unterscheidet, ist die Unterhaltungsindustrie.

Dr. Kanold nickte. Gut, Ramona. Das halten wir mal fest.

Er ging zur Tafel und schrieb das Wort »Unterhaltungs­industrie«.

Würden wir ohne die Unterhaltungsindustrie sterben?

Ich wusste nicht, worauf er hinauswollte, hatte aber das Bedürfnis, mich zu beteiligen. Ich erzählte, dass ich ges­tern auf der Tankstelle einen Hundehaufen gesehen hätte, in der Nähe einer Zapfsäule.

Das tun Hunde, sagte ich. Ein Mensch würde nie in der Nähe einer Zapfsäule seine Notdurft verrichten.

Wir sprachen über die Unterhaltungsindustrie, sagte Dr. Kanold. Ich verstehe den Zusammenhang nicht.

Ich schwieg und versuchte über Mimik den Eindruck schwerster Nachdenklichkeit zu vermitteln, so als hätte ich mich in kompliziertesten Gedanken verheddert.

Na gut, sagte der Lehrer, vielleicht fällt dir die passende Verbindung ja noch ein. Noch mal die Frage: Ist die Unterhaltungsindustrie lebensnotwendig?

Nein, sagte Per. Aber unser Leben wäre langweilig.

Dann ist das Leben der Tiere also langweilig, folgerte Dr. Kanold.

Nein, sagte Birgit. Die Tiere sind so sehr mit Nahrungs­suche und Sex und Familie beschäftigt, dass ihnen nie langweilig wird.

Aber viele Tiere liegen oft faul rum, rief Erik dazwischen. Löwen, Hunde, Flundern. Denen ist langweilig, da bin ich mir ganz sicher. Die gähnen sogar oft.

Wir lachten.

Ich meine nicht die Flundern, rief Erik genervt.

Tiere kennen keine Langeweile, weil sie gar nicht wissen, was das ist. Sie haben keine Worte.

Sehr gut, sagte Dr. Kanold. Tiere haben keine Worte.

Er schrieb »Worte« an die Tafel.

Versicherungen!, rief Ramona.

Ja, sagte der Lehrer. Tiere haben keine Versicherungen.

Er schrieb »Versicherungen«.

Motorräder und Autos, sagte ich.

Komm bitte an die Tafel, sagte Dr. Kanold. Er gab mir die Kreide. Ich schrieb »Motorräder und Autos« unter »Versicherungen« und nach zehn Minuten stand die Tafel voller Begriffe, »Kugellager« war dabei, »Operationen« und »Musik«.

Das soll reichen, sagte Dr. Kanold schließlich. Das alles haben Tiere nicht. Was schließen wir daraus?

Tiere sind einfach, sagte Per. Ich würde sogar sagen: Eindimensional. Wir Menschen machen viel, viel mehr aus unserem Leben, deshalb sind wir glücklicher als die Tiere.

Keine Wertungen bitte, sagte Dr. Kanold. Das Glück der Tiere müssen wir gesondert behandeln, aber es stimmt: Auch mir erscheint das menschliche Leben vielfältiger, bunter. Kein Affe fliegt nach Mallorca oder Antalya.

Alle lachten. Dann ging es in die große Pause. Ich zog mir eine Cola und sprach mit Edgar über seinen großen Kopf.

Meine Frau mag ihn, sagte er, doch meine Schwiegereltern lehnen mich deswegen ab.

Wie kindisch, meinte ich.

Ja, kindisch, sagte Edgar, aber so sind sie. Da stößt man echt an Grenzen. Wie findest du ihn?

Ich hatte mir bis dahin über Edgars Kopf noch keine Meinung gebildet.

Mir fallen kleine Köpfe eher auf als große, sagte ich und sah ihn an. Dein Kopf ist voll in Ordnung, was denn sonst?

Du hast gut reden, sagte Edgar. Deiner ist normal groß.

Einen anderen kriegst du nicht mehr, sagte ich. Hör auf, dir über so was Gedanken zu machen, sei selbstbewusst!

Ich bin nicht selbstbewusst, sagte Edgar.

Die Pause war vorbei.

Die Vielfalt!, rief Dr. Kanold lächelnd. Die Vielfalt unterscheidet uns vom Tier. Was sonst noch?

Gut und böse!, rief Amanda. Das können Tiere nicht beurteilen.

Kannst du uns ein Beispiel nennen? fragte Dr. Kanold.

Amanda überlegte. Hitlers Schäferhund, sagte sie dann. Der wusste nicht, wie böse sein Herrchen war.

Das wussten viele Menschen auch nicht, sagte Dr. Kanold. Schlechtes Beispiel.

Der Eisbär Knut, sagte Amanda. Er hätte den Pfleger, der ihn großzog, sicher irgendwann gefressen. Kein Mensch frisst seine Pflegeeltern.

Knut hätte seinen Pfleger nie gefressen!, rief Ramona. Das ist eine Unterstellung!

Sensibles Thema, sagte der Lehrer. Das lassen wir beiseite.

Tiere denken nur ans Fressen!, sagte Per. Und wenn sie hungrig sind und Raubtiere, töten sie eben. Das ist nicht böse, nur natürlich.

Tiere denken auch ans Saufen und Ficken, sagte Roger. Sonst wären sie schon ausgestorben.

Wir wissen nicht, was Tiere denken, warf ich ein.

Die denken!, rief Martha. Geh mal in den Zoo, ins Affenhaus, und schau dem Orang-Utan in die Augen, da siehst du, dass er traurige Gedanken hat!

Das führt zu weit, rief Dr. Kanold. Es geht um Gut und Böse, um die Frage, ob Tieren moralische Regungen fremd sind.

Löwenmännchen töten die Nachkommen von Rivalen, sagte Edgar. Wenn das nicht böse ist. Die Großen fressen die Kleinen, das gilt allgemein. Da gibt’s kein Mitleid und keine Gerechtigkeit, höchstens, dass zum Schluss immer alle tot sind, aber ist das Gerechtigkeit?

Du musst deine Gedanken ordnen, Edgar, mahnte Dr. Kanold an. Du wirfst vieles durcheinander. So kommen wir nicht weiter. Daisy, bitte!

Tiere können gut sein, sagte Daisy, und Tiere können böse sein, das steht fest. Aber lachen können sie nicht.

Gut, lobte Dr. Kanold. Endlich ein klarer Gedanke! Den Tieren fehlt Humor, richtig. Warum?

Weil sie nichts zu lachen haben, sagte Karl. Und weil sie dumm sind. Wer dumm ist, hat nichts zu lachen. Er muss Angst haben, weil andere ihn ausrotten können, ohne mit der Wimper zu zucken.

Der Lehrer lächelte. Er hatte Karl in unsere Gruppe aufgenommen, weil er Amandas Bruder war. Sein Lieblingsausdruck war »Ausrotten«, den benutzte er fast immer.

Und warum haben wir Menschen Humor, Karl?, fragte Dr. Kanold.

Weil wir wissen, dass die ganze Scheiße irgendwann vorbei sein wird, sagte Karl.

Ach Karl!, stöhnte Dr. Kanold. Deine negative Einstellung zum Leben ist dümmer als ein Tier je sein kann. Du zerstörst dich selbst damit.

Tut mir leid, Herr Lehrer, sagte Karl. Die Rappen der Verzweiflung gehen manchmal durch mit mir.

Verzweiflung, sagte Dr. Kanold. Kann ein Tier verzweifeln? Nein. Karl ist ein Mensch, ein verzweifelter Mensch. Was lässt dich verzweifeln, Karl?

Das Leben könnte so schön sein, sagte Karl. Ich könnte jetzt mit einem Hubschrauber über die Po-Ebene fliegen oder auf Rügen Ziegen züchten, stattdessen das hier.

In einem halben Jahr ist die Zeit an unserer Schule vorbei, sagte Dr. Kanold. Dann hast du dich den Fragen des Lebens ausgiebig gestellt, dann tust du, was du willst. Sei nicht so ungeduldig. Karl nickte.

Humor ist Lebensfreude, erklärte Dr. Kanold, pure Lebensfreude, die über Dunkles triumphiert. Merkt euch das. Sagt es alle zusammen auf, steht auf!

Wir standen auf und sagten: Humor ist pure Lebensfreude, die über Dunkles triumphiert.

Wir genossen Dr. Kanolds Autorität, waren für den Rest des Unterrichts jedoch recht lahm, das lag wohl an den Ferien. Wir kamen nicht mal auf das Thema Arbeit, bis Dr. Kanold es kurz vor Schluss in den Raum stellte.

Arbeit! Ja, klar! Kein Tier würde von sich aus arbeiten. Viele schlugen sich mit der Hand vor die Stirn und Roger meinte, dass er in dieser Hinsicht eher ein Tier wäre.

Vielleicht hast du die Arbeit, die dir Freude macht, nur noch nicht gefunden, meinte Dr. Kanold.

Dazu müsste er sie suchen, sagte Birgit, Rogers Freundin, zu ihren Fingernägeln.

Aber die Biber!, rief Arthur. Und die Ameisen! Und die Schwalben, wenn sie ihre Nester bauen und ihre Jungen füttern, ist das keine Arbeit?

Hausarbeit, sagte Dieter. Wenn Tiere arbeiten, ist es immer Hausarbeit.

Und die Bienen?, fragte Daisy. Die stellen sogar etwas her.

Aber nicht, um es zu verkaufen, sagte Per. Das ist doch mehr privat.

Bist du bescheuert?, rief Karl. Private Bienen!

Bitte, sagte Dr. Kanold. Keine Kraftausdrücke. Ist Arbeit nur Arbeit, wenn sie verkauft wird?

Die Stunde war zu Ende.

Wir machen morgen an dieser Stelle weiter, sagte Dr. Kanold. Und geht bitte zeitig schlafen. Das war heute keine Glanznummer!

Wir verließen den Raum zügig und auf dem Flur fragte mich Mandy, ob ich ihr aus Spaß einen Liebesbrief mit Nackfoto schreiben würde. Sie ist so lustig!

Warum hast du dich heute nicht gemeldet?, fragte ich.

Mich interessieren Tiere nicht so sehr, sagte sie. Was ist jetzt, schreibst du mir?

Ich sagte: Gerne, Mandy. Gibst du mir deine neue Adresse?

Ein Brief für Christian

Wird Phantasie jetzt mit P oder F geschrieben?, fragt San­dra. Das ist doch vereinfacht worden, oder?

Also, Sandra!, rufe ich. Sprich das mal bitte: Pantasie! Das kann ja wohl nicht sein.

Ach!, ruft Sandra aus dem Büro. Diese ständigen Rechtschreibreformen haben mich völlig verunsichert. Ich weiß ja bald gar nichts mehr!

Übertreib nicht!, ruft Claudia. Was machst du überhaupt?

Ich schreibe einen Brief an Christian, ruft Sandra. Der hat mir auch geschrieben.

Einen richtigen Brief?, frage ich. Auf Papier?

Ja!, ruft Sandra. Und jetzt stört mich bitte nicht, ich muss mich konzentriern.

Sie schließt die Schiebetür züm Büro.

Wer ist denn dieser Christian?, frage ich Claudia.

Ein Ex von ihr, antwortet sie. Er ist vor drei oder vier Jahren nach Los Angeles gezogen. Filmbranche. Gelernter Jurist und Salsatänzer.

Interessante Mischung, sage ich.

Hilfst du mir beim Kartoffelschälen?, fragt Claudia.

Ja, gerne, sage ich. Ich hab ja beide Hände frei.

Sie holt die Kartoffeln, stellt einen Topf mit Wasser auf den Tisch und gibt mir einen Schäler.

Sind die festkochend?

Mehlig mag ich nicht, sagt Claudia.

Die Schiebetür geht auf, Sandra kommt raus.

Ich weiß nicht, was ich schreiben soll. Er hat jetzt eine Moslem-Freundin und ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Immer dieser Islam! Wie soll ich den denn finden?

Sandra, sagt Claudia. Du kennst weder die Frau noch den Islam, also sagst du nichts dazu, fertig. Gibt doch so viel zu erzählen!

Vielleicht müsste ich ihn warnen, sagt Sandra. Er ist in religiösen Dingen so unbedarft! Seine Eltern haben ihn atheistisch erzogen.

Na, ist doch prima, rufe ich. Dann hat er einen unverstellten Blick auf diese Dinge.

Mir ist nicht wohl bei der Vorstellung, sagt Sandra. Man müsste einfach mehr wissen. Das ist so wie mit den Atomkraftwerken. Man hat ein ungutes Gefühl und dabei weiß man gar nicht, wie die Teile funktionieren.

Die meisten Autofahrer wissen auch nicht, wie ein Auto funktioniert oder ein Motor, sagt Claudia. Die meis­ten von uns wissen doch nicht einmal, wie die eigene Verbrennung und Verdauung funktioniert. Wir wissen ja auch nicht genau, was wir so alles essen und tun es trotzdem. Wir wissen nur, was hinten rauskommt.

Ist ja auch das Wichtigste, sage ich.

Die Frauen schaun mich an. Ich lächle.

Na, sage ich, war nur ein Scherz. Aber hat nicht mal ein Bundeskanzler sowas Ähnliches gesagt? Wichtig ist, was hinten rauskommt? Ach, Schwamm drüber, worum ging es eigentlich?

Kannst du die Kartoffeln bitte runder schälen?, sagt Claudia. Ich mag solche Kanten nicht.

Ich sage: Gut, kein Problem. Du meinst also, man muss nur wissen, dass etwas gefährlich ist, um es abzulehnen?

Nein, sagt Claudia. Ich will nur sagen: Vieles funktioniert, ohne dass wir wissen, warum.

Ach so, sagen Sandra und ich.

Und das heißt auch, fährt Claudia fort, dass Christian, der heißt ja auch noch Christian! Also dass der und seine Frau trotz allem gut zueinander passen können, hey! Der Mensch besteht doch nur zu einem kleinen Teil aus Religion und zum größten Teil aus Wasser, ihr wisst doch: Alles fließt! Durch Vermischung entsteht doch nur ein bunteres, stärkeres Leben, das macht die Menschheit reicher. Schaut euch nur mal die lebenslustigen, quirligen Kölner an. Das ist ja ein unglaubliches Völkergemisch! Und dann schaut euch den Brandenburger an. Dieses Dumpfe!

Es gibt auch dumpfe Kölner, entgegne ich. Und dieser Kölsche Klüngel! Was sind das denn anderes als mafiöse Strukturen. Die haben zu viel altes Römerblut in ihren Adern, das ist auch nicht gut.

Gammelgene, sagt Sandra.

Wie?, wundere ich mich.

Na, wenn die schon die alten Römer hatten, sagt sie ernst und geht zum Kaffeeautomaten. Trinkt ihr auch einen Kaffee?

Nein, sagt Claudia. Ich bin schon nervös genug. Zuviel Kaffee macht mich ängstlich.

Ich muss lachen. Das liegt nicht am Kaffee, Claudia, sage ich. Das hat mit deiner ganzen Art zu tun.

Sie setzt die Kartoffeln auf.

Du rechnest ständig mit dem Bösen. Das ist nicht gut, sage ich.

Sie nimmt den Topf vom Herd und gießt das Wasser wieder ab.

Was ist?, fragt Sandra.

Ich will Pommes machen, sagt Claudia. Ihr bringt mich durcheinander mit eurem Gerede.

Du redest mehr als ich, sagt Sandra. Was gibt’s denn zu den Pommes?

Majo, sagt Claudia.

Nur Pommes?, fragt Sandra. Was soll ich denn jetzt schreiben.

Mach’s kurz, sag ich. Schreib einfach: Lieber Christian, ich hoffe es geht dir gut.

Mehr nicht?

Reicht doch, sage ich. Und dann schneidest du diese fröhliche Asiatin hier aus dem Cover, ich nehme eine Zeitschrift vom Stapel neben dem Lesesessel und lege sie vor Sandra hin. Die klebst du dazu. Das transportiert doch sehr viel Optimismus, findet ihr nicht?

Claudia fängt an, die Kartoffeln in Scheiben zu schneiden und wirft einen Blick auf die Asiatin.

Ja, die sieht wirklich frisch aus, sagt sie. Schick die dem Christian.

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